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In Gonzales Hause hatte indessen die Familie wohl eine halbe Stunde vergebens mit dem Mittagessen auf José gewartet, und sein Vater – ein außerordentlich pünktlicher Mann in jeder Hinsicht und sogar peinlich darin – verlor endlich die Geduld.
»Ei, zum Henker,« rief er, »der Junge weiß, wann bei uns Essenszeit ist, und daß ich auf niemanden, nicht einmal auf den Präsidenten warten würde; er darf sich also auch nicht beklagen. Komm, Mutter, wir wollen uns hinsetzen und zulangen. Ich habe tüchtigen Appetit.«
»Aber Ana Castilia und Beatriz sind auch noch nicht zurück,« erwiderte seine Frau, »und gewiß wurden sie bei Oleaga aufgehalten. Dreimal waren sie heute dort.«
»Caramba, das scheint ja heute eine Verschwörung gegen mich zu sein; aber ohne die beiden Mädchen können wir doch nicht essen.«
»Beatriz wäre gewiß nicht über die Zeit ausgeblieben, wenn sie nicht notgedrungen mußte.«
»Nein, Mutter, davon bin ich überzeugt, aber – – das gefällt mir nicht – das ist kein gutes Zeichen, denn eine günstige Nachricht braucht nicht viele Worte. Ich fürchte, ich fürchte, es steht schlimm mit dem jungen Castilia.«
»Ist der Bote fort?« fragte die Mutter – »es wird ihr das doch einige Beruhigung sein.«
»Ach schon lange. Wir haben ihn auf die Diligence gesetzt, und die muß jetzt schon Los Teques passiert haben. Morgen mittag bekommen sie jedenfalls an der Lagune die Nachricht – käme übrigens auch ebensogut übermorgen hin,« setzte er langsamer hinzu, »denn helfen können sie doch nichts, und eine solche Trauerkunde erhält man nie zu spät. – Wo ist denn die Großmutter?«
»Auf ihrem Zimmer – ich sollte sie rufen lassen, wenn wir äßen – aber da kommt sie gerade.«
Gonzales ging eine Weile mit auf den Rücken gelegten Händen und vorgebeugtem Kopf auf der Veranda vor dem Speisezimmer auf und ab. Allerlei Dinge gingen ihm durch den Sinn, und der Hunger nebenbei konnte nicht dazu beitragen, ihn aufzuheitern.
Da klopfte es draußen – es war schon dunkel geworden.
»Na, endlich!« rief Gonzales, indem er sich rasch aufrichtete, »das werden die Mädels sein. – Nun flink, Mutter, daß wir das Essen auf den Tisch kriegen; ihre Toilette können sie nachher machen.«
Ein Diener war zur Tür gesprungen und öffnete; statt der Erwarteten betrat aber ein junger Mann, ein junger Bekannter Josés, den inneren Raum, und sich, noch während er Gonzales grüßte, umsehend, sagte er: »Ist José nicht zu Hause?«
»Nicht zu Hause? Nein!« erwiderte der alte Herr, wieder in seiner Erwartung getäuscht – »und den ganzen Tag auch nicht nach Hause gekommen. Weiß der liebe Gott, wo er steckt.«
»Dann haben sie ihn auch richtig festgehalten,« fuhr der Besuch fort, ein junger Mann, namens Salas, aus der Stadt.
»Festgehalten? Sie? – Wer? – Wen?« rief Gonzales, indem er verwundert zu Salas aufsah, »von wem reden Sie denn?«
»Von José und der Polizei.«
»Die Polizei? Und was hatte José mit der zu tun?«
»Ich weiß es nicht – gerade, als ich heute morgen über die Plaza kam, sah ich eine Masse Menschen zusammenlaufen, achtete aber nicht darauf und war auch zu sehr beschäftigt, bis ich eben, wo ich zum Mittagessen gehen will, zufällig dem kleinen Barro begegne, der mir erzählte, er habe heute morgen gesehen, daß José von Polizeidienern abgeführt und in Haft gebracht wäre.«
Der alte Gonzales erbleichte – aber er wollte sich vor dem jungen Mann, dessen Vater, wie er recht gut wußte, mit der Regierung in genauer Verbindung stand, keine Blöße geben.
»Hm,« sagte er, matt lächelnd, – »das muß jedenfalls ein Mißverständnis sein, denn ich begreife nicht, was José getan haben könnte – Unsinn!« – setzte er dann hinzu und lachte. »Ihr Freund hat sich bestimmt geirrt.«
»Das ist kaum möglich. Er kennt ihn genau und behauptete, dicht bei ihm gewesen zu sein. Es gab fast einen Auflauf in der Straße.«
»Merkwürdig – nun, ich danke Ihnen, lieber Salas, und werde mich nachher jedenfalls einmal danach erkundigen. Man weiß allerdings nicht, wie leicht in jetziger Zeit, wo überall Mißtrauen herrscht, ein Mann – vielleicht durch eine unbedachte Äußerung – in Verlegenheit kommen kann und eine Nacht auf der Wache zubringen muß, aber ich hoffe noch immer, es wird nur ein Mißverständnis sein. Es wäre mir jedenfalls sehr unangenehm, wenn sich eins meiner Familienmitglieder gegen die Gesetze des Staates vergangen hätte; sehr unangenehm in der Tat.«
»Es wird gewiß nicht von Bedeutung sein – guten Abend, Sennoritas, – Sie entschuldigen wohl mein spätes Kommen, aber ich wollte Ihnen doch Meldung davon machen.«
»Ich bin Ihnen herzlich dankbar dafür, lieber Salas.«
»Bitte – war nicht mehr als gern geschehen,« und mit freundlichem Gruß verließ der junge Mann das Haus. Der alte Gonzales aber blieb auf der nämlichen Stelle stehen, wo er ihn verlassen, und die Hände zusammenschlagend, rief er mit angstgepreßter Stimme aus:
»Der unglückselige Junge – wenn sie die Kokarde an seinem Hut finden, ist er verloren.«
Mutter und Großmutter waren ebenfalls hinzugetreten, und die erstere, die Hände im Schoß gefaltet, totenbleich in einen Stuhl gesunken.
»Ach, wie hab' ich ihn gebeten, die Kokarde abzulegen!« stöhnte sie.
Die alte Großmutter aber lachte: »Ihr solltet doch jetzt wohl gescheit geworden sein und herausgefunden haben, daß bei dem trotzköpfigen Jungen Zureden gerade so viel hilft, als ob man mit der Wand da spricht. Ich habe ihm kein Wort zugeredet, sondern ihm nur heimlich heute morgen, ehe er fortging, die Kokarde unter dem Hutband weggeschnitten – da ist sie,« sagte sie, mit der Hand in die Tasche langend. »Papiere hat er ebenfalls nicht bei sich, denn seine Brieftasche liegt auf seinem Schreibtisch – was kann ihm denn nun geschehen?«
»O, Gott sei ewig Dank!« rief die Mutter, von ihrem Stuhl emporspringend und der Großmutter unter Lachen und Weinen um den Hals fallend, »Gott sei ewig Dank – dann können sie ihn nur auf einen Verdacht hineingezogen haben, und das Schlimmste ist abgewendet.«
»Ach was,« sagte die alte Dame, »Schlimmes wäre dem Jungen auch ohnehin nicht passiert, aber aus dem Pedro seiner Geldtasche hätten sie sich ein hübsches Sümmchen herausgedrückt, darauf könnt Ihr Euch verlassen.«
»Die Mutter hat recht,« meinte Gonzales, »sie wissen ja jetzt kaum, wo sie das liebe Brot für die Soldaten hernehmen sollen – aber nun, Kinder, muß ich wenigstens essen, und dann will ich gleich einmal nachsehen, wohin sie den Jungen gesteckt, und was sie mit ihm vorhaben. Indessen kommen ja doch auch wohl die Mädchen – die arme Ana wird so nicht besonders hungrig sein – armes Ding.«
Die Familie setzte sich zu Tisch, als gleich darauf die beiden jungen Damen eintrafen. Ana ging aber gleich hinauf in ihr Zimmer – sie hatte ganz verweinte Augen und mußte mit ihrem Schmerz allein sein, und Beatriz, die selber die Lust am Essen verloren hatte, setzte sich nur mit an den Tisch und erzählte, wie es ihnen auf ihren verschiedenen Wegen gegangen.
Dreimal waren sie bei Oleaga gewesen, ohne auch nur eingelassen zu werden. Der Diener fertigte sie immer gleich an dem Tor damit ab, daß der »Sennor« nicht zu Hause sei – er auch nicht wisse, wann er käme.
»Dies Haus ist ganz zu Ihrer Disposition,« hatte der Minister zu Ana bei ihrem ersten Besuch gesagt – südamerikanische Redensart – jetzt wurde sie nicht einmal über die Schwelle gelassen.
Endlich, als sie zum viertenmal und zu einer Zeit dort vorsprachen, wo er zu Hause sein mußte und doch wohl einsehen mochte, daß er auf diese Weise die Bittende nicht ermüden und ihr ebensowenig ausweichen konnte, wurden sie eingelassen – aber nur in den Hof – in keines der Zimmer. Oleaga kam dann selber heraus – sehr kalt und förmlich, wenn auch nicht unhöflich, und sagte nach einem oberflächlichen Gruß:
»Sennorita, ich muß bedauern, Ihnen keine gute Nachricht geben zu können. Ich habe Ihnen versprochen, die Sache genau untersuchen zu lassen, und das ist geschehen; es hat sich aber wenig herausgestellt, was zum Vorteil Ihres verblendeten Bruders ausfiel. Den Mord, den er verübt – wenn er nicht vorbedacht gewesen, denn die Herren sollen schon einmal in Barcelona Streit miteinander gehabt haben – ich will das aber nicht behaupten, da es auch unwesentlich ist – könnte man vielleicht von einer Seite betrachten, von der es nicht nötig wäre, die ganze Strenge der Gesetze in Anwendung zu bringen; aber bei genauerer Untersuchung hat sich herausgestellt, daß Ihr Bruder auch als Spion in die Hauptstadt sowohl als später in das Lager des Feindes gehen wollte, daß er Depeschen bei sich trug, die zu unseligem Blutvergießen hätten führen können, und allen Dokumenten nach – die sich jetzt teils in meinen, teils in den Händen des Kriegsministers befinden – nichts Geringeres erstrebte, als die Vereinigung der bis jetzt zerstreut umherstreifenden Rebellenbanden, um mit diesen dann die Hauptstadt zu überfallen. Sie werden selber einsehen, daß Ihr Bruder unter solchen Umständen und unter einer solchen Anklage keine Persönlichkeit ist, die man der Milde des Richters empfehlen kann, und persönliche Rücksichten dürfen in diesem Falle gewiß keinen Einfluß ausüben. Auf die Gerechtigkeit des Staates kann er sich allerdings immer berufen, und daß die auch ihm wird, darüber wache ich. Mehr können und dürfen Sie nicht für ihn verlangen – ich selber habe auch mit der ganzen Sache nichts weiter zu tun. Sie ist in den Händen des Kriminalgerichts – falls dieses sie nicht an das Kriegsgericht abgibt – Sie müssen mich entschuldigen,« setzte er noch hinzu – »meine Zeit ist zu sehr in Anspruch genommen.«
Ana bat ihn noch in Todesangst, ihr nur zu sagen, wo sie ihren Bruder finden könne. Er zuckte mit den Achseln und wies sie an das Kriminalamt, drehte sich auch ohne weiteres ab und ging in sein Zimmer zurück, und es blieb den jungen Mädchen nichts weiter übrig, als sich zu entfernen. Hier, das sahen sie – war keine Hoffnung mehr.
Von da eilten sie auf das Kriminalamt und zu dem großen Gefängnis, aber einesteils wurden sie von den Beamten rauh angefahren, andernteils wußte man von dem Gefangenen dort wirklich nichts, wenigstens nicht, wie ihn Ana beschrieb. Hätte sie gesagt: ein Verwundeter und Bewußtloser, der gebunden von La Guayra heraufgeschafft ist, so würde sie allerdings jeder Beamte in das Carcel gewiesen haben; so aber paßte ihre Beschreibung nirgends, und die Leute zuckten entweder die Achseln oder wiesen sie mürrisch an die verschiedenen Gefängniswärter.
Todmüde traten die beiden Mädchen endlich, ohne ihren Zweck für heute erreicht zu haben, den Heimweg wieder an. Beatriz glaubte selber nicht, daß Ana überhaupt mehr erlangen könne, als ihren Bruder einmal zu sehen, und selbst das war zweifelhaft. Der Gang des Prozesses nahm jedenfalls seinen ungestörten Gang und konnte nicht anders als schlimm für den Unglücklichen enden.
Beatriz erschrak, als sie von der Verhaftung Josés hörte, denn was sie heute von den Gerichtsbehörden gesehen, hatte sie völlig mutlos gemacht und geängstigt. Diese Leute betrugen sich nicht, als ob sie von einer Revolution bedroht würden, die vielleicht über Nacht über sie hereinbrechen konnte, sondern schienen im Gegenteil vollkommen siegesgewiß und sich ihrer Gewalt so bewußt, als ob sie nur zu züchtigen, nicht sich auch zu verteidigen brauchten. Der Vater beruhigte sie etwas über des Bruders Lage, die sicherlich durch ein Mißverständnis herbeigerufen, oder doch nur auf einen Verdacht begründet war, also ernstliche Folgen wohl nicht haben werde. Übrigens machte sich Gonzales gleich nach Tisch auf den Weg, und ging vor allen Dingen in die Präfektur, um dort Näheres zu erfragen. Dort aber fand er niemanden, der von der Sache wußte, denn der Beamte, der dieselbe unter Händen gehabt, war nicht anwesend, und von den anderen hatte sich natürlich keiner um einen einzelnen Gefangenen bekümmert.
Nach Salas' Beschreibung war José in das Carcel gebracht – aber auch dort konnte Gonzales nichts erreichen. Allen diesen Beamten mußte jedenfalls zur Pflicht gemacht sein, über keinen der Gefangenen Auskunft zu erteilen, und nur der Schließer, dem Gonzales ein Stück Geld in die Hand drückte, schielte nach einer der Zellen hinüber, wollte sich aber auf weiter gar nichts einlassen und noch viel weniger einen persönlichen Verkehr gestatten. Dazu bedurfte es, unter jeder Bedingung, der Erlaubnis eines höheren Beamten, und daß er die, heute abend wenigstens, nicht mehr bekam, wußte der alte Herr gut genug. Die Leute lachten und schwatzten miteinander und kümmerten sich gar nicht um ihn, und selbst der ruhige Kaufmann fühlte sich über dies rücksichtslose Benehmen des unteren Beamtengesindels erbittert.
An dem nämlichen Abend, etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, schritt der Kriegsminister Montes mit General Bruzual, einem der treuesten und auch wohl einflußreichsten Anhänger Falcons, auf der inneren Veranda seines Hauses auf und ab, und das Gespräch zwischen beiden drehte sich natürlich um die im Lande – wie man sich nicht gut verhehlen konnte – immer mehr wachsende Rebellion. Hatte man doch durch die bei Castilia gefundenen Depeschen ziemlich genaue und nicht besonders erfreuliche Aufschlüsse darüber erhalten, so daß es keinem Zweifel mehr unterworfen war, daß die Sache wirklich einen ernsten Charakter annahm.
»Ich weiß nicht, ob wir gut daran getan haben,« sagte Montes, »daß wir Colina in dieser Zeit nach Calabozo schickten. Falcon bestand aber so fest darauf, daß ich nicht gut anders konnte.«
»Ich begreife gar nicht, wie er auf Calabozo kam,« entgegnete Bruzual.«
»Ich weiß es auch nicht, aber er hat geheime Quellen, aus denen er manchmal allerdings richtige, manchmal aber auch vollkommen verkehrte Nachrichten zieht, und handelt fast stets blindlings danach.«
»Es sieht bös in Barcelona aus; der alte Monagas rührt sich wieder.«
»Ich glaube nicht, daß das Volk Vertrauen zu ihm hat und seinen Versprechungen glaubt. Er will nur wieder Präsident werden.«
»Er leugnet es.«
»Bah – so viel dafür – natürlich leugnet er es, aber sobald es ihm angeboten wird, schlägt er es wahrhaftig nicht aus.«
»Man spricht von Dalla Costa.«
Montes schüttelte mit dem Kopf. »Der nimmt es nicht an, denn, ganz davon abgesehen, daß er wohl das Hoffnungslose einsieht, gegen unsere Armee, wie wir jetzt organisiert und bewaffnet sind, einen erfolgsicheren Krieg zu führen, mag ihm wohl auch bange werden, unsere jetzige Finanzwirtschaft zu übernehmen. Silva sitzt vollständig auf dem Trocknen, und ich mag gar nicht fragen, wieviel Löhnung wir selbst den gemeinen Soldaten schuldig sind, denn wir können ihnen nicht einmal die laufenden Tageskosten auszahlen.«
»Dalla Costas Betragen ist, das wenigste zu sagen, zweideutig.«
»Zweideutig?« rief der Minister – »es ist nicht einmal das mehr. Er hat allerdings die Anträge der Revolutionspartei, offen zu ihnen zu treten, wie mir Bricenno schreibt, abgelehnt, aber er weigert sich auch ebenso offen, seine Schuldigkeit gegen die Zentralregierung zu erfüllen, und hält sich dahinten in seinem Guayana so unabhängig und abgeschlossen, als ob sein Staat zu Neu-Granada oder Britisch-Guayana gehöre oder gar selbständig wäre. Jedenfalls ist es ein Böses, sehr böses Beispiel, das er damit gibt, und Falcon wird ihn zur Rechenschaft ziehen, sobald wir nur erst die Rebellion in der Nachbarschaft unterdrückt haben.«
»Und wenn wir das wollen, weshalb greifen wir da nicht an? Colina wird nach Calabozo geschickt, wo sich noch gar keine Rebellion offen gezeigt hat, und dicht bei uns, an der Lagune, liegt indessen ein förmlicher Generalstab der Rebellen und bekommt Zeit, sich zu organisieren. Wenn wir die auseinandergesprengt und aus ihrem behaglichen Nest vertrieben hätten, so würden wir Schrecken und Verwirrung unter ihnen verbreitet haben, so aber lassen wir sie ruhig gewähren und wachsen, und wissen hier, selbst in Caracas nicht einmal, wie stark sie eigentlich sind, und ob sie uns nächstens nicht mehr zu schaffen machen, als uns lieb ist.«
»Sie fürchten sich doch nicht etwa vor den Banden an der Lagune, General?« fragte der Kriegsminister lächelnd.
»Fürchten!« erwiderte Bruzual verächtlich; »aber wir sind nicht einmal mehr der Stadt selber sicher. Die Opposition der Deputierten ist zu groß; sie sind überall in der Majorität und haben hier vielen Anhang.«
»Das weiß ich, doch wir sorgen auch dafür, daß sie keinen Schaden tun,« meinte der Minister; »unsere Freunde manövrieren geschickt genug, um sie zu keinem Beschluß kommen zu lassen.«
»Aber das alles ist nichts als eine Galgenfrist. Wir verzögern die Katastrophe nur, können aber dadurch den Konflikt nie heben.«
»Darin haben Sie recht, das muß zuletzt doch das Schwert tun – aber sobald Colina dort fertig ist – und er hat nichts in Calabozo zu tun, als eine energische Regierung zu befestigen und eine hinreichende Macht von Soldaten dort zu lassen, damit wir die immer im Rücken des Feindes haben – dann kehrt er augenblicklich mit dem Rest der Truppen und allem, was er unterwegs ausheben kann, zurück.«
»Wen haben Sie zum dortigen Kommandanten bestimmt?«
»Der ist treu genug und Pedro Manuel Rojas ebenfalls – aber der steht in San Fernando viel zu weit ab. Ich wollte, wir hätten ihn und seine Soldaten hier bei uns – dort nützen sie uns wenig oder gar nichts, und hier brauchen wir sie.«
»Ich traue Rojas nicht recht,« meinte Montes.
»Wirklich? – Er ist doch Falcon zu großem Dank verpflichtet, und welchen Grund sollte er haben, sich zu den Rebellen hinzuneigen, die ihm gar nichts bieten können, während er hier alles hat.«
»Es ist möglich, daß ich mich irre. Falcon selber hält viel auf ihn, und es war sogar die Rede davon, ihn zum Designado zu ernennen.«
»Don Pedro Manuel Rojas?« rief Bruzual rasch und, wie es schien, nicht besonders erfreut über die Nachricht.
»Falcon sprach davon,« fuhr Montes fort, »aber Sie wissen selber, daß man darauf nicht viel geben kann. Er schwankt hin und her, will es mit keinem verderben und sieht nicht ein, daß er dadurch gerade zu häufig allen auf die Füße tritt.«
»Das weiß Gott!« rief Bruzual, der noch an das eben Gesagte dachte. »Er ist wie ein Rohr im Winde, und jetzt gerade tut uns ein entschieden energisches Handeln not.«
»Aber er hat dafür doch wieder andere sehr wichtige Vorzüge,« lenkte Montes ein – »und kleine Eigenheiten – vielleicht Schwächen abgerechnet, wüßte ich keinen Mann in der ganzen Republik, der besser zum Präsidenten paßte, als gerade er.«
»Hm – da Sie von kleinen Eigenheiten und Schwächen reden,« sagte Bruzual, »hat denn Falcon das Haus da drüben in der Calle Juan wirklich gekauft? Und was um Gottes willen kann er damit wollen?«
»Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben,« erwiderte der Minister, »und Silva wäre dafür eine bessere Autorität. Er ist in Verzweiflung, daß er das Geld beschaffen soll.«
»Also ist doch etwas an der Sache?«
»An dem Kauf? gewiß; aber welchen Zweck er damit verbindet, weiß ich in der Tat nicht. Nur einmal hat er gegen Silva geäußert, daß er eine befreundete Familie von Coro erwarte, die dort einziehen soll.«
»Das wäre aber eine reine Privatsache, und Silva hätte nichts damit zu tun.«
Montes zuckte mit den Achseln. »Falcon wird es als Staatseigentum behandelt haben wollen; was es bleiben soll, wenn er einmal abtritt, denn mitnehmen kann er es doch nicht. Gemietet hat er es schon lange.«
»Aber was soll der Staat mit einem solchen kleinen, erbärmlichen Hause, das früher, soviel ich weiß, einmal einem Pferdeverleiher gehört hat? Hinten ist nichts als ein langer, schmaler Stall oder Schuppen; eine anständige Familie kann er da gar nicht unterbringen, und trotzdem gibt er sich Mühe damit und verwendet Geld darauf und sieht alle Augenblick nach. Ich habe ihn sogar schon abends hinübergehen sehen. Es ist doch nicht etwa gar ein zärtliches Verhältnis?«
»Quien sabe,« erwiderte lächelnd der Minister, »doch, lieber Freund, wir haben ernstere Sachen zu besprechen. Sie verlangten neulich von mir, ich solle Ihnen Waffen schaffen? Fehlt es denn wirklich daran?«
»Allerdings,« sagte Bruzual. »Hier in Caracas haben wir natürlich alle unsere Soldaten mit Musketen versehen – ebenso in Victoria und in den Hafenstädten; die Garnisonen im Innern aber sind größtenteils auf Lanzen angewiesen, und sollte es wirklich einmal zu einem ernsten Kampfe kommen, so läßt sich mit solchen Truppen nur sehr schwer operieren. Haben die hiesigen Kaufleute keine Waffendepots mehr? Ich würde Ihnen raten anzukaufen, was Sie bekommen können, und das ist um so nötiger, als wir uns nicht der Gefahr aussetzen dürfen, es in die Hände des Feindes gelangen zu lassen.«
»Silva wird auf seine leeren Taschen zeigen.«
»Ei zum Henker! So geben Sie Anweisungen an die Douane. Es muß sein.«
»Und wenn ich die ausstelle, erläßt Oleaga oder Silva an dem nämlichen Tage einen Befehl an die Zollämter, sämtliche Auszahlungen zu sistieren, und dann sitzen mir die Kaufleute auf dem Hals. Sie haben mir's schon dreimal so gemacht.«
»Zum Teufel, dann lassen Sie die Waffen konfiszieren, wo Sie sie finden. Wir befinden uns faktisch im Kriege und sind völlig gerechtfertigt, solche Maßregeln zu ergreifen. Die Kaufleute können dann Scheine und später einmal ihr Geld bekommen.«
»Und rechnen uns nachher das Drei- und Vierfache an.«
»Bah, Engländer und Franzosen wie Spanier haben wir sehr wenig hier, es sind fast lauter deutsche Kaufleute, und die [sind] froh genug, wenn sie den einfachen Preis erhalten. Kriegsschiffe haben sie ja nicht; wie wollen sie nachher reklamieren?«
»Nun, wir wollen sehen,« meinte der Minister. »Ich werde jedenfalls nach den verschiedenen Plätzen Auftrag geben.«
»Ein dringender Befehl ist besser – ja in diesem Falle nötig.«
»Gut – auch das, wenn Sie es wollen. – Aber noch eines, Bruzual – dort auf dem Tisch liegt ein Brief von einem der deutschen Konsuln aus La Guayra. Irgend einer Ihrer Generale muß einen jungen Deutschen unter die Soldaten gesteckt haben, und der Konsul verlangt dessen Herausgabe.«
»Verlangt dessen Herausgabe? Und weiß ich – wo er steckt? Soll ich die ganze Armee mustern lassen, um einen einzelnen Deutschen herauszusuchen?«
»Er beruft sich auf die Rechte der Fremden.«
»Gut – laß ihn sich berufen. Der Konsul kann auch protestieren und es seiner Regierung melden. – Was weiter? Der Protest kommt zu den übrigen, und damit ist die Sache abgemacht. Ich will mich danach erkundigen, ja, und wenn ich ihn finde, mag er meinetwegen laufen, aber große Mühe können wir uns jetzt mit einer solchen Bagatelle nicht geben.«
»Wollen Sie den Brief beantworten?«
»Fällt mir gar nicht ein. Diese Deutschen kommen hier herüber und wollen uns das Geld aus dem Lande ziehen, ohne irgend etwas dafür zu tun. Wir schonen sie genug, und wenn auch dann einmal einer oder der andere unter die Soldaten gesteckt wird, schadet ihm das gar nichts. Werfen Sie den Wisch in den Papierkorb.«
Draußen erfolgten in diesem Augenblick ein paar Schläge mit dem Türhammer, daß das ganze Haus dröhnte und die beiden Herren sich überrascht umwandten. Sie waren ein solches rücksichtsloses Benehmen nicht gewohnt.
»Da muß etwas vorgefallen sein,« meinte Bruzual aufhorchend, »umsonst schlägt niemand so mit dem Klopfer.«
Einer der Soldaten, die hier im Hause gewöhnlich »Dienst« hatten oder als Burschen verwandt wurden, sprang nach der Haustür, öffnete diese aber nur halb und sprach eine Weile mit einem draußenstehenden Menschen – doch konnte man im Innern nichts verstehen. Endlich schloß er die Tür wieder, ohne den Einlaßbegehrenden hereinzulassen, und kam zurück und auf den Minister zu. Er hielt dabei ein Papier in der Hand, das genau so aussah, als ob er es von der Straße aufgelesen hätte, und das er vorsichtig zwischen zwei Fingern trug, indem er sagte:
»Sennor, draußen steht ein großer, breitschultriger Neger, der behauptet, Sie hätten ihn herbestellt. Er käme von La Guayra und wäre General.«
»General? – Ein Neger? Wie sieht er denn aus?«
»Bös,« sagte lachend der Soldat, »er scheint auch etwas im Kopf zu haben, und als ich ihm nicht glauben wollte, daß er General sei, hat er mir das Papier da gegeben, das ich Ihnen zeigen soll. Es sieht ebenso aus wie er selber, und ich habe ihn deshalb gar nicht hereingelassen – er steht noch draußen.«
»Caramba, Sennor,« rief Montes, »das Papier da soll ich lesen? Das ist viel verlangt. Wie heißt der Bursche?«
»Er hat einen fremden Namen, ich glaube Beraune.«
»Leg' es einmal da auf den Tisch – halt, nein – nicht so – nimm erst eine von den alten Zeitungen dort und breite sie darunter aus – so – zum Henker, die Buchstaben sind ja auf dem Wisch kaum noch erkennbar.«
»Es scheint wirklich ein Generalspatent zu sein,« sagte Bruzual, der näher getreten war und das Papier betrachtet hatte – »der Name ist S–a – das andere ist hier ganz verwischt – Brohn – Brown.«
Montes schüttelte mit dem Kopf und betrachtete das Papier und besonders die Unterschrift genauer. Er war allerdings sein Name und schien auch von ihm selber geschrieben zu sein, aber er konnte sich gar nicht mehr besinnen wann, und das Datum war total abgerissen oder vielmehr das Papier zerfetzt, als ob es naß gewesen wäre.
»Wie sieht denn der Bursche aus, anständig?«
Der Soldat schüttelte mit dem Kopf. »Ein reines Hemd hat er an,« sagte er, »aber es ist ihm viel zu eng und steht vorn auseinander. In den Kleidern sieht er aber eher einem Peon ähnlich, und Fäuste hat er, so breit, wie meine zwei zusammen.«
»Lassen Sie ihn doch einmal des Spaßes halber hereinkommen,« meinte Bruzual. »Er hat das Papier jedenfalls gefunden und sucht es nun zu einer Bettelei zu benutzen. Nachher schicken Sie ihn einfach ins Carcel und lassen ihn da seinen Rausch ausschlafen.«
»Das Patent scheint wirklich echt zu sein,« entgegnete Montes, »ich möchte selber wissen, woher er es hat – schick' ihn einmal herein und dann bring' ein paar von den Leuten in den Hof, wenn wir sie etwa brauchen sollten.«
Der Soldat ging zurück und kam gleich darauf mit unserem alten Bekannten Samuel Brown durch den schmalen Gang. Der Neger schien aber mit der Behandlung nicht recht zufrieden, daß man ihn hatte so lange auf der Straße stehen lassen. Er brummte den ganzen Weg etwas in den Bart und blieb erst mit einer kurzen, ungeschickten Verbeugung stehen, als er den General Bruzual, den er selber recht gut kannte, denn er hatte sogar unter ihm gedient – neben dem anderen bemerkte, der also der Kriegsminister sein mußte.
»Wie heißen Sie?« fragte Montes kurz, ohne den Gruß zu erwidern.
»Samuel Brown, Sennor,« lautete die Antwort, »der Name steht da drinnen in dem Patent.«
»Woher haben Sie das Papier?«
»Das Papier? – Woher?« erwiderte verwundert der Neger, »woher soll ich es haben, als vom Kriegsministerium. – Zugeschickt erhalten in aller Ordnung, mit dem Titel als General und dreihundert Pesos monatlich.«
Samuel Brown sah für seine offizielle Vorstellung nicht günstig aus. Von einem Freunde hatte er sich allerdings ein reines, weißes Hemde geborgt – aber wie der Soldat schon bemerkt hatte, es war wohl schwer gewesen, ein für diese Schultern passendes zu finden. Vorn stand es ihm eine gute Handbreit auseinander und zeigte die schwarze nackte Brust, und seiner Jacke schien die Nacht auf der Straße und eine spätere Schlägerei auch nicht zum Vorteil gereicht zu haben. Selbst seine Hose zeigte auf dem linken Knie einen Riß, und das Gesicht war – wenn auch jetzt abgewaschen, doch aufgedunsen, und das eine Auge etwas angeschwollen.
Bruzual sah Montes an und dieser schüttelte mit dem Kopfe und studierte wieder in dem kaum noch lesbaren Papier. Endlich sagte er zu Bruzual in französischer Sprache:
»Ich erinnere mich allerdings, vor etwa vier Wochen auf den dringenden Wunsch Colinas einige Patente für Leute ausgestellt zu haben, die ich nicht persönlich kannte, für die sich jedoch der General verbürgte. Es ist aber doch nicht denkbar, daß er dieses Tier vorgeschlagen haben könnte.«
»Das wäre in der Tat ein angenehmer Kollege,« erwiderte Bruzual trocken in derselben Sprache, »übrigens haben wir schon ganz hübsche Exemplare von Generälen aufzuweisen, wenn auch noch kein solches. Ich traue es Colina aber zu.«
»Falcon wäre außer sich, wenn er den Menschen sähe.«
»Hm – wer weiß?« erwiderte der General, – »er hat manchmal einen eigentümlichen Geschmack. Übrigens habe ich den Burschen schon früher gesehen; ich kann mich nur nicht erinnern, wo? Ich glaube als Soldat.«
Der Neger stierte einen nach dem anderen der beiden Herren an, während sie zusammen sprachen, – denn er verstand von dem, was sie sagten, keine Silbe, und wußte doch recht gut, daß es nur über ihn sein konnte.
»Sie sind also derselbe, wie heißt der Name gleich? Samuel Brown, der hier in dem Patent genannt ist?« wandte Montes endlich an den Neger.
»Derselbe, natürlich,« erwiderte Samuel, bei dem der alte Trotz anfing zu erwachen, denn die Behandlung gefiel ihm in seiner jetzigen Stellung immer weniger. »Wäre sonst nicht heraufgekommen nach Caracas – nur weil Exzellenz befahlen, daß ich mich präsentieren sollte.«
»Wer? – Der Präsident?«
»Nein, Sie selber.«
»Ich? – Ich weiß kein Wort davon,« rief Montes, »und hab nicht danach verlangt. Wo haben Sie bis jetzt gestanden?«
»In La Guayra, aber in dem Briefe stand's geschrieben.«
»In welchem Brief?«
»Und wo ist der?«
»Ja,« knurrte der Neger, »wo das Ding jetzt hingekommen ist, weiß ich selber nicht, aber ich bin mit der Diligence heraufgefahren.«
»Das ist jedenfalls ein Irrtum.«
»Hm, wäre mir nicht lieb, und alle meine Sachen haben sie mir außerdem in der ersten Nacht hier gestohlen – und all' mein Geld dazu. Wollte Sie auch nur bitten, mir abschläglich die erste Monatsgage auszuzahlen, damit ich mir Uniform und was dazu gehört, kaufen kann, denn so haben die Soldaten keinen Respekt vor mir, bis ich sie erst einzeln unter die Fäuste kriege.«
»Lieber Freund,« antwortete Montes – »ich kann Ihnen gar nichts auszahlen lassen, bis ich mit dem General Colina über die Sache gesprochen habe, denn ich fürchte, es ist bei dem ganzen Patent ein Irrtum vorgefallen. General Colina ist aber gegenwärtig auf einem Zug ins Innere begriffen und kann vor vierzehn Tagen oder drei Wochen kaum wieder zurück sein. Bis dahin müssen Sie sich gedulden. Nachher fragen Sie einmal wieder vor.«
»Und kein Geld soll ich haben?« rief der Neger verwundert.
»Ich kann Ihnen keins anweisen,« sagte Montes, mit den Achseln zuckend. »Wenn General Colina zurückkommt, werden wir hören, wie die ganze Sache steht. Bis dahin müssen Sie Geduld haben.«
»Und wovon soll ich die ganze Zeit hier in dem Caracas leben, wo ich keine Katze kenne? – Schulden hab' ich schon jetzt gemacht, und keinen Centabo in der Tasche, um sie zu bezahlen – und Kredit hab' ich ebensowenig.«
»Das tut mir leid,« erwiderte Montes, »aber weshalb sind Sie überhaupt von La Guayra heraufgekommen. – Was haben Sie dort getrieben?«
»Was ich dort getrieben habe? Soldat war ich – Unteroffizier.«
»Als General soll ich doch wohl nicht in der gewöhnlichen Soldatenjacke reisen?«
»Und man hat Sie dort beurlaubt?«
»Nun natürlich, auf das Patent und den Brief hin.«
»Ich glaube das beste wird sein,« warf Bruzual ein, »der Mann geht ruhig wieder nach La Guayra hinunter und tritt in seine Kompagnie zurück, bis Colina nach Caracas kommt.«
»Daß sie mich unten alle verhöhnen und auslachen und General nennen, nicht wahr? Verdammt will ich sein wenn ich's tue,« rief der Neger, seine rechte Faust in die linke Hand schlagend, »ich würde meines Lebens nicht wieder froh, und kann mich, so wie ich jetzt bin, vor keinem Menschen da unten mehr sehen lassen.«
Montes war die Sache höchst fatal, denn diesen Burschen konnte er doch wahrhaftig nicht dem Präsidenten als General vorstellen, und was sollte er jetzt mit ihm anfangen?
»Gut,« begann er wieder nach einer Weile, indem er in die Westentasche griff, »ich will sehen was sich tun läßt. Ehe General Colina aber zurückkommt, kann ich in der Sache nicht vorgehen. Es trifft sich unglücklich, aber da Sie vielleicht keine Schuld daran tragen, so nehmen Sie dies indessen und wir wollen dann sehen, wie es weiter wird.« Dabei drückte er ihm ein Goldstück – eine halbe Unze – in die breite Hand und der Neger besah sie eine ganze Weile. Aber es war doch Geld – eine Abschlagszahlung auf seine Unterhaltungskosten – jedenfalls wußte er sich eines fidelen Abends sicher. Nachdem er das Stück ein paar Sekunden betrachtet hatte, sagte er:
»Gut, Exzellenz, dann wollen wir's vorderhand dabei lassen. Wenn das alle ist komme ich wieder. Lieb wäre mir's aber, wenn ich wenigstens eine anständige Uniform bekommen könnte, damit die Soldaten wüßten wen sie vor sich haben.«
»Das alles muß General Colina anordnen. Wenn er zurückkommt, sprechen wir weiter darüber.«
»Das ist eine wunderliche Geschichte,« brummte der Neger. »Ich dachte immer, das hätte der Kriegsminister zu besorgen. Aber meinetwegen; es wird so schon dunkel, und ich muß mich nach einem Nachtquartier umsehen,« und damit schritt er zum Tisch, um sich sein Patent wieder zu nehmen. Montes aber wollte ihn daran verhindern.
»Lassen Sie mir das Papier lieber hier,« sagte er, »damit ich es einmal mit dem Register vergleichen kann.«
»Möchte ich nicht gern,« meinte der Bursche mißtrauisch, »man weiß nachher nie was damit geschieht.«
»Ich würde es ihn ruhig mitnehmen lassen,« bemerkte Bruzual wieder auf französisch, »wenn er das noch zwei Tage auf diese Weise bei sich trägt, ist nachher auch kein Fetzen davon übrig.«
Montes mochte diese Ansicht teilen, und er winkte dem Neger zu, das Papier ruhig mitzunehmen. Dieser faltete es denn auch wieder mit den dicken, ungeschickten Fingern zusammen, schob es in die Brusttasche seiner Jacke und mit einem kurzen Buenas noches, Señores! kehrte er sich ab und schritt den Gang hinunter, wo ihm der Soldat bereitwillig die Tür öffnete. Er war selber froh, den ungeschlachten Menschen im guten loszuwerden.