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Man nennt wohl die Australier, jenes unglückliche, dem Untergang geweihte Volk, eines der ältesten Menschengeschlechter der Erde. Das ist so zu verstehen, daß kaum ein anderes Volk die primitiven Sitten, in denen es schon vor Tausenden, ja Zehntausenden von Jahren gelebt haben mag, bis auf unsere Zeit bewahrt hat. Bereits gänzlich ausgestorben sind die Tasmanier, ein bedauernswertes, gutmütiges Völkchen, das nie »seinen Tag« gehabt hat. Am Lebensmorgen ihrer Existenz, der, wie wir eben feststellten, durch ganze Zeitalter gedauert haben mag, sind sie dahin gesunken. Nicht der Alkohol oder die Kleidung bringt diese primitiven Völker um – man kann nicht genug auf diesen anscheinend unausrottbaren Irrtum hinweisen. Auch die öfters gegebene Erklärung, daß sie dem Ansturm einer neuen Welt und der damit verbundenen grundveränderten Lebensweise nicht standzuhalten vermochten, ist durchaus unzulänglich; denn es gibt vor allem unmittelbare Ursachen, die sich für den Untergang dieser Kinder der Natur anführen lassen, so besonders bei den Australiern: überaus ungeschickte und nachteilige Gebräuche in ihren Lebens- und besonders Familienverhältnissen; das Anwenden von Abortiven, das Töten vieler Neugeburten, besonders weiblichen Geschlechts, das langjährige Stillen der Mütter und Fernhaltung ihrer Männer während langer Perioden, rohe Behandlung der Frauen, die dadurch frühzeitig altern, und schließlich unausgesetzte Bruderkriege, die schon zur Ausrottung einzelner Stämme geführt hatten, ehe den Australiern ein Weißer erschienen war.
Das Aussterben der Tasmanier kann freilich noch auf besondere Rechnung der bluthündischen ersten Kolonisten, nämlich britischer Sträflinge, gesetzt werden, die zeitweilig richtige Jagden auf die armen Eingeborenen veranstalteten, um sie mit Flinten niederzuschießen oder mit Knüppeln wie die Känguruhs zu erschlagen. Selbst vergiftetes Brot wurde diesen unschuldigen Ärmsten in den Weg gelegt! Lassen wir aber dieses, eines der schändlichsten Kapitel europäischer Zivilisation, und betrachten wir nunmehr die Frauen des australischen Urbodens.
Die Australierin ist im allgemeinen von mittlerer Größe. Die größten und muskulösesten sollen sich im Innern Queenslands finden; indessen sah ich auch in Südaustralien recht große und fleischige Gestalten. An der Küste Queenslands sind sie kleiner und dünner, im allgemeinen von kaffeebrauner Hautfarbe, doch mit Nuancen, die einerseits bis auf gelb, andererseits bis auf sammetschwarz gehen.
Anmutige Züge und schöne Figuren finden sich zuweilen unter den jungen Mädchen, aber als Frauen sind sie selten hübsch. Um so öfter begegnet man abschreckend häßlichen Frauentypen, besonders im Alter, das sich bei ihnen infolge Unterernährung und qualvoller Arbeit frühzeitig einstellt. Sie erreichen auch nicht das ohnehin niedrige Durchschnittsalter ihrer Männer.
Gewöhnlich ist die Australierin mager und knochig, zugleich steht der Bauch hervor. Das Haupthaar ist meistens fein und lang, aber wollig und infolge mangelnder Pflege verfilzt; die Haarfarbe schwankt zwischen tiefbraun und glänzendschwarz. Die Stirn ist schmal, und zwar bald fliehend, bald vorspringend und hoch. Die tiefliegenden kleinen Augen haben öfters, besonders im Norden, einen wilden, unstäten Blick; die Iris ist schwarz. Die Nase ist oben eingedrückt, unten breit; öfters findet sich Adlerform. Die Wangen liegen hoch, der Kiefer ist prognath, wobei das Kinn zurückweicht. Der Mund ist groß und unförmig, die Zähne sind weiß und schön; die dicke Oberlippe fällt über die untere. Die Gliedmaßen sind lang.
Exogame Heirat, ähnlich dem in anderen Weltteilen bekannten System des Totem Siehe Einleitung., war mit Ausnahme des Südens überall im Brauch, hat aber heute nachgelassen. Oft werden sie schon als Säuglinge einander versprochen und mit 11 bis 12 Jahren in die Ehe gegeben. Die Heiratszeremonie könnte schwerlich einfacher sein: der Mann ergreift das begehrte Weib beim Arm und schleppt es mit sich fort. Auch solche, die bereits eine Ehe eingegangen, sind nicht sicher, vielleicht nochmals geraubt zu werden, um einem andern als Frau und Sklavin zu dienen. Alle Arten von Ehe, die irgendwo auf Erden gebräuchlich, finden sich in diesem Weltteil. Bei den ganz unzivilisierten Völkern im Innern, die zu den wenigen Menschen gehören, welche man heute noch als echte »Wilde« bezeichnen kann, soll sich Hetärismus finden; d. h. Alle gehören Allen für den geschlechtlichen Verkehr, der also auf der Stufe niedriger Tiere stünde. Tatsächlich wird auch der sexuelle Akt in der Stellung der Vierfüßer ausgeführt. Der höhere Zustand ist der der Polygamie, indem, wie vorhin erwähnt, Frauen aus andern Stämmen ausgewählt oder geraubt werden.
Gewöhnlich hat der Australier zwei Weiber, nur besonders Neidenswerte, Reiche leisten sich deren bis zu sechs. Auch Polyandrie findet sich: dort, wo vermutlich die Zahl der Weiber gering ist, besitzen eine Anzahl Brüder gemeinsam eine Frau. Zuweilen begegnet man auch der Gruppenehe, in der eine Anzahl von Männern eine Anzahl von Frauen gemeinsam besitzen.
Die Australierinnen gelten als fruchtbar. Es sind Beispiele von dreizehn Geburten bei einer einzelnen Frau bekannt geworden. Freilich werden nur wenige Kinder dem Leben erhalten, denn Kindesmord ist in ganz Australien gang und gäbe. Den Mord begeht meistens die Mutter selbst. Am Coopers Creek verzehrt sie mit lachendem Mund das eigene von ihr totgeschlagene Kind, das sie ein Alter von vielleicht drei Jahren hat erreichen lassen. Ohne Ausnahme werden Kinder, die in freier Vereinigung mit Europäern entstanden sind, getötet.
Anscheinend verfallen diesem grausamen Los besonders Mädchen; denn der Überschuß an Männern ist in Australien sehr bedeutend. Man zählt auf 100 Männer nur 87 Frauen. Meist findet man bei einer Mutter nicht mehr als 3-4 Kinder. Übrigens gebären sie für ein tropenmäßiges Volk ziemlich spät, nämlich erst etwa vom achtzehnten Lebensjahre an. Die dem Leben erhaltenen Kinder haben es aber ziemlich gut; niemals würden die Eltern Züchtigungen an den Kleinen vornehmen.
Die Sitten sind sehr locker. Im Süden, wie im Innern ist innerhalb und außerhalb der Ehe alles erlaubt; dagegen sollen die nördlichen Australierinnen züchtiger sein. In den Hafenstädten ist es etwas ganz gewöhnliches, daß Männer ihre eigenen Weiber den Europäern anbieten. Jedoch gibt es auch empfindliche Ehegatten. Ertappt solch einer sein Weib das erste Mal bei einem Akt der Untreue, so bearbeitet er sie gewöhnlich mit dem Beil; das zweite Mal würde er sie töten.
Ein geplagteres, mehr bemitleidenswertes Geschöpf als die Australierin ist wohl auf dem ganzen Erdenrund nicht zu finden. Wir sahen schon, daß sie es als Kind leidlich gut hat. Auch werden junge, besonders zarte Mädchen noch geschont; sobald sie aber ein Mann in das Joch der Ehe – ein Joch ist es hier im vollsten Sinne des Wortes – gespannt hat, beginnt auch für sie die Zeit des Leidens. Der Mann frönt dem Nichtstun, dem Raub und der Jagd. Aber die schwerste wie die geringste nur denkbare Arbeit wird der Frau aufgebürdet. Sie sammelt Früchte, Wurzeln, Larven, indem sie die Bäume erklettert oder die Felder aufgräbt. Dabei bedient sie sich eines 1½ bis 2 m langen zugespitzten Stockes, der ihr nie fehlt und auch bei Festen und Tänzen, an denen sie teilnimmt, stets mitgeschleppt wird. Tagsüber bereitet sie die Nahrungsmittel, holt Wasser, erbaut die Hütten. Bei Wanderungen tragt sie das gesamte Gepäck, oft 4-5 Körbe auf einmal und die Kinder dazu. Zu alledem wird sie von ihrem brutalen Manne noch roh und gewalttätig behandelt, oft grausam mit Speer und Beil angetrieben und gezüchtigt. Ohne weiteres darf er sie töten. Bekanntlich werden noch heute im Innern Queenslands Jagden einzelner Stämme auf Menschen veranstaltet, und die Gefangenen, wie man erwiesen zu haben glaubt, nicht aus Hunger, sondern aus Haß verzehrt. Meistens werden aussterbende Stämme des Nachts im Schlaf überfallen. Geschont werden dann nur junge Mädchen, die die Sieger zur Vermehrung ihres Weiberbestandes davonführen. An der Moretonbay werden die Toten von ihren eigenen Verwandten verspeist, und südlich vom Carpentaria-Golf ist es Brauch, daß die eines natürlichen Todes Gestorbenen von den Weibern verzehrt werden. Von diesen Frauen erzählt W. E. Roth, daß sie einen kriegerischen und starken Sinn zeigen, den man bei den übrigen Australierinnen bisher nicht beobachtet hat. Sie haben nämlich eine ganz eigene Art, ihre Händel auszutragen. Jede der beiden Streiterinnen ergreift einen Stock und schlägt damit auf den Kopf der anderen. Jede hat einen Schlag auszuhalten, bis die Reihe wieder an sie kommt. Nach drei oder vier solchen Hieben – sechs war das Maximum, das Roth beobachtete – bricht eine der Duellantinnen zusammen, und die andere schreitet stolz von dannen, in dem Bewußtsein, recht behalten zu haben.
Obwohl bei dem australischen Manne keine Zeichen einer veredelten Psyche erkennbar sind, scheint seinen zu Leiden erkorenen Weibern ein höherer Zug hier und da inne zu wohnen. Davon möge die Erzählung Oberländers, eines bekannten Forschers, in der Sprechweise der Eingeborenen Zeugnis ablegen.
»Junger Mann sitzt nieder; sehr schöner junger Mann sieht Lubra, sehr schöne junge Lubra. Er spricht zu ihr, sie spricht zu ihm; dann viel sprechen, ein Tag, viele Tag. Dann sagt er: Du, meine Lubra; dann sagt sie: mein Mann! Dann sagt er: Du gehst mit mir, wenn ich fertig. Sie sagt: ich gehe, wenn du fertig. Dann sie sagt es anderer Lubra, ganz dasselbe Freundin. Die sagt: sehr schöner junger Mann. Du gehst mit ihm in sein Lager? Einen Tag junger Mann geht aus sehr weiten Weg. Zwei Lubra gehen herum sehr weiten Weg. Dann schöne junge Lubra nehmen Hand von jungen Mann und laufen in jungen Mannes Hand. Nach und nach sehr ärgerlich Vater von junger Lubra. Stamm kommen zu Stamm von jungen Mann. Viel Speer und Bumerang. So kriegt andere Kerl Lubra.«
Auch Anhänglichkeit an den Gatten, die sich umgekehrt gar nicht findet, erscheint als sympathischer Zug der Australierin. Er selbst hält sie nicht für würdig genug, um an seiner Mahlzeit teilzunehmen; mit den Hunden empfängt sie schweigend die Überbleibsel des Mahles. Wenn alt und nutzlos, stirbt sie vernachlässigt vielleicht den Hungertod oder wird durch Keulenschläge ihrer Nächsten von ihren Qualen erlöst. Der Leichnam wird den Geiern und wilden Hunden zum Fraße hingeworfen.