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Kai ließ sich gleiten – Kissen schmiegten weich den Nacken, armselig und strähnig, der er war. Die Glieder ruhten. Im Windzug treibender Gedanken zerging flockig Alkoholnebel, Bilder kamen, sie glühten auf, eine schmerzliche Süße zwängte ihn diesen Munden zu und ließ ihn trüb nachträumen abgekehrten Schultern.
»Wieder wäre ich daheim. Diesen Nachmittag warf ich Worte, hetzte mich, weiter und weiter, am Ende lag ich doch, aus Schlafwandel gestürzt, an der Hürde des alten Rätsels. Seine Lösung suchend durchtastete ich Straßen, warf mich an Diese und Jene, aber nur Wind war ich, verblies mit dem kälteren Bruder an einer Ecke oder dort hinten, wo die Gläser der Laternen unter dürftig entlaubten Bäumen klirrten.«
»Mädchen streiften an meinen Schultern vorüber. Die einen hielten die Lider gesenkt, die lang waren, und wenn sie sich hoben, wehte ein leiser Wind mir zu. Andere richteten ihren starren Blick durch mich durch, meines Flehens nicht achtend, und sahen fernere Gestalten, männlichere, die ihre Hand nehmen würden. Alle aber schoben den Hals ein wenig, indem sie die Wange von den seidigen Streicheleien der Pelzkragen kitzeln ließen; süß tanzte ihr Kehlkopf, Feuchtes verschluckend.«
»Eine sah ich: sie hatte den Fuß auf einen Bordstein gesetzt und knüpfte die Bänder; der lange weichbraune Schaft ihres Schuhes war festgeschnürt, er umzackte zärtlich das Fleisch ihrer Wade. Im Schnee hätte ich liegen mögen, dort, und mit Lippen und Zunge die Bänder knüpfen, die verschlungenen, beschmutzten. Sie warf ihren Rock ein wenig links, als sie ausschritt, ihre Schulter wies die Welt fort, aber meinen Blick hatte sie nicht gesehen.«
»Jene andere fing ihn ein: über die braune Schulter kehrte sie ein blasses und steiles Profil; während der Blick prüfte, teilte rötlich und feucht ihre Zunge das Schmiegsame des Mundwinkels. Ich folgte, mein Herz schlug, wir durchzogen einsam gefüllte Straßen, am sinnlos erhellten Schaufenster spürte ich ihre Nähe; breit zerdrückt streifte ihr Rock mit einer Falte mein Knie, nackt besprang ihre Hand die Scheibe.«
»Dann kam der Blick, er schlug voll auf und verbot Flucht – ich weiß mein Zittern –, doch schon hatte sie mich erkannt, den Unwissenden, den Feigen, und strich fort unter die andern, während ihr Blick stärker und stärker wie ein zu großes Ding meine Aderwände weitete.«
Er seufzte. Sein gesenktes Auge hob sich, es durchirrte das Zimmer, halberschlossen fragte es da und dort und hier.
»Nichts? Gar nichts? Den ganzen Tag war ich fort, mit Ilse stritt und log ich, suchte den Gral, und nun, hier, wißt ihr nichts davon? Wie? Es wäre umsonst? Ich sei derselbe? Jedes Bild sickere fort aus der zu sehnenden Hand?«
Er schwieg neu. Ein Glas im Schrank klingelte nach und verstummte.
»Wie suchte ich! Das Goldstück zwischen Daumen und Zeigefinger ließ ich es dann und wann aufspiegeln, den Mädchen ins Auge, Lockung, da ich zu wenig Lockung war. Sie achteten auch dies nicht.«
»Jener im Café, – wie hoffte ich, er werde mit mir gehen in die Gassen, die dunklen, die wie Sturzbäche zwischen die Häuser eingerissen sind. Auf ihrem Grunde schaukeln die roten Kugeln der Lampen, – an seiner Seite hätte ich es gewagt, ohne Furcht, den Neuling verlacht zu sehen; aber eine schwarzlockige Dicke lockte ihn von meinem Tisch, und ich blieb allein.«
Er seufzte; es flog fort, das kleine Gerede, dürftig beschwingt, ein wenig wehmütig, und umhängte, ruhenden Fledermäusen gleich, den Stuckfries der Decke, kopfabwärts.
»Auch der Kellner achtete mich nicht. Trank ich schon viel, mehr als die andern, irgendwie erkannte er mich, und sein Ton klang, als sei es auch mein Amt, Bier zu schenken.«
Er sann, aber die Bilder trieben weiter, und er sah sie nun, jene Blonde, mit dem roten Hut, der er im Aufstehen gewinkt, mit dem Kopf auf die Straße verwiesen.
»Sie verstand mich. Ich durfte hoffen. Auch sie rief den Kellner zur Zahlung. Ich wartete. Schnee trieb. Viele gingen. Manchen lief ich nach, lange, um ihr Gesicht im Schein der Lampen als fremd zu verweisen, und kaum zurückgekehrt, flatterte ein neuer Rock. Furcht, sie werde es sein.«
»Ich entschloß mich, teilte den Vorhang: und sie saß da, und ihr Gesicht höhnte den Beschneiten, Erfrorenen, der gewartet hatte, trotzdem er außer Betracht. Ich ging.«
»Hier bin ich wieder«, murmelte er, und unablässig über die Innenseite des Gesichtes rinnende Tränen schienen ihn mit dem Winde äußersten Verlassenseins zu beblasen.
»Hier bin ich. Unwissend wie je. Arne nimmt Margot am Arm. Alle andern wissen. Ich?«
Er zögerte: ein Weg breitete sich auf, dunkel von Laub überhängt, Himmel sah man nicht, aber seitlich lohten Feuer. Am Ende erhöht lockte ein Weißes, es sang und klingelte mit Gläsern. Dann warf es die Beine.
Kai schloß die Augen: Ilse trieb weinend vorüber; Knechtung, Verlust drohte – »aber nein, wissen will ich!«
Und er schrieb den Brief an Margot.