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Die Brasilianerin.

Es liegt nichts im Wege, auch die Brasilianerin den Kreolinnen beizurechnen, denn ihre Väter waren Portugiesen, also eine den Spaniern verwandte Rasse, ihre Mütter Indianerinnen und öfters die dunklen Töchter Afrikas. Diese letztere Mischung haben wir bereits in vorhergehenden Aufsätzen als Cholos kennen gelernt. Allein die Bezeichnung Kreolen ist in unserm Sinne bei den Brasilianern selbst nicht üblich, denn hier versteht man unter criolho unverfälschte Neger. Natürlich ist eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der spanischen Kreolin und der Brasilianerin vorhanden. Beide haben die gleiche schlanke, sehr schmiegsame Gestalt, die gleichen schwarzen Augen und das schwarze Haar, das jedoch bei der Brasilianerin nicht immer schlicht, sondern öfters gewellt und gekräuselt ist; sonst aber ist der Unterschied recht groß.

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Abb. 277. Chilenische Damen im Manto. Der Manto ist die übliche Ausgangstracht der Kreolinnen am Vormittag. Nur im Manto werden sie in manchen Ländern, besonders in Chile, in die Kirchen zugelassen.

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Abb. 278. Argentinische Schönheit.

Wenn wir von der Paulistanerin, von der weiter unten noch gesprochen werden soll, absehen, finden wir die typische Brasilianerin eher häßlich als hübsch; jedenfalls gehören Schönheiten zu den Ausnahmen. Es ist offenbar, daß das portugiesische Element, dem Schönheit niemals nachgesagt wurde, seinen Stempel der indianischen Rasse, mir der es sich vermählte, aufgedrückt hat. Berücksichtigen wir noch die afrikanische Beimischung, die weit öfter vorhanden ist, als zugegeben wird, so ist der besondere Typus der Brasilianerin erklärt.

Nun gibt es freilich eine ganze Anzahl von Typen in diesem ausgedehnten Staate; man übersehe nicht, daß die Länge der brasilianischen Küste allein, nach Europa übertragen, vom Nordkap bis Syrakus reichen würde. Weder wurde diese Küste gleichmäßig von Portugiesen besiedelt, noch war die Dichtigkeit der indianischen Bevölkerung, auf welche die ersten Kolonisten stießen, überall die gleiche. Zu diesen Elementen gesellten sich bald die ursprünglich als Sklaven von der Westküste, besonders vom Kongo, eingeführten Afrikaner. Dort, wo der amerikanische Kontinent sich am meisten dem afrikanischen nähert, war die Einfuhr von Negern am stärksten.

Der Portugiese pflegte die Weiber zu nehmen, wo er sie fand, ob sie gelb, schwarz oder rot waren, ob von feinem Gesichtsschnitt oder mit wulstigen Lippen, ob mit geradstehenden oder geschlitzten Augen. So kann man sich eine Vorstellung machen von der Farbenpanscherei und den physiognomischen Verschandelungen, die er in seiner reichsten und größten ehemaligen Kolonie, Brasilien, getrieben hat. Ein wahres Wunder, daß man überhaupt noch unvermischte Stämme antrifft. Immerhin finden wir heute im Staate Bahia, nächstdem im Staate Rio die meisten Neger, deren Zahl nach Norden und noch mehr nach Süden stark abnimmt. Reine Indianer gibt es noch genug im Innern, und unvermischte Portugiesenabkömmlinge in ziemlicher Anzahl im Süden, abgesehen von neu zugewanderten Portugiesen und andern Europäern.

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Abb. 279. Mädchen aus dem Innern von Puerto Rico.

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Abb. 280. Junge Dame aus Mayaguez (Puerto Rico).

Die jeweiligen Grade der Vermischung dieser Völker weiß man im Lande auf einen Blick leicht zu bestimmen. Die Fremden leisten sich zu diesem Zweck folgenden Scherz: Milch gilt für Weiß, Schokolade für die Farbe des Indianers und Kaffee für die Farbe des Negers. Danach heißt es: Mischung eines Bahianers etwa = 8 Teile Kaffee, 2 Teile Milch; Mischung in Para = 5 Teile Schokolade, 2 Teile Kaffee, 3 Teile Milch, in São Paulo = 4 Teile Schokolade, 5 Teile Milch, 1 Teil Kaffee usw. – Wie gesagt, sind das Späße, aber sie geben eine ganz gute Vorstellung von dem Aussehen des so bezeichneten anthropologischen Produktes. Für den in Brasilien ansässigen Ausländer sind solche ethnographischen Kenntnisse durchaus nicht ohne Bedeutung; man schließt aus ihnen auf das Wesen des Individuums; daher in Brasilien, wenn etwas Besonderes von einem Menschen erzählt wird, so oft nach seiner Farbe gefragt wird.

Obschon die Brasilianerin weit unter dem Körpermaß ihrer schlank und lang gewachsenen Männer steht, erreicht sie immerhin die mittlere Größe unserer Frauen und oft darüber. Leider verbindet sie nicht mit der Schlankheit und Schmiegsamkeit ihres Körpers die Grazie und Anmut in den Bewegungen der spanischen Kreolin; im Gegenteil, die Brasilianerin erscheint öfters ungeschickt und plump. Während ferner die Schlankheit ihrer spanischen Schwester von genügender Fleischfülle gedeckt wird, sind knochige, ja eckige Figuren unter den Brasilianerinnen keine Seltenheit.

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Abb. 281. Brasilianerin.

Die Gesichtsform ist sehr verschieden, bald rundlich, bald oval. Die Lippen sind, wenn afrikanische Vorfahren vorhanden, etwas geschwollen, sonst nicht unfein. Von tadelloser Schönheit ist die doppelte Reihe kleiner Zähne. Der Fuß ist zierlich, die Hand schmal, die glänzende, an den Küsten stets gebräunte, öfters recht dunkle Haut sammetweich.

Den schönsten, der spanischen Kreolin äußerlich am meisten gleichenden Typus präsentiert die Paulistanerin. Paulistaner nennt man die Einwohner des Staates São Paulo. In diesem Landesteile fand in älteren Zeiten eine Vermischung portugiesischer Kolonisten mit den eingeborenen Guaranys statt, aus der diese ausgezeichnet schönen Frauen hervorgegangen sind. Von dem Unterschied in den Typen der Küstenbewohner und dieser Paulistaner kann man sich nicht leicht einen Begriff machen. Man glaubt ein anderes Volk vor sich zu sehen. Orte wie Itú, Tutuý, im Innern des Staates, sind berühmt geworden wegen ihrer schönen Jungfrauen, und in manchen Orten der Provinz sind häßliche Frauen überhaupt nicht vorhanden.

Die Paulistanerin ist schlank, aber fleischig und geschmeidig. Sie ist nicht selten recht groß gewachsen, obwohl immer noch viel kleiner als die oft baumlangen Männer. Ihre Hautfarbe ist reinweiß oder leicht elfenbeinfarbig, die Kopfbildung oval, das volle, gern offen getragene Haar tiefschwarz und schlicht. Die Gesichtszüge sind von vollendetem Ebenmaß, der Mund fein gebildet, die Augen schwarz, bald sanft, bald sprühend. Damit wären aber die wesentlichen Vorzüge der Paulistanerin erschöpft. Viel Grazie und Anmut entwickelt sie so wenig wie ihre übrigen Landsmänninnen.

Auffallend für den Fremden, der auf seinen Wanderungen durch die spanischen Republiken bis in deren entfernteste Winkel anmutige und vollendete Umgangsformen gefunden hat, ist die schwerfällige, fast plumpe Art der Brasilianerin, die besonders hervortritt, je weiter er sich von der Küste nach dem Inneren entfernt. Selbst ihre Höflichkeit hat etwas Ungeschicktes. Wir vermissen auch die naive Ungezwungenheit, die uns so häufig an der spanischen Kreolin entzückt hat. Obschon die Brasilianerin in ihren Schulen mehr lernt als die spanische Kreolin (die La Platafrauen ausgenommen), weiß sie doch recht wenig und nichts gründlich. Von der hohen Selbsteinschätzung, in der sich die Männer ihres Landes so wohl zu gefallen scheinen, ist leider ein Abglanz auf sie gekommen. Dafür ist die Brasilianerin aber zu rühmen als brave Gattin und gute, fleißige Hausfrau, die auf allen Gebieten der Haushaltung bewandert ist und mit Lust und Liebe kocht, schneidert und webt und für den Acker oder den Stall sorgt, je nach der Lebensstellung ihres Gatten; die mit großer Fürsorge auf das Wohl des Gatten und der Kinder bedacht ist und ein warmes Herz hat für die zahlreichen Dienstboten und deren endlosen Anhang.

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Abb. 282. Brasilianerin.

Sind hierzulande schon die Männer schlaffe Individuen, die ohne Versuche der Gegenwehr jedem Hindernis aus dem Wege gehen, so sind es die Frauen noch mehr. Wo findet man noch ein Land, wo die geringste körperliche Indisposition wie eine schwere Krankheit behandelt wird, wo man bei stark bewölktem Himmel nicht wagt auszugehen, um sich bei dem vermutlich fallenden Regen nicht den Tod zu holen, wo auch die kleinste gymnastische Übung als entsetzliche Anstrengung gilt? Wie oft hörte ich in Brasilien sagen, wenn jemand ein paarmal nieste, er sei schwer erkältet und dürfe sich vor allem nicht waschen!

Was moralische Dinge betrifft, so erhebt die Brasilianerin kaum den Anspruch, einer Nonne zu gleichen. Schlüpfrigkeiten im Verkehr entschuldigt vielleicht das heiße Klima. Daß die jungen Damen nicht selten intime Beziehungen zu den Muleques, den farbigen Hausjungen, unterhalten, ist schon an anderer Stelle angedeutet worden.

Zu rühmen ist die große Liebe der Familienmitglieder zu einander; dafür hat aber die Affenliebe der Eltern und deren grenzenlose Nachgiebigkeit hier die ungezogensten Kinder des Erdballs geschaffen. Die freche Vorlautheit dieser Knirpse, die bei keiner Gelegenheit, auch an keiner Tafel, fehlen dürfen, wird als seltene Frühreife und Intelligenz laut gepriesen und immer von neuem angespornt. Nennt man die japanischen Kinder die artigsten der Welt, so sind ohne Frage die brasilianischen die unartigsten.

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Abb. 285. Amerikanerin von deutscher Herkunft.

Die Brasilianerin liebt viel und gut zu essen. Auf Toilette wird etwas weniger Gewicht gelegt als bei den Kreolinnen. Beiläufig fiel mir die Liebhaberei der Frauen für Kartenspiel, natürlich Hazard, auf. Ich fand es in zahlreichen Orten, in den sogenannten besten Kreisen, als eine bis zum Laster gediehene allabendliche Unterhaltung. Erfreulicher ist ihre Liebe zur Musik und ihr Vergnügen am Tanz. In der Produktion nationaler Lieder und Tänze steht Brasilien neben den in dieser Hinsicht reichsten Ländern Südamerikas.

 

Wir kommen nun zu den rein weißen Bewohnern der Neuen Welt, den Nordamerikanern. Neuerdings ist die Frage wieder aufgeworfen worden, ob die Farbe der Unschuld bei ihnen wirklich in solcher Reinheit vorhanden ist, wie man es bisher wenigstens annahm. Man weist nach, daß die jungen Kolonisten, die meist ohne Frauen die neue Heimat betraten, dauernd in Berührung mit den roten Eingeborenen standen. Wie dem aber auch sei, wenn wirklich eine Vermischung in der ersten Zeit stattgefunden hat, so ist doch das indianische Blut so gründlich absorbiert worden, daß heute keine Spur davon nachzuweisen ist. Und dennoch zeigen die weißen Nordamerikaner gewisse Beziehungen zu den roten Kindern des Landes! Wie das zusammenhängt, werden wir gleich kennen lernen.


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