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33

»Umsonst mein Drängen! Wie entglitt ich ihrem musternden Blick, in alle Gruppen eilend, dort zum Gesang der Lieder, da zum Schulgeschwätz, daß sie kommen würde: ›Wo ist Klotzsch?‹

Ich trieb sie vorwärts. Ich flehte. Nun halten sie hier doch, unter den Bäumen am Hügel, und erwarten über Holzsuchen, Feuerentzünden, Essenkochen ihn, der mich entlarven wird.«

Er wandte das Gesicht. Am Baumstamm hingelehnt, die ermüdeten Beine in die Nässe des Bodens gepreßt, prüfte er die endlosen Wiesen. »Noch nicht. Aber gleich wird er da sein. Drüben aus jenen Büschen, aus diesem Hohlweg tretend zwischen den beiden, die ihn nun suchen. Gleich.«

Die Zurufe der Holzsucher belebten die Büsche. Bitterkeit stieg hoch. »Warum ich allein stets zurückgestoßen, so sehr ich die andern ersehne? Eben noch, auf der Landstraße wandernd, war mir sogar der Wind Gefährte und der Regen lieber Freund. Nun höre ich ihr Rufen, das eine Kette zwischen ihnen schlingt, freundlich schaukelnd bei jeder Lippenregung, hör es, gänzlich verbannt, mein Urteil erwartend.«

Zweige brachen nah. »Soll ich fliehen?«

Aber in sein Emporrichten trat sie, das Gesicht nun sehr bleich, der Mund klein geworden und die Fremdheit ihrer Augen ihm ganz zugewandt.

»Was ist, Kai, mit Klotzsch, Sie wissen etwas.«

Und, als er schwieg: »Mehr: Sie haben etwas getan.«

Er lachte auf, verlegen, hustete. Sein Arm wies nach draußen. »Nichts«, meinte er leicht, »noch kommen sie nicht.«

Sie trat näher, sah auf ihn hin. »Was ist mit Klotzsch? Sagen Sie mir doch, Kai!« Noch näher, eilig, den Blick den Wiesen zu: »Fühlen Sie nicht: um Ihretwillen frage ich, nicht um ihn. Reden Sie! Sagen Sie mir doch!«

Er schwieg, lehnte am Stamm, sah weiter hinaus. Ihr Reden rann neben ihn hin, ein ärmliches Wässerchen, dessen Tropfenfall kaum zu seinem Ohr drang. Sein Gesicht prüfend, fand sie es alt, tausend Falten schienen es zu überhängen. Grau. Seine Fremdheit erkältete sie.

›Was sagte ich ihm! Kenne ich ihn denn, was weiß ich von ihm?‹ Zaudernd, ihren Blick in den Daliegenden versenkt: ›Aber ich weiß doch: ich liebe ihn. Doch liebe ich ihn.‹

Und süß schien es ihr, die Trostlosigkeit dieser Augen an ihrer Wärme zu entzünden.

Er sagte: »Zu spät. Dort kommen sie.«

»Sind es drei, Kai, sind es drei?«

»Es sind drei.« Und schon aufrecht, bewegt, als sei noch rasch zu reden, alles zu regeln: »Sie müssen wissen. Er ließ mich nicht zu Ihnen. Ich hatte den ganzen Morgen gesucht. Nun hielt er mich fest. – Da – hier.«

Er wies das Messer.

Sie schrie: »Gestochen?« und trat fort.

Er ihr nach, zwischen Gebüsch, über ihre Schulter, immer näher den andern. »Nein, nein, nur geschnitten. Verstehen Sie doch: nur geschnitten! So, über den Handrücken fort, ein kleiner Schnitt!«

Stehenbleibend, hinter ihr hinsprechend, atemlos: »Ilse, ich beschwöre Sie. Ein kleiner Schnitt. Hören Sie doch: kaum fünf Zentimeter. Sagen wir: drei, zwei Zentimeter. Bleiben Sie!«

Er war allein. Zwischen den Büschen versteckt, spähte er ruhelos zum flackernden Feuer, sah ihr Kleid zwischen den andern, wartete, wartete, – oh, dieses Warten, während das Herz aufging und nun schon klein, wie gehämmert, die Brust zerschlagen zu wollen schien.

»Dort Klotzsch. Was sagen sie? Nichts zu verstehen! Aber ich kann nicht näher. Dies der letzte Busch, der mich deckt. Sie lachen? Sie lachen!«

Er lehnte das Gesicht in die Hand. »Sie wollen mich täuschen, ganz demütigen; gleich kommen sie, zerren mich zum Licht, klagen an, verjagen mich.«

Er wartete. Das Herz hämmerte die Sekunden in sein Blut, daß sie durch seine Adern tobten wie schwindelnder Schneeflockenfall. Nichts. Niemand kam.

Er begriff nicht. Und nun, näher dem Feuer, schon in seinem Schein, sie bespähend: »Sie sprechen nicht von mir. Ilse hat geschwiegen, Klotzsch nichts gesagt. – Muß ich nicht erleichtert sein?«

Er hob das Gesicht. »Sie sind froh, ich weine. Oh, so wie ich, eines Tages muß ich sie sehen, so gedemütigt, wie ich es bin; über ihre Gesichter mich beugend, werde ich auf ihnen den Abglanz alter Leiden lesen und, ganz bestrahlt, mich an ihm erwärmen.«

»Eines Tages werden sie tot sein. Ich werde keinen auslassen, sie sollen alle sterben.«

Trunken machend bezwang ihn diese Vision. Er sah ihre zerstückten Leiber. Ihre nun ganz entleerten Hände flehten in mannigfachen Gebärden. Über das Gesicht von Ilse, nun bleicher und zerfallener als der Himmel, würde ein blutroter Schnitt laufen.

»Muß ich allein leiden? Für all das muß einmal Vergeltung da sein.«

Er zwang sich zwischen die andern. Trotz drängte ihn zum Feuer. Er fand Platz. Niemand achtete auf ihn. Nur einmal schien der Blick Ilses dagewesen zu sein, aber über dem Wenden seines Nackens war er entflohen und nun ganz dem Feuer zugewandt und unwissend, wer Kai sei.

Jetzt sang einer allein, da bog er den Kopf in den gekrümmten Arm, ließ alles, aber auch alles auf sich beruhen und schlief ein.


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