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17.

Es waren liebliche Sommertage. Draußen auf dem breiten Rasenlager ruhte Herakles, und seine Augen gingen sinnend über die Lande. Das rote Fell hing an der Pforte des Hauses bei Bogen und Köcher, und die Keule war gegen den Pfosten gelehnt wie ein junger Freund, der Wache hielt. Zwischen den laubgeschmückten eichenen Säulen, inmitten der spinnenden trachinischen Frauen saß Deianeira mit ihren Jungfrauen am Webstuhl, und ihre Gesänge wechselten mit den aus der Ferne tönenden Liedern der Hirten und Hirtinnen ab, die ihre Herden an den Hügeln weideten. Auf der Weide vor dem Hause tummelten sich die zwei weißen wilden Rosse, trabten hintereinander her, wälzten sich auf dem Rücken durch die wogenden Halme, indes Jolaos die Flöte spielte. Des Helden Sonnenaugen gingen über seine Herden hin, über die schwereutrigen Ziegen und die wolligen Schafe, die üppig fetten breiten Rinder, über all das üppige Vieh, das die Bewohner des lieblichen Nemea, des fruchtbaren Lerna, des glücklichen Arkadiens, der zu neuem Glück erstandenen Landschaft um den See Stymphalis ihm voller Dankbarkeit geschenkt hatten, und er zählte sie und fand, daß er reich sei, und daß sein Besitz im Reiche des Königs Ceyx vor Eurystheus sicher sei.

Es waren liebliche Sommertage. Einer folgte dem anderen, und Herakles fühlte, genesend, wie von Tag zu Tag seine Kräfte wuchsen. Eingerieben mit dem köstlichen Balsam, mit der heiligen Salbe der Artemis selber, die den Wunden der Jäger wohltätig ist, schien er jetzt bei all seiner männlichen Schönheit jugendlicher, nun er sich mit den trachinischen Jünglingen messen wollte, bevor er wieder vor Eurystheus hintrat. Mit den kräftigen jungen Männern, die ihn ehrfurchtsvoll bewunderten, wetteiferte er in ihren Spielen. Er spannte den Bogen und warf den Speer, er rollte den Diskos und lief um die Wette mit ihnen über den langen Weg, oder er rang mit den stärksten, und die Greise und Frauen und Kinder eilten herbei, um ihm zuzuschauen, und lachten freudig auf, wenn er siegte, und keiner war unter den Besiegten, der eifersüchtig auf Herakles gewesen wäre, denn eines jeden Niederlage galt schon als eine Ehre, weil Herakles ihn dazu auserkoren hatte, sich mit ihm zu messen.

Und inmitten des Glücks dieser lieblichen sommerlichen Tage überfiel den Helden, während er, genesen und jugendlicher geworden, jeden Tag an Kräften zunahm, oftmals eine unüberwindliche Wehmut, und dann irrte er durch die Wälder und suchte die Einsamkeit und grübelte traurig vor sich hin. Und ohne Blick für das, was er besaß, trauerte er um das, was er verloren, um alles, was er verloren hatte: um die herrlichen Rechte des Göttersohnes, die ihm Heras unversöhnlicher Haß entrissen, um seine Mutter, die er in seiner tollen Wut, um seine erste Gattin, seine Söhne und Töchter, die er in Raserei alle erschlagen hatte. Und trotz allem, o Götter, fürchteten sie ihn nicht, Deianeira und alle die anderen: die ihn in seinem neuen Glück und seinem neuen Reichtum umringten, fürchteten ihn nicht – sie liebten ihn. Doch was würde werden, wenn die grausame Hera ihm von neuem das Hirn erhitzte und ihm die Sinne verwirrte, bis sie erkrankten: was sollte werden, wenn er von neuem die Keule oder die Streitaxt ergriffe und schwänge, um sie besinnungslos herabsausen zu lassen, oder wenn er die treue, zärtliche Deianeira erwürgte, so wie er Megara erwürgt hatte? Konnte einer, den der Haß der Göttin verfolgte, des kommenden Tages, auch nur eines einzigen Augenblickes gewiß sein, wenn einmal der anderen Götter Liebe nicht über ihm wachte?

Jetzt war er genesen, gesundet, jetzt war er wieder kräftig. Und das fünfte Werk war zu seiner eigenen Verwunderung vollbracht. Bei welchem Werke würde er unterliegen? Bei dem allerletzten, dem zehnten, um dann mit ewiger Schmach beladen auf ewig in des Tartaros ewige Finsternis herabzusinken?

In der Nacht irrte er am Waldsaum entlang, und in dem matten Schein der Nacht sah er seine Besitzungen, die sich weithin erstreckten, in lieblich-wohltätigem Schlummer liegen, und als er sich seinem Hause genähert hatte, sah er auf der Schwelle seine zarte, weiße Frau, die ihm die Arme entgegenstreckte und ihn mahnte, zur Ruhe zu gehen. Und wie er in ihren Armen ruhte, fürchtete er, daß sie einmal nicht mehr Liebe, sondern den Tod von ihm empfangen könnte – sie, die ihn mehr liebte als ihr eigenes Leben.


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