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Tür ging – Stimmen!
Handdruck brach ab, auffahrend sah Kai sie kommen, holzgesichtig, feierlich, steifstengligen Blumen gleich, Hals ohne Gelenk.
»Sieh da, Goedeschal!« Über die Schulter: »Wie ich Ihnen sagte, Schaffner ...«
Ilse fort, weit weg, bleich ihr Gesicht.
Setzen.
Stille.
Und nicht zu drehen wagte Kai die Hand, nicht sie zu schaben am Stoff, die brennende, – sah steil vor sich, Blickmißgunst aufs Gesicht gesetzt wie zerkratzte Pickel, wartete, da lauter schwoll und lauter Ansturm des Herzens, dröhnender, wie Stürzen von Wogen, in den Ohren donnernd, ersäufend. »Nun kommt es!«
Stille. Schweigen. Kein Wort. Nicht ein Wort. Kein Glied raschelt.
»Gehen Sie, Herr Goedeschal, gehen Sie schnell.« Und »Gehen« ist weich und »Schnell« ist Drohung, und Mutterblick brennt im Aufschrei Mal auf die Stirn, und Zuck rafft Kais Leib: Fort! Fort!
Und die Tür ist da und gangbar nun, und Denken geht nicht, und Sinken wallt breit und bleibt und bleibt und bleibt, da er murmelt: »Nein, den andern Weg ... den andern Weg ...«
»Was sagten Sie? Nichts? Aber wir! Aber viel! Sie konnten gehen, Sie haben nicht gewollt und nun ...«
Peitscht Reue? Tür ist zu. Ja, nun möchte er fort sein, wie wieder schon Stille geht, atemgehackte nun, voll Speichelschlucken. Lippen formen Worte. Kleine Gesten fallen zwischen rasch gespreizten Fingern durch den Boden. Köpfe zucken gegen Kragengehäuse. Möchte fort, nun. Sitzt. Möchte grinsen wenigstens, buddhagleich. Doch bohrt Schmerz dumpf.
Versagender Atem: »Sie ... Schaffner ... kann nicht ...«
Ilse spricht klein, wie Furcht im Traum zagt: »Darf ich nicht gehen, Mama?«
»Bleibst! – Los, Schaffner, los!«
(›Ilse will fort von mir! Ja, laßt Ende sein!‹)
Und als er auf den Tisch blickt, ist der Briefpack wieder da, überlegt von der Hand Schaffners, die sich weich darum krümmt, und das Fingergegehe nun ist's, das ihm mit Blick Seele fängt, das Straffen, das Spannen, das Tanzen, Abstoßen, Trommeln, dieses wichtige und stumpfe Gehabe ist's, das über den Worten tanzt, die nun rauh und kratzend kommen:
»Herr Goedeschal! Nochmalige Durchsicht der Briefe, eindringende Überlegung stellten es endgültig fest: Sie: ihr Schreiber! Endgültig: Sie! Und bestätigt ist dies durch Herrn Schütt, der brieflich Fräulein Irene sagte, er kenne den Schreiber der Briefe: Sie seien's!«
(›So, da hast du das Ende, Kai! Die Finger haben sich zur Ruhe gelegt, glatt; zwei Nägel sind schwarz.‹)
Und Kai schweigt.
»Herr Goedeschal, Ihr Schweigen soll eine Zustimmung sein, nicht? Eingeständnis?«
Da fliegt es in Kai: ›Diese hier? Hier Gestehen? Hier Reue, Tränen, Strafe? Hier Ende? Von diesen ausgepflückt? Diesen das Recht, mich zu verhöhnen? Nein, o nein!‹
Und er ist da, ganz ist er da, seine Gebärde fliegt, Rettung, nur Rettung heißt die Gebärde: gutmachen. Und er steht, seine Stimme geht eilig, seine Worte stoßen sich. Und er ward zwei, ward zwei, deren der eine heidinnen ein Ende macht, stilles, sternengenähertes; anderer aber Weg erkämpft dahin ...
(›Sallust! Catilina! Morgengrauen! O aschegraues Morgendämmern!‹)
»Mein Schweigen: Verwunderung, Verblüffung, ja. Waren Sie's nicht, Werter, der, nicht vierundzwanzig Stunden sind's, hier sagte: er ist's! – und meinten Schütt? Sind Sie so leicht belehrbar oder so tief in Überzeugung verankert, daß Entschuldigungswort des Schütt an sein Mädchen Ihnen sattsam Entlastung erscheint? Und, glauben Sie denn ...«
Goß Worte, kämpfte noch einmal, füllte das Zimmer übervoll mit den Gesten seines Lebens, ermattete nicht, zuckte immer von neuem, wurde nicht Strecke, Halali drüber zu blasen von diesen ...
Wußte Ende drinnen, glaubte drinnen Ende nicht, leugnete Ende – warf Arm und Hand, ihre starrenden Augen mied sein Blick nicht mehr. »Liebe« sagte er Ilse; »du irrst« zu der Mutter, »Wertester, Allerwertester« zu Schaffner; wollte nicht enden, da nun, redend, er doch noch war, war, war, während dem Schweigenden gleich Schirmergeschichte, ohne Namen wohl, genügend doch, ins Gesicht geschleudert sein mochte, hatte Arne gesprochen; und dann Hinsturz doch, Reue, Rückgrat zerknackt, gieriges Zangengekneife von Bittermund.
»... und – kommen Sie doch, ich scheue es nicht, kommen Sie doch mit zu Schütt! Reden Sie mit ihm! Hören Sie doch, was er sagt! Kommen Sie, he, ich bin bereit!«
Und ließ den Arm fallen, sah starr vor sich, da in das Verstummen hinein, in die einbrechende Stille aller Atem wie Wasser floß und die Blicke zaudernd wurden, von allen die Blicke zögerten ...
Und endlich die Mutter: »Gehen Sie, Herr Schaffner, daß einmal Ende wird.«
Ging. Drückte Ilses Hand, mutsicher, daß zages Lächeln glomm und ihr Blick ihm dankte. Trat vor Frau Lorenz: »Gnädige Frau ...?«
Und als sie nicht zuckte, nicht die Hand zum Gruß hob, zwang er auch sie, Stärke strahlte er aus:
»Auf Wiedersehen, gnädige Frau!«
»Auf Wiedersehen, Herr Goedeschal.«