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38

Leicht ist ihm. Zweistufig verspringt er die Treppe, zielt dem Eßzimmer zu, da streift – der Vorplatz ist dunkel – eine Hand die seine, umschlingt den Arm, es flüstert: »Ich muß Sie sprechen, Herr Kai, privatim.«

»Müssen Sie? Bitte! Bitte!«

»Nicht hier. Wenn jemand käme ...«

»Wo dann?«

»Im Herrenzimmer?«

»So.«

»Kommen Sie, Herr Kai!«

Er tritt zurück, leise: »Nun kenne ich den Feind. Kaum entronnen, seh ich neue Schlingen, mir von ihm geknüpft. Durch den Ärmel schlug Hitze.«

»Kommen Sie!«

Sie greift nach ihm. Er entzieht sich ins Dunkle. ›Wie ihr entgegnen?‹

Ihr Atem bläst Glut. Durch das Dämmer torkeln die plumpen Hände ihm zu.

›Mut! Mut!‹

Sie flüstert von neuem: »Wir werden allein sein, hier unten.«

Sie bedrängt ihn. Ihr Arm, blind zu ihm ausgeschickt, streift sein Gesicht, Hüfte drängt Hüfte zu; plötzlich saugt es an seinen Wangen, wirft ihm die Lippen auseinander, beißt: ihr Atem schmeckt.

Schon schwingt er ihr zu, seine Lippen blühen auf, da sieht er ihn im Winkel, blitzende Helle zeigt sein Gesicht, krötig bewarzt. Er reißt, wird frei. Bebend: »Nicht hier. Gleich. Nur noch ein eiliger Brief.«

»Sie wollen nicht.«

»Aber ja!«

»Der Brief ist nicht wahr.«

»Schweigen Sie, Erna!«

»Ich stecke ihn ein. Geben Sie her, Kai!«

Er zögert. Dann: »Hier.«

»Und Sie warten auf mich?«

»Ich warte auf Sie.«

Die Tür klappt. Er flieht, das Zimmer des Bruders umfängt ihn, in den Sessel am Schreibtisch geworfen, hat er über dünnen mit Kurt gewechselten Sätzen Zeit zu bedenken, was geschah.

Doch wer erkennte nun den Sieger?

›Wohl entrann ich ihr. Kurt an meiner Seite, beim Frühstückstisch, auf dem Schulweg werde ich sicher vor ihr sein. Aber Preis dieser Freiheit ist jener Brief. Ihn unterwegs, ihren Händen gesellt, seine Sätze vor ihr aufgeblättert zu wissen, ist Verrat an Ilse genug.‹

»Ja, es wird Zeit zum Frühstücken.«

›Aber ich nicht, ich wollte ihn nicht senden. Nur ein Preis ist er, einer Summe Geldes gleich, von mir für mich bezahlt. Ich weiß nichts von ihm, vergessen, geleugnet schwebt er wie ein Blatt in der Luft, ein Ding, das jedem und keinem gehört: Ich liebe nur Ilse.‹

»Ja, gehen wir.«


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