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Afrika.


E Eine allen Wünschen der Ethnographen Rechnung tragende Einteilung der zahlreichen Völker des alten schwarzen Weltteils ist noch nicht gefunden worden. Wir führen die verschiedenen Völker in der dem heutigen Stand der ethnographischen Wissenschaft ungefähr entsprechenden Reihenfolge auf, indem wir mit den mittelländischen Völkern im Norden des Weltteils beginnen. Es folgen dann die Übergänge zu den Negervölkern im Süden der Sahara und in den Küstenländern des Nordostens, alsdann die eigentlichen Neger, die vom Kilima Ndjaro bis zum Süden und Südwesten verbreitete Bantufamilie, die Faltenhaut- und die ihnen verwandten Zwergvölker, und, nachdem wir einen Besuch der Bevölkerung Madagaskars abgestattet haben, die Bastards und die weißen Bewohner Südafrikas.

Die Frauen der Mittelländischen Völker.

Die allgemeine Vorstellung, als sei Afrika ausschließlich der Weltteil der schwarzen Rasse, wird zunichte, wenn man die Bekanntschaft der Völker Nordafrikas macht. Das weite Gebiet vom Kap Blanco am Atlantischen Ozean bis zum Roten Meer, vom Mittelländischen Meer bis zum Süden der Sahara, das ein Areal nicht viel kleiner als Europa umschließt, wird von Völkern bewohnt, die in enger Verwandtschaft zu denen Europas stehen. Sie sind Angehörige der großen Mittelländischen Rasse, und sie gleichen den Europäern nicht nur in der Farbe ihrer Haut, die öfters wohl von der Sonne gebräunt, nicht selten aber von reinstem Weiß ist, sondern vor allem auch in ihrem Schädelbau, in den Zügen ihres Antlitzes. Daß bei ihnen hier und da auch Vermischungen mit Negervölkern vorgekommen sind, werden wir noch erfahren.

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Abb. 320. Berberin aus dem südlichen Algier.

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Abb. 321. Berberinnen.

Nun stößt man aber bei der Einteilung dieser Nordafrikaner auf große Schwierigkeiten; denn es wohnten nebeneinander und mischten sich seit fast ein und einem halben Jahrtausend Völkerfamilien, die zwar der gleichen mittelländischen Rasse, aber doch sehr verschiedenen Abteilungen derselben angehören; so die hamitischen Berber und die semitischen Araber. Nur wenige sind rein geblieben. Für die Bezeichnung aller dieser Völker aber schwirren Namen umher, in denen sich kaum der Ethnograph, geschweige denn der Laie zurecht findet. Wer will heute in Nordafrika mit Gewißheit sagen, was ein Berber, ein Kabyle, ein Maure, ein Araber ist? Wird nun auch in den folgenden Artikeln der Versuch unternommen, diese Völker besonders zu gruppieren, so soll daraus nicht gefolgert werden, daß eine scharfe Unterscheidung beabsichtigt ist. Das gleiche läßt sich auch von unseren Abbildungen sagen. Mancher Typus, der hier als Kabylin bezeichnet wird, würde von andern vielleicht Berberin oder Maurin genannt werden und vice versa.

Machen wir zunächst die Bekanntschaft der

 

Berberin.

Der Volksstamm der Berber bildet die autochthone Bevölkerung des Nordrands von Afrika. Es sind dies dieselben Völker, die wir aus der Geschichte durch ihre Kämpfe mit den Römern, wie mit den Vandalen kennen. Doch dürften sie sich schon in alten Zeiten mit arabischen und Negervölkern mehr oder weniger vermischt haben, so daß man die reinen Berber heute eigentlich nur in einem ihrer Zweige, in den Kabylen, von denen im nächsten Artikel gesprochen werden soll, kennen lernen kann. Mit dem Namen Berber wird in Nordafrika viel Mißbrauch getrieben. So hört man von schlechten Kennern selbst die rein arabische Bevölkerung nicht selten als Berber bezeichnen, was natürlich ganz falsch ist. Mit mehr Recht nennt man so die mit negroiden (aber nicht mit arabischen!) Elementen vermischten Landeskinder, die im wesentlichen einen mittelländischen Typus präsentieren. Von den Frauen dieses Volkes wollen wir hier sprechen.

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Abb. 322. Algerische Berberin. Trotz des unverkennbaren negroiden Einschlags deuten die Züge dieses Typs im wesentlichen auf eine Zugehörigkeit zur Mittelländischen Rasse.

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Abb. 323. Berberin. (Vgl. mit den verwandten Typen Abb. 324 und 325.)

Die Berberin hat eine länglich ovale Gesichtsform, ein vertikales Profil, eine hohe und breite, zuweilen auch mehr rundliche und fliehende Stirn. Das Haar ist meist dunkel, aber nicht selten blond; auch finden sich hier und da blaue Augen. Unterhalb der Wangenbeine zieht sich das Gesicht stark zusammen. Die Nase ist meistens schmal und fein geformt, zuweilen aber stark adlerförmig und von der Stirn scharf abgesetzt. Dicht nebeneinander, gleich einem kostbaren Perlenkranz, stehen die kleinen, weißen Zähne. Der Ausdruck der Züge, obwohl sie nicht selten von edlem Schnitt sind, ist gewöhnlich kalt und streng. Die Männer halten kleine, kluge Augen und Gazellenschlankheit für besondere Schönheitszeichen der Frauen. Leider verblüht die Schönheit der Berberinnen oft schnell infolge der frühen Heiraten und des harten Lebens. Im Alter von 25 Jahren zählen sie meist schon zu den alten Weibern und Großmüttern, und ihre Züge sind dann meist recht häßlich.

Fr. Ohle hat die Berber in der Wüste Beni Guil am Nordfuß des Atlas und im Süden Marokkos kennen gelernt. Stämme, die noch in patriarchalischer Beschaulichkeit leben. Die Gesichtszüge dieser Berberinnen sind durchweg schön und regelmäßig, die Haut ist vom dunkeln bis zum hellsten Braun getönt, »so daß man Italienerinnen oder Spanierinnen zu sehen glaubt. Die Frauen dieser kraftvollen Hirtenstämme«, erzählt Ohle, »üben in ihrem Bereich oft eine Herrschaft aus, der sich der Mann unbedingt beugt. Manchmal spricht die Frau sogar in Stammesangelegenheiten infolge ihrer höheren Intelligenz ein sehr gewichtiges Wort mit. Sie führt die Zeltwirtschaft, pflegt die Kinder und sitzt am Webstuhl, an dem sie die Kleiderstoffe, die Zelttücher und die Teppiche mit fleißiger und oft sehr kunstgeübter Hand herstellt.«

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Abb. 324. Eine Frau aus der Wüste Beni Guil.

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Abb. 325. Berberin aus dem Süden.

Die Tracht der Berberin besteht hauptsächlich aus einem langen, tunikaartigen Gewande, das von einem um die Taille laufenden Gürtel zusammengehalten wird. Ein Schleier zur Verhüllung des Gesichtes wie bei der Araberin wird nicht gebraucht. Ihr Schmuck besteht meistens aus Hals- und Armbändern, Ketten und Schnallen, Ringen und andern Objekten von verschiedenem Metall und Wert.

Die Berberin ist äußerst fleißig. Gern wälzt der Mann die härtere Arbeit auf die Schultern des Weibes. Daß sie nicht ohne Ansehen bei ihrem Stamm ist, haben wir aus vorhergehenden Zeilen kennen gelernt. Sie weiß auch voller List den polygamischen Neigungen ihres Gatten entgegenzuarbeiten.

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Abb. 326. Junges Berberweib von der Oase Bou Saâda im südlichen Algier.

Der Berber zahlt im allgemeinen kein eigentliches Kaufgeld für sein Weib; denn das, was er hergibt, dient dem Schwiegervater zur Anschaffung des Brautstaates. Doch gibt es auch andere Gebräuche. So wird in fast ganz Marokko die Frau vom Manne gekauft. Je nach dem Alter und Reichtum des Schwiegervaters und dem Werte und Alter des Mädchens zahlt er dem ersteren ein Kaufgeld, das sich zuweilen auf 25 Kamele und 200 Schafe beläuft. Gleichzeitig liefert er noch die gesamte Ausstattung der Braut, in der eine Auswahl kostbarer Schmuckgegenstände inbegriffen ist. Im Süden Marokkos nimmt das Mädchen nichts aus dem Zelte des Vaters mit in das Heim ihres Zukünftigen.

 

Die Kabylin.

Da mit dem Namen »Kabylen« die unvermischten Nachkommen der alten Berber bezeichnet werden, wäre eigentlich »Berberin« die richtige Benennung für die Frau, von der wir hier sprechen wollen. Sie ist vornehmlich in der Provinz Constantine von Algerien, dem alten Numidien, zu Hause, wo sie sich in ihrer steinigen Heimat in einem harten Sklavendasein nicht gerade als Schönheit entwickelt hat. Nur ihre Augen gelten als eindrucksvoll. Dagegen sollen sich in Ghadames, wo ihnen in einer blühenden Landschaft reichere Lebensfreuden blühen, Kabylinnen von wahrhaft klassischer Schönheit finden.

Fr. Ohle hat kabylische Stämme im Süden Marokkos besucht. Leicht geschürzte Frauen und Mädchen, die mit kecken, lachenden Augen in die Welt blicken und sich freuen, wenn ihre Schönheit Bewunderer findet. »Und wirklich: schön sind die Mädchen in Marokko«, ruft er aus. »Aber diese unbändigen Naturtöchter der Atlasberge besitzen eine ganz eigenartige Schönheit, an die der Europäer sich erst gewöhnen muß. In den Jahren, wo bei uns das Mädchen noch in den Kinderschuhen steckt, hat die Marokkanerin sich schon zur üppigsten Blüte entfaltet.« Ohle behauptet, daß er selten schönere Frauengesichter und ebenmäßigere Frauengestalten gesehen hat als im Süden Marokkos. Einst traf er ein glückstrahlendes Weib vor den Toren von Fes, deren faszinierende Schönheit ihn überraschte. Sie trug ein Kind auf dem Rücken und führte einen dreijährigen Buben an der Hand. Beides waren ihre eigenen Kinder. Und diese Mutter war – sage und schreibe – zwölf Jahre alt!

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Algerische Kabylin.

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Abb. 327. Algerische Berberin.

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Abb. 328. Kabylenfrau.

Im allgemeinen ist die Kabylin sehr klein, aber gut gebaut. Der Gesichtsschnitt ist weniger oval als bei der Araberin; die ganze Form des Kopfes erscheint kantiger, männlicher. Charakteristisch ist die stumpfe, an der Spitze leicht aufgestülpte Nase und das runde, etwas zurücktretende Kinn. Die Stirn ist gerade, der ziemlich große Mund von dicken Lippen umschlossen. Die Muskulatur an den Gliedmaßen ist ziemlich ausgeprägt. Die Gelenke sind fein gebildet, Finger und Zehen von schöner Formung. Die Hautfarbe erinnert an die der Südeuropäerin. Übrigens sind blondes Haar und blaue Augen keine Seltenheit unter ihnen. Im ganzen wirkt die Erscheinung der Kabylin ernst, fast düster.

Das Hauptübel der Kabylin ist ihre Unsauberkeit, die jedoch auf die Ärmlichkeit des Volkes – es kampieren bis zu neun oder zehn Menschen gemeinschaftlich mit den Haustieren in einem Raume – zurückzuführen ist.

Die Kabylin ist mit bunten, losen Gewändern und einer turbanartigen Kopfbedeckung bekleidet. Sie liebt es gleich der Berberin sich mit Tand über und über zu behängen.

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Abb. 329. Junge Kabylin aus Algier.

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Abb. 330. Riffkabylin von der marokkanischen Küste.

Bei ihrem Volk ist sie durchaus geachtet. Sie genießt auf ihren Wegen und Ausgängen vollkommene Freiheit und geht auch unverschleiert; trotz alledem ist ihr Dasein, wie gesagt, ein hartes und arbeitsreiches. Als Gattin ist sie von ihrem Manne gekauft worden; mißfällt sie ihm später, so schickt er sie mit einer bestimmten Summe Geldes den Eltern zurück. Die Kabylin ist von exzessiver Sinnlichkeit, wenngleich sie im gewöhnlichen Umgang nichts davon merken läßt. Im übrigen ist sie sehr tapfer und pflegt ihrem Mann in Kämpfen zur Seite zu stehen.

Schweiger-Lerchenfeld weiß viel von dem Familienleben der Kabylen, aber leider nicht viel Gutes zu erzählen. Besonders sollen häusliche Angelegenheiten, wie beispielsweise die Ehescheidungen, Veranlassung zu Parteistreitigkeiten geben. Der Kabyle kauft – wie wir schon sagten – sein Weib. Will ein junger Mann heiraten, so verständigt er sich mit dem zukünftigen Schwiegervater wegen des Betrages, den er für seine Tochter zu zahlen hat. Bald wird die Angelegenheit im ganzen Dorfe bekannt, und gleich findet sich ein Neider, der willens ist, eine größere Summe zu zahlen. Der Vater bricht nun sein Versprechen, und zwischen den Familien der beiden Bewerber brechen endlose Fehden aus. »Der benachteiligte Bräutigam kann zwar bei der nächsten Behörde klagen, dann aber ist meist schon Blut geflossen, und wenn die Angelegenheit auch endgültig zugunsten des Klägers geschlichtet wird, leuchtet gleichwohl ein, daß der Zwischenfall den Keim zu weiterem Haus-, Familien- oder Stammeszwist in sich schließt.«

 

Die Targi.

Die Tuaregs oder Tuariks sind ein berberischer Stamm, der mit manchen ritterlichen Allüren ein wildes, zügelloses Leben in den Oasen der Sahara führt. Ob die Tuaregs unvermischte Berber sind? Die Ethnographen halten sie für stark vermischt mit Negern. Und doch wacht der Tuareg über die Reinheit seines Stammes. »Der Mutterleib färbt das Kind«, lautet eines seiner Sprichwörter. Danach ist das Kind eines Edlen und einer Sklavin stets ein Sklave, das Kind eines Sklaven und einer edlen Frau aber ein Edler.

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Abb. 331. Kabylin vom südlichen Algier mit geringem negroidem Einschlag.

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Abb. 332. Junges Kabylenmädchen von Bou Saâda, im südlichen Algier.

Die Targi – so lautet die Einzahl von Tuareg – ist besonders in der Jugend oft ganz weiß, sonst auch leicht gebräunt; vollständig weiß erscheinen stets die von der Kleidung bedeckten Stellen des Körpers. Sie ist von hohem Wuchs, hat schwarzes, glattes Haar, eine ovale Gesichtsform und regelmäßige, oft angenehme Züge. Die Stirn ist hoch, die Augen sind gewöhnlich schwarz, zuweilen blau, was als höchste Schönheit gepriesen wird, die Nase ist klein und gerade, der Mund von mittlerer Größe. Hände und Füße sind klein und wohl geformt. Das Haar wird am Scheitel kurz getragen und hinten oder seitlich in zwei Zöpfe geflochten. Diese Frauen werden von enthusiastischen Berichterstattern öfters für den schönsten Menschenschlag Afrikas gehalten.

Die Targi weiß sich die Vorzüge ihres Körpers viel länger zu erhalten, als die Araberin, trotzdem sie ihre Reize dem trockenstaubigen Wüstenklima aussetzt, da sie unverschleiert geht, während – eigentümlich genug – ihr Mann sich gegen das Licht und den Staub der Sahara durch einen Schleier schützt. Im übrigen tragen Männer wie Weiber die gleiche, aus mehreren weißen oder dunkelblauen Gewändern bestehende Kleidung, Frauen pflegen außerdem spärlichen Schmuck anzulegen.

Es herrscht fast ausnahmslos Einweiberei, und zwar heiraten die Mädchen selten vor dem zwanzigsten, die Männer fast nie vor dem dreißigsten Jahre. Die Stellung der Frau ist eine glänzende. Die Ritterlichkeit, die die Tuaregs ihren Frauen entgegenbringen, hat für die Genossinnen der Asdscher, eines großen Zweiges der Tuaregs, den Beinamen Timanokalin, d. h. königliche Frauen, geschaffen. Bei den Mahlzeiten, bei Festen, überall wird der Frau der erste Platz eingeräumt. Aber reichlich verdient sie auch dieses Los. Sie ist es, die die Geschäfte des Mannes leitet und seine Gelder spart und häuft – allerdings führt sie auch ihre eigenen Geschäfte und ist oft wohlhabender als ihr Gatte. Ihr allein ist auch der Unterricht der männlichen und weiblichen Jugend anvertraut, und unter den Edlen des Stammes wird man niemals eine unwissende Frau treffen. Sie musiziert, sie dichtet Liebeslieder, ja, oft feuert sie durch eigene Kriegsgesänge die Männer zum Kampfe an.

Es finden sich Gebräuche, die an die Minnezeit im Mittelalter erinnern. So stickt die Targi auf den Litham ihres Ritters einen Lobspruch oder schreibt einen Glückwunsch auf seinen Schild, während er selbst ihren Namen in einen Felsen gräbt oder die Tugenden seiner Schönen öffentlich preist.

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Abb. 333. Jugendliche Kabylin.

Vielleicht ist ihre emanzipierte Stellung die Ursache, daß die Züchtigkeit des Tuaregweibes nicht durchaus einwandfrei ist. Nur bei den stolzen Stämmen der oben erwähnten Asdscher und bei den Hoggar sollen die Frauen ihre Leidenschaften besser zu zügeln wissen. Es sind noch Reste einer ehemals vermutlich rein matriarchalischen Verfassung bei ihnen anzutreffen; so erbt die Häuptlingswürde nicht der Sohn des Häuptlings, sondern der Sohn seiner Schwester.

Die M'zabiten oder Beni-Msab sind ein anderer Berberstamm, der mitten in der Sahara, im südlichsten Teile Algeriens wohnt. Sie sind ein fleißiges Volk von Handelsleuten und Handwerkern, das 50-60 000 Seelen zählt. Sie halten zwar ihre Frauen, die ihnen eine Mitgift in die Ehe bringen, in strenger Abgeschlossenheit, doch sind diese die unumschränkten Gebieterinnen im eigenen Hause. Um so mehr Freiheit genießen die jungen Mädchen, denen es obliegt, Besorgungen jeder Art außerhalb des Hauses zu machen. Sie sind durchgehends hübsch, haben große Augen und feine Gliedmaßen. Ihr Haar, das sie meist unbedeckt tragen, ordnen sie in bizarren Frisuren. Die M'zabitinnen sind weit berühmt wegen ihrer vortrefflichen Webereien.

 

Die Maurin.

Unter Mauren versteht man allgemein das städtebewohnende, aus Arabern und Berbern hervorgegangene Volk, das sich über den ganzen Nordrand Afrikas ausbreitet und in Marokko einen wesentlichen Bestandteil der Städtebevölkerung bildet. In neuerer Zeit haben die Mauren zweifellos auch viele andere Elemente in sich aufgenommen, und von den Mauren Marokkos steht es fest, daß mancher Tropfen spanischen Blutes in ihnen fließt. Zu jener Zeit, als die Flagge Mohammeds über der iberischen Halbinsel wehte, als die prachtliebenden, schwelgerischen Moriskos vor der einheimischen Bevölkerung die Wunder des Orients ausbreiteten, ist auch manches spanische Kind in die Harems der morgenländischen Großen gezogen. So ist es zu erklären, daß wir im Antlitz vieler Maurinnen von reinem, d. h. vor allem nicht mit negroiden Elementen versetztem Geblüt, die klassischen Züge der Römerin wiederfinden.

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Abb. 334. Kabylin aus dem Süden. Bemerkenswerter Typ von fast reiner mittelländischer Rasse.

Die Maurin ist in ihrer Jugend anmutig, wird aber im Alter fett und häßlich. Doch ist zu bemerken, daß die Beleibtheit gesucht wird, weil die Männer sie preisen; diesen zu Gefallen machen die Maurinnen oft wahre Mastkuren durch.

Die Maurin geht stets verschleiert; höchstens wagt sie, gleich der Türkin, in verstohlenen Augenblicken ihren Schleier vor einem »Nasrenen« zu lüften. Zu Zeiten der Blüte ihres Volkes hoch geachtet, ist sie den Männern ihres Stammes heute ein untergeordnetes Wesen; im Dunkel tiefster Unwissenheit verbringt sie ihr ödes Leben, obschon man ihr einen lebhafteren Geist und eine gewisse Kultur, die von der der Araberin absticht, zuschreibt.

Männer wie Frauen sind weiß gekleidet. Die Tracht der letzteren besteht aus einem langen Gewande, über dem eine Art Jackett, buntfarbig und reich gestickt in Gold oder Silber, getragen wird. Dazu ein Paar bauschiger, schön gearbeiteter Beinkleider aus grünem, blauem oder rotem Kaschmir.

Die Maurin ist über alle Maßen Liebhaberin von Schmuckwerk. Ein halbes Dutzend massiver Armbänder ist wohl das wenigste, womit sich eine ärmere Frau schmückt, während die wohlhabenderen sich mit Gold, Silber und Edelsteinen förmlich spicken.

Polygamie wird von allen Mauren geübt, die sie sich erlauben können. In den Harems wird das Weib vor den Blicken anderer Männer so behütet, wie es in anderen Ländern des Orients gebräuchlich ist. Ihre sexuelle Lüsternheit soll intensiv sein. Wird der Gatte des Weibes überdrüssig, so schickt er sie fort; doch vermindert das nicht ihren Wert in den Augen vieler anderer Männer, die besonders nach entlassenen Frauen aus den Harems der Mächtigen begierig sind.

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Abb. 335. Riatamädchen, eine marokkanische Schönheit.

Es hält schwer, für die Maurin einen bestimmten Typus aufzustellen, da sich mit jedem Grad, den man von Norden nach Süden fortschreitet, ihr Äußeres verändert. Es sei nur gesagt, daß die Frauen der Mittelmeerküste sehr hell, etwa wie Südeuropäerinnen, im tiefsten Süden aber, wo der Negereinfluß am stärksten, völlig schwarz sind. Auch unter diesen, vielleicht sogar besonders unter diesen dunkelsten Maurinnen, finden sich in großer Anzahl Gestalten von vollendeter Schönheit und Grazie, deren begehrliche Blicke schon manchem Europäer gefährlich geworden sind. Die verführerisch schönen Frauen der nomadisierenden Stämme in den Oasen der Sahara, deren Haut wieder von reinem Weiß ist, können nicht als Maurinnen betrachtet werden. Sie sind vielmehr den Berberinnen zuzurechnen.

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Abb. 336. Maurische Wasserträgerin.

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Abb. 337. Junge Maurin.

Von den maurischen Harems sagt Fr. Ohle, daß sich ihre Geheimnisse, weil die Abschließung eine weit strengere ist als in der Türkei oder in Ägypten, gar nicht ergründen lassen. »Nur bei Gelegenheit gewisser Feste, bei Hochzeitszügen und Straßenschauspielen, sieht man auf den flachen Dächern der Häuser eine Anzahl vermummter weiblicher Gestalten auftauchen, so daß man sich ungefähr einen Begriff machen kann, wie viele Frauen in einem Hause, das immer nur von einer Familie bewohnt wird, vorhanden sind.« In der Tat sieht man zuweilen zwanzig und mehr Frauen auf den Häusern, deren Besitzer noch nicht einmal zu den reichsten des Ortes gehört. Es ist völlig ausgeschlossen, daß ein Fremder, und sei er der intimste Freund des Hausherrn, jemals nur einen Blick in die Frauenabteilung tut. »Daß der Treibhausluft des Harems kein gesundes und kraftvolles Geschlecht entsprießen kann, bezeugen die in ihrer Entwicklung zurückgebliebenen Mädchen und die zahllosen Jammergestalten, denen man in den Straßen der marokkanischen Städte und Dörfer so häufig begegnet.« Auch Ohle, der jahrelang in Marokko gelebt hat, berichtet, daß die Haremsfrau, »die ihr trauriges Dasein ohne ernste Pflichterfüllung mit Spiel und Tand verbringt«, nur eine erniedrigende Stellung einnimmt. Darin widersprechen ihm aber andere Kenner des Landes, die behaupten, daß der Marokkaner in seiner Gattin – also jedenfalls der Hauptfrau, falls er überhaupt mehrere Frauen besitzt – seine treue Lebensgefährtin sieht, der er stets seine intimsten Angelegenheiten, seine Sorgen und Freuden anvertraut, auf deren Klugheit er rechnet, und ohne deren Ratschläge er kein Geschäft unternehmen würde. Auch die Polygamie als das allgemein gebräuchliche Eheverhältnis wird von andern Kennern bestritten. Schweiger-Lerchenfeld erwähnt ebenfalls die sehr strenge Haremsklausur, gibt aber die Einehe als die Regel an. Aus eignen Erfahrungen weiß ich allerdings zu berichten, daß die begüterten Mauren Marokkos meist wohl die polygamische Ehe vorziehen. Nach dem letztgenannten Schriftsteller gelten die Frauen zwar als treu, »doch wird ihnen nachgesagt, daß sie leichtfertig sind und wenig Anstandsgefühl besitzen. Auf der Straße freilich, wo sie in abenteuerlicher Vermummung einhergehen und sich ungemein weltflüchtig benehmen, läßt sich derlei nicht beurteilen. Dagegen mag das ungebundene Treiben auf den Häuserterrassen der Koketterie und Ausgelassenheit sehr förderlich sein. Man zeigt sich hier sozusagen öffentlich, obwohl man daheim ist, hinter Mauern und Haremsgittern …«

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Abb. 338. Maurin.

Die afrikanische Araberin.

Die Araber, einst die Herren über ganz Nordafrika, sind noch heute das dominierende Element in Marokko und im westlichen Algier; sie finden sich über die ganze Küste, vom Kap Mogador bis zum Nil verstreut.

Die afrikanischen Araber sind niemals von reinem Blut (vgl. den Artikel »Die Araberin« unter den Frauen Asiens), sondern je nach den Stämmen, mit denen sie gemeinsam aufwachsen, bald mit Berbern und Kabylen, bald mit Negern u. a. vermischt; oft also sind sie identisch mit den Mauren.

Die Araberin Algiers ist kleiner als die Berberin, aber in ihrer Jugend von verführerischer Schönheit. Leider hat sie das Bestreben fett zu werden und unterzieht sich zu diesem Zweck beständig einer Mastkur, in der sie Mehlspeisen und Käfer in großen Mengen vertilgt. Hat sie einmal ihren Wunsch erreicht, und vielleicht schon Kindern das Leben gegeben, so ist auch ihre ursprüngliche Schönheit bald dahin. Nur die arbeitenden Frauen der niederen Stände wissen die angeborene Schlankheit zu bewahren, zeigen aber weniger feingeschnittene Züge. Rühmenswert ist bei Allen Hang zur Sauberkeit und Vorliebe für Bäder.

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Ägyptische Fellachin.

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Abb. 339. Maurische Tänzerin.

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Abb. 340. Jugendliche Maurin.

In der Tracht der Araberin ist der wesentlichste Bestandteil der haik, ein mehr oder minder feiner Schal, der die Trägerin von Kopf bis zu Füßen einhüllt. Das Antlitz wird unter dem Haik von einem feinen weißen Tuch, adjar genannt, bedeckt, so daß nur Augen und Stirn frei bleiben. Oft ist dieses Tuch so durchlässig, daß das feine, kokette Gesichtchen deutlich erkennbar ist. Schmachtendes Verlangen und ein Zug von Melancholie sprechen aus diesem Antlitz. Die Kopfform der Araberin ist übrigens länglicher und ovaler als die der Berberin und der Kabylin. Die Nase ist weniger breit und mehr adlerförmig, der Mund ist kleiner, die Kinnbacken sind weniger kräftig und Haar und Augen, ebenso die Haut sind dunkler. Die Augenbrauen scheinen öfters durch eine Aufmalung über der Nase eine einzige gerade Linie zu bilden.

Bei ihren Ausgängen trägt die Araberin weite, bauschige Hosen von der Art der Türkinnen, und feine gestickte Pantoffeln. Clive Holland nennt ihre ganze Erscheinung bezeichnend einen belebten Kleidersack, der unbeholfen über den Weg schlurrt.

Ebenso gut könnte man sie als wandelndes Ausstellungsobjekt eines Schmuckwarenhändlers bezeichnen; denn sie ist über und über mit Ohrringen, Armbändern, Spangen, Beinringen, Holzketten, Schnallen und was es sonst noch an – nach unsern Begriffen – überflüssigstem Anhängsel für kokette Frauen geben mag, beladen. Selbstverständlich ist das Material der Wohlhabenden eitel Gold und mit Edelsteinen gefaßt; bei den Ärmeren besteht es aus weniger edlem Metall und die Perlen sind meist falsch. Beim Gehen hört man das sanft klingelnde Geräusch der zusammenschlagenden Pretiosen.

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Abb. 341. Algerische Araberin (La belle Fatime).

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Abb. 342. Tunesische Araberin.

Jungfräulichkeit ist das erste Erfordernis für eine Braut. Am Morgen nach der Brautnacht erscheint die Mutter des jungen Mannes und untersucht die Wäsche des Brautlagers. Entdeckt sie Beweise der Unberührtheit ihrer Schwiegertochter, so zeigt sie jubelnd das Dokument ihres Glückes den Nachbarn; sieht sie sich enttäuscht, so ist eine sofortige Scheidung unvermeidlich, und ewiger Haß bricht aus zwischen den Familien der Geschiedenen. Die Stellung der afrikanischen Araberin ist keineswegs die entwürdigende wie bei so vielen andern Orientalinnen, obschon sie allerdings nicht die Freiheit ihrer berberischen Schwester genießt. Soll ein Mädchen verheiratet werden, so wird sie um ihr Einverständnis befragt, und in der meist glücklichen Ehe genießt sie manche Rechte, um die sie viele Orientalinnen beneiden könnten. Natürlich ist den Arabern Nordafrikas die Ehe mit mehreren Weibern gestattet; doch machen nur wenige davon Gebrauch, so hat z. B. in Algier die Polygamie fast gänzlich aufgehört.

Die arabische junge Frau ergibt sich gern tändelndem Leichtsinn. Kokett, liebesdurstig, wie sie von Natur ist, dazu von angeborener Schlauheit, weiß sie zehnmal ihrem Mann Hörner aufzusetzen, ehe dieser es einmal gewahr wird. So oft sie nur will – und sie will oft und gern – findet sie die Mittel und Wege, um mit ihrem Liebhaber zusammenzutreffen, der selbst so kühn und von diesem illegitimen Liebessport so eingenommen ist, daß er sich zuweilen nicht scheut, des Nachts die Geliebte auf dem Lager neben ihrem schlafenden Gatten aufzusuchen.

Übrigens übt der Araber Nachsicht mit den Schwächen seines Weibes. Im Falle eines Fehltritts wird er vor allem trachten, einem öffentlichen Gerede vorzubeugen. »Unsere Frauen sind schwächer als wir,« heißt es, »und sind doch der gleichen Versuchung ausgesetzt. Wir müssen sie daher schützen und unsere Mäntel über sie breiten.« Ist aber der Skandal nicht zu vermeiden und seine Unzufriedenheit groß, so schickt er sie mitsamt ihrer Mitgift den Eltern zurück. Die Trennung wird ohne Umstände vollzogen, und bald heiratet er eine andere.

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Abb. 343. Algerische Frau (Araberin bzw. Maurin) mit schönen Tätowierungen auf den Armen.

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Abb. 344. Junge maurische Frau.

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Abb. 345. Nordafrikanische Araberin. Selten schöner Typ, vermutlich kalifisches Mischblut.

Bekannt geworden ist auch der Stamm der Ouled-Naïl im Innern Algeriens (Biskra), dessen Frauen als Tänzerinnen – Almas – in den Cafés chantants auftreten, oder eine in besseren Formen sich bewegende Prostitution zwecks Gelderwerbes betreiben, um später zu ihrem Stamm als wohlhabende Mädchen zurückzukehren. Die eigenen Väter sind es, die sie fortschicken, und sie folgen gern dem Befehl; denn sie wissen, je bälder und je reicher sie mit Schätzen beladen wiederkommen, um so früher finden sie einen Mann. Dieser heiratet sie aber nicht um ihres Reichtums willen, – denn der gehört ja ihrem Vater – sondern wegen des »Anwertes«, den sie in der Fremde gefunden haben. Es kommt aber vor, daß die Ehegatten, eingenommen von der Erwerbstüchtigkeit ihrer Frauen, die sie früher als Mädchen bewiesen haben, sie zeitweise Europäern anbieten oder sie auf eigene Rechnung fortschicken, um das einträgliche, schnöde Gewerbe noch einmal zu betreiben. Und wieder zieht die Naïlija in die Ferne, wo ihr in dem nach orientalischen Begriffen lebenslustigen Biskra neben den goldenen Schätzen zweifellos mehr Freuden blühen, als bei ihrem Stamm in der Wüste. Die Naïlija geht nie verschleiert; ihr bizarres, aber hübsches Kostüm wird am besten durch unsere Abbildungen veranschaulicht.

Schöner noch als die algerische ist die tunesische Araberin, deren weiße Haut, schmachtende Mandelaugen, glänzendes, schwarzes Haar das Entzücken jedes Fremden, der das Glück hat, mit ihr in Berührung zu kommen, erregen, vorausgesetzt, daß die erstrebte Mastkur noch ohne Wirkung geblieben ist.

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Abb. 346. Maurische Frauen.

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Abb. 347. Mädchen vom Stamme der Ouled-Naïl in festlicher Kleidung.

Die tunesischen Araberinnen zeigen sich nie auf der Gasse. Ihre Zeit verbringen sie im Hause mit Baden, Toilette, Musik, Tanzen und Erzählungen. Die Erzählende ist dann meist eine Neger- oder Beduinenfrau, die mit Ammenmärchen ihren Herrinnen aufwartet.

Die Unbildung der Tunesierin ist natürlich so groß wie die aller Araberinnen. Nur wenige vermögen zu lesen und noch wenigere, mit Ausnahme der begütertsten Städtebewohnerinnen, können schreiben.

Die Polygamie findet übrigens auch in Tunis wenig Anhänger, und Einehe wird allenthalben vorgezogen.

Von der Araberin Tripolitaniens erzählt Freiherr von Maltzan, daß sie gleich anderen Araberinnen nur für kurze Zeit schön ist; – »aber in dieser Zeit ist sie würdig, eine Braut für Göttersöhne zu sein; sie ist ein Stück Wüstenpoesie. Der Goldton des weiblichen Inkarnats, die phosphoreszierende, schwarze Haarflut mit dem schönen Stich ins schillernde Blauschwarz – der tiefdunkle, sehnsuchtumhauchte Blick mit der samtnen Wimperngardine und nicht zuletzt die geschmeidig-edle, wohlgerundete Gestalt; das alles sind Reize, wozu es nicht des Kulturmenschen bedarf, um einen würdigen Kenner aufzutreiben; auch der Nomade versteht alle diese Eigenschaften zu schätzen, wie aus seinen Rhapsodien hervorgeht, die speziell dem Weibe gelten.«

Die ägyptische Araberin zu beschreiben, können wir uns ersparen. Wer einen Eindruck von den vorher geschilderten gewonnen hat und unser Kapitel über die asiatische Araberin nachliest, wird sich mühelos auch die Ägypterin vorstellen, die in Typen vom hellsten Weiß bis zum tiefsten Braun und Goldbraun die Städte des Nillandes bewohnt. In Ägypten interessieren uns vielmehr zwei andere Typen, die Koptin und die Frau des ackerbauenden Fellah, deren in den folgenden Artikeln gedacht werden soll.

 

Die Koptin.

Die Kopten sind die städtebewohnenden Nachkommen der alten Ägypter, deren Sprache sie noch bis vor kurzem gesprochen haben. Sie sind Christen von hamitischem Stamme. Am besten sind die Kopten vertreten in Oberägypten und an dem See Birket-el-Kerun. Indessen auch in Kairo und andern Ortschaften Unterägyptens sind viele von ihnen ansässig. Hier leben sie meistens in kleinen Verhältnissen, als Handwerker, Schreiber und kleine Kaufleute.

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Abb. 348. Tänzerin vom Stamme der Ouled-Naïl.

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Abb. 349. Araberin. Eine Tochter aus dem Niltal.

Die Koptin ist von mittlerem Wuchs, rötlichgelber Hautfarbe, aber erheblich heller als die Fellachin, und von feinem Gliederbau. Sie zeigt ein stilles, in sich gekehrtes Wesen. Religion, Erziehung und die strengen Gesetze, nach denen ihr Volk lebt, lassen wohl nicht viele profanen Wünsche in ihr lebendig werden. Verschleiert von Kopf bis zu Füßen, dürfte es ihr schwer werden, mit ihrem Antlitz einen Abendländer gelegentlich zu berücken, wie Mohammedanerinnen es zu tun lieben. Der mag seiner Phantasie die Zügel schießen lassen, – zu sehen bekommt er nichts als zwei schöne Augäpfel; selbst deren Umriß wird durch den Schleier verdeckt.

Die Tracht der Koptin ist der der Fellachin, von der wir im nächsten Artikel mehr hören werden, ähnlich, nur daß das lange, weite Gewand bei der Koptin dunkler ist. Unter diesem, unmittelbar über dem Hemde, trägt sie meist noch ein eng anliegendes, kurzärmliges Wams, einer Schnürbrust nicht unähnlich, die vorn auf der Brust verknotet wird. Daran schließt sich ein Rock, der von den Hüften bis an die Knöchel reicht.

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Abb. 350. Haremsmädchen vom Stamme der Ouled-Naïl aus Biskra.

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Abb. 351. Nordafrikanerin. Unbestimmbarer Typ. Berberisch-arabisch-negroides Mischblut.

In den Städten lebt die Koptin fast ausschließlich der Besorgung ihres Haushalts; aber in den Landbezirken helfen die Frauen der ärmeren Klassen nicht selten den Männern in ihrer Arbeit, so besonders beim Mahlen von Korn.

Obschon Christin, ist die Unbildung der Koptin vollkommen. Ihre ganze Erziehung bewegt sich mehr in den Bahnen der Muselmanen als der Christen. Heiraten finden nur innerhalb des Stammes statt. Ihrem Gatten ist sie nicht viel mehr als eine Sklavin, die ihm demütig die Hand zu küssen hat. Tritt er über die Schwelle, so eilt sie, ihn mit Kaffee zu bedienen, und zieht sich dann sofort bescheiden zurück, es sei denn, daß der Herr Gemahl ihr zu bleiben befiehlt.

Außer der abgeschlossenen, in strengen Sitten erzogenen Koptin gibt es aber noch eine andere, die durchaus von weltlicher Art ist: die koptische Tänzerin. Sie ist nicht wenig stolz auf ihre Abstammung; leitet doch eine jede ihren Stammbaum von Barmek, der schönen Favoritin Harun al Raschids her. Sie ist in allen Ortschaften Oberägyptens zu finden und bewohnt gewöhnlich einen Stadtteil, der nicht besonders reputierlich ist. Wer ihre Tanzkünste bewundern will, wird diesen Stadtteil aufsuchen müssen, obschon vornehme Familien sie auch bei festlichen Gelegenheiten in ihr eigenes Haus bestellen. Die koptische Tänzerin, die meist über reiche Mittel verfügt, liebt eine farbenprächtige, glänzende Tracht, die an die der Türkin erinnert. Dazu schmückt sie sich überreichlich mit kostbarem Geschmeide und Juwelen. Es sind aber nicht immer Koptinnen, an deren Tänzen der Europäer in Ägypten sich ergötzt, sondern vielfach auch Fellachinnen, Jüdinnen und Sklavinnen, welche die Inhaber dieser Tanz- und Kaffeehäuser aus allen Teilen Nordafrikas rekrutiert haben.

 

Die Fellachin

ist die ländliche Schwester der Koptin, ebenfalls Nachkommin der alten Ägypter, also Hamitin wie diese, jedoch mit arabischer und vielleicht auch anderer Beimischung.

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Junge Berberin.

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Abb. 352. Ägypterin in Haustoilette mit dem »Burko« (Gesichtsmaske).

Die Fellahs haben als charakteristisches Kennzeichen eine breite und flache Stirn, große schwarze Augen und eine gerade, wohlgeformte Nase. Sie werden durchschnittlich 5½ Fuß groß. Trotz ihrer Vermischung ist eine Ähnlichkeit mit ihren pharaonischen Vorfahren unverkennbar.

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Abb. 353. Eine Araberin aus Port Said.

Gleich den Männern ihres Stammes ist auch die Fellachin von hohem, schlankem Wuchs; ihre Hautfarbe spielt zwischen kupferrot und gelblich. Niemals wird sie korpulent. Sie erinnert durchaus an die Darstellungen weiblicher Personen, die wir von altägyptischen Denkmälern kennen, doch ist ihr Antlitz ovaler und feiner gezeichnet. Die Taille ist schlank, besonders in der Jugend; die Gliedmaßen sind dünn, aber mitsamt den mittelgroßen Händen und Füßen zierlich und wohlgeformt. Prächtig wölbt sich der volle Busen. Das Näschen ist ein ganz klein wenig stumpf; die Augen mit ihrem langen mandelförmigen Schnitt und den fein nach oben gezogenen äußeren Augenwinkeln sind wohl das köstlichste an ihrem Antlitz, in dem die Backenknochen kaum bemerkbar an die äußere Haut pochen. Die Lippen sind sinnlich, die Zähne breit. Das Haar ist tiefschwarz und glatt oder leicht gekräuselt. Haltung und Gang sind stolz, aufrecht und doch graziös und leicht. Anmutig wiegt die Fellachin den Körper beim Gehen in den Hüften.

Eine sehr schmerzhafte Verstümmelung erleiden die jungen Mädchen im Alter von neun bis zwölf Jahren, indem ihnen die Klitoris herausgeschnitten wird.

Die Kleidung der Frauen der ärmeren Klassen ist bescheiden genug. Sie besteht wesentlich aus einem langen blauen Gewande aus Baumwolle, an die Toilettenmäntel unserer Frauen erinnernd, das in der Taille durch einen Gürtel zusammengehalten wird. Die wohlhabenderen Klassen haben eine ähnliche Tracht; sie ist aber ungleich besser gearbeitet und oft durch eine Fülle von Goldborten und Besatz von schöner Wirkung.

Die Fellachin verschmäht nicht, durch kosmetische Künste die Reize ihrer Züge zu erhöhen. Bei den Wohlhabenderen ist das Färben der Augenlider mit Antimon besonders beliebt. Sie bezwecken damit den Glanz ihrer schwarzen Augen zu vermehren. Nicht wenige bemalen und tätowieren auch den Körper. Das oft in reicher Fülle vorhandene Haar wird in kleine Zöpfchen geflochten, von denen die äußeren am Kopf befestigt werden, während die mittleren frei herunterhängen und über die Schultern fallen. Zahlreiche goldene Nadeln und Kämme schmücken es, und eine Kette von Goldmünzen oder andere Kostbarkeiten zieht sich in Kranzform rings um die Frisur. Natürlich fehlt es auch am Körper nicht an Nadeln, Spangen, Armbändern und Ringen von Gold oder anderm Edelmetall.

Merkwürdig ist der geringe Verkehr der Frauen mit einander. Interesse scheinen sie nur für den eigenen Haushalt zu kennen, und, wenn sie unverheiratet sind, genügt ihnen offenbar die Beschäftigung im Hause der Eltern. Kochen, Waschen und Nähen bildet die Haupttätigkeit der Fellachin.

Obschon die muselmanischen Töchter des Niltals durchaus nicht so auf den Aufenthalt im Harem angewiesen sind wie die Türkin, genießen sie keineswegs völlige Freiheit bei ihren Ausgängen. Besonders ist die Frau der wohlhabenderen Stände gezwungen, sich dann bis zur völligen Unkenntlichkeit zu verhüllen, und im allgemeinen dürfen sie nur in den Morgenstunden Nachbarinnen und Freundinnen besuchen, bei denen sie ihre Zeit in ähnlicher Weise verbringen, wie wir es bei anderen Nordafrikanerinnen kennen gelernt haben.

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Abb. 354. Fellahfrau.

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Abb. 355. Fellahmädchen.

Von einer systematischen Erziehung der Mädchen kann nicht gesprochen werden. Die meisten wissen kaum über Dinge Bescheid, die außerhalb der Grenzen ihres Dorfes liegen.

Heiraten werden im Niltal frühzeitig geschlossen. Das junge Mädchen tritt nicht selten schon mit vierzehn, der Jüngling mit sechzehn oder siebzehn Jahren in die Ehe. In der Tat, man würde sich von einem Manne, der nicht beizeiten an Heirat denkt, eine schlechte Meinung bilden. Da die jungen Leute keine Gelegenheit haben, sich vorher kennen zu lernen, bedient sich der Jüngling, der auf Freiersfüßen geht, einer Vermittlerin. Diese Person, Chatbeh genannt, treibt nebenbei öfters Handel mit Kosmetika und Toilettengegenständen für Frauen. Mühelos findet sie Eingang in die Häuser, in denen sie heiratsfähige Töchter vermutet, und sie zögert auch nicht, den eigentlichen Zweck ihres Besuches anzugeben. Laut preist sie die vortrefflichen Eigenschaften des besten aller Gatten in spe, und zurückgekehrt in dessen Haus versichert sie, daß die Sonne nie eine schönere und reinere Jungfrau bestrahlt hat als das junge Mädchen, um das sie mit vieler Mühe für ihn geworben hat. Dann pflegt der Freier seine Mutter oder Schwester in das Haus der Begehrten zu schicken, damit sie sich selbst von deren Vorzügen überzeugen; finden sie, daß die Chatbeh nicht allzu sehr übertrieben hat, so steht der Hochzeit nichts im Wege. Natürlich spielen sich diese Zeremonien bei den armen Fellahs, die Gelegenheit haben, ihre Mädchen bei der Feldarbeit kennen zu lernen, viel einfacher ab. – Hinzuzufügen ist noch, daß die Mitgift bei der Hochzeit oder vielmehr noch vor der Hochzeit eine große Rolle spielt. Es werden sehr langwierige Verhandlungen, bei denen es nicht ohne vieles Feilschen abgeht, gepflogen. Üblich ist, daß der junge Mann seiner Zukünftigen einen ansehnlichen Betrag auszahlt, und zwar zwei Drittel in bar, während er ein Drittel für den Fall einer Scheidung zurückbehält. Der erstere Betrag dient den Eltern zur Anschaffung der Aussteuer, so daß im Grunde genommen der junge Mann die Aussteuer seiner Frau bezahlt.

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Abb. 356. Koptin.

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Abb. 357. Jüdische Tänzerin aus Nordafrika.

Ein sonderbarer Brauch am Tage der Hochzeitsfeierlichkeiten mag hier noch erwähnt werden. Der junge Gatte begibt sich in das Zimmer, in dem sich die ihm eben Angetraute allein aufhält; er defloriert sie mit seinem Finger und fängt das ausfließende Blut mit einem Taschentuch auf. Jubelnd bringt er das Tuch seinen Gästen, denn es verkündet die Keuschheit seiner jungen Gattin. Man reißt sich förmlich um dieses Tuch; ein jeder wünscht einen Fetzen davon als Erinnerungszeichen mitzunehmen.

In Unterägypten findet eine große Prozession der jungvermählten Frau mit ihren Freundinnen am Tage der Hochzeit statt, deren Ziel das öffentliche Frauenbad ist. In diesem verbringt sie viele fröhliche Stunden, die letzten ihres Jungfrauendaseins. Musikanten, Tänzerinnen, Sänger und Märchenerzähler erheitern die Gäste, die von früh bis zum Nachmittag zusammenbleiben. Alsdann begibt sich die junge Gattin in ihr neues Heim, in dem sie fortab an der Seite ihres Mannes zu schalten und zu walten hat.

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Abb. 358. Algerische Jüdin.

Über die Moral der Fellachinnen läßt sich mancherlei sagen. In den besseren Kreisen wird wohl die Keuschheit der jungen Mädchen argwöhnisch behütet, aber in den ärmeren Klassen ist Prostitution nicht ungewöhnlich. Im allgemeinen ist der Moralkodex der Fellachin auf ein weites Gewissen geschrieben. Das Niltal ist die Heimat jener Islaymés und Fatimes, die mit ihren erotischen Tänzen, ihren aus Sinneslust geborenen Liedern und ihrem schönen Körper, den sie in den zahllosen Cafés chantants des Orients den Augen der Männerwelt mehr preisgeben als der Islam eigentlich gestattet, den Fremden berücken, so daß er sich oft in die Märchenwelt von Tausendundeine Nacht versetzt glaubt.

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Abb. 359. Vornehme Jüdin aus Fez.

Hören wir zum Schluß, was ein viel gereister und berühmter Schriftsteller über die Fellachin zu sagen hat. In seiner poesievollen Art, mit den Augen des Künstlers, der überall das Schöne sieht, schildert Pierre Loti die Fellachin, das Weib der »bronzenen Rasse«. Er schildert die Arbeit der Männer an den Nilufern, wo sie, heute wie vor vier- oder fünftausend Jahren in der gleichen Beschäftigung, fast automatisch in Eimern das Wasser schöpfen, mit dem sie ihre Felder bewässern. Von Zeit zu Zeit steigen auch die Frauen zu den Ufern hinab, um ihren Männern zu helfen. Statt der Eimer tragen sie aber Vasen und führen so auf bequemere Weise ihre Beschäftigung aus in dem »Land ohne Regen, ohne fließende Quelle, das nur durch seinen Fluß besteht. Diese ägyptischen Bäuerinnen,« sagt Loti, »bewegen sich mit einer unnachahmlichen Grazie. Selbst die Ärmsten gleichen, wenn sie ihre schwarzen Schleier durch den Sand schleppen lassen, hohen Damen, die in ihren langen Gewändern bei Hofe erscheinen könnten. In dem sonnigen Land, mit der durchsichtig klaren Luft und den rosigen Fernen, wirken die düstergekleideten Frauen seltsam, und zwischen den blühenden Feldern und der leuchtend-schimmernden Wüste gleichen sie umflorten Fahnen. Trotz ihrer Unwissenheit und ihrer geringen Denktätigkeit besitzen diese einfachen Kreaturen, wie einstmals die Frauen von Hellas, einen angeborenen Sinn für Vornehmheit. Keine unserer kultivierten Frauen vermöchte in diesen groben schwarzen Stoffen eine so königliche Haltung anzunehmen, keine verstünde die nackten Arme mit so vollendeter Grazie emporzuheben, um sich den großen, irdenen, mit Nilwasser gefüllten Krug auf den Kopf zu stellen und trotz der Last in stolzem, schwebendem Gang davonzugehen. Die Musselintunika, die sie tragen, hat dieselbe unveränderliche düstere Farbe wie die schwarzen Schleier, die kaum ein roter Saum oder einige Silberblättchen schmücken. Die Schleier schließen über der Brust zusammen und durch eine schmale Spalte, die bis zum Gürtel hinunterreicht, sieht man die bräunliche Haut schimmern, man erblickt den Brustansatz, der blasser Bronze gleicht.« Freilich von den Gesichtern ist man oft enttäuscht. Nach den Geboten des Islam sollte die Fellachin beim Anblick eines Europäers ihr Antlitz bedecken. Aber oft verpaßt sie diesen Augenblick, und man sieht es ihr an, daß harte Arbeit und häufige Mutterschaft dieses Antlitz haben frühzeitig altern lassen. Hat man aber Glück, und begegnet man einer ganz jungen Frau, so ist sie meistens von hervorragender Schönheit, in der sich Kraft und Feinheit paaren. Ein reicher Kindersegen ist gewöhnlich den Fellachinnen beschieden. Stets sieht man eine Schar unmündiger kleiner Geschwister hinter einer erwachsenen Schwester oder hinter der Mutter herlaufen. Leider sind die entzückenden Gesichtchen durch Schmutz entstellt. Es scheint, daß die heutigen Ägypter die traditionelle Unsauberkeit ihrer Vorfahren übernommen haben. An den Lippen der Kleinen kleben Klumpen von Fliegen, die als glückbringend gelten und daher nicht entfernt werden dürfen. Passivität und sanfte Geduld sind bezeichnend für diese Rasse, die keine Beleidigungen empfindet und trotz ihrer Lumpen in ihren Bewegungen immer vornehm bleibt. »Arme bronzene Rasse!« ruft Loti aus, »zweifellos reifte sie zu schnell und stand in ihrer prachtvollsten Blüte, als die andern Völker noch in der Dunkelheit tasteten.«

 

Die Jüdin in Nordafrika.

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Abb. 360. Vornehme Jüdin aus Tunis.

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Abb. 361. Marokkanische Jüdin.

Die Jüdinnen Nordafrikas und ganz besonders die von Tunis dürfen zu den schönsten aller Frauen gerechnet werden. Ihre Züge sind von vollendeter Weichheit und Rundung der Linien. Ein feingeschnittenes Mündchen, aber doch mit einladenden, sinnesberauschten Lippen, eine stets gerade, wohlgeformte Nase (nicht die typisch semitische), vollendet schöne dunkle Augen, die bald intelligent dreinschauen, bald begehrlich aufleuchten, umschattet von langen, feinen Wimpern und einem schön geformten Kranz dichter dunkler Brauen, schmücken ihr Antlitz. Dazu ein klarer, elfenbeinfarbiger oder reinweißer Teint und tiefschwarzes, glänzendes Haar. Allein ihre Figur ist nicht sonderlich schön; denn leider grassiert die schreckliche Sitte der Mastkur auch bei den Jüdinnen, wenn auch nicht in dem Maße wie bei den muselmanischen Frauen Nordafrikas.

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Abb. 362. Judenmädchen aus Marrakesch (Marokko), auffallend durch sanfte und schöne Gesichtszüge.

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Abb. 363. Jüdische Frau aus Tunis.

Die Jüdin ist wohlerzogen, erhält eine Bildung, die sich hoch über das Niveau ihrer mohammedanischen Schwestern erhebt, weiß sich farbenfreudig, bizarr, und doch mit einem gewissen Geschmack zu kleiden, bewegt sich frei, und ist von heiterem, glücklichem Temperament. Das letztere wenigstens in Tunis und Algier, weit weniger in Marokko, wo die eingeborene Jüdin zum Unterschied von der europäisch lebenden, aus Spanien stammenden, noch manchem Übel ausgesetzt ist, sobald sie ihr enges Ghetto verläßt.

Die Jüdinnen Nordafrikas pflegen mit dreizehn bis fünfzehn Jahren zu heiraten. Die Ehen sind gewöhnlich glücklich; selten hört man von Scheidungen. Ihr moralischer Standpunkt ist nicht über alle Zweifel erhaben; doch ist es sicher, daß nur die Frauen und Mädchen der ärmsten Klassen sich der Prostitution ergeben.

Auch die Schönheit der marokkanischen Jüdinnen wird gepriesen. Sie sind durchgängig hübsch und nach Platz gehören einige zu den reizendsten Frauen der Welt. Er schreibt: »Trotz des ungünstigen Klimas finden sich besonders in den südlichen Provinzen nicht wenige Frauenzimmer, die unsere kühnsten Träume von den sanften, ätherischen und majestätischen Reizen der Tochter Judäas verwirklichen.«

Es ist ihnen verboten, Ehen außerhalb des Landes zu schließen.

 

Die Beduinin, die neben der Fellachin das Niltal bewohnt, werden wir unter den Frauen Asiens kennen lernen. Einstweilen suchen wir noch die Bekanntschaft einiger Stämme zu machen, die weiter südlich in der Sahara, im Sudan und in den oberen Nilländern wohnen, Stämme, welche den mittelländischen Völkern noch nahestehen.

 

Die Fulba.

Die Fulbe, auch Nuba-Fuhla genannt, bewohnen ein weites Gebiet in der Sahara und im Sudan. Sie sind zweifellos den Berbern und somit den Mittelländern verwandt. Aber auch andere, hamitische und Negervölker mögen ihren Anteil an diesem Volksstamm haben. Man pflegt sie in reine und gemischte Fulbe einzuteilen.

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Fellah-Frau

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Abb. 364. Algerische Jüdinnen

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Abb. 365. Nubierinnen aus Entette.

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Abb. 366. Eine Fulba.

Die reine Fulba ist von gelblich bis rötlich-brauner, oft recht heller Farbe, schlank, geschmeidig und feinknochig. Sie ist von mittlerer Statur und einer Magerkeit, die sie zeitlebens behält, eine echte Windhundgestalt. Nichtsdestoweniger rühmt man ihren schönen Busen und ihre wohlgerundeten Arme. Überdies sind ihre Füße und besonders die Hände von bemerkenswerter Feinheit. Ihre sympathischen Züge erinnern jedenfalls eher an mittelländische als an Negermischung. Der Kopf ist klein, das Gesicht oval, die Nase ragt ziemlich hervor und ist zuweilen gebogen. Die Mundpartie ist keineswegs prognath in der Art der Neger, und wenn die Lippen ungewöhnlich stark erscheinen, so liegt dies daran, daß deren Innenflächen tätowiert werden. Die Stirn ist hoch. Neugierig blicken die schönen, großen mandelförmigen Augen drein, die gewöhnlich dunkel, zuweilen aber auch blau sind und dadurch die Herkunft von Berbern verraten. Das Haar ist lang, schlicht oder gewellt, von seidenartiger Feinheit; es wird in vielen dünnen, mit allerlei Tand geschmückten Flechten, die um Hals und Wangen fallen, getragen. Auch Hände und Füße werden mit Ringen geschmückt. Die Haltung der Fulba ist würdevoll, und ihre graziösen Bewegungen üben, wie alle Reisenden berichten, einen verführerischen Reiz aus.

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Abb. 367. Vornehme Abessinierin.

Die Fulba gilt als sehr kokett, leidenschaftlich, spöttisch und zänkisch. Sie kleidet sich gut, zuweilen sogar mit Geschmack und Eleganz, wobei natürlich nur ein afrikanischer Maßstab angelegt wird. In der frühen Jugend rein und keusch, heiratet sie im Alter von elf bis zwölf Jahren und bleibt auch als Frau, nach den Berichten verschiedener Reisenden, züchtig. Erst im späteren Alter verliert sie ihre Schönheit und wird dann gleich vielen andern Weibern dieser Naturvölker, die mehr oder weniger im Frondienst der Männer ihr Leben hinbringen, zigeunerhaft häßlich. Das im Alter geübte Rotfärben der Haare mittels Henna vermindert dann sicher nicht das Abstoßende des runzligen Gesichtes. Die sog. reinen Fulbe legen peinlichen Wert auf Reinheit der Rasse. Polygamie herrscht allenthalben; zwei oder drei Weiber ist die übliche Zahl in einer Ehe, doch gibt es auch bescheidene Männer, die nur ein Weib ihr eigen nennen.

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Abb. 368. Vornehme Nubierin.

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Abb. 369. Abessinierin vom Stamme der Afar.

Das Imponierende ihres Wesens charakterisieren am besten die Neger, die von den Fulbas sagen: »Wenn heute eine Fulbafrau als Gefangene ins Haus kommt, ist sie morgen die Herrin.« Besonders die Djoloffen sind große Bewunderer der Fulba, die von ihnen oft als legitimes Weib begehrt wird, und öfters wohl noch als gelegentliche Konkubine. Es heißt, daß die männlichen Fulbe nicht allzu sehr von Eifersucht geplagt werden, und daß sie aus dem Liebesleichtsinn ihrer Frauen ihre Vorteile zu ziehen wissen. Dieser Bericht steht jedenfalls im Widerspruch zu der oben behaupteten Keuschheit und Züchtigkeit der Frauen.

Die gemischte Fulba ist stets dunkler; von den Franzosen hat sie den Namen Toucouleure erhalten. Weniger anziehend als ihre reinerrassige Schwester, ermangelt sie doch nicht selten sympathisch berührender Züge. Auch sie tätowiert sich den inneren Teil der Lippen, um ihnen ein bläuliches Aussehen zu verleihen, aber leider vermehrt diese Prozedur auch die Stärke der Lippen.

Gemischte Fulbe finden sich über den ganzen Sudan verbreitet, so in Kordofan, wo sie bronzefarben und selbst tiefschwarz sind. Ebenso in Sennar; doch ist hier auch der Stamm der etwas helleren Bedjas zu Hause, deren Frauen sich in der Jugend oft durch große Schönheit und klassisch feine Züge auszeichnen. Indessen ist es nicht sicher, daß die letztgenannten Stämme zu der Familie der Fulbe gehören.

 

Die Frauen der Tibbu.

Die Tibbu, Tubu oder Teda leben in der Zentralsahara. Man nimmt an, daß sie aus einer Vermischung von Negern und Berbern entstanden sind. Die bronzefarbenen jungen Tibbumädchen werden als reizvolle Erscheinungen geschildert. Sie sind von mittlerer Größe, schön gerundetem, zierlich schlankem Körper und wohl proportionierten Gliedmaßen. Das Gesicht ist oval, der Mund von mittlerer Größe, die Lippen sind nicht dick. Das Haar ist weniger wollig als das der Neger. Ihre Haltung ist stolz und frei, selbst elegant. Im Alter freilich, wenn zunehmende Magerkeit sich einstellt, läßt ihre Schönheit bald nach; sie sind dann eher sehnig und eckig, so daß ihre Züge einen fast männlichen Charakter annehmen.

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Abb. 370. Gallafrauen.

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Abb. 371. Gallamädchen vom Stamme der Itu.

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Abb. 372. Gallamädchen aus Adis Abeba.

Polygamie findet sich selten bei den Tibbu. Den Heiraten gehen schwer bindende Verlöbnisse voraus. Die Frau nimmt besonders im Haus und in der Familie eine geachtete Stellung ein. Sie gilt als gute Hausfrau, ist ordnungsliebend, sauber und geschäftstüchtig. Dem Ehemann gegenüber zeigt sie sich freilich unterwürfig und verschämt. Sie speist nie in seiner Gegenwart und redet zu ihm stets mit abgewandtem Gesicht; auch spricht sie nie seinen Namen aus.

Bei den Tibbu herrscht weibliche Erbfolge.

 

Die Nubierin.

Die Nubier, in Ägypten oft Berberinos genannt, rechnet man ethnisch nicht selten zu den Semiten. Wahrscheinlich sind sie aus einer Vermischung von Semiten, Hamiten und Negervölkern entstanden. Ihre Hautfarbe schwankt zwischen weiß, das jedoch ziemlich selten ist, und tiefbronzefarben.

Die preisenswerteste Nubierin ist in Dongola zu Hause. Sie ist von schönem Wuchs, graziöser Haltung, entwickelten Formen, schönen, dunklen, verschleierten Augen und freundlicher, angenehmer Physiognomie. Ihre körperlichen Vorzüge weiß sie sich lange zu erhalten. Eigentümlich an ihrem Äußeren sind die in zahllose Ringellocken geflochtenen Haare, ferner gewisse Tätowierungen an den Händen und Füßen, auf den Wangen und auf der Brust. Die Augenränder pflegt sie sich schwarz, die Unterlippe blau und die Wangen ockerrot zu färben.

Ihre Tracht besteht aus einem weiten, langen blauen Hemd, über das bei Wohlhabenderen wohl noch ein Oberkleid fällt. Ein Tuch bedeckt den unteren Teil des Gesichtes, so daß nur Nase und Augen frei bleiben.

Keuschheit der jungen Mädchen und Züchtigkeit der Frauen gelten als erstes Gebot, ja, die Unschuld der Jungfrauen gilt als so selbstverständlich, daß ein einmaliges Verfehlen unbedingt die Todesstrafe zeitigen würde. Indessen ist diese Gefahr nicht so leicht heraufzubeschwören; denn dieser Stamm vollzieht noch immer die bei anderen Orientvölkern nur noch selten geübte Infibulation seiner Jungfrauen.

Die Vornahme der Infibulation wird in folgender Weise vollzogen: den jungen Mädchen werden entweder im frühesten Alter die inneren Schamlippen ( labia minora) verwundet und dann so behandelt, daß sie beim Heilen zusammenwachsen, oder es wird ein Ring in diese derartig eingelagert, daß sie sich beim Verwachsen um ihn schließen. Auf diese Weise wird der Eingang in die Vagina verschlossen. Die Tortur ist eine grausame; oft hat sich die ägyptische Regierung ins Mittel gelegt, aber vergeblich; die Frauen selbst wollen lieber diese Marter ertragen, als später auf einen Verlobten verzichten. Natürlich wiederholen sich die Qualen, wenn in der Ehe das Auseinanderreißen der verwachsenen Organe erforderlich wird.

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Abb. 373. Gallafrau in Amharakleidung.

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Abb. 374. Afarmädchen und Somalifrau.

Die Abessinierin.

Die christliche Tochter des abessinischen Hochlands präsentiert sich als ein Weib von nicht übler Gestalt. Von semitischer Herkunft, aber stark vermischt mit afrikanischen Elementen, zeigt sie einerseits die Kennzeichen des semitischen Volkes, so die stark hervortretende, nicht selten gebogene Nase, andererseits die Wadenlosigkeit der Negerrasse. Sie ist von mittlerer Größe; während in den Küstenländern ihre Hautfarbe zwischen olivbraun und tiefschwarz schwankt, sind die abessinischen Frauen im Hochland weit heller und im allgemeinen hellfarbiger als die Männer. Von ihrem Körper muß auch das feinste Härchen entfernt sein. Ihre Brüste sind voll und rund, Arme und Beine ziemlich dünn, die Füße kräftig und von hohem Spann.

Das Haar ist bald glatt, bald gekräuselt, aber stets kurz, was daher rührt, daß die Frauen es bei jedem Todesfall eines Verwandten völlig abrasieren müssen. Das Gesicht ist oval, die dunkeln Augen zeigen einen intelligenten Ausdruck, die Lippen sind fleischig an einem leicht prognathen Mund. Die Wangen lassen ein Erröten im Grunde ihrer Hautfarbe erkennen. Als junge Mädchen sind die Abessinierinnen oft sehr reizvoll, aber als Frauen büßen sie bald ihre Schönheit ein, und ihre Züge nehmen einen herben, männlichen Charakter an; ja, alte Frauen sind durchschnittlich häßlicher als die Männer. Im ganzen wird die Abessinierin spät reif. Nach dem Gesetz und auf Grund der sehr streng befolgten christlichen Religion ist nur ein monogames Eheverhältnis gestattet; doch hindert das wohlhabende Männer nicht, sich zuweilen auch mehrere Weiber anzuschaffen. Die Trauung ist entweder eine kirchliche und dann niemals trennbar, oder sie wird nach dem Zivilkodex vollzogen, in welchem Falle Scheidungen öfters vorkommen. Im allgemeinen liegen die Ehezustände noch im argen; es sollen sogar Kinderehen vorkommen.

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Abb. 375. Somalifrau von reiner Rasse.

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Abb. 376. Somalimädchen.

Mygind erzählt, daß es ein Familienleben in unserm oder im mohammedanischen Sinne kaum gibt und führt dies auf die sonderbaren Eheverhältnisse zurück. »Es gibt drei Arten von Eheschließung. Die vornehmste ist die kirchliche. Nur sie ist unlöslich. Sie wird von den alten aristokratischen Geschlechtern und vielen Priestern bevorzugt … und ist oft nur die Bestätigung eines früheren nicht kirchlich geschlossenen Bundes.« Diese Ehe ist aber die seltenste. Am gebräuchlichsten ist eine Art Ziviltrauung, die vor dem Bezirksrichter vollzogen wird, wobei hauptsächlich materielle Fragen für den Fall einer Scheidung erledigt werden. Scheidungen in aller Freundschaft kommen oft nach jahrelanger Ehe vor. Eine mühelos zu erlangende Signatur des Richters erklärt die Ehe als aufgelöst. Den Kindern steht es frei, beim Vater oder bei der Mutter zu bleiben. Weiter gibt es eine Art »freier Vereinigung«, in der die zukünftigen Gatten vor Verwandten oder selbst gewählten Zeugen zu geloben haben, dem Bunde entsprießende Kinder oder auch bereits vorhandene Kinder als legitim zu betrachten. Schließlich erzählt Mygind noch von einer Art Ehe, »die, wenn man von einigen bekannten Fällen von Eheirrungen absieht, wohl ein Unikum in der Welt ist. Prinzessinnen nämlich und sonstigen unabhängig dastehenden Damen ist es offiziell gestattet, wenn sie keine Gelegenheit finden, eine standesgemäße Ehe einzugehen, sich einen Mann (Diener) auszuwählen, der gehalten ist, alle ehelichen Pflichten zu erfüllen, ohne sich ehelicher Rechte rühmen zu dürfen.«

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Abb. 377. Weiber der Hirten-Massai vor einem Hause.

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Abb. 378. Junges Massaimädchen.

Die Frau der wohlhabenderen Stände wird in Abessinien in ihrer Freiheit ähnlich beschränkt wie andere Orientalinnen. Weder darf sie ohne Wissen ihres Gatten den Besuch eines Mannes empfangen, noch darf sie unverschleiert das Haus verlassen. Gewöhnlich zeigt sie sich mit großem Troß in der Öffentlichkeit. Der Ritt zur Kirche ist ihr Hauptausgang. Anders das Weib aus dem Volke. Es genießt alle Freiheit, muß aber auch alle häuslichen oder Feldarbeiten verrichten, obschon als »Stütze der Hausfrau« selbst der Gattin des kleinsten Handwerkers oder Bauern jugendliche Dienstboten zur Verfügung stehen.

Der Mangel an Sauberkeit dieses der christlichen Religion ergebenen Volkes ist betrübend. Beide Geschlechter lieben es, sich das Haar mit ranziger Butter einzusalben und den Körper einzufetten. Im Innern der Wohnhäuser herrscht eine schlimme Atmosphäre. Krankheiten werden durch Vorurteile und Unwissenheit verschlimmert, so daß es nur zu verständlich erscheint, wenn unter Säuglingen und Kindern die Sterblichkeit groß ist. Allein die durch religiöse Gebräuche gebotene Beschneidung, die in brutaler und unreinlicher Weise ausgeführt wird, erfordert viele Opfer. Übrigens erfährt auch das weibliche Kind bald nach der Geburt eine Art Verunstaltung seines Geschlechtsteiles, eine Art Exzision, bei der die ganze Klitoris herausgeschnitten wird. Nach dem Beschneidungsakt wird sofort die Taufe der Neugeborenen durch Untertauchen ohne Berücksichtigung der Temperatur vorgenommen. Das Kind, welches das nicht verträgt, mag eben gleich sterben. Auf die große Kindersterblichkeit ist die geringe Zunahme der Bevölkerung trotz starker Fortpflanzung zurückzuführen. Das Kindbett überstehen die Frauen mit Leichtigkeit.

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Abb. 379. Massaiweib mit Kind.

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Abb. 380. Massaiweib.

Die Tracht der Frauen ist von der der Männer kaum zu unterscheiden. Sie besteht aus Hemd, Hose und »Schamma«, einem dem orientalischen Burnus oder der römischen Toga ähnlichen Obergewande. Der Kopf bleibt meist unbedeckt, doch wird bei Männern wie Frauen neuerdings ein grauer oder schwarzer weicher Filzhut vielfach gebraucht, oder auch ein weißes Tuch, das, Kopf und Hals einhüllend, von den Frauen als Schleier verwendet wird, wenn Europäer vorübergehen, während die Männer es gerade als Zeichen des Respekts vom Haupte entfernen.

Der Geschmack und oft sogar die Eleganz der Abessinierin werden gerühmt. An Kurtisanen fehlt es nicht im Lande; sie werden an manchen Orten so geachtet wie wohlanständige, verheiratete Frauen. Ein Muster von Ehemann soll der Abessinier nicht sein. Sein Weib ist ihm treu, zum mindesten weil es ihn fürchtet; sie wäre auch im Falle von Ehebruch ganz auf seine Gnade angewiesen. Noch bis vor kurzem gestattete ein ungeschriebenes Gesetz dem betrogenen Gatten, den Verführer zu töten und die Treulose selbst samt ihren Kindern vor die Tür zu setzen. Heute wird indessen weniger rigoros in solchen Fällen verfahren: der Verführer kommt mit einer Geldstrafe davon, und dem Ehepaar ist es überlassen, sich nach Gutdünken zu einigen oder zu trennen.

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Tunesische Jüdin.

Der Charakter des Volkes wird nicht gerade gepriesen. Viele halten die Abessinier für indolent, abergläubisch, treulos, diebisch, verlogen, undankbar, heuchlerisch – eine ganze Auslese von wenig empfehlenswerten Charakterzügen wird ihnen von manchen Reisenden nachgesagt; doch heißt es, daß sie heute im stetigeren Kontakt mit den Europäern zusehends bessere Eigenschaften erwerben.

Amhara nennt man die Bewohner des Hochplateaus von Zentral-Abessinien. Sie gelten als die Blüte des abessinischen Volkes.

Die in eigenen Dörfern westlich vom Tanasee lebenden Falascha dürfen nicht etwa als ein jüdischer Stamm angesehen werden, obschon ihre Religion die mosaische ist und sie zweifellos semitisches Blut empfangen haben. Die Frauen sind etwas heller als die tiefbraunen Männer, ihr Haar ist schwarz und gekräuselt. Beschneidungen der jungen Mädchen werden in der Art wie bei den Abessinierinnen vorgenommen. Dem Manne ist die Frau gleichgestellt. Sie geht unverschleiert, wenn man von dem erwähnten weißen Tuch absieht, und bewegt sich frei in der Gesellschaft der Männer, mit denen sie auch gemeinsam arbeitet.

 

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Abb. 381. Junge Massaimädchen mit dem bei ihnen beliebten Schmuck, der aus Telegraphendraht hergestellt wird.

Zu den hamitischen Völkern rechnet man die Galla, Somali und Massai, die sich den Abessiniern südlich anschließen. Wir machen zunächst die Bekanntschaft der

 

Frauen der Galla.

Die Frauen dieses sehr ausgebreiteten und volksreichen Stammes sind in ihrer Jugend von einnehmendem Äußeren. Zwar ein wenig üppig, haben sie doch oft feine, ansprechende Züge. Ihre Hautfarbe ist ein dunkles Kaffeebraun, doch sind sie stets heller als die Männer des Stammes, ja hier und da sieht man Frauen, die kaum dunkler sind als Sizilianerinnen. Obschon Mohammedanerin, geht die Galla unverschleiert und bewegt sich frei unter ihrem Volk. Die größte Sorgfalt verwendet sie auf die Herstellung ihrer Frisur. Das ziemlich krause Haar wird wohl gepflegt; um es lang wachsen zu lassen, wird es mit Kalk gräßlich rot gefärbt und in Zöpfe geflochten.

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Abb. 382. Weib der Naiwasha-Massai. Die Löcher in dem verstümmelten Ohr werden gelegentlich durch vermehrten Schmuck ausgefüllt.

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Abb. 383. Massaiweib mit bemerkenswertem Halsschmuck.

Polygamie ist bei den Wohlhabenderen beliebt; jedoch wohnt der Galla nie mit seinen Frauen unter einem Dach, sondern er errichtet einer jeden ein eigenes Haus. Er erwirbt sein Weib für ein Geschenk von 6-40 Kühen, je nach seinem Wohlstand und dem Wohlstand der Brauteltern. Es kommt übrigens auch vor, daß eine Schöne selbst um einen Mann freit. Verschmäht er sie, so pflegt sie ihn zur nächtlichen Stunde auf seinem Lager zu überraschen. Gelingt es dem so Beglückten nicht, die Liebhaberin vor dem Morgen fortzuschicken, so ist er gezwungen, sie zu heiraten.

Von den Gallafrauen erzählt Schuver in Petermanns Mitteilungen: »Die Frauen aller Klassen, mit Ausnahme der allerärmsten, bieten einen so verschiedenen Anblick, daß ich mich immer wieder von neuem darüber wundern mußte. Die Jungen sind von einer Lebhaftigkeit, die alle Augenblicke zum Durchbruch zu kommen bereit ist, auch büßen sie nicht so frühzeitig ihre Reize ein, wie die Negerinnen, vielleicht weil sie den Vorteil genießen, bei den schwereren Arbeiten von den Sklaven unterstützt zu werden. Ihre Gestalt ist weit kleiner, als die der Männer, obwohl es an großen Frauen nicht ganz fehlt. Fast immer sind sie 10-15 cm kleiner als die Männer, und für diese möchte das Maß 1,60-1,75 m als Durchschnitt anzunehmen sein. Ihre physische Natur ist derartig von dem männlichen Geschlechte verschieden, daß es schwer fällt, eine Erklärung dafür zu geben. Bei den Weibern sehen wir nur verhältnismäßig größere Köpfe, obwohl noch immer der Kategorie von Mikrozephalen zuzurechnen, runde Schädel, viereckige Gesichter, aber außerordentlich gerundete Züge, weit geöffnete dunkelbraune Augen, Nasen mit leichter Tendenz zum Stumpfnäschen und an der Wurzel eingedrückt, dichte Augenbraunen, kleine fleischige Backen, Kindermündchen mit Perlzähnen und aufgeworfenen Lippen und ein kleines Kinn. Der Nacken ist hübsch rund und durchaus nicht kranichartig, wie bei den Männern. Füße und Hände sind so klein, daß man über die Behauptung Byrons lachen könnte, der hierin das einzige wahre Zeichen der Aristokratie erkennt. Die Formen sind rund und kompakt, die Gliedmaßen kurz, aber die Formenfülle der jungen Negerinnen findet sich hier nur selten. Sie sind hübsch, aber nicht schön.«

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Abb. 384. Massaiweib.

Als ein hamitischer Gallastamm gelten auch die Schoanen (Einwohner von Schoa), die teils Christen, teils Mohammedaner sind. Die Frauen der ersteren tragen ihr Haar kurz und lockig und sind in weiße Gewänder gekleidet, während die Muselmanin sich von Kopf bis zu Füßen in eine rote Toga hüllt und ihr Haar lang wachsen läßt.

 

Die Somalifrau.

Die Somali sind die östlichen Nachbarn und Verwandten der Gallas; sie sind ihnen auch ähnlich, doch ist der Negercharakter bei ihnen mehr ausgeprägt.

Die Somalifrau ist von gutem Wuchs. Ihre Hautfarbe ist ein rötliches, bald heller, bald matter glänzendes Schwarz. Die Stirn ist hoch, doch an den Schläfen abgeplattet. Die tiefliegenden, schwarzen Augen sind leidlich schön, die Nase ist kurz, aber markiert und mit weiten Nüstern. Der Mund ist ziemlich groß, von dicken, sinnlichen Lippen gebildet, die zwei Perlenreihen von Zähnen einschließen. Das Haar ist noch krauser als bei den Gallas. Aber gleich diesen trachten die Somalifrauen, es lang wachsen zu lassen, um es dann rot zu färben, zu flechten und aufzubauen. Bei den Medschertinsomali tragen es die Mädchen in Zöpfen, die auf die Schultern herabfallen, die Frauen dagegen am Hinterkopf in einer Art Haube befestigt.

Sie drapieren ihren Körper mit einem Tuche, das auf einer Schulter und an den Hüften zusammengehalten wird und die rechte Brust entblößt läßt. Niemals geht die Somali verschleiert, obgleich sie Muselmanin ist; doch bedeckt sie ihr Antlitz öfters mit den Händen, wenn sie einem Fremden begegnet.

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Abb. 385. Junge Dankali aus Obock.

Der Mann kauft sein Weib nicht selten im Kindesalter, darf aber nicht vor dem fünfzehnten Lebensjahre die erwählte Gefährtin heiraten. Im übrigen nimmt er so viel Weiber als er erschwingen kann, indem er einer jeden ein besonderes Haus einrichtet. Auch bei diesem Volke findet sich neben der gewöhnlichen Methode das weibliche Freierrecht, das, wie wir gesehen haben, bei den Gallas nicht ungebräuchlich ist, indem die verliebte junge Somali dem Erwählten ihres Herzens durch Zeichen oder durch eine Vermittlerin ihre Zuneigung zu erkennen gibt. Als verheiratete Frau ist die Somali rechtlos und eher Sklavin als Gemahlin.

 

Die Frauen der Massai.

Der Reisende Thomson nennt die Massai die hübschesten Frauen, die er in Afrika gesehen. Die Nase ist ziemlich erhaben und die Lippen sind, obschon wulstig, jedenfalls dünner als bei anderen Stämmen. Ihr Äußeres ist dem der vorigen nicht unähnlich; nur rasieren sie ihr Kopfhaar, das von Natur leicht gewellt ist und ziemlich lang wächst, völlig, während, merkwürdig genug, ihre Männer sich falsche Zöpfe aus Bast in das Haar flechten.

Die an sich schon großen Ohren werden entstellt durch Pflöcke bis zu einem halben Fuß Durchmesser, die die Frauen in die Ohrlöcher zwängen. Zuweilen hängen sie sogar eiserne Ketten und nach der Heirat aus Kupferdraht geflochtene Scheiben hinein. Die Zähne werden schlecht gepflegt. Durch die zwischen die Schneidezähne gefeilte Öffnung speien sie aus. Das Ausspeien vor Menschen gilt nämlich als ein Zeichen der Achtung und Freundschaft, die sie dem so Beglückten zollen. Der Leser wird auch neben dem Ohrschmuck die ganz merkwürdigen Drahtgeflechte auf unseren Abbildungen bemerken, die sie um den Hals, wie um die Arme und Beine in solcher Menge – bis zum Gewicht von dreißig Pfund – tragen, daß ihnen das Gehen und selbst das Niedersetzen erschwert wird.

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Abb. 386. Frau vom Abukajastamme im südlichen Sudan.

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Abb. 387. Typus einer Sudannegerin.

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Abb. 388. Frau vom Haussavolke. Die Haussas sind gläubige Mohammedaner, daher sie sich mehr bekleiden als die wilden Stämme.

Die Massai geht vom Kopf bis zu den Fußen in Häute gekleidet, zum Unterschied von ihrer Nachbarin, der Wakamba, die splitternackt herumläuft. Die Massai, sagt Ranke, sind eben ein aristokratisches Volk, während die Wakamba die unterdrückten, feigen Unterworfenen sind.

Eifersüchtig wacht der Massai über die Keuschheit seiner jungen Mädchen; aber einmal verheiratet, legt er, nach den Berichten einiger Reisenden, nicht mehr großen Wert auf die Treue seiner Frauen, während andere behaupten, daß er das als untreu erkannte Weib tötet.

Heiraten ist ein Geschäft bei diesem Volk, das sie als Polygamisten auch erfolgreich betreiben; ebenso ist die sehr einfache Trennung kaum mehr als ein Wiederverkauf. Die Geburt eines Mädchens ist den Eltern sehr unwillkommen; vielleicht deswegen, weil die Frauen stark in der Überzahl vorhanden sind.

Die jungen Mädchen werden angehalten, ihren Müttern bei deren schweren häuslichen Arbeiten zu helfen. Das Erbrecht geht ausschließlich auf den Sohn über, doch ist dieser verpflichtet, für die Unterhaltung der weiblichen Anverwandten zu sorgen.

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Abb. 389. Sudannegerinnen vom Sakarastamme, in dem ihnen eigentümlichen Perlenkopfschmuck.

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Abb. 390. Mutter mit Zwillingen vom Egbastamme (Sudan).

 

Die Dankali.

Die Danakilen (Singular Dankali), die sich selbst Afar nennen, sind ein hamitisches Nomaden- und Fischervolk, das den Ostrand Afrikas von Abessinien bis nach Babel-Mandeb und bis zur Somaligrenze bewohnt.

Die Dankalifrau ist hager, aber schön gestaltet; ihr geradliniges Gesicht zeigt angenehme Züge trotz ziemlich dicker Lippen; diese und ihre rußschwarze Farbe allein weisen auf ihren Zusammenhang mit der Negerrasse hin. Ihr überreiches krauses Haar hält sie in einer Haube zusammen.

Auch bei den Danakilen findet sich die grausame Sitte der Infibulation der jungen Mädchen (s. »Die Nubierin«). Dafür dürfen sich diese aber ungehindert bewegen, da infolge dieses Hymenschutzes keine Gefahr für die Keuschheit der Jungfrau besteht.

Die Ehezeremonie der Danakilen besteht darin, daß der frischgebackene Ehegatte sein Weib in Gegenwart aller Angehörigen mit einer Peitsche verprügelt, um ihr gleich damit zu zeigen, welche Genüsse ihrer in der Ehe harren. Wirklich ist auch das Leben der Dankalifrau nicht viel mehr als ein fortgesetzter Frondienst. Sie ist gekauft worden. Also, denkt der Dankali, muß sie auch ihren Wert beweisen. Nicht nur liegen ihr die gewöhnlichen Hausarbeiten ob, sie hat auch die Kamele zu beladen und zu führen, und wird mit Lasten auf ihrem eigenen Rücken so überbürdet, daß sie fast umsinkt.

 

Wir kommen nun zu den eigentlichen


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