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»Herr Gilbert, der Wagen hält vor der Tür.«
Gilbert nahm seinen Hut, knöpfte seinen Überrock zu und wollte fortgehen. Aber vor der Tür seiner Wohnung stand ein Mann, der in einen Mantel gehüllt war und den Hut tief ins Gesicht gedrückt hatte.
Gilbert trat einen Schritt zurück, aber eine sanfte, freundliche Stimme redete ihn an: »Ich bin's, Gilbert.«
»Cagliostro!« rief der Doktor.
»Da haben wir's! Sie vergessen, daß ich Baron Zannone heiße. Für Sie freilich, lieber Gilbert, bin ich, wie ich wenigstens hoffe, noch immer Joseph Balsamo.«
»Oh, jawohl,« erwiderte Gilbert; »ich wollte soeben zu Ihnen . . . .«
»Ich dachte es mir wohl«, sagte Cagliostro. »Sagen Sie, was wollen Sie bei mir?«
»Setzen Sie sich, Meister«, sagte Gilbert, der mit Cagliostro wieder ins Haus gegangen war.
Cagliostro setzte sich.
»Es stehen uns schreckliche Dinge bevor, nicht wahr?« fragte Gilbert.
»Wer kann es ändern? Das Schreckliche wird zuweilen notwendig. Ich sagte ja, daß wir eine Revolution machen würden, wenn der König und die Königin samt dem Adel Widerstand leisteten.«
»Ja, Sie haben recht,« erwiderte Gilbert, »die Revolution ist da.«
»Aber noch nicht zu Ende«, entgegnete Cagliostro. »Erinnern Sie sich noch, daß ich Ihnen von einem Instrument erzählt habe, das der Doktor Guillotin erfunden hat? Sie können es jetzt auf dem Karussellplatze sehen.
»Ja,« erwiderte Gilbert, »und es scheint noch nicht schnell genug zu arbeiten, denn man will ihm ja mit Säbeln, Piken und Dolchen zu Hilfe kommen.«
»Hören Sie,« sagte Cagliostro, »es ist nicht zu verkennen, daß wir es mit halsstarrigen Leuten zu tun haben. Man gibt den Aristokraten, dem Hofe, dem Könige, der Königin alle möglichen Winke, und es nützt nichts; man erstürmt die Bastille, und es nützt nichts; man macht den fünften und sechsten Oktober, und es nützt nichts; man macht den zwanzigsten Juni, und es nützt nichts, den zehnten August, und es nützt nichts. Man bringt den König in den Temple, man steckt die Aristokraten in die Abbaye und füllt alle Gefängnisse von Laforce und Bicêtre, und es nützt nichts. Der König in seiner Zwingburg freut sich, daß Longwy in der Gewalt der Preußen ist; die Aristokraten in der Abbaye lassen den König und die Preußen hochleben und trinken Champagner vor den Augen des Volkes, das nur Wasser zu trinken hat, sie schmausen Trüffelpasteten angesichts der Armen, die kein Brot zu essen haben. – Es muß ein Ende gemacht werden . . .«
»Was meinen Sie?« fragte Gilbert, »womit soll ein Ende gemacht werden?«
»Mit dem König, mit der Königin, mit den Aristokraten; man muß sie vor Gericht stellen, verurteilen und öffentlich hinrichten, wie man's mit Karl I. gemacht hat. Aber die übrigen muß man aus dem Wege räumen, Doktor, und je eher, je lieber.«
Gilbert war außer sich. Nach einer Weile sagte er:
»Ich will eine Frau retten, die wir nicht sterben lassen dürfen.«
»Du meinst die Gräfin von Charny.«
»Ich will die Mutter Sebastians retten.«
»Du weißt, daß Danton als Justizminister die Schlüssel des Gefängnisses hat.«
»Jawohl, aber ich weiß auch, daß Sie dem Justizminister sagen können: Schließen Sie diese Tür auf!«
Cagliostro trat an den Schreibtisch, schrieb auf ein kleines Stück Papier einige kabbalistische Zeichen und reichte Gilbert den Zettel.
»Hier, mein Sohn,« sagte er, »geh zu Danton und verlange von ihm, was du willst.«
Gilbert stand auf und eilte zu Danton.
Dieser kannte den berühmten Arzt vom Ansehen und dem Namen nach. Er ging ihm entgegen.
»Sie kommen wie gerufen, Doktor.«
Der Doktor begrüßte Danton und verneigte sich, als er hinter dem letzteren eine Dame bemerkte, die weinte.
»Das ist meine Frau«, setzte Danton, hinzu. »Sie glaubt, ich sei als Justizminister stark genug, Marat und Robespierre und den ganzen Gemeinderat an Mord und Blutvergießen zu hindern.«
Gilbert sah Madame Danton an. Diese stand mit gefalteten Händen da und weinte.
»Madame,« sagte Gilbert, »wollen Sie mir erlauben, diese mitleidigen Hände zu küssen?«
»Da bekommst du ja ganz unerwartet Verstärkung!« sagte Danton.
»Oh, mein lieber Herr,« schluchzte die arme Frau, »sagen Sie ihm doch, daß sein ganzes Leben mit Blut befleckt bleibt, wenn er das Blutbad zugibt.«
»Wenn es weiter nichts wäre,« erwiderte Gilbert, »wenn dieses Blutbad auf der Stirn eines einzigen bleiben müßte, dann wäre es nichts; was liegt an dem Leben, an der Ehre eines einzigen Bürgers. Aber durch eine solche Tat wird ganz Frankreich gebrandmarkt.«
»Gilbert,« sagte Danton, »wenn der Vesuv Feuer speit, so nennen Sie mir einen Mann, der stark genug wäre, die strömende Lava aufzuhalten.«
»Wenn man Danton heißt, fragt man nicht, wo ein solcher Mann zu finden ist, man sagt: Hier ist er, und handelt.«
»Gut,« sagte Danton, »ich werde mein Glück versuchen. Ob es gelingt, weiß keiner . . . Herr Gilbert, Sie haben ein Anliegen; womit kann ich Ihnen dienen?«
Gilbert zog den Zettel, den ihm Cagliostro gegeben hatte, aus der Tasche.
»Ah! Sie kommen auf seine Empfehlung«, sagte Danton; »was wünschen Sie?«
»Die Freiheit der Gräfin von Charny, die in der Abbaye gefangen sitzt.«
Danton nahm ein Blatt Papier und schrieb sogleich den Freilassungsbefehl aus.
Gilbert verneigte sich und begab sich mit dem kostbaren Papier, das der Gräfin von Charny das Leben wiedergab, in die Abbaye.
Er folgte dem Schließer eine drei Stockwerk hohe Wendeltreppe hinauf und trat in ein kleines Zimmer, in dem eine Lampe brannte.
Der Schließer hatte die Tür hinter dem Doktor zugezogen und blieb draußen stehen.
»Frau Gräfin . . .« sagte Gilbert nach einer Weile.
»Sie sind's, Herr Gilbert?« fragte Andrea; »was wollen Sie von mir?«
»Madame,« erwiderte Gilbert, »es gehen unheimliche Gerüchte; man sagt, man werde morgen die Gefängnisse . . .«
»Ja,« unterbrach ihn die Gräfin, »man will uns morden . . . Aber Sie wissen ja, Herr Gilbert, daß ich auf den Tod vorbereitet bin.«
Gilbert verneigte sich. »Ich bin gekommen, um Sie abzuholen, Madame«, sagte er. »Sie sind frei.« Dabei reichte er ihr den Freilassungsbefehl.
Die Gräfin gab keine Antwort, sie zerriß das Schreiben Dantons in vier Stücke und warf es ins Feuer.
Gilbert schrie laut auf.
»Ich will sterben«, sagte Andrea. »Ich habe nur eine Bitte: suchen Sie meine Leiche vor Beschimpfungen zu schützen. Mein Gemahl ruht in der Gruft seines Schlosses Boursonne. Dort habe ich die einzigen glücklichen Tage meines Lebens zugebracht, und ich wünsche an Charnys Seite zu ruhen.
»Gut, Madame, Sie haben Ihren Willen ausgesprochen, ich muß gehorchen.«
Was Danton erwartet hatte, trat ein; sein Antrag wurde abgelehnt.
Der Gemeinderat wollte Blutvergießen und Diktatur. Er entschied sich für die Ernennung eines Aufsichtskomitees.
Um zehn Uhr war dieses Mordkomitee zusammengetreten und erließ sofort den Befehl, vierundzwanzig Gefangene aus der Mairie in die Abbaye zu bringen. Unter diesen befanden sich neun Geistliche.
Man ließ sie durch die aus Marseille und Avignon herübergekommenen Verbündeten aus ihren Gefängnissen holen und in sechs Wagen fortschaffen. Das Zeichen der Abfahrt wurde durch einen Schuß der Lärmkanone gegeben.
Anfangs blieben die Unglücklichen in den Kutschen unbehelligt; aber bald wurde von ihren vermeintlichen Beschützern das Volk gegen sie aufgereizt.
»Sehet,« sagten sie zu den mit jeder Minute anschwellenden Scharen, »da sind die Verräter, die es mit den Preußen halten! Da sind die Schurken, die dem Feinde unsere Städte übergeben, die eure Weiber und Kinder morden, wenn ihr sie zurücklaßt, während ihr an die Grenze marschiert!«
Doch alles blieb vorläufig fruchtlos.
Der Zug bewegte sich langsam über die Pont-Neuf, die Rue Dauphin, und man hatte weder die Geduld der Gefangenen ermüdet noch das Volk zum meuchlerischen Angriff aufgestachelt. Man war der Abbaye schon ziemlich nahe, die kurze Zeit, die noch übrig war, mußte benutzt werden, wenn der Höllenplan nicht scheitern sollte.
Der Zufall kam den heimtückischen Anschlägen zu Hilfe. Eben langte der Zug an einem Schaugerüst an, wo Freiwillige angeworben wurden. Es war ein starkes Gedränge. Die Wagen mußten anhalten.
Ein Mann stürzte mit gezogenem Säbel herbei, stieg auf den Tritt des ersten Wagens und stieß seinen Säbel aufs Geratewohl in den Wagen. Die Klinge war rot von Blut, als er sie wieder hervorzog.
Einer der Gefangenen trug einen Stock, mit dem er die Stöße abzuwehren suchte. Er traf einen Mann von der Eskorte.
»Oh, ihr Schurken!« rief dieser mit erheuchelter Entrüstung; »wir beschützen euch, und ihr schlagt uns! . . . Her, Kameraden!«
Ein paar Spießgesellen, die auf diesen Ruf längst gewartet hatten, stürzten aus der Menge heraus und stießen mit ihren Piken blindlings in das Wageninnere. Man hörte das Geschrei der Insassen und sah bald das Blut der Getroffenen durch den Kutschenboden auf das Straßenpflaster fließen.
Das Blutvergießen hatte begonnen und war nun nicht mehr aufzuhalten. Dem erbitterten Pöbel ging es wie einem Tiere, das durch Blutgeruch rasend wird und selbst nach Blut lechzt. Die Greuel der vier Septembertage nahmen unaufhaltsam ihren Fortgang.
Gegen vier Uhr vernahm man innerhalb der düsteren Gefängnismauern das Toben der sich heranwälzenden Menge. Bald darauf hörte man den Ruf: »Die Schweizer! Die Schweizer!«
In der Abbaye waren etwa hundertfünfzig Schweizer untergebracht. Man hatte sie am 10. August mit größter Mühe in Sicherheit gebracht. Der Gemeinderat wußte, wie sehr das Volk die roten Uniformen haßte. Das Volk war daher nicht besser in Wut zu bringen, als wenn man die Schweizer vorschob und mit ihnen den Anfang machen ließ. Man brauchte etwa zwei Stunden, um diese hundertfünfzig Unglücklichen niederzumachen.
Dann sollten die Priester an die Reihe kommen; sie waren bereit zu sterben, verlangten aber zu beichten.
Das Volk bewilligte ihnen eine zweistündige Frist.
Wozu wurden diese zwei Stunden benutzt? Zur Bildung eines Tribunals. – Wer bildete es, wer führte den Vorsitz? Maillard.
Maillard wollte die Aristokraten über die Klinge springen lassen, aber dies sollte mit Beobachtung gewisser Formen geschehen. Das Volk sollte das Urteil sprechen, denn das Volk betrachtete er als den einzigen untrüglichen Richter.
Bevor Maillard sein Tribunal einsetzte, waren bereits zweihundert Personen niedergemetzelt worden.
Das Tribunal hielt seine erste Sitzung in der Abbaye ab. Um einen großen Tisch saßen zwölf Männer, die an ihren roten Mützen und an ihrer nachlässigen Kleidung leicht als Leute aus dem Volke zu erkennen waren. Auf dem Tische lagen Säbel, Degen und Pistolen.
Diese Männer waren die Richter, die über Leben und Tod der in den Kerkern befindlichen Gefangenen entschieden. Ihre Urteile, gegen die keine Berufung stattfand, wurden auf der Stelle vollstreckt; denn die mit Säbeln, langen Messern und Piken bewaffneten Henker warteten in dem von Blut triefenden Hofe.
Maillard führte den Vorsitz. Er war plötzlich in der Abbaye erschienen, hatte sich das Gefangenbuch bringen lassen, hatte aus dem Volkshaufen aufs Geratewohl zwölf Richter genommen und sich mit ihnen an den Tisch gesetzt.
Maillard las den Namen vor, die Schließer holten den Gefangenen; der Vorsitzende las aus dem Register die mit seiner Verhaftung verknüpften Umstände vor; der Gefangene erschien; Maillard sah seine Kollegen fragend an; lautete das Urteil auf Tod, so sagte er ganz kurz: »Nach La Force.« Die äußere Tür tat sich auf, und der Verurteilte fiel unter den Streichen der Mordknechte.
Wurde der Gefangene freigesprochen, so stand der kolossale schwarze Mann auf, legte ihm die Hand auf den Kopf und sagte: »Man lasse ihn frei!«
In dem Augenblick, als Maillard vor der Abbaye angekommen war, hatte ihn ein Mann angeredet. Maillard hatte ihn sogleich erkannt und sich ehrerbietig vor ihm verneigt. Dann hatte er ihn in das Gefängnis geführt und ihm einen Platz in einem Winkel angewiesen mit den Worten: »Hier warten Sie, und wenn die Person, für die Sie sich interessieren, hereingeführt wird, geben Sie mir ein Zeichen.«
Der Mann stand seit dem Abend, als das Tribunal seine Sitzungen begonnen hatte, stumm und unbeweglich und wartete.
Es war Gilbert.
Am frühen Morgen war eine Pause eingetreten. Von drei bis sechs Uhr hatten die Richter samt ihren Henkern eine kurze Ruhe genossen. Um sechs Uhr hatten sie gefrühstückt.
In diesen drei Stunden hatte man die Toten fortgeschafft. Der Hof war mit einer drei Zoll dicken Schicht geronnenen Blutes bedeckt, auf der die Füße ausglitten, und da das Waschen zu lange gedauert haben würde, so hatte man den ganzen Hof mit Stroh belegt und über das Stroh die Kleider der Schlachtopfer, insbesondere der Schweizer, gebreitet. Das Blut würde von dem Stroh und den Kleidern aufgesogen.
Gegen halb sieben Uhr morgens begann man wieder neue Gefangene vorzurufen, das Schreien und Lärmen nahm wieder seinen Anfang.
Es verstrichen zwei Stunden. Endlich sagte Maillard mit gleichgültiger Stimme:
»Andrea de Faverney, Gräfin von Charny.«
Als Gilbert diesen Namen hörte, fühlte er seine Knie wanken und seine Pulse stocken. Es sollte ja über ein Leben abgesprochen werden, das in seinen Augen wichtiger war als sein eigenes.
»Bürger,« sagte Maillard, »die Person, die jetzt erscheinen wird, ist eine Unglückliche, die vormals der Österreicherin ergeben war, aber von ihr nur Undank geerntet hat. Sie hat alles verloren, ihr Vermögen, ihren Gatten. Ihr werdet sie in Trauerkleidern sehen, und wem verdankt sie diese Trauer? Den Gefangenen im Temple . . . Dieser Frau müßt ihr das Leben schenken.«
Die Mitglieder des Tribunals gaben ihre Zustimmung durch Kopfnicken zu erkennen.
Die Tür tat sich auf, und man bemerkte draußen im Gange eine schwarzgekleidete, verschleierte weibliche Gestalt. Sie trat allein und festen Schrittes ein. Man hätte sie für eine Erscheinung aus der Welt der Toten halten können.
Die Beisitzer des Blutgerichts schauderten. – Sie trat bis an den Tisch und schlug ihren Schleier auf.
Die Gräfin war in diesem Augenblick die vollendetste Schönheit, die das Auge eines Mannes jemals erblickt hat; aller Blicke waren auf sie gerichtet. Gilbert lauschte in atemloser Spannung.
Ohne die Anrede Maillards abzuwarten, sagte sie mit sanfter und doch fester Stimme zu ihm:
»Sie sind der Präsident?«
»Ja«, antwortete Maillard erstaunt.
»Ich bin die Gräfin von Charny, Gattin des Grafen von Charny, der an dem verwünschten zehnten August gefallen ist; ich bin eine Aristokratin, eine Freundin der Königin. Ich habe den Tod verdient und suche ihn.«
Die Beisitzer des Blutgerichts vermochten ihr Erstaunen nicht zu unterdrücken, Gilbert erblaßte und zog sich so weit wie möglich in den Winkel zurück, um den Blicken der Gräfin zu entgehen.
Maillard sagte: »Diese Frau ist wahnsinnig, der Tod ihres Mannes hat ihren Geist zerrüttet. Über Wahnsinnige hält das Volk kein Gericht.«
Er stand auf und wollte der Gräfin die Hand aufs Haupt legen. Aber Andrea wehrte ab.
»Ich habe meinen vollen Verstand«, sagte sie; »wenn Sie jemanden begnadigen wollen, so lassen Sie andere frei, die um Gnade bitten und Gnade verdienen. Ich verdiene keine Gnade und weise sie zurück.«
Maillard sah sich nach Gilbert um. Der Doktor stand mit gefalteten Händen in seinem dunklen Winkel.
»Diese Frau ist wahnsinnig«, wiederholte er; »man lasse sie frei!«
Er gab einem Beisitzer einen Wink, sie hinauszuführen und in Sicherheit zu bringen.
»Platz da!« rief der Mann den Bewaffneten zu; »sie ist unschuldig.
Man trat auf beiden Seiten zurück, um Andrea durchzulassen; Säbel, Piken und Pistolen senkten sich vor diesem Marmorbilde.
Aber als sie zehn Schritte gegangen war und während ihr Gilbert durch das Gitterfenster nachschaute, stand die Gräfin still.
»Es lebe der König!« rief sie; »es lebe die Königin! . . . Ewige Schmach dem zehnten August!«
Gilbert war wie vom Donner gerührt; er eilte mit einem Schrei des Schreckens in den Hof.
Er hatte eine Säbelklinge glänzen gesehen, aber schnell wie der Blitz war die Klinge in der Brust der Gräfin verschwunden.
Er kam zeitig genug, um die Niedersinkende in seine Arme zu nehmen.
Andrea richtete ihren erlöschenden Blick auf ihn und erkannte ihn.
»Ich sagte es Ihnen ja«, stammelte sie.
Dann setzte sie mit kaum vernehmlicher Stimme hinzu:
»Wenden Sie Sebastian Ihre ganze Liebe zu . . . Und gedenken Sie Ihres Versprechens . . . an seiner Seite . . . an der Seite meines Olivier, meines Gatten . . . auf ewig!«
Dies waren die letzten Worte. Sie verschied.
Gilbert nahm sie in seine Arme und hob sie von der Erde auf.
Fünfzig entblößte, mit Blut bespritzte Arme erhoben sich drohend gegen ihn. Aber Maillard erschien hinter ihm, hielt ihm die Hand über den Kopf und sagte:
»Laßt den Bürger Gilbert durch, er trägt die Leiche einer armen Wahnsinnigen fort, die durch ein Mißverständnis ums Leben gekommen ist.«