Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die spanische Kreolin.

Kreolen (franz. créole, span. criollo) nannte man ursprünglich die von Franzosen und Spaniern in überseeischen Ländern Geborenen. Diese noch heute gebräuchliche Bezeichnung hat inzwischen eine mannigfache Erweiterung und zum Teil Veränderung erfahren. Letzteres z. B. in Brasilien, wo kurioserweise nur die unverfälschten Neger als criolhos bezeichnet werden.

.

Abb. 206. Ipurináweib. Rio Itury; Purús, Brasilien.

Auswanderer begannen frühzeitig sich mit den Eingebornen zu mischen, so die Franzosen in Nordamerika, Westindien und in Afrika mit den Negern, die Spanier hauptsächlich mit den Indianern in Süd- und Zentralamerika; und wenn auch für das Produkt der erstentstandenen Mischung, wie wir gesehen haben, besondere Namen erfunden wurden, nämlich Mulatte für die Sprossen eines Weißen und einer Negerin, und Mestize für die Mischung weißen und indianischen Blutes (siehe die vorhergehenden Artikel), so hießen bald ihre weiteren Nachkommen, wie immer sie auch mit Eingebornen vermischt waren, Kreolen. Beiläufig haben die Portugiesen (wie schon von dem portugiesisch sprechenden Brasilien erwähnt wurde) diese Bezeichnung niemals für ihre Deszendenten akzeptiert. Im Gegenteil, ihre zahlreichen rotbraunen und gelben, schrägäugigen Nachkommen in Asien, aus deren Gesicht zu etwa neun Zehntel der gelbe Weltteil spricht, nennen sich noch heute stolz Portugiesen, Staatsbürger der jungen Republik Portugal. Am populärsten ist wohl die Bezeichnung »Kreolen« für die gesamten spanisch sprechenden Amerikaner, also die Mexikaner, Zentral- und Südamerikaner geworden. Von diesen soll in den folgenden Zeilen die Rede sein.

.

Abb. 207. Kamayurafrauen (Xingu-Quellgebiet).

.

Abb. 208. Paressimädchen. (Vom Aruakenstamm Matto Grosso, Brasilien.)

Als die Spanier in den Jahrhunderten nach den Conquistas ihr iberisches Geburtsland verließen, um ein Dorado in der Neuen Welt zu suchen, siedelten sie sich mit Vorliebe in solchen Strichen an, die mit ihrer engeren Heimat eine gewisse Ähnlichkeit besaßen. Die aus der Hochebene von Alt- und Neukastilien erwählten gern das Hochland von Mexiko, das Innere von Kolumbien und die Kordillerenländer als neue Heimstätte, Auswanderer von der heißen Küste Andalusiens zogen die tropischen Küstenstriche des Antillenmeeres vor, während die industriellen Galizier und Katalanen mit Vorliebe Hafenplätze mit mildem Klima, wie die Platamündung, Valparaiso u. a., erwählten. Nur auf zwei Antilleninseln finden wir alle spanischen Volksstämme ziemlich gleichmäßig vertreten: auf Kuba und Puerto Rico, den Kolonien, die der spanischen Krone noch bis unlängst gehört haben, nachdem schon vor mehr als einem Menschenalter alle übrigen Besitzungen vom Mutterlande abgefallen waren.

Vergegenwärtigen wir uns die Verschiedenheit dieser spanischen Stämme und die noch größere der indianischen Völker, mit denen sie Verbindungen eingegangen waren – es sei nur an die prächtig gestaltete, aber geistig unproduktive Rasse der Guaranys, die in der brasilischen Hochebene und in der Niederung des Platastromes lebt, an die wieder körperlich unbedeutenden, aber um so kultivierteren Inkastämme, an die Azteken und Tolteken im mexikanischen Hochland und an die mächtigen, starken Araukaner in Chile erinnert, – so leuchtet es ein, daß die neuen Produkte ein recht verschiedenartiges Gepräge erhalten haben. Immerhin ist aber eine gewisse geistige wie körperliche Ähnlichkeit vorhanden; und jedenfalls ist es nicht leicht, den Kreolen ihre besondere Nationalität vom Gesicht abzulesen.

.

Abb. 209. Karaya-Frau und Tochter. (Araguayagebiet, Goyaz, Brasilien.)

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die schwächere indianische Rasse in der stärkeren iberischen zwar aufgegangen ist, aber sie hat jenes besondere Gepräge hinterlassen, das wir schlechtweg als kreolischen Typ bezeichnen. Für die Frauen dieses Typs gelten etwa folgende Merkmale:

Mittlere Größe, schlanke Figur, anmutig abgerundete Gliedmaßen, höchste Geschmeidigkeit unter allen Völkern, die man noch zur mittelländischen Rasse rechnet, schön geformte Brüste, kleine und zierliche Hände und Füße, kräftige Waden, tiefschwarzes, üppig entwickeltes schlichtes Haar, eine ovale Kopfform, geradlinige mandelförmige Augen von tiefer, feuersprühender Schwärze, eine mittelgroße, römisch geformte, jedoch weich abgerundete Nase, ein zierlicher Mund mit leicht sinnlichen, aber nicht üppigen Lippen. Die Haltung ist ziemlich gerade, die Gangart graziös, wie überhaupt sämtliche Allüren von vollendeter Grazie sind; der Klang der Stimme ist von äußerstem Wohllaut.

.

Abb. 210. Gruppe von jugendlichen Botokudinnen.

Die Kreolin wird mit Recht zu den schönsten Frauen der Erde gerechnet. Ihre Schönheit, ihre Grazie, eine natürliche Koketterie und gewiß nicht zuletzt ihre Herzensgüte, haben schon manchem Europäer den Kopf verdreht, und Tausende von ihnen leben in ihrem Bann als treue, in der überwiegenden Mehrzahl glückliche Ehegatten.

Wer die Frauen dieser Länder kennen lernt, wird bald an ihnen vortreffliche Eigenschaften entdecken. Daß sich neben den Vorzügen auch Nachteiliges findet, wen dürfte das wundern? Vielleicht ist die Indolenz, die ihnen von ihren einheimischen roten, wie von ihren weißen spanischen Vätern überkommen ist, ihr markantester Zug.

.

Abb. 211. Botokudenweib (Brasilien) mit dem Pflock ( botoque) in der Unterlippe.

.

Abb. 212. Araukanerin, ihr Kind nährend.

Die Kreolin steht in den großen, vergnügungssüchtigen Städten sehr spät auf, in den Provinzstädtchen aber, besonders in den Tropen, verhältnismäßig früh, weil die frühen Morgen-, ebenso wie die späten Nachmittagsstunden, die angenehmsten des Tages sind. Stunden braucht sie für ihre Toilette und ist dann noch immer im Negligé. Ihr erster Ausgang führt sie in die Kirche, zur Morgenmesse, in Begleitung ihrer Schwestern und der hinterher schreitenden Dienerin. Daran schließen sich vielleicht Besorgungen in den Modewarenläden. Um die Mittagszeit nimmt sie ihr frugales Frühstück ein, hält danach eine mehrstündige Siesta mit geschlossenen Augen und in späten Nachmittagsstunden eine Siesta mit offenen Augen auf bequemen Sesseln oder Schaukelstühlen, die um ihre weitgeöffneten, vergitterten Fenster gereiht sind. Draußen promenieren stundenlang die » caballeros«, bleiben ein Weilchen, mitunter aber auch eine Stunde lang, stehen und plaudern mit der angebeteten Schönen durch das Gitter hindurch über Neuigkeiten und Nichtigkeiten, machen ihr den Hof und ermüden nie, ihr Liebesschwüre immer von neuem zuzuflüstern. An dieser Stelle kommen die meisten Verlobungen zustande, von denen weiter unten mehr gesprochen werden soll. Oder man geht aus und macht bei den Freundinnen visitas, bei denen über Toilette und andere gleich wichtige Dinge stundenlang geplaudert wird; in großen Städten fährt man wohl in eleganten Wagen spazieren, wirft den Galans graziöse Grüße mit den Fingern zu und nimmt am Spät-Nachmittag an den Korsofahrten teil, bei denen sich die ganze Eleganz der Lebewelt in der Öffentlichkeit entfaltet. Der Abend wird bei befreundeten Familien verbracht, oder im Theater, in dessen Logen eine blendende Toilettenpracht zur Schau getragen wird.

.

Abb. 213. Araukanische Frauen vom Mapuchezweig. (Medizinfrauen und Beschwörerinnen mit den Symbolen ihres Handwerks.)

.

Abb. 214. Weib vom Desanastamme (Nordwestl. Brasilien).

In den zahllosen spanisch-amerikanischen Städten, die eher zu schlafen als zu leben scheinen, begibt sich die Kreolin früh zur nächtlichen Ruhe; in den wenigen Hauptstädten aber, in denen ein Vergnügen das andere jagt, wie Mexiko, Buenos Aires, wo die Theater nie vor Mitternacht schließen, geht man erst zu später Stunde zu Bett. Das höchste Interesse zeigt die Kreolin für ihre Toilette. Ihr widmet sie die größte Sorgfalt und, wie wir schon gesagt haben, einen sehr beträchtlichen Teil des Tages. Stunden, die sie für die Pflege ihres Körpers, ihres schönen Haares, Schminken, Pudern, für Papilloten und für das Ankleiden gebraucht, und noch viel mehr Zeit für die Anfertigung neuer Kleidungsstücke. Aber nicht etwa, daß sie selbst ihre Garderobe anfertigt; das geschieht wohl nur in den ärmsten Kreisen. Nein, zwar pflegt sie darüber, wie wir schon wissen, endlose Beratungen ( consultas) mit ihren Geschwistern, ihrer Mutter, und der Schar ihrer Freundinnen; aber die letzte Entscheidung und Anfertigung der Kleider ruht selbstredend in den bewährten Händen der Meisterin, der modista. Dafür muß man aber auch sagen, daß unsere senorita einen Geschmack entwickelt, der nicht hinter dem der Pariserin zurückbleibt. Natürlich verschlingen Toilette und der Aufwand von Brillanten ganze Vermögen. Es wird erzählt, daß in vergangenen, lebensfrohen Zeiten, als in jenen neuen Ländern das Geld »keinen Wert« hatte, die jungen Peruanerinnen Sterne von Brillanten auf ihren Schuhen trugen. Auch für die Tücher, in die sie ihren Körper zu hüllen lieben, die rebozos, sayas und mantas, die bei den armen roten Cholas und Indias von Baumwolle sind, bei den reichen Kreolinnen aber aus reiner Seide und feinster Spitzenstickerei bestehen, werden Unsummen ausgegeben, ebenso für die Kopftücher, die bekannten mantillas. Wo diese, wie in Buenos Aires und in einigen anderen Plätzen, außer Mode gekommen sind, werden ebenso kostbare Pariser Hüte angeschafft. Mit Schmucksachen wird, wie gesagt, viel Luxus getrieben, obschon kaum mehr als in den Kreisen der europäischen Lebewelt. Bemerkenswert ist nur, daß selbst die Ärmsten danach streben, mindestens einen Brillantschmuck zu besitzen.

Um noch einmal auf die Pflege ihres Körpers zurückzukommen, muß gesagt werden, daß Baden zwar nicht überall in gleichem Maße gebräuchlich ist, aber im allgemeinen sorgt die spanische Kreolin für Sauberkeit ihres Körpers in hinreichender Weise, wodurch sie sich vorteilhaft von der Spanierin des Mutterlandes unterscheidet.

.

Abb. 215. Mädchen vom Yaghanstamme.

.

Abb. 216. Araukanerin beim Spinnen.

In Speise und Trank ist sie bescheiden; das einfache, aber wohlschmeckende Mahl wird gewöhnlich von den Dienerinnen bereitet, doch ist sie selbst eine Meisterin in der Bereitung nationaler Gerichte. Von Getränken kennt die Kreolin nur das Wasser und nippt an Weinen, von denen sie den Champagner allerdings gerade so liebt, wie anscheinend das weibliche Geschlecht der ganzen Erde, nur bei Festlichkeiten. Rauchen ist den jungen wohlerzogenen Damen ganz unbekannt. Dagegen lieben öfters ältere Damen bei Tisch den Genuß von ein oder zwei cigarillos zwischen den Gängen.

.

Abb. 217. Die Familie eines Araukanischen Kaziken (Häuptlings).

.

Abb. 218. Araukanische Frau aus Chile mit ihrem Kind.

.

Abb. 219. Araukanische Frau aus Chile mit ihrem Kind.

Musik ist eine der Lieblingsbeschäftigungen aller Kreolinnen. Das Instrument, das hauptsächlich in Betracht kommt, ist das Klavier. Nicht gering ist die Zahl junger Damen, die es darin zu beachtenswerter Fertigkeit gebracht haben. Die meisten freilich begnügen sich mit der Erlernung der einheimischen Tänze. Außerdem wird Gitarre sehr viel gespielt, wogegen Mandoline, Harfe und Geige jeweilige Modeinstrumente sind. Was die Gesangskunst betrifft, so reicht die Stimme der jungen Mädchen für den Vortrag volkstümlicher Lieder und Romanzen im engeren Kreise wohl aus; aber Sängerinnen von Bedeutung hat das spanische Amerika nicht hervorgebracht. Es scheint, als ob die Mischung weißen und indianischen Blutes nicht geeignet ist, schöne Stimmen zu erzeugen.

Vom Tanz ist die Kreolin eine große Freundin, obgleich ihre Leidenschaft dafür bei weitem nicht so hoch geht wie bei ihren nordamerikanischen Schwestern. Getanzt wird gewöhnlich auf den tertulias, wie man die zwanglosen häuslichen Gesellschaftsabende nennt, die von den Mitgliedern befreundeter Familien besucht werden. Gewöhnlich sitzen die jungen schmachtenden Schönheiten mit ihren feurigen, kohlschwarzen Augen und ihrem schönen, ebenso schwarzen Haar, das bei erwachsenen Damen aufgesteckt, bei jüngeren Mädchen öfters aufgelöst getragen wird, in schmucken, leichten Toiletten dicht gedrängt um die Wände des Salons herum, während die caballeros, Zigaretten rauchend, in den Nebenzimmern oder im patio (Hof) umherstehen. Speise und Trank, selbst in Form der bescheidensten Erfrischungen, sind auf diesen tertulias so gut wie unbekannt. Nur beim Tanz vereinigt sich das starke mit dem schönen Geschlecht. Leider haben schon längst europäische Tänze, besonders der Walzer, Eingang in das ganze Hispano-Amerika gefunden, und an einigen Orten, wie z. B. in Buenos Aires, Montevideo u. a., die einheimischen fast verdrängt; jedoch wird noch gern die volkstümliche melancholische dansa mit ihren langsamen, eigenartigen Rhythmen getanzt und besonders in den tropischen Ländern allen andern Tänzen vorgezogen. Getanzt wird in allen Räumen des Hauses, vor allem aber auf dem patio. In den stillen, lauen Tropennächten, unter dem Geflimmer des südlichen Sternenhimmels diese schwermütigen dansas, besonders die Habanera, zu hören und den graziösen Bewegungen der liebeschmachtenden Paare, dem langsamen Heben und Senken der Hüften zuzuschauen, ist unbeschreiblich reizvoll.

Ich erwähnte schon das Theater. Jede, auch die kleinste südamerikanische Stadt besitzt ein solches; in den Hauptstädten sind es oft wahre Prachtgebäude. Mit wenigen Ausnahmen nehmen die Frauen der vornehmen Klassen in den Logen der unteren Galerien, die der niederen Klassen in den oberen Galerien Platz. Das Parkett ist ausschließlich den einzelnen Herren reserviert. Die Stühle schicken die Familien vielfach selber in ihre Logen.

.

Abb. 220. Patagonierin (Tehueltschin).

Öffentliche Bälle finden selten statt und werden nur besucht, wenn sie von der vornehmen Gesellschaft zu wohltätigen Zwecken arrangiert sind. Stiergefechte, noch vor einem Jahrzehnt ein aufregendes Vergnügen an Sonntag-Nachmittagen, dem von der männlichen Lebewelt, aber auch von den Damen der besten Stände, nicht zu sprechen von der Halbwelt, stürmisch gehuldigt wurde, werden immer seltener abgehalten und sind in vielen Ländern bereits verboten. Hispano-Amerika, das sich mit Recht für zivilisierter hält als das spanische Mutterland, will von solchen brutalen Vergnügungen nichts mehr wissen!

.

Abb. 221. Feuerländerin.

Ist die Kreolin feurig in ihrer Liebe? Ich möchte die Frage verneinen. In Anbetracht ihres heißen Blutes und des feurigen Temperaments – ich fand beiläufig die Spanierinnen allenthalben unvergleichlich temperamentvoller als die Kreolinnen – hält man die spanischen Amerikaner für fähig jede Tat in der Leidenschaft zu begehen und glaubt, daß Liebesabenteuer, Entführungen, Gewaltakte um eines geliebten Weibes willen an der Tagesordnung sind. Welch ein Irrtum! Die Kreolin würde eher vor Liebesgram vergehen, als sich zu einer Tat aufraffen. Man übersehe nicht das heiße Klima der meisten spanisch-amerikanischen Republiken! Wie überall erzeugt auch hier die Hitze Trägheit, und Trägheit legt fast immer einem allzu feurigen Empfinden Fesseln an. Es kommt zwar vor, daß junge Mädchen aus angesehenen Familien entführt werden; aber diese Fälle sind so selten, daß sie noch viel mehr Aufsehen als bei uns erregen. Daß jemand aus Liebeskummer in den Tod geht, habe ich im Laufe vieler Jahre, die ich unter Kreolen geweilt habe, nur einmal erlebt, und in diesem Falle war das junge Mädchen, das aus Kummer um einen untreuen Geliebten sich vergiftete, keine reinspanische Kreolin: der Vater war ein Deutscher.

Zweifellos ist auch die Kreolin einer tiefen Liebe fähig. Aber sie ist viel zu welterfahren, um sich in ein Liebesverhältnis einzulassen, das nicht Aussicht hätte vor dem Altar einen legitimen Abschluß zu finden. Das Verlieben ist ihr ein angenehmer Zeitvertreib, die Heirat die Hauptsache.

.

Abb. 222. Feuerländerin. Weib eines Häuptlings vom Onastamme.

Am wärmsten schlägt wohl ihr Herz, solange sie noch keinen Lebensgefährten gefunden und keine eignen Kinder hat, für ihre Eltern und Geschwister. Kaum daß sie die Eltern verläßt, wenn sie sich verheiratet. Wenigstens hält man es für ganz in der Ordnung, wenn der junge Gatte in das Haus der Schwiegereltern zieht; sind aber seine materiellen Verhältnisse günstigere als die der Schwiegereltern, so nimmt er oft nicht nur diese, sondern auch die oft sehr zahlreichen Geschwister seiner Gattin mit in sein Haus auf, und auf alle Fälle wird von ihm erwartet, daß er mit seinen Mitteln die ganze weit ausgebreitete Sippe unterstützt. Für ihre Kinder, mit denen die Kreolin oft in großer Zahl gesegnet ist, besitzt sie eine Liebe, die fast keine Grenzen kennt, aber leider verbindet sie damit eine wenig empfehlenswerte Verzärtelung und Verwöhnung.

.

Abb. 223. Patagonierin mit ihren Kindern.

Niemals vermöchte eine Mutter ihrem Kinde einen erfüllbaren Wunsch abzuschlagen. Sie würde das für ausgewählt grausam halten. Es ist ein Wunder, daß diese übertriebene Nachsicht bei dem weiblichen Geschlecht keine moralischen Schäden zeitigt; dagegen sind die Mängel der Männer zweifellos auf die ungenügende Erziehung, die sie in ihrer Kindheit im elterlichen Hause genossen, zurückzuführen.

Die Kreolin besitzt trotz der Oberflächlichkeit ihres Tuns und Handelns, die ein Gemeingut der gesamten spanisch-amerikanischen Familie ist, Weichheit und Herzensgüte. Für das Unglück anderer empfindet sie tiefstes Mitgefühl und ist bereit, ihr Letztes zu opfern. Sie ist noch weniger als die Männer ihres Volkes imstande »nein« zu sagen, d. h. eine Bitte, den Wunsch eines andern glattweg abzuschlagen. Wo sie nicht helfen kann, sucht sie die Ablehnung durch Redewendungen, durch andere Versprechungen, Aufschiebungen (daher das bekannte » mañana!«, d. h. morgen), oder sonstwie zu umgehen. Ihren Volksgenossen bleibt in solchen Fällen kein Zweifel, woran sie sind; nur der »Gringo« Gringo ist die Bezeichnung für den Europäer, die bald im Sinne der Antipathie, bald im Scherz gebraucht wird. ist öfters etwas schwer von Begriff, oder er beklagt sich über die »Unaufrichtigkeit der Rasse«, deren Handlungsweise im Grunde doch nur auf Herzensgüte und Höflichkeit beruht. Bis in die niedrigsten Volksschichten sind die Kreolen uns Nordländern in der Wahl und Feinheit der Umgangsformen überlegen.

.

Abb. 224 Feuerländerin. Museum für Völkerkunde, Leipzig.

.

Abb. 225. Feuerländerin. Museum für Völkerkunde, Leipzig.

Frühreife findet sich bei beiden Geschlechtern; nur schade, daß die Entwickelung der auf fast allen Gebieten glänzenden Anlagen schon in den Jahren einen Stillstand erleidet, wo sie bei uns noch lebhaft fortschreitet. So wird aus den gar nicht zu zählenden, oft erstaunlichen Talenten, die sich unter den Kindern finden, gewöhnlich nichts. Etwa im Alter von 16-20 Jahren ist das Wunder verschwunden, und übrig bleibt nur ein physisch völlig reifer Mensch, der sich in keiner Weise von seinen Volksgenossen unterscheidet.

.

Abb. 226. Feuerländerin mit Kind.

Das Problem, ob Kinder in geschlechtliche Fragen einzuweihen sind, ist für das Kreolenvolk längst gelöst. Die im Salon statt in der Spielstube aufwachsenden jungen Mädchen hören jedem Gespräch der Erwachsenen zu; sie wissen genau über den Zustand ihrer Mutter bei der Ankunft kleiner Geschwister Bescheid und nehmen bald regen Anteil an Fragen delikater Natur. Kein Wunder, daß die junge dreizehnjährige Kreolin über intime Verhältnisse mit einer Ungeniertheit spricht, die einen Europäer nicht wenig verblüfft. Ist aber von alledem, was man bei uns die Illusionen der Jugend, die Reinheit auf Grund von Unwissenheit nennt, bei den Kreolinnen nichts vorhanden, so kann doch an der Keuschheit und Unberührtheit der jungen Mädchen, wenigstens in den mittleren und besseren Klassen, nicht gezweifelt werden. Freilich deckt sich das Wort Keuschheit für diese alles wissenden, geschwätzigen jungen Damen, die man nur selten erröten sieht, nicht ganz mit dem, was wir Deutsche darunter verstehen.

.

Abb. 227. Feuerländerin mit Kind.

.

Abb. 228. Feuerländerin mit Kind.

Im Punkte ehelicher Treue ist die Kreolin weit besser als der Ruf, den ihr kurzsichtige und einseitige Beobachter hin und wieder geben. Nach eigenen langjährigen Erfahrungen in den spanisch-amerikanischen Ländern darf ich unumwunden erklären, daß die Kreolin ihrem Gatten gerade so treu ist wie Frauen in andern Ländern, z. B. in Deutschland. Ihre Führung in der Ehe hängt durchaus von der Handlungsweise des Mannes ab. Nur ein fortgesetzter Verdruß, verursacht durch die ehelichen Seitensprünge ihres Gatten, durch die Bloßstellung ihrer Ehe, vermöchte sie allmählich selber auf Abwege zu führen. Weit weniger genau nimmt es allerdings in der Ehe der Herr Gemahl, der oft genug noch anderweitig seine »zweite« Familie unterhält.

Alles in allem stelle ich die Frauen des spanischen Amerika hoch über ihre Männer. Bei diesen kann man nicht einmal die hohe Schätzung des weiblichen Geschlechts zu ihren Gunsten auslegen, da sie in der Hauptsache nur auf Sinnenreiz beruht. So mag denn der Leser das bekannte Wort richtig einschätzen: Südamerika ist das Fegefeuer für die Pferde, die Hölle für die Männer und der »Himmel für die Frauen«.

Wenn ich in den mittleren und höheren Ständen die sittliche Lebensführung und Unberührtheit der jungen Kreolin, die übrigens von ihren Eltern und Geschwistern ständig beobachtet, sowie bei ihren Ausgängen meist von Dienerinnen begleitet wird, als die Regel hinstelle, kann ich eine gleiche Zensur der ärmeren Bevölkerungsklasse nicht erteilen. Freilich ist es hier wie fast überall die Mittellosigkeit, die von den lebenslustigen caballeros ausgebeutet wird. So ist es zu erklären, daß sich in manchen dieser Republiken, obenan wohl in Chile und Mexiko, eine regelrechte Kokotten- und Mätressenwirtschaft herausgebildet hat.

Die Kreolin ist strenggläubige Katholikin. Durch das Weib hält der Klerus die Familie und damit oft das ganze Land im Zügel. Durch seinen unheilvollen Einfluß, wie oft genug festgestellt worden ist, werden die spanischen Republiken verhindert, sich an den Kulturfortschritten der Zeit in gleichem Maße zu beteiligen wie die europäischen Staaten. Nur wenige Länder haben sich davon frei gemacht, obenan Venezuela und die Hauptstadt Buenos Aires (nicht aber die argentinische Provinz). Ganz bigott sind Chile, Peru, Bolivia, Ecuador, Mexiko u. a.

.

Abb. 229. Nordamerikanische Mestizin. (Vater Amerikaner, Mutter Sioux-Indianerin; Süd-Dakota.)

.

Abb. 230. Mexikanische Mestizin bei der Handarbeit.

Wissenschaftliche Bildung eignet sich die Kreolin in den Schulen nur unvollkommen an. Die erwachsene junge Dame hat wohl von allem Wissenswerten gehört, weiß von allem etwas, aber nichts gründlich. In der Literatur beispielsweise kennt sie sicher alle Namen der großen Dichter und Schriftsteller, aber ihre Werke hat sie kaum gelesen. Von Sprachen wird besonders Französisch, jedoch auch nur mit mittelmäßiger Fertigkeit erlernt. Am höchsten ist ihre musikalische Bildung, worüber bereits gesprochen, einzuschätzen. Andere Künste, von ein wenig Malerei nicht zu sprechen, werden kaum gepflegt.

Versuchen wir nun, nach dieser allgemeinen Charakteristik, die einzelnen Typen in zwanglos zusammengestellten, nur leicht umgrenzten Bildern, die in ihren Gegensätzen keinen Anspruch auf ethnologische Wertung machen, kennen zu lernen, nämlich:

a) Die Guachinanga, in Verbindung mit den Frauen Mexikos und Zentralamerikas.

b) Die Caraqueña, in Verbindung mit den Frauen Venezuelas und Kolumbiens.

c) Die Ecuadorianerin und Bolivianerin.

d) Die Limeña und die Frauen Perus.

e) Die Chilenin.

f) Die Frauen am La Plata.

g) Die Kubanerin und Portoriqueña.

Im Anschluß an diese Aufsätze folgt dann die Brasilianerin, die Tochter des portugiesisch-amerikanischen Volksstammes. Nicht berücksichtigt werden die Frauen Paraguays, wo eine neue, d. h. kreolische Rasse, erst im Entstehen ist, während die einheimischen Guaranyfrauen in dem Artikel »Die Indianerinnen der Platastaaten« bereits besprochen sind, und schließlich die geringe Zahl von Kreolinnen der Republik Santo Domingo, die den Frauen Kubas und Puerto Ricos verwandt sind.

.

Abb. 231. Mexikanische Mestizin in ihrem Hause.

Die Guachinanga.

Dies ist der Volksname, der den Frauen im Innern von Mexiko, besonders der schönen Tochter der mexikanischen Hauptstadt, gegeben wird. Alle Reize, die für die Kreolin charakteristisch sind, finden sich in ihr vereint. Ihr Teint ist weiß, mit einem Unterton von dem Braun der Kastanie, bald in hellerer, bald in dunklerer Färbung, wie man ihn bei Südländern so oft findet. Ihre Vorfahren sind väterlicherseits die ritterlichen Kastilier, mütterlicherseits die Azteken, doch will das kreolische Volk Mexikos, das sich stolz zur »lateinischen Rasse« rechnet, von der aztekischen Vermischung nichts wissen, wie es überhaupt niemals geraten ist, einen Kreolen an seine indianischen Vorfahren zu erinnern.

.

Abb. 232. Mexikanische Mestizin in der Mußestunde.

Die Guachinanga ist etwa mittelgroß. Als junge Dame ist sie stets schlank und schmiegsam, aber leider wird sie als verheiratete Frau bald plump und dick. Ein niedliches Stumpfnäschen ist ihr nicht selten zu eigen.

Von allen Spanisch-Amerikanern sind die Mexikaner die ausgesucht höflichsten. In der Unterhaltung befolgt man gern die Sitte, verheiratete Frauen mit señorita (Fräulein) und ganz alte Damen und Großmütter mit niña (Kind) anzureden. Die jungen Mädchen sind frühreif und heiraten in sehr jungen Jahren. Ihre Erziehung, besonders in der Hauptstadt, ist eine recht gute und strebt durch den Einfluß der nahen Amerikaner immer höheren Zielen zu. In musikalischer Hinsicht gilt Mexiko als eines der sang- und liederreichsten Länder der Erde. Auch der Tanz ist außerordentlich beliebt, und den heimatlichen, bald heiteren, bald tief traurigen dansas wird gern der Vorzug gegeben. Noch findet sich überall die heimische Mode, der rebozo (das Umlegetuch) und die mantilla (das Kopftuch) bei den Frauen. Aber gewaltsam dringt das Amerikanertum in das Land und mit ihm die Mode von Paris und Newyork, der man in der Hauptstadt der Republik schon auf Schritt und Tritt begegnet.

.

Abb. 233. Fünfzehnjährige mexikanische Mestizin.

Reizend weiß die kleine Mexikanerin zu plaudern, wobei es auch an pikanten und recht spitzen Bemerkungen, die freilich niemals das Unerlaubte streifen, nicht fehlt. Nach Tausenden zählen die Fremden, Europäer und Amerikaner, denen es die feurigen schwarzen Augen und das Plappermäulchen der Guachinanga angetan haben; die sehr zahlreichen Ehen zwischen Deutschen und Mexikanerinnen sind fast durchweg glücklich.

In welchem andern Lande aber wird einem das Heiraten in der Regel so schwer gemacht wie in Mexiko? Gleich nachdem der junge Mann um die Hand der Angebeteten angehalten, wird ihm nach altem Brauch das Haus verboten. Aber nicht verwehrt ist ihm, mit der Geliebten durch das Gitterfenster mündlich zu verkehren. 5, 6 bis 8 Jahre lang muß er sich nun begnügen, mit der Dueña seines Herzens vor ihrem vergitterten Fenster zu sprechen. Hier werden die Liebesschwüre die langen Jahre hinein- und hinausgehaucht. Hier flüstert er, was er nur Gutes von sich selber wie für die Zukunft der Geliebten zu erzählen weiß, immer durch das Gitter hindurch; pflichtschuldig überbringt das Töchterlein die guten Nachrichten den Eltern im Hintergrunde, um sie zu überzeugen, mit welcher Sicherheit sie in den Armen ihres Don Fulano aufgehoben sein wird. Endlich, endlich wird die Einwilligung gegeben und nach der Verlobung folgt eilig die Trauung.

.
.

Abb. 234-235. Mestizin von Ipuriná-Mutter und Cearenser-Vater, etwa 15 Jahre alt. (Cachoeira, Rio Purús, Brasilien.)

Auch in der Verlobungszeit wird das heißblütige, künftige Paar keinen Augenblick allein gelassen, und den ersten Kuß darf es nicht eher austauschen, als bis es Mann und Frau geworden ist. Natürlich, wenn der künftige Schwiegersohn zu der im stillen oft gehaßten und doch so viel begehrten Gringorasse Siehe die Erklärung für das Wort Gringo im vorigen Kapitel. gehört, wickeln sich Verlobung und Heirat in einfacheren Formen ab, d. h. nicht viel anders als bei uns; denn einerseits würde ein Europäer mit so strengen Vorschriften kaum einverstanden sein, andererseits bringt man ihm auch unbedingt größeres Vertrauen entgegen als dem eigenen Landsmann.

Nach so langer Prüfung erscheint treueste Liebe verbürgt bis an das Lebensende. Ist sie das auch? Ich wiederhole an dieser Stelle, was ich schon von den Kreolinnen im allgemeinen sagte: die verheiratete Mexikanerin wird ihrem Gatten so treu bleiben, wie Frauen in den besten Kulturländern, wohingegen der Herr Gemahl stark eingenommen ist für zeitweilige Extratouren in Amors Reich.

.

Abb. 236. Amerikanische Vollblutnegerin.

.

Abb. 237. Terzeronin.

Die Mädchen und Frauen der unteren Klasse, in deren Adern freilich mehr indianisches als kastilisches Blut fließt, sind leicht käuflich, vorausgesetzt, daß nicht ein Liebhaber mit dem Dolch in der Hand bereit ist, den Eindringling ohne Überlegung kalt zu machen; denn Eifersucht in Liebessachen ist eine der fatalsten Eigenschaften des mexikanischen Volkes. Im allgemeinen sind Eltern der ärmeren Klasse geneigt, gegen entsprechende Bezahlung ihr Töchterchen dem Europäer zeitweise, d. h. auf Monate oder länger, zu überlassen.

Die Veracruzana und die übrigen Frauen der tierra caliente von Mexiko sind etwas dunkler als die auf der Hochebene lebende Guachinanga, sie sind auch träger und sinnlicher; ihnen gleichen am ehesten die Frauen der zentralamerikanischen Republiken (Guatemala, Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica). Zwischen den letzteren und den Frauen der mexikanischen heißen Zone dürfte es schwer sein einen Unterschied festzustellen. Die Indianerinnen Zentralamerikas (über die an anderer Stelle ausführlicher gesprochen wurde) sind am häßlichsten in der nördlichsten dieser Republiken, in Guatemala, und werden immer hübscher, je weiter man nach Süden geht. Jedoch scheint die Häßlichkeit der ersteren den Typus der entstehenden kreolischen Rasse nicht beeinflußt zu haben, denn überall in Zentralamerika finden sich vollendete Figuren und edle, schöne Gesichtszüge, und gerade in der Hauptstadt von Guatemala sah ich typische Schönheiten ersten Ranges.

In religiöser Hinsicht sind die Zentralamerikanerinnen der Kirche so ergeben, wie die Mexikanerinnen. In ihrer Bildung reichen sie wohl nirgends heran an die Guachinanga der Hauptstadt. Musik und Tanz erfreuen sich überall größter Beliebtheit.

.

Abb. 238. Negerin mit geringem Einschlag von Weißen.

.

Abb. 239 Mulattin (Vater Weißer, Mutter Negerin).

.

Abb. 240. Typische Mulattin.

 

Die Caraqueña Spr. Karakenja

Von strahlender Schönheit sind die Frauen von Caracas, der Hauptstadt von Venezuela. Der Ruhm ihrer Schönheit ist über das ganze Südamerika verbreitet. Ich nehme keinen Anstand, sie den schönsten Frauen der Erde beizurechnen. Der Typus ist der allgemeine kreolische, doch ist das Gesicht breiter und plastischer angelegt, ohne jemals die in vollendetem Ebenmaß geprägten Züge scharf erscheinen zu lassen. Dazu ist ihr Teint weißer als bei den meisten übrigen Südamerikanerinnen. Es ist ein feines Weiß, über das ein Hauch von Elfenbeinfarbe gegossen scheint. Die Augen sind groß, von der typischen Schwärze und dem nie fehlenden spanisch-indianischen Feuer. Die Nase ist fein geformt, der Mund von zartem Schnitt. Recht große Figuren sind nicht ungewöhnlich. Ich stelle diese Frauen hoch über ihre Männer, deren Phrasenheldentum und Unehrlichkeit, besonders in der Verwaltung von Ämtern, zur Genüge bekannt sind. Übrigens habe ich selten bei Frauen eine solche Mißbilligung und Unzufriedenheit mit den Handlungen ihrer Männer gefunden wie bei den Caraqueñas.

Die übrigen Frauen Venezuelas sind ihnen zwar ähnlich, aber reichen nicht an ihre Schönheit heran. Auch fehlt ihnen der weiße Teint der Hauptstädterinnen; besonders in den Küstenstädten und am Orinoko sind sie beträchtlich dunkler. Nichtsdestoweniger konstatiere ich, in dem glühend heißen, ungesunden Maracaibo Frauen gesehen zu haben, die man nach dem edlen Schnitt ihrer Züge für Caraqueñas hätte halten können.

Die Erziehung der Venezolanerinnen, besonders der Caraqueñas, ist eine recht gute. Dem warmen Klima entsprechend fehlt ihnen wohl die Heiterkeit und Plapperfreudigkeit, die den Guachinangas, Limeñas und Chileninnen eigen ist, dagegen mögen sie gemütstiefer und schwärmerischer, vielleicht auch sinnlicher veranlagt sein. Das Land ist voll von Melodien und Liedern; in dieser Beziehung steht es an der Spitze Südamerikas. Auch der Tanz ist beliebt, besonders die einheimische dansa (Habanera).

Es muß übrigens bemerkt werden, daß die venezolanischen Kreolen, vornehmlich an den Küsten, aber auch bis ins Innere hinein, eine nicht geringe Beimischung von Negerblut erfahren haben. Dennoch nennen sie sich stolz »Lateiner«, und gebärden sich den Europäern gegenüber, die nirgends mehr als hier mit dem Haßworte gringo beehrt werden, und obgleich sie diesen das ganze bißchen Zivilisation verdanken, als seien sie die direkten Nachkommen spanischer Hidalgos.

Die Frauen der Kolumbischen Republik gleichen ihren Schwestern in Venezuela doch so weit, daß es nicht nötig scheint, sie als einen besonderen Typus hinzustellen. Freilich sind sie auch den Zentral-Amerikanerinnen verwandt, ebenso den Frauen im Hochland von Ecuador.

 

Die Kreolin von Ecuador.

Zieht man das sich ewig gleich bleibende Klima Guayaquils, der unter dem Äquator gelegenen Hafenstadt in Betracht, die Schwammfeuchtigkeit und die Glutwellen der Luft, so ist man nicht überrascht, daß die Töchter Ecuadors der Küstenzone tagsüber ihre Häuser nie verlassen, sondern vorziehen, ihren schlaffen Körper zu pflegen und zu ruhen – die Hängematte vertritt hier häufig den Divan – oder im besten Falle eine Arbeit vorzunehmen, die man sozusagen im Schlafe leisten kann.

.

Abb. 241. Amerikanisches Negerkind mit geringem Einschlag von Weißen (sog. »Griff«).

Die Ecuadorianerinnen verzichten auf die Umstände der Toilette, bis gegen Abend das Thermometer um ein paar Grad sinkt. Dann öffnen sich die Jalousien und unsere Dueña posiert auf dem Balkon, macht Besuche oder fährt mit der Straßenbahn spazieren. Das letztere ist ein beliebtes Vergnügen der Gesellschaft von Guayaquil. Man redet sich dabei ein, etwas frische Luft, nämlich durch die Bewegung beim Fahren, zu schöpfen, wobei man sich nicht einmal anzustrengen hat. Äußerlich ist die Ecuadorianerin den übrigen Kreolinnen nicht unähnlich. Vielleicht etwas dunkler, weniger graziös und weniger lebhaft. Sie fesselt den Europäer kaum in dem Maße wie die Frauen der andern Nationen, von denen in diesen Kapiteln die Rede ist. Auch ihre Bildung steht nicht sehr hoch. Folgender Vorfall mag dafür als Beispiel dienen:

Als Sarah Bernhardt mit ihrer Truppe diese ferne Küste besuchte – ein Ereignis, das in den Annalen der Kulturgeschichte des Landes verzeichnet steht –, eilte jedermann die berühmte Schauspielerin zu sehen. Nähmaschinen wurden verkauft, Juwelen verpfändet, niemand wollte fehlen. In der Vorstellung aber erging sich das Publikum in endlosen Lachsalven; je ernster der Vorgang auf der Bühne, je toller wurde gelacht. Der tragische Schluß des Stückes – die Kameliendame wurde gespielt – wurde durch das Brüllen der Menge förmlich erstickt, und zwar sollen sich am meisten die Damen der sogenannten besseren Gesellschaft durch solch albernes Betragen hervorgetan haben.

.

Abb. 242. Mulattin (oder Terzeronin; mit absoluter Genauigkeit lassen sich diese wie die übrigen verwandten Typen nicht bestimmen).

.

Abb. 243. Typische Quadronin.

Im Innern des Landes regiert der manto, der schwarze meterlange Spitzenschleier, der den Kopf und den Körper der Frauen vollkommen einhüllt. Hier ist man in der Kultur noch weit zurück. Bigotterie der Frauen ist in Südamerika wohl nirgends mehr zu Hause als in Quito, der Hauptstadt der Republik. Die Ecuadorianas sind im allgemeinen hübsch zu nennen, doch heißt es, daß auffallende Schönheiten fast ebenso selten sind wie ausgesprochen häßliche Gesichter.

Ecuador ist von Bolivia zwar durch Peru, ein Land von mehr als der dreifachen Ausdehnung des Deutschen Reiches, getrennt. Dennoch finden sich zwischen den Frauen des Hochlandes von Ecuador und denen von Bolivia, das überall ein Hochland ist, so viel verwandte Züge, daß wir an dieser Stelle auch der Bolivianerin gedenken mögen.

.

Abb. 244. Quadronin.

.

Abb. 245. Quadronin.

Bolivia hat keinen Hafen und eine schmale heiße Zone nur tief im Innern. Der größte Teil des Landes ist, wie gesagt, Hochebene, die in manchen Teilen nicht viel tiefer liegt als die Spitze des Mont Blanc. Äußerlich den Frauen von Quito nicht unähnlich, sind die Bolivianerinnen vielleicht noch um einen Grad weniger unterrichtet und kaum weniger bigott als jene. Daß der Bolivianer aber sein Weib nicht schlecht behandelt, möchte ich doch behaupten trotz des hier entstandenen Wortes: Mucho me quiere, porque mucho me aporrea, d. h. auf deutsch: Er liebt mich wohl sehr, denn er schlägt mich gar sehr.

.

Abb. 246. Okteronin.

Mit Entzücken gedenke ich der zarten, tieftraurigen Lieder und Tänze, die ich aus schönem Frauenmund in diesen Ländern gehört habe, der tristes de la cordillera.

.

Abb. 247. Nordamerikanische Zambo.

 

Die Limeña.

Du allerschönste Peruanerin,
Du Ebenbild der Reinheit,
Keine Einzige kann dir gleichen,
Dir, zartes, keusches Blümlein.

Dies ist der Anfang einer der schönsten peruanischen dansas, die die Reize der Limeñas, der viel gerühmten Frauen Limas, besser schildert als es prosaische Worte vermöchten. Nicht viele Städte der Welt dürfen im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung so zahlreiche schöne Frauen bergen wie die Hauptstadt des ehemaligen spanischen Königreichs von Peru. Die Limeña ist die Königin unter den Kreolinnen, nur daß das Majestätische, das man mit dem Wort Königin verbindet, keiner Kreolin, und am allerwenigsten der Limeña zukommt. Grazie ist ihre wesentliche Eigenschaft; in Grazie getaucht erscheint ihr ganzes Wesen: … et la grâce plus belle encore que la beauté!

.

Abb. 248. Mexikanische Zambo.

Die Limeña ist klein, höchstens mittelgroß; sie hat unter allen Kreolinnen den zierlichsten, schmiegsamsten Körper. Auf ihren winzigen Füßchen mit hochgewölbtem Spann und hohler Sohle schwebt sie elastisch und anmutig über den Boden. Ihre Hautfarbe ist wie weißes Elfenbein, zart und blaß, oder doch nur leicht rosig angehaucht. Ihre Züge sind von vollendeter Schönheit. Feiner als die der Chilenin, die mit der Peruanerin oft verglichen wird. Sie hat nicht etwa den breitangelegten Kopf von klassischem Ebenmaß wie die Caraqueña; vielmehr ist das Köpfchen der Limeña, ihrer zierlichen Figur entsprechend, klein und oval. Die tiefschwarzen, unter den Brauen fein verschleierten Augen, deren Ausdruck meist noch durch lange, aufwärts gebogene Wimpern erhöht wird, das fein geschnittene Näschen, der überaus zierliche Mund wirken vereint als ein Ganzes von wundervoller Harmonie. Wenn wir einen Vergleich mit den Göttinnen der Antike ziehen wollen so gleicht die Caraqueña vielleicht der Juno, die Chilenin der Minerva, die Limeña der Diana oder der Venus.

.

Abb. 249. Peruanische Chola mit Kind.

Das Geplauder der kleinen Limeña, das schnell wie ein munteres Bächlein dahinfließt, ist von zauberischer Wirkung; nur darf derjenige, der das Glück hat, an einem Dialog teilzunehmen, nicht die Erörterung philosophischer Probleme von der kleinen Plauderin, deren Betrachtungen nur selten über Mode, Spiel und Tanz, Theater und Musik, Promenaden und vielleicht noch ein wenig Lektüre hinausgehen, erwarten.

.

Abb. 250. Cholas bei der Morgentoilette.

Middendorf erzählt, daß der Witz und die Schlagfertigkeit der Limeñas ehedem noch berühmter waren als heute. »Das gewandte Plänkeln mit Worten war eine Folge der ehemaligen Sitte, welche den Frauen der besten Gesellschaft erlaubte, mit verhülltem Gesicht auszugehen und unter solcher Verkleidung sich mit jedermann zu unterhalten.« (Gemeint ist die »Tapada«, von der weiter unten gesprochen werden soll.) »Unter dem Schutze des Schleiers entledigte sich dann die Zunge der Fesseln, die im gewöhnlichen Leben Schüchternheit und Schamhaftigkeit ihr anlegten mutwillige Einfälle wurden in kecker Weise vorgebracht und Neckereien, bei welchen sich die Männer Blößen gaben, mit beißendem Spott zurückgegeben und vom zuhörenden Publikum beklatscht.«

.

Abb. 251. Peruanische Zambo (sog »Chola«).

Die Limeña geht viel zur Messe, wenn auch mit etwas weniger Eifer als die Chilenin. Läßt sie auch hin und wieder den Kirchgang am frühen Morgen ausfallen, so wird sie doch nie am Sonntag zur 11 Uhr-Messe fehlen. »Das wissen die jungen Leute«, erzählt Middendorf, »und stehen daher in dichten Gruppen auf dem Platz vor dem Ausgang, um die jungen Mädchen vorbeigehen zu sehen. Auch die Mädchen wissen, daß man sie draußen erwartet, und wenn sie aus der Kirche kommen, ziehen sie sittsam die schwarzen Spitzenblenden über ihr Gesicht, aber die lebhaften Augen leuchten durch die Maschen. Die Befreundeten wandern zusammen in leisem Geplauder durch die Straßen bis zu einer Ecke, wo sich ihre Wege trennen. Dann umarmen sie sich zärtlich und küssen sich wiederholt, als ob sie auf lange Zeit Abschied nähmen und nicht bis zum nächsten Morgen. Die Alten umarmen sich gleichfalls, küssen sich aber nicht, sondern sehen einander über die Schulter und klopfen sich liebkosend auf den Rücken.«

.

Abb. 252. Mexikanerin von einem Rancho (Landgut), phantastisch kostümiert.

Für den Besuch der Kirche ohne Ausnahme, aber auch bei den meisten Tagesausgängen bedient sich die Limeña der Manta, des schwarzen kostbaren Spitzentuches, in das sie ihren Körper eng einhüllt. Früher kannte man auch die »Tapada«, d. h. die Jungfrau, die bei der Umhüllung mit der manta nur ein Auge frei läßt, eine Sitte, die auf die Zeit des Maurentums in Spanien hinweist – die Vorfahren der Limeña sind auf spanischer Seite bekanntlich Andalusier, auf der amerikanischen der Inkastamm gewesen.

Bei den Korsofahrten aber, und sobald das Gaslicht entzündet wird, verlangt der gute Ton, sich in moderner, d. h. europäischer Weise zu kleiden. Eine Dame, die dann noch die Manta trüge, würde sich der Unannehmlichkeit aussetzen, mir abenteuernden Frauenzimmern verwechselt und belästigt zu werden.

Es braucht kaum erwähnt zu werden, daß die Frauen des übrigen Peru denen der Hauptstadt gleichen, nur daß alle Eigenschaften, die uns die Limeña wert machen, bei ihnen doch eine gelinde Abschwächung erfahren haben. In den Provinzstädten Südamerikas, wo der Klerus ungehinderter sein Szepter schwingen darf, herrscht überall ein gewisser Stumpfsinn. Allein in einem Punkte sind diese Frauen der Limeña überlegen: in dem Eifer, mit dem sie die Kirche besuchen.

 

Die Chilenin.

Einer der interessantesten und pikantesten Typen der Kreolinnen ist die Chilenin. Sie gleicht am meisten der Limeña, ist vielleicht etwas größer als diese und kleidet sich gleich ihr. Auch unter den Chileninnen blühen Schönheiten auf wie Blumen auf einer Wiese, wenn auch nicht ganz so zahlreich wie unter den Limeñas. Viele Vorzüge dieser besitzt auch die Chilenin. Man rühmt ihre höhere Bildung und größere Intelligenz. Ob sie uns dadurch noch sympathischer ist, als ihre Schwester in der Tropenzone?

Chile ist die einzige Republik, in der es eine Klasse (die Ceuticos) gibt, die behauptet, von rein spanischer Abstammung zu sein, was ich übrigens stark bezweifle. Die Frauen dieses Standes unterscheiden sich äußerlich jedenfalls nicht von denen des Volkes, nur daß sie, ihren größeren Mitteln entsprechend, sich vornehmer, selbstredend immer nach der letzten Pariser Mode, kleiden. Mit großer Zähigkeit halten sie, unter dem Druck des Klerus, an hergebrachten Sitten. Noch sind die jungen Damen in der Mehrheit, die bei ihren Vormittagsspaziergängen sich des Manto In Chile sagt man meist manto, in Peru manta. bedienen; die Kirche etwa im Hut zu betreten, käme einer Sünde gleich. Aber reizend schauen diese Köpfchen in ihren oft kostbaren Mantos aus; man hat wahrlich keine Sehnsucht, sie in Pariser Hüten zu sehen.

.

Vornehme Kreolin auf dem Gange zur Messe.

.

Abb. 253. Junge Mexikanerinnen als Verkaufsdamen in einem Wohltätigkeitsbazar in Huatusco im Staate Vera Cruz.

.

Abb. 254. Mexikanerin. Typus einer schönen Guachinanga.

Der Manto ist ein Stück schwarzes Zeug, bei den Damen der vornehmen Welt ein Spitzentuch aus feiner Seide, von zwei oder mehr Metern Länge. Er bedeckt enganliegend das Haupt, so daß nur das Gesicht frei bleibt, und gleichzeitig in mehreren Windungen den Oberkörper. Der letzte rechte Zipfel wird über die linke Schulter geschlagen und am Rücken durch eine Nadel befestigt. Auch der den Kopf bedeckende Teil wird mit einer Nadel, die durch das Haar geht, festgesteckt. Das Gesicht blickt wie aus einem engen schwarzen Rahmen hervor. Die Mantos der armen Bevölkerung mögen wenig kostspielig sein, obgleich für keinen anderen Bekleidungsgegenstand so viel ausgegeben wird wie für diesen. Dagegen kosten die Mantos der wohlhabenden Damenwelt, vapores oder crêpes de Chine genannt, oft viele hundert Mark. Sie sind eine Art Negligé für die Straße, und da sie das Haupthaar vollkommen einhüllen, spart die Trägerin damit die Mühe des Frisierens.

.

Abb. 255. Städtische Mexikanerin.

.

Abb. 256. Guatemalteca. (Zentralamerikanische Kreolin.)

.

Abb. 257. Kreolin von San José de Guatemala. (Mutter Guatemalteca, Vater Israelit.)

Die Chilenin hat es durch kosmetische Künste wirklich erreicht, daß ihre Gesichtshaut allmählich eine hellere Färbung angenommen hat als die ihres Körpers, dessen etwas dunkle Tönung ihre mehr oder weniger entfernte Verwandtschaft mit den kupferfarbenen Töchtern des Landes verrät. Da natürlich ihr klassisch schönes Gesichtchen weißer erscheinen soll als es beschaffen ist, so ist die Pflege des Teints zu einem Gegenstand ihrer beständigen Sorge geworden. Das Schminken ist bekanntlich allgemeiner Brauch bei allen Kreolinnen; indessen zu einer ganz besonderen Kunstfertigkeit hat man es darin in den Ländern der Westküste gebracht – in Peru und in Chile. Middendorf schreibt darüber: »Um die Täuschung möglichst vollständig zu machen, legt man zuerst Weiß und Rot auf und bestreut das Gesicht nachher mit Reispulver, als ob die darunter befindliche Maske die natürliche Farbe des Gesichtes sei. Das bleibt alles recht schön, solange die so herausstaffierten Frauen nichts anderes vornehmen, als etwa am Fenster zu sitzen, langsam spazieren zu gehen oder einen Besuch zu machen. Aber wenn sie sich verleiten lassen zu essen, so entsteht um den Mund mitten im Weißen ein brauner Ring, und bei stärkerer Erhitzung und Ausdünstung würde das unvorsichtige Abwischen eines Schweißtropfens eine schreckliche Verheerung auf Stirn und Wangen anrichten. Wie nun jede Kunst ihre Grenzen hat, so auch das Schminken, und es gibt Gesichter, die überhaupt nicht mehr schminkbar sind. Diese Wahrheit ist aber so bitter, daß manche Frauen es durchaus nicht über das Herz bringen können, sich davon zu überzeugen. Sie machen verzweifelte Anstrengungen, und aus dem natürlichen Braun ihrer Haut und dem aufgelegten Weiß entstehen Mischfarben, etwa wie lehmiges Regenwasser oder schlechter Hotelkaffee mit dünner Milch.«

.

Abb. 258. Gruppe von Caraqueñas.

.
.

Abb. 259-60. Caraqueñas.

Die Chilenin hat die denkbar besten gesellschaftlichen Manieren. Sie ist sicher im Auftreten, von heiterem Gemüt, plauderlustig und gleich den meisten Kreolinnen nie verlegen um eine Antwort, die mitunter recht schlagfertig und schelmisch ausfällt. Ihre wissenschaftliche Bildung reicht im allgemeinen nicht über das Mittelmäßige hinaus.

.

Abb. 261. Guatemalteca auf dem Wege zur Messe.

Musikalisch ist sie weit mehr entwickelt als die Limeña. Es gibt in Südamerika außer Venezuela kein zweites so liederreiches Land wie Chile. Der nationale Tanz, der mit geringer Veränderung bis Peru gedrungen ist, ist die Zamacueca, kurz Cueca genannt, ein Tanz, der aus dem spanischen Fandango entstanden ist. Aber wie viel graziöser und melodiöser ist diese Cueca! Leider wird sie ausschließlich vom niederen Volk getanzt, d. h. von Cholos und Indianern. In den vornehmen Familien wagt man es nur zu vorgerückter Stunde und im intimsten Kreise, die volkstümliche Cueca, nach der das feurige Blut oft lechzen mag, zu tanzen. Köstlich ist die Grazie, die die Chilenin dabei entfaltet, und urkomisch wirkt meistens die vergebliche Mühe des europäischen Gringo, sich um seine Partnerin stilgerecht zu drehen.

.

Abb. 262. Caraqueña.

Unter den Chileninnen finden sich zahlreiche Blondinen, was vermutlich von dem nicht geringen Einschlag von englischem und irischem Blut herrührt. (Englische Namen sind in Chile nicht ungewöhnlich; um das Ende des 18. Jahrhunderts sind englische und irische Familien eingewandert, deren Nachkommen freilich zu echten Chilenen geworden sind.) Indessen darf nicht vergessen werden, daß sich auch unter den eingewanderten Kastiliern vermutlich viele blonde Typen befanden. Außer durch das blonde Haar und einen vielleicht etwas helleren Teint unterscheidet sich aber eine »Rubia« durchaus nicht von dem Normaltypus der brünetten Chilenin.

 

Die Frauen am Platafluß.

Der mächtige Silberstrom (La Plata) und sein Zufluß, der Uruguay, teilt die Ostseite des südöstlichen Südamerika in zwei ungleiche Teile, die kleine Republik Uruguay ( República Oriental del Uruguay, daher die Bewohner sich kurzweg Orientalen nennen) und die Republik Argentinien, die etwa sechsmal so groß wie das Deutsche Reich ist.

.

Abb. 263. Mädchen im Nationalkleid ( pollera) aus Panama. (Die Mehrzahl sind kolumbische Kreolinnen; die rechts außen stehende eine Zamba.)

.

Abb. 264. Peruanerinnen (Limeñas) in der üblichen Tracht beim Vormittagsausgang.

.

Abb. 265. Peruanerin. Eine sog. »Beata« (Betschwester), einer religiösen Genossenschaft angehörig.

Die Frauen von Buenos Aires, der Hauptstadt Argentiniens, nennen sich noch besonders Porteñas (nach puerto, Hafen). Es wird hin und wieder versucht, die Porteñas von den Orientalinnen Montevideos zu unterscheiden. Allein der Versuch ist meines Erachtens so vergeblich, wie wenn man etwa eine Elberfelderin von einer Düsseldorferin unterscheiden wollte. Wenn jemand aber von dem äußerst lebenslustigen, luxuriösen, verwöhnten Buenos Aires, das ganz auf der Höhe der Zeit steht, einerseits, und der beträchtlich ruhigeren, finanziell meist schlecht situierten Hauptstadt von Uruguay andererseits, auf das Wesen ihrer Einwohner schließen möchte, steht dem nichts im Wege. Der Verfasser vermochte, wie gesagt, keinen Unterschied zu entdecken. Beide hatten die gleichen Voreltern, beide gleichen sich in der Figur, in den oft klassisch schönen Zügen ihres Gesichtes und entsprechen in ihrem Äußern dem allgemeinen kreolischen Typus. Beide sprechen die gleiche Sprache, kleiden sich durchaus nach Pariser Mode mit demselben hervorragend guten Geschmack, und überragen bei gleich guter Erziehung und Bildung alle übrigen Kreolinnen. Aber freilich ist es nicht ausschließlich der spanische Kreolentyp, den wir in diesen Ländern, und besonders in den Hauptstädten, antreffen. Man vergesse nicht, daß die Einwanderung nach Buenos Aires von jeher sehr stark gewesen ist. Heute zählt diese Metropolis mit ihren Vororten über 1½ Millionen Einwohner, wovon etwa die Hälfte Italiener! So kommt es, daß in Buenos Aires von einem einheitlichen Typus nicht recht gesprochen werden kann. Gleich dem ganzen Land befinden sich auch die Typen gewissermaßen erst in der Entwicklung. Vergeblich würden wir heute das charakteristische, feingeschnittene Köpfchen und die unnachahmliche Grazie der Limeña oder die pikante Schönheit der Chilenin hier in der Allgemeinheit suchen. Die Umgangsformen in diesen von Europäern überfluteten Ländern unterscheiden sich kaum mehr von denen, die in europäischen Salons gepflegt werden.

.

Abb. 266. Peruanerin von Arequipa.

Außer den Italienern zählen noch die Kolonien der Franzosen, Spanier, Engländer, Deutschen, Amerikaner u. A. nach Tausenden. Nach der Nationalität ihrer Eltern, bezw. falls die Mutter Argentinierin ist, nach der des Vaters, nennen sich die in Buenos Aires geborenen Töchter: Franco-Porteña, Anglo-Porteña, Teuto-Porteña usw. Viele der blonden Erscheinungen gehören ihnen an.

.

Abb. 267. Bolivianerin.

Die vortreffliche Erziehung der Porteña ist schon erwähnt worden. Sie besucht gute Schulen und zeigt ein weit höheres Interesse als die übrigen Südamerikanerinnen für alle Zweige des Wissens. So musikalisch wie in den anderen Republiken ist man freilich am Plata nicht; die einst so reich blühende Volksmusik der La Plata-Völker, die während der langen Entwicklungsjahre der Staaten gänzlich verschwunden schien, wird erst neuerdings wieder gepflegt. Dennoch zeichnet sich die junge Frauenwelt in der Musik aus. Es wird in der Tat vorzüglich musiziert in Buenos Aires, und nicht minder in den meisten Binnenstädten. Mir scheint, daß das Musikstudium in Argentinien fast zur Modesache geworden ist. Aber auch für Malerei, Deklamation u. a. ist das Interesse ziemlich groß.

Natürlich ist die Provinz, wie überall, weiter in der Kultur zurück. Hier finden sich noch in größerer Zahl die echten kreolischen Typen und hier und da alte landesheimische Sitten. Nichtsdestoweniger zeigt auch die Argentinierin im Binnenland weit mehr Ehrgeiz auf Kulturgebieten, als man in den Provinzen dieser exotischen Länder zu finden gewohnt ist.

Echte, unverfälschte Volkstümlichkeit wird in Argentinien heute nur in entlegenen Pampaansiedelungen, fern von den Eisenbahnsträngen, die heute die Republiken am Platastrom durchschneiden, zu finden sein, und wohl nur bei der Bevölkerung, die man nach ihrem Aussehen eher zu den roten ureingeborenen Kindern der Pampa als zu den Europäern rechnen möchte. Hier mag man noch echte Romantik, die man sonst in Argentinien, der prosaischsten aller Republiken, vergeblich sucht, finden. Der junge Gaucho zeigt seiner Geliebten, wie geschickt er mit dem Lasso feurige Pferde einfängt, oder er singt ihr Liebeslieder zur Gitarre oder erzählt von dem Nationalhelden Fierro, dem er sich ebenbürtig fühlt. Diese etwas rauhe Bevölkerung wird den fremden Wanderer, den halb mit Neid, halb mit Spott und Verachtung bedachten Gringo, mit ritterlicher Gastlichkeit aufnehmen. Die Frauen sind den Fremden gegenüber scheu und halten sich abseits. Die Sittlichkeit unter der Landbevölkerung ist nichts weniger als makellos; die Frauen leben mit den Männern oft im Konkubinat. – Ein eigentümlicher Brauch ist der der » angelitos« (Engelchen). Kleine verstorbene Kinder, angelitos genannt, werden den befreundeten Familien geborgt und von ihnen tagelang im Hause gehalten. Alles reißt sich darum, solch einen angelito eine Weile zu besitzen. Das geht so lange, bis selbst diese nervenstarken Menschen den Geruch der Verwesung nicht länger ertragen können und eine Bestattung der Leiche erforderlich wird. Dieser widerwärtige Brauch soll sich nicht nur bei der halb zivilisierten Bevölkerung der Pampa, sondern auch unter den Kreolen der größeren Provinzstädte finden. (Er ist auch in Chile und in anderen Republiken beliebt.)

.

Abb. 268. Bolivianerin.

.

Abb. 269. Bolivianerin.

Aber von allen diesen Verhältnissen wird der Reisende, der etwa zwecks Handelsinteresse oder als Globetrotter die La Plata-Staaten aufsucht, schwerlich etwas entdecken. Bis an die äußersten Punkte der Eisenbahn, sei es in der Kordillere, südlich an der patagonischen oder nördlich an der bolivischen Grenze, überall macht sich der Einfluß von Buenos Aires, das eine richtige Weltstadt ist, die Metropole der südlichen Hemisphäre, geltend. Die höfliche und wohlerzogene Bevölkerung unterscheidet sich kaum in irgendeiner Hinsicht von Europäern.

.

Abb. 270. Bolivianerin.

In Buenos Aires wie in Montevideo denkt man in religiöser Hinsicht ziemlich frei, wie überhaupt die Mehrheit der Frauen dieser Länder sehr aufgeklärt ist. Eine große Ausnahme macht allein das sehr kirchenfromme Córdoba.

 

Die Kubanerin und die Portoriqueña.

Kuba, die Perle der Antillen, und Puerto Rico waren noch bis zum Jahre 1899 im Besitz der spanischen Krone, nachdem die übrigen amerikanischen Kolonien längst, einzelne schon seit einem Jahrhundert, vom Mutterlande abgefallen waren. Heute ist auch Kuba eine selbständige Republik, und Puerto Rico steht unter dem Sternenbanner der Union.

.

Abb. 271. Bolivianerin.

Die Bevölkerung der beiden Antillen besteht meist aus Negern und Mulattenvölkern, die wir an anderer Stelle geschildert haben. Die Kreolin, von der hier gesprochen werden soll, ist die Tochter ehemaliger spanischer Kolonisten oder auch neuerer spanischer Ansiedler. Hier und da mag afrikanisches Blut unbemerkt in ihren Adern fließen, aber dem trefflichsten Anthropologen dürfte es kaum glücken, indianisches Blut nachzuweisen. Es war noch kein Jahrhundert nach Entdeckung der Neuen Welt verflossen, als die grausamen Eroberer die etlichen Millionen von Karaiben, die damals Westindien bevölkerten, aufgerieben hatten, so daß mit Ausnahme eines Häufleins auf Trinidad und auf zwei andern Inseln, seit Menschengedenken kein Indianer mehr auf den Antillen zu finden ist.

.

Abb. 272. Chileninnen aus Santiago.

.

Abb. 273. Chilenin.

.

Abb. 274. Typus einer Chilenin.

Die beiden Inseln wurden von jeher von Spaniern aller Provinzen, von den kräftigen Basken im Norden bis zu den geschmeidigen Andalusiern des Südens, besiedelt. Aus ihren Vermischungen entstand unter dem Einfluß des neuen Bodens und des tropischen Klimas eine neue Gattung, die sehr verschieden ist von den Spaniern der iberischen Halbinsel.

Die Kubanerin von der Portoriqueña an ihrer Gestalt zu unterscheiden, ist so schwierig wie die Porteña von Buenos Aires von der Tochter Montevideos. Wenn es überhaupt zwischen beiden einen Unterschied gibt, müßte er im Wesen der Frauen gesucht werden. Kuba ist stets eine der lebenslustigsten, ich möchte sagen, lebenstollsten Kolonien Spaniens gewesen, das Dorado aller Auswanderer; anders Puerto Rico, das viel bespöttelte, von dem es oft hieß, daß es anstelle von »reicher Hafen« Puerto Pobre, d. h. armer Hafen, genannt werden sollte. In der Tat fand ich die Portoriqueña ziemlich still und zurückhaltend. Bezeichnend für diesen Unterschied im Wesen erscheint mir die üppige, berauschende, sinnliche Musik Kubas und die zwar ebenso sinnlichen, aber melancholisch schwärmerischen Dansas und Lieder Puerto Ricos.

In der schlanken, schmiegsamen Figur, in den Zügen ihres Gesichts, den tiefschwarzen blitzenden Augen und dem ebenso schwarzen Haar, in der Grazie ihrer Bewegungen, den wiegenden Hüften, den feinen schmalen Händen und kleinen Füßchen, gleichen beide der typischen Kreolin; freilich ohne die wie ein Hauch angedeuteten Merkmale der indianischen Rasse in den Zügen der letzteren. Da, wo ein dunkler Teint vorhanden ist, darf man vielleicht auf afrikanische Blutmischung schließen. Der Teint der Kubanerin und Portoriqueña ist im Gegenteil blendend weiß, denn vor den Strahlen der tropischen Sonne schützen sie vorsichtig ihr preziöses Köpfchen. In der Tat ist kaum eine ihrer kreolischen Schwestern so wenig geneigt, den Körper, sei es dem Wetter, sei es der Anstrengung gymnastischer Übungen, zu exponieren, wie sie.

Auf den » paseos«, wenn in der abendlichen Kühle beim Klange der Musik die vornehme Welt auf- und niederwogt, kann man sich beim Anblick von Hunderten von bildhübschen Gesichtern einen Begriff machen, welch einen Reichtum an Frauenschönheiten die spanischen Antilleneilande bergen. In Habana bildet auch das Korsofahren der Hautevolee zur Zeit des Sonnenunterganges ein vielbeliebtes Vergnügen.

.

Abb. 275. Chilenin. (Vater Portugiese, Mutter Kreolin.)

.

Abb. 276. Chilenische Kreolin. (Vater Engländer, Mutter Chilenin.)

Der Toilette und Pflege des Körpers wird zweifellos das größte Interesse entgegengebracht. Zu den Vergnügungen unserer » señoritas« gehören vor allem die trägen, schläfrigen dansas, die nicht die geringste Anstrengung erfordern. Außerdem wird ein wenig und zwar recht oberflächlich musiziert, Theater und die Tertulias (Reunions) befreundeter Familien werden besucht, in denen man ganze Scharen anmutiger, höchst geschmackvoll gekleideter junger Damen antrifft, die gleich lebenden, entzückenden Dekorationen rings um die Wände des Salons plaziert sind, während die Herrenwelt sich in den Nebenräumen, Zigaretten rauchend, zerstreut.


 << zurück weiter >>