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Vom Weg meiner Dichtung

Aus dem Vorwort der Erstausgabe von »Ein Credo«

(1912)

Mein früherer Aufsatzband »Der Weg zur Form« wurde durch Bemerkungen über meine Entwicklung eingeleitet, die bis zu der Zeit vor dem Erscheinen meines »Demetrios« gehen; ich will in diesem Buch jene Erzählung fortführen.

Als ich am Demetrios schrieb, hatte ich die malerische und pantheistische Art überwunden, die nicht in der Dichtung, sondern in der Malerei des mir vorausgegangenen Geschlechtes ihren angemessenen Ausdruck gefunden hatte und heute bereits ein Epigonentum in der jüngsten Literatur erzeugt.

Damals glaubte ich noch, man könne für das Drama, das mir vorschwebte – das dann in den Jahren der Arbeit sich zu immer höherem Ideal bildete – historische Stoffe verwenden, wenn es einem gelinge, sie zu typisieren. Im Laufe der Zeit wurde mir klar, daß das nicht möglich ist, denn die historischen Vorgänge sind immer mit der menschlichen Bedürftigkeit verknüpft, mit dem Kampf um irgend etwas Außergeistiges. In »Gold« hatte ich einen erdachten historischen Konflikt zum Mythus machen wollen; selbst hier, wo alles erfunden war, blieben nur die politischen und sozialen Leidenschaften als dichterische Mittel, und der einzige höhere Mensch stand isoliert in einem Kampf, der ihn gar nichts anging. In »Canossa« gelang mir ein kleiner Schritt weiter, denn in dem historischen Papsttum verkörpert sich eine höhere Idee; aber auch sie ist noch nicht rein und losgelöst genug von dem Zufällig-Leidenschaftlichen und kann deshalb nicht jene metaphysische Erschütterung und Erhebung bewirken, die ich erstrebte. In »Brunhild« ist mir endlich die Tragödie gelungen, die ich wollte.

Als ich das Werk abgeschlossen hatte, wurde mir klar, daß das ein Ende war, und daß ein Dichter ein solches Werk nur einmal schreiben kann; ich fühlte aber, daß kein Ende sein kann, und daß es irgendwo ein Höheres geben muß, etwas, das über die Tragödie hinausgeht. Jahrelang hatte ich das nur in der Empfindung; in meinem Suchen schrieb ich damals »Ninon von Lenclos«, gegen meine bewußten Ansichten und in Not meines Gewissens, indem ich vertraute, daß mein Empfinden mich richtig leiten werde. Ninon ist keine Tragödie mehr, sie ist ein Übergang zu etwas Höherem, wie Canossa ein Übergang zu Brunhild war. Das ist mir bewußt und klar geworden, als ich »Ariadne auf Naxos« vollendet hatte; gleichzeitig begriff ich auch nun erst diejenigen der antiken Dramen, die jenseits der Tragödie liegen und den Übergang zu der neuen Religion des Christentums machen. Das Höchste, was Menschenwille für sich allein erringen kann, ist das Tragische, denn das Höchste des Menschenwillens ist das Ethos; aber es gibt Höheres als den menschlichen Willen, nämlich den göttlichen, und Höheres als das Ethos, nämlich die Religion.

Eine ähnliche Entwicklung geht durch die Lustspiele, die ich in dieser Zeit geschrieben habe.

In der »Nacht in Florenz« und »Lanval« handelt es sich um den Gegensatz der prosaischen und der poetischen Welt: aber diese poetische Welt ist doch auch nur rein sinnlich, entnimmt ihre höhere Berechtigung nur aus dem höheren Schwung der Personen, nicht aus ihrer grundsätzlich höheren Stellung. Im »Hulla« wird zuerst diese nur sinnliche höhere Welt ironisch genommen und beginnt die Ahnung eines irrationell Übersinnlichen; »Über alle Narrheit Liebe« ist geschlossener, aber in der Empfindung gegenüber der Welt eher ein Rückschritt, da duldendes Genügen an Stelle tätiger Ironie getreten ist; »Der heilige Crispin« endlich ist in der Gesamtempfindung ein Fortschritt – aber diesen Helden haben wohl wenige Menschen von heute »erlebt«; sie begreifen höchstens seine gemeine Spielart, den Hjalmar Ekdal.

Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, so sehe ich, daß eine große Arbeit eine geringe Anerkennung gefunden hat; es ist das wohl natürlich für einen Mann, der in seinem Wollen nie bescheiden war. Ich bin weit entfernt davon, mich darüber zu beklagen, denn anders konnte ich nicht höher kommen. Ähnlich, wie früher »Brunhild«, erscheint mir nun »Ariadne auf Naxos« ein Ende zu sein. Aber wieder weiß ich, daß das kein Ende sein kann. Noch ist mir unbekannt, wohin ich nun geführt werde, aber ich bin nicht mehr unruhig wie sonst; ich weiß jetzt, daß auch mein Leben notwendig ist, wie das Kunstwerk.


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