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Die Kanadierinnen.

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Abb. 319. Französische Kanadierin. (Die Tänzerin Ruth St. Denis.)

Zwei Schwestern sind es, eine Brünette und eine Blondine, die die Weiblichkeit in der nordischen Kolonie Groß-Britanniens in Nordamerika repräsentieren. Die erstere ist die Tochter ehemaliger Kolonisten aus der Normandie und Bretagne, die ungefähr zu gleicher Zeit Kanada, wie die holländischen und puritanischen Emigranten die Oststaaten der Union, besiedelten; die Blondine aber ist die auf amerikanischen Boden verjüngte und verschönte Tochter Albions. Zwischen beiden Schwestern herrscht gegenseitige Achtung, aber – kein Verkehr. Im Gegenteil, britische und französische Kanadier leben durchaus von einander abgesondert, geschäftlich und besonders gesellschaftlich. Je mehr sich die britischen Kanadier über die gewaltige »Dominion« ausbreiten, um so enger schließen sich die »Habitants«, wie sich die andern nennen, zusammen, als wollten sie sich gegenseitig gegen ihren Untergang schützen. Und doch haben sie nichts dergleichen zu befürchten; denn aus den ehemaligen 60 000 französischen Ansiedlern, zu denen im Laufe von 150 Jahren kaum 10 000 neue Zuwanderer kamen, sind heute an die 2 Millionen Habitants geworden, die noch die Sprache ihrer Vorfahren, ein Französisch aus dem 17. Jahrhundert, mit Ausdrücken, die ein Pariser nur mit Mühe versteht, sprechen und an den strengen, althergebrachten, um nicht zu sagen kleinlichen Sitten ihrer Vorfahren festhalten.

Fruchtbarkeit ist wohl eine der rühmlichsten Eigenschaften der französischen Kanadierin; 8-16 Kinder in der Familie einer Landbevölkerung ist nichts außergewöhnliches; ja, man hat bis zu 20 Sprößlingen gezählt! Welch trefflicher Beweis, daß Klima und Boden es nicht verschulden, wenn die Menschheit in der benachbarten Union sich nicht genügend fortpflanzt! (Siehe den vorigen Artikel.)

In ihrem Wesen ist die französische Kanadierin liebenswürdig, heiter und froh gesinnt. Schön gekleidet und geputzt, kopiert nach Pariser Mustern und Moden, finden wir sie am Sonntag, nach der Messe, auf der Höhe ihres sonnigen Daseins: beim Tanz. Der französische Typus hat sich bei ihr nur insofern verändert, als er an Figur und Kraft gewonnen hat. Auch sind die Frauen hübscher, ihre Züge sind regelmäßiger, die Muskulatur ist kräftiger, aber der Gesichtsausdruck doch weniger lebhaft als bei der Französin.

Der Ernst ihres Wesens zeigt sich dagegen ausgesprochen bei den sogenannten Akadiern, die in 80- bis 100 000 Seelen Neu-Braunschweig, Neu-Schottland und die Prinz Edwards-Insel bewohnen. Sie sind ebenfalls Abkömmlinge ehemaliger Kolonisten aus der Normandie. Ihre Frauen sollen von exemplarischer Tugendhaftigkeit sein. Haltung wie Bewegung zeugen von großer Ruhe; kokette Gelüste wie bei ihren festländischen Schwestern sind niemals bemerkbar, auch bei denen nicht, deren reizende gebräunte Gesichtchen mit schwarzen strahlenden Augen auf mondäne Neigungen schließen lassen. Ein gewisser Zug von Schwermut ist ihnen allen eigen; obschon nicht die geringste Veranlassung dazu vorhanden ist, erscheinen sie wie eingeschüchtert und unglücklich.

Einen ganz anderen Typ präsentiert die britische Kanadierin. In ihren persönlichen Bedürfnissen ist sie durchaus einfach und anspruchslos. Von der Britin hat sie die Beweglichkeit und die Neigung, sich zu betätigen, geerbt. Sie macht sich viel im Hause zu schaffen, ist aber ebenso eingenommen für Ausgänge, Besuche und vor allem für Sport. Im Hause erscheint sie als die vollendete Salondame; gleich der Britin bewegt sie sich ungezwungen und ist lebhaft, geistreich und liebenswürdig. Gleich dieser liebt sie Geselligkeit und Vergnügungen, doch ohne die Extravaganzen der Amerikanerin. Nicht mit Unrecht hält sich die »Gesellschaft« in Kanada für vornehmer und feiner als die in den großen amerikanischen Metropolen. Äußerlich ist die Kanadierin eine stattlichere Erscheinung als die Britin, von kühnerem Wuchs und blühenderer Weiblichkeit.

Ein kurzer Gruß gelte noch der in Westindien (auf Jamaika, Barbados, Trinidad u. a.) lebenden eingebornen Britin. Sie steht in ständigem Kontakt mit dem Mutterlande, gleicht auch völlig ihrer dortigen Schwester, nur daß die Tropen ihren Teint blaß und leicht gelblich gefärbt haben; die hellgrauen, schwarzen oder dunkelbraunen Augen scheinen tiefer zu liegen, die Haut fühlt sich stets kühl an. Ihre geistige Regsamkeit ist gering; auch ist sie weit weniger mondän als die Engländerin, was aber als Folge des feuchtwarmen Tropenklimas nur allzu begreiflich ist.



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