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Affen laufen dicht vor unserem Auto über den Weg, den wir zwischen hochgewachsenen Djati-Anpflanzungen nach Matapach, einer vierzig bis fünfzig Kilometer entfernten Ölpalmenplantage, entlang jagen. Verstreut liegen die »Kampongs«: allerliebst ist es, wie die nackten Kinder in den Tümpeln baden und spielen, die rund um diese Dörfer liegen; Bananenhaine wuchern daraus empor und spiegeln sich mit Blatt und Fruchtbündeln hell in dem glatten, klaren Regenwasser, das der Boden noch nicht aufgesogen hat. Hier ist der Klappa-Savit (auch »Affenpalme« geheißen) in langen Reihen angepflanzt.
Da kommen nun die Felder der Gesellschaft. Drüben liegen die Schuppen, und der Administrator eilt uns schon entgegen. Es ist wohl am besten, erst durch die Ölbaumplantage zu gehen, die sich über ein Terrain von 100 ha erstreckt. Das sind doppelgeschlechtige Bäume, die männliche und weibliche Blüten tragen. Die letzteren entwickeln sich zur Frucht. Die Bestäubung wird künstlich gefördert. Etwas ungemein Zartes und Feines liegt über dem »Kawin-poehoen«, der »Hochzeit der Bäume«. Die weibliche Blüte färbt sich von weiß zu rot und dann fast bis zu schwarzem Purpur. Ist sie bereits so tiefdunkel, dann ist es für die Hochzeit schon zu spät. Infolgedessen wird jeder Ölbaum täglich nachgesehen, und sobald die Blüte als reif dafür befunden wird, geht die Bestäubung vor sich. Der Blütenstaub duftet nach Iris oder Anis. Oft kommt eine Periode, in der sich ausschließlich männliche Blüten entwickeln. Dann wird gestutzt und beschnitten, um diesen starken männlichen Trieb zu hemmen, und plötzlich zeigt sich dann wieder die empfängliche weibliche Blüte. Hat sich die Frucht genügend entwickelt, so wird sie in den Schuppen gebracht und muß dort drei Tage nachreifen.
Ist sie reif, so wird sie von Frauen gepflückt. Darauf bringt man die Früchte in die Fabrik, über der immer der fette Ölgeruch liegt; Ohrwürmer kriechen rundum. Bei einer Hitze bis zu 100 Grad Celsius werden die Früchte sterilisiert. Der Abfall dient als Heizmaterial für Lokomobilen. Dann werden die Früchte in Dampfkesseln erwärmt: die toten Mikroben, die noch darin zurückbleiben, müssen vernichtet werden. Die sterilisierte Frucht wird dann aufgefangen, zu Brei zerstampft und von neuem erwärmt, worauf sie zweimal unter die Presse kommt. Auf größeren Plantagen geschieht dieses Auspressen auf hydraulischem Wege; hier drehen zwei Kulis die Presse. Sind die Früchte in der Sonne getrocknet, so werden Kerne und Fasern in anderen Maschinen voneinander geschieden; die Faser fällt ab, die Kerne bleiben. Wie aus einem vieleckigen Käfig fallen sie heraus und werden nun in Stampfmaschinen zerknackt, bis sich der innerste Kern von der Schale scheidet.
Hier habe ich aufs neue sehr bewundern müssen, wie schwer doch gearbeitet wird, um diesen Industriezweig zur Blüte zu bringen. Wiederum Initiative und Tatkraft, daß man dazu überging, aus den Früchten ziemlich niedriger Palmbäume Öl zu pressen, die anscheinend vorher keinen anderen Zweck gehabt hatten als den: zierlich auszusehen und ihre Blätter schützend über Tiger und Tigerinnen zu breiten. Da heißt es, früh aufstehen, den ganzen Tag arbeiten, sich früh wieder niederlegen und fast auf jede Zerstreuung verzichten! Das Meer ist nicht fern und ladet zum Bad, zum Schwimmen, zum Fischen. Hin und wieder wird auch am Fluß auf ein Rhinozeros gejagt, dieweil das Krokodil – »Boeaia« – sich die Sonne auf den Rücken brennen läßt und, um nicht allzusehr aufzufallen, gleich einem Stück toten Holzes, dessen Farbe es annimmt, unbeweglich daliegt. Die Stadt ist zu weit, als daß Administrator oder Beamte jeden Tag dahin könnten. Hier auf Matapoah zwischen den Ölpalmbäumen wird gearbeitet, schwer gearbeitet. Und wenn auch die Eingeborenen, Mann und Frau, mit dem Europäer Hand in Hand arbeiten, werden sie doch gewiß manchmal bei sich denken: wie schwer arbeitet doch dieser Orang-blanda (Holländer), und wie unrecht tut er daran, so schwer zu arbeiten, denn ich bin ja dadurch gezwungen, im gleichen Tempo mitzumachen!
Auf unserem Rückweg fuhren wir an verschiedenen Kautschukplantagen der Deli-Moeda entlang. Da steht Hevea Brasiliensis, der aus Brasilien eingeführte Baum, der den Karetbaum, die ficus elastica, ganz verdrängt hat, jenen schönen majestätischen, vielwurzeligen Baum mit den festen, glänzenden Blättern, der gestutzt, geschnitten oder gekerbt seinen weißen Saft herausfließen läßt. Hevea mag wohl ertragreicher sein, doch ist dieser Baum längst nicht so schön wie der Karet. Die Hevea-Rubber-Gärten wirken sehr eintönig; in langen Reihen stehen die etwas düsteren, hohen, unansehnlichen Bäume da. Die Stämme weisen lange, schräge Kerbung auf. Die » cups«, Gläschen oder Tassen, in die, wenn der Baum angeschnitten wird, die »Milch«, der dicke weiße Saft ( latex), hineingezapft wird, hängen bei jedem Baum auf einem in den Boden gesteckten Stock oder sind rings um den Stamm befestigt. Es ist notwendig, darauf zu achten, daß sich die Wurzeln nicht ganz nach Belieben aus der Erde herauswühlen. Die Zufuhr des Humus wird auf verschiedene Weise bewirkt: hier durch runde, dort durch viereckige Löcher, Schächte oder Gräben; manche Rubberpflanzer bevorzugen auch ein System von halbmondförmigen, kleinen Wällen, die sich nach dem Stamme zu senken.
Zur Zeit wird wenig gearbeitet. Flaue Zeit – » Malalaise! Malaise!« Vereinzelt ist hier ein Kuli, dort eine Frau mißmutig am Zapfen. Aus einer Blechhülle trieft die dicke weiße Latex in den » cup«. Die Milch wird dann in sogenannte »Milchkannen« gegossen. Ich sehe Bäume, die vierzehn Jahre und noch älter sind; oft fallen ihre Früchte ab und platzen mit einem Knall auf.
Numeriert stehen dort die Rubberbäume, zu Alleen gereiht, und keine Sonne, nur Dämmerlicht, senkt sich früh schon durch ihre glanzlosen Zweige und Blätter, spielt an den gefleckten Stämmen entlang. Stellenweise wird überhaupt nicht mehr gearbeitet, die Assistentenhäuser sind geschlossen. Sobald die Assistenten entlassen werden, suchen sie sich eine andere Tätigkeit in Medan, der aufblühenden weiß und grünen Stadt, wo sie sich bei den großen Herren, den mächtigen »Delimännern« vorstellen.
Der »rohe« Rubber verbindet sich mit Schwefel zu »vulkanisiertem« Kautschuk und gibt den »smoked sheet«, der nun zugleich sterilisiert ist. Die »Milch« wird mit Essigsäure verdünnt, »koaguliert« (zum Gerinnen gebracht) und gibt das »Koagulum«, aus dem die wertlosen Stoffe ausgeschieden werden. Dieses Koagulum ist eine plastische, weiche Masse: zwischen zwei Stahlwalzen wird sie gepreßt, bis der getrocknete, sogenannte »Crepe« in der Tat einem groben weißen Crepestoff gleicht.
Den Weg entlang reihen sich endlos die numerierten, düsteren Rubberbäume. In perspektivischer Verengung scheinen sie einander am Ende fast zu berühren. Neben jedem Baum steht ein »Cup«. Und wenn ich nun höre, daß der Rubber steigt, so weiß ich wirklich nicht, ob die fahlgrünen, unansehnlichen Blätter noch immer ihr eintöniges »Malaise« murmeln. Denn die Blätter der Bäume wissen gar bald Bescheid um die Dinge, die der Wind ihnen nun von hier, dann von dort zuträgt; der Wind meldet, glaub' ich, den Rubberbäumen die Börsennotierungen ... Oder sollte ihnen das Steigen und Fallen der Aktien gleichgültig sein? Sollten sie sich wirklich nur ganz mechanisch abzapfen oder nicht abzapfen lassen, ohne sich darum zu kümmern, was daraus wird? Es wäre wohl möglich: dumm, gleichgültig, seelenlos und ohne Herz erscheinen mir diese Bäume ... Mittlerweile läßt die »Avros« (Allgemeine Vereinigung Rubber Ostküste Sumatra) nicht ab, in einem prächtig ausgestatteten Laboratorium die Mutterpflanzen zu studieren, um etwaige Krankheiten an ihnen zu bekämpfen ... Oh, dieser Altruismus des Menschen neben dem Egoismus des Baumes!
Vorüber an dem Palast des Sultans von Serdang fahren wir zurück und halten einen Augenblick, um im Vorgarten die Orang-Utans des Sultans zu sehen. Wir glauben, dort ihrer drei zu entdecken, aber sobald sich der seltsame riesengroße Klumpen entwirrt, sehen wir, daß es nur ein einziger Affe ist – ein riesengroßes Orang-Utan-Weibchen, das sich aus seiner seltsam verschlungenen Haltung löst, uns in tiefer Melancholie anstarrt und dann einen Pisang verzehrt. Des Sultans jüngerer Bruder, der gerade mit einem Diener im Garten ist, kommt auf uns zu, begrüßt uns und fragt mich nach der Lage in Europa ... Ganz überrascht erzähle ich ihm alle Neuigkeiten, die ich mir aus den letzten Zeitungsberichten gemerkt habe.
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Will man nach Pangkalan Brandon fahren und dort etwas von der Petroleumgewinnung sehen, so bedarf man einer besonderen Erlaubnis. Ich muß daran erinnern, daß die Batavische Gesellschaft eine Tochtergesellschaft der Königlich Niederländischen zur Ausbeutung der Petroleumquellen in Niederländisch-Indien ist und sich aus produzierenden und verkaufenden Einzelgesellschaften zusammensetzt. Schon aus der Ferne hatten wir eine seltsame Glut beobachtet. War das der nächtliche Glanz über einer Weltstadt? Waren es, wie behauptet wurde, wirklich nur die in Röhren aufgefangenen nutzlosen Gase, die in Pangkalan Brandon in Brand gesteckt wurden und nun so seltsam glühten? Er ergab sich, daß diese Glut sowohl von elektrischem Licht wie auch von brennenden Gasen herrührte.
Wir wollen dort zwei Tage bleiben. Der Weg führt über Tandjoeng Poera. Zum ersten Male fahre ich durch das Land gen Norden, beinahe bis zurück zu dem Meere, auf dem ich erst vor kurzem daherkam. Die Schönheiten längs des Weges sind tausendfältig, und stets und immer wieder wechseln Palmen-, Bananen- und Bambushaine mit Häuschen, die sich, von der Sonne ganz braun gebrannt, dahinter verbergen.
Welche von all diesen tausend Schönheiten soll ich meinen Lesern nennen, was darf ich ihnen vorenthalten? Etwa die »Pedatis«, die Frachtwagen, die meist nicht von Büffeln, sondern in der Regel von bengalischen Ochsen gezogen werden? Einen kurzen Augenblick lang sehe ich nichts anderes vor mir als diese Pedatis, die auch »Grobaks« genannt werden – schöne Karren mit einem Dach, wie die Häuser es auch haben – einem Dach aus schwarzer Arénfaser oder vergilbten Palmblättern oder grobem Alang-Alang-Grase. Der Karren ist eins mit dem Weg, mit der Natur, mit der Landschaft; er gleicht einem auf langsamen Rädern fortrollenden Häuschen, er paßt sich in der Farbe allem an, was um ihn herum ist. Oft befördert er nur ein paar Djatistämme, die sehr schwer scheinen. Der bengalische Ochse zieht ihn. Büffel und bengalisches Rind sind mir beide gleich sympathisch. Später will ich von den Büffeln reden, jetzt nur von diesem bengalischen Rind. Das Tier erscheint einem wie geweiht und heilig, so schön ist es. Und dieses schöne, so gottgeweiht wirkende, aus Vorderindien eingeführte Rind, dieser weiße, hellbraune oder graue Ochse ist ein Zugtier! Es zieht stolz und voller Würde, ohne sich zu übereilen – als wäre es sich seiner beinahe gottgeweihten Schönheit bewußt. Seltsam ist dieses fast Kultische, Mystische, das hier von den Tieren ausgeht. Man sehe nur den Kopf eines solchen Rindes, wie es ihn hintenüber hält – wie er bis zur Spitze der Hörner eine einzige leichte Biegung zeigt. Man sehe sich diesen beinahe hochmütig zurückgelegten Kopf an, die schönen, ruhig und gelassen vor sich hinblickenden Augen, den schönen Wuchs und die schmalen Flanken, die sich von dem breiteren Bug so gefällig verjüngt abheben, und dann den gesenkten Nacken, auf dem das Joch liegt. Über Hals und Brust herab hängen Fettwulste wie ein Schmuck, wie ein Jabot, möchte ich beinahe sagen, wenn dieses Wort nicht allzuwenig zu der ganzen Atmosphäre, zur Zeit und zu dem Tiere selbst paßte. So schreitet der bengalische Ochse ruhigen Schrittes dahin und zieht den Pedati weiter – oder er grast in hohem Grase, während ein junges Kalb sich neben der schönen Mutterkuh tummelt.
Schöne, ernste, zu heiliger Ehrfurcht stimmende Tiere! Warum denke ich, wenn ich sie sehe, an die Götter ihres Geburtslandes? An Seelenwanderung, an Brahmanen und an arische Philosophie und Poesie? Hat denn das alles irgend etwas mit diesen schönen Tieren zu schaffen? Im Augenblick habe ich nicht die Zeit, die Veden zu lesen. Zudem habe ich diese heiligen Schriften auch nicht zur Hand ... Dort drüben lockt mich das Petroleum, ich muß etwas von der »Königlichen« sehen, die so viele Herzen und Börsen bewegt. Vorüber an Stabat und Wampsoe geht es, über die Brücken, über Soengei und Kali ziehen die Pedatis – das Auto jagt an ihnen vorbei, und immer wieder muß ich mich nach den Rindern umschauen, den weißen, schönen Zugtieren, die mich, ich weiß nicht warum, an vorderindische Götter, Helden, Prinzessinnen, Einsiedler, heilige Weiher und Lotosblumen gemahnen. Ob sich die bengalischen Rinder auch ihres früheren Daseins in früheren Jahrhunderten erinnern? Oder ob nur ich so töricht träume?