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74

Haste, Fuß, haste. Treppauf, treppab. Bogengänge, Treppengestiege. kaum lesbar im Flackerschein. Klingelzug. »Wohnt hier Herr Hans Schirmer? – Nein? Vielen Dank.«

Eilig, Kai, eilig! Straßengeblöke wieder, Männergejohle; Purpurflecke in Schwarz, so kreischen die Frauen. Stinkender Torgang. Gas lechzt. Lies!

»Wohnt hier Herr Hans Schirmer? – Nein? Wissen Sie wohl ...?«

Tür klappte. Treppauf, treppab. Augenbrennen. Kniebeben. Müde? Ermattet? – Jene sitzt im Zug. Diese zu Haus –: eile, Kai, eile! Kläre rasch auf, eh es zu spät ... Du mußt noch zu Arne!

Stolperstufen. Muffgeruch, von Zwiebeln durchstunken. Wäsche. Windeln. Kein Licht mehr hier oben, unterm Dach: Sterne stoßen zum Fenster herein –: »Wohnt hier ...?«

»Hans! Du sollst kommen! Hier ist ein Herr ...«

Stuhl rückt. Tür geht. Im Blickblitz: Küche, Töpfe, vertalgt, Männer, Weiber, Messergefresse ...

Schritt schlurft.

»He? Wer ist da?«

»... ich, Kai ...«

»Kai!«

Schritt zurück. Tür wankt unter Griff. Gegneraugen ahnen im Dunkel Gesichter. Atem sägt Speckluft.

(›Wozu noch fragen? Er tat es! Hier, in wüstestem Dreck, bannte er Ilse ...‹)

Sah sie Kai so, auf ein Eisenbett gezerrt, dem Stinkenden gesellt, Haarkörper, Nachttopf sichtbar? In den andern Betten Gegrunze, Geseufze, Geschrei, Gegirre?

Er ist die Kette zwischen dem reinlichen Heim und diesem, der noch immer atmet, wortlos, torklig – hastig, wankt – weiß!

Es schlenkert durch Kai, Glieder zucken, straffen sich schon. Hirn sticht mit Messern, hackt Gedanken, da nur Rot noch glüht, stürzt, blüht, Blick blendet ...

»Du! Du – Briefe? Hier herein sie! Selbst Briefe! Du – sie! Du – sie?!!! – Da! – Und da! – Und da!« – griff längst furchtschlaffen Arm, muskelstärkeren sonst, der nun wie riechend blaugrün verfault zwischen den Fingern zermürbte, Schlag fiel in Gesicht, Schlag in Gesicht, Schlag in Gesicht, das klatschte wie Brei, tropfte, näßte.

Gurgelte jener Schmerz, wortlos. Doch wehrlos – stand hündischer Grinser in Nacht.

Da Kai sich wandte, schleppend den Schritt, Adergehäuse entleert, die Treppen hinabstieg zum Sterngeglänze, Flackergas dann, mündend in Hohlschacht Gasse, achtsam nun besorgt, Steinplatten nur zu treten und Ritzen zu meiden.

Hirn ging und drehte: Nippesgedanken, Bilderchen, süße, Gartenlaube, Daheim ...

Bis sein Schrittrhythmus nicht mehr allein die Nacht in Stücke zerlegte, sondern ein Schatten, an Hauswand gekrümmt, gleich ihm schritt, sanfter nur, und Stimme nun klang: »Kai, hier ... dein Revolver ...«

Und da war es, daß Kai fußgehemmt verharrte, Hand hob auf die Schulter des Hans, schüttelte den, nach rückwärts und vorn, daß sein langhalsiger Kopf dröhnend die Hauswand betanzte – indes Kai lachte und lachte, gellend und kullernd, aus Gefühlbrei heraus, getrieben, achtlos, ahnungslos, sinnlos ...

Bis er weiterging dann, nun den Hals wieder verschnürt und Luft kaum krächzend, – nachtdurch heimwärts, zimmerallein gebannt zu sein, nachtgegeben zu hocken: weil es unmöglich, Arne noch zu erreichen, zu erklären, versichern, daß man schuldlos – wenn nebenbei auch Judas –, da Schirmer ...

Nachtdurch heimwärts ging, indes Stadt von Getriebe brauste und eben vielleicht verräterisches Wort lebenendend unhinderlich einem Munde entfloß ...

Nachtdurch heimwärts getrieben ward zum Bettpfuhl: Lieg wach!


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