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Unterfamilie Busarde ( Buetoninae)

Die Bussarde oder Busaare ( Buetoninae), welche eine anderweitige, nach außen wohl abgegrenzte Unterfamilie bilden, sind plump gestaltete Falken von mittlerer Größe. Ihr Schnabel ist kurz, von der Wurzel an gekrümmt, seitlich zusammengedrückt, am Rande zahnlos, der Fuß mittelhoch, kurz und schwachzehig, aber mit spitzigen, scharf gekrümmten Krallen bewehrt, der Flügel ziemlich lang und rundlich, die vierte Schwinge gewöhnlich über die anderen verlängert, der Schwanz mittellang, das Gefieder reich und mehr oder weniger schlaff; die Federn sind groß, lang und breit, die Kopffedern gewöhnlich schmal und spitzig, ausnahmsweise wohl auch zu Hauben verlängert. Düstere Färbung ist vorherrschend, die Zeichnung aber mannigfachem und oft zufälligem Wechsel unterworfen.

Die Bussarde, Weltbürger, von denen man einige funfzig Arten kennt, bewohnen Gebirge und Ebenen, am liebsten kleinere Waldungen, welche von Feldern umgeben werden. Letztere oder ihnen entsprechende Gefieder bilden die Jagdgründe unserer Vögel. Während der Brutzeit siedelt sich das Paar fest an und bemächtigt sich der Herrschaft über ein gewisses Gebiet, welches an das des nächsten Paares grenzt. Doch vertreiben die Bussarde, durchgehends sehr friedliche Vögel, nur aus der nächsten Nähe des Horstes eifersüchtig andere ihrer Art oder Raubvögel überhaupt. Unsere nordischen Arten sind Wander- oder Strichvögel; diejenigen, welche in wärmeren Ländern leben, können als Standvögel angesehen werden. Alle Arten fliegen langsam, aber anhaltend und lange Zeit schwebend, mehr nach Art der Adler als nach Art der Weihen. Wenn sie eine Beute erspäht haben, rütteln sie über ihr, wie die kleineren Falken thun; beim Angriff stoßen sie verhältnismäßig langsam in schiefer Richtung nach unten. Sehr gern jagen sie von einer Warte aus. Sie setzen sich auf einen erhöhten Gegenstand im Felde, am liebsten auf einen Baum oder hohen Erdhaufen und beobachten von hier aus den Boden in ihrer Nähe. Regt sich hier etwas, so erheben sie sich und gehen nun zum Angriffe über. Auf dem Boden sind auch sie noch ungeschickt: ihr Gang ist ein Hüpfen, kein Schreiten. Unter ihren Sinnen steht das Gesicht unzweifelhaft obenan: ihr Auge kommt an Schärfe dem Adlerauge gleich. Das Gehör ist gut, Gefühl und Geschmack sind ziemlich entwickelt. Die geistigen Fähigkeiten scheinen geringer zu sein, als sie es wirklich sind. Klüger als die meisten Weihen sind die Bussarde gewiß, obwohl sie sich oft recht herzlich dumm benehmen. Doch lernen sie bald gefährliches vom ungefährlichen unterscheiden, und werden nach einiger Verfolgung ungemein vorsichtig. Listig kann man sie nicht nennen; sie gehen bei allem, was sie thun und treiben, eher plump zu Werke. Man schilt sie träge, weil sie stundenlang auf einer und derselben Stelle sitzen, thut ihnen aber, streng genommen, unrecht; denn gerade während dieser Stellung sind sie sehr eifrig beschäftigt, wenn auch nur mit den Augen. Einen fliegenden Bussard kann man gewiß nicht träge heißen, am allerwenigsten dann, wenn er des Spielens halber stundenlang prachtvolle Kreise zieht und gleichsam zwecklos zu ungeheueren Höhen sich emporschraubt. Aber freilich sind sie nicht in dem Sinne Räuber wie viele andere ihrer Verwandten. Es fehlt ihnen das ungestüme und insbesondere der Blutdurst, welcher jene, nicht immer zu ihrem Vortheil, auszeichnet. Sie sind tüchtige Fresser; haben sie aber einmal das nöthige erlangt, so begnügen sie sich und jagen nicht weiter. Mit anderen Raubvögeln leben sie in leidlichem Frieden; nur gegen den Uhu bekunden sie tödtlichen Haß. Sie dagegen werden von kleinen Raubvögeln vielfach angegriffen, wie es scheint, hauptsächlich deshalb, weil es den schnellen und munteren Falken Vergnügen gewährt, mit ihrer Ungeschicklichkeit neckend zu spielen.

Kleine Wirbelthiere und Kerfe, Schnecken, Würmer, Larven, ja sogar Pflanzenstoffe bilden die Nahrung der Bussarde. Alle Arten der Familie erweisen sich nützlich, einzelne in hohem Grade. Sie vertilgen die lästigen Mäuse in unzählbarer Menge, kämpfen außerdem wacker mit Schlangen und anderem widerwärtigen Gezücht und greifen höchstens dann und wann ein Thier an, welches wir ihnen mißgönnen, weil wir selbst es jagen. Alle uns nützlichen Vögel sind, so lange sie gesund und bewegungsfähig, vor ihnen gesichert. Täppische Junge oder verwundete Vögel greifen sie freilich an; aber der Schaden ist wirklich kaum in Betracht zu ziehen.

Der ziemlich kunstlose, dem anderer Raubvögel im wesentlichen ähnliche Horst, wird auf hohen Bäumen angelegt. Die Anzahl der Eier eines Geleges schwankt zwischen eins und vier, beträgt gewöhnlich aber drei bis vier. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt, reichlich versorgt, warm geliebt, gegen Angriffe vertheidigt und nach dem Ausstiegen noch längere Zeit geführt, belehrt und unterrichtet.

Jung aus dem Neste genommene Bussarde werden so zahm, daß sie zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden können. Auch alt eingefangene überwinden bald den Verlust ihrer Freiheit und schließen sich nach kurzer Zeit ihrem Pfleger innig an. Sie sind zwar nicht gerade liebenswürdige, immerhin aber angenehme Raubvögel, welche man mit der Zeit lieb gewinnt.


Die Schlangenbussarde ( Circaëtus), welche von vielen Naturforschern zu den Adlern gestellt und dann Schlangenadler genannt werden, mögen als Uebergangsglieder von den Adlern zu den Bussarden die erste Stelle finden. Ihr Leib ist gestreckt, aber kräftig, der Hals kurz, der Kopf ziemlich groß, der Schnabel stark, von der Wurzel an gekrümmt, seitlich etwas zusammengedrückt mit langem Haken und geraden Schneiden, der Fuß hoch, mit einem wahren Panzer von Schildern umgeben, sehr kurzzehig und mit kurzen, gekrümmten und spitzigen Nägeln bewehrt, der Flügel breit und lang, die dritte oder vierte Schwinge über die übrigen verlängert, der Schwanz mittellang, breit und gerade abgeschnitten. Die großen und langen Federn liegen locker an und spitzen sich an Kopf und Nacken wie bei den Adlern zu.

siehe Bildunterschrift

Schlangenbussard ( Circaëtus gallicus). 1/4 natürl. Größe.

In Europa lebt eine Art der Sippe, der Schlangen- oder Natterbussard und bezüglich Adler ( Circaëtus gallicus, brachydactylus, leucopsis, anguium, meridionalis, orientalis, hypoleucus und paradoxus, Falco gallicus, leucopsis und brachydactylus, Buteo gallicus, Aquila brachytactyla, leucamphomma und gallica, Accipiter hypoleucus). Seine Länge beträgt siebzig, die Breite einhundertundachtzig, die Fittiglänge sechsundfunfzig, die Schwanzlänge dreißig Centimeter. Die spitzigen Federn des Kopfes und Hinterhalses sind mattbraun, heller gesäumt, die Rücken-, Schulter- und kleinen Flügeldeckfedern tiefbraun, heller gekantet, die Schwingen schwarzbraun, fein hellbraun gesäumt, weiß gekantet und mit schwarzen Querbinden gezeichnet, die Schwanzfedern dunkelbraun, breit weiß zugespitzt und dreimal breit schwarz gebändert, Stirn, Kehle und Wangen weißlich, schmal braun gestrichelt, Kropf und Oberbrust lebhaft hellbraun, die übrigen Untertheile weiß, spärlich hellbraun in die Quere gefleckt. Ein Kreis von wolligem Flaum umgibt das große Auge; nach vorn gerichtete Borsten bedecken den Zügel. Das Auge ist gelb, der Schnabel bläulichschwarz, die Wachshaut und die Füße sind lichtblau. Junge Vögel unterscheiden sich wenig von den Alten.

Noch zu Anfange dieses Jahrhunderts wurde der Schlangenadler als ein sehr unbekannter Vogel angesehen, und seine Naturgeschichte ist auch wirklich erst in den letztvergangenen Jahren festgestellt worden. Der auffallende und leicht kenntliche Raubvogel mag früher mit lichten Bussarden verwechselt worden sein, bis man anfing, auf ihn zu achten. Seit dieser Zeit hat man ihn überall in Deutschland, namentlich in Preußen, Pommern, Schlesien, der Mark Brandenburg, Mecklenburg, auf dem Westerwalde und in der Pfalz als Brutvogel, außerdem aber in allen Theilen unseres Vaterlandes als Zugvogel beobachtet. Regelmäßiger tritt er im Süden des österreichischen Kaiserstaates, in Südrußland, auf der Balkanhalbinsel und ebenso in Italien, Frankreich und Spanien auf; in Großbritannien und Skandinavien dagegen hat man ihn, soviel mir bekannt, noch nicht erlegt; auch für Holland kenne ich keinen Fall seines Vorkommens. Bei uns zu Lande ist er ein Sommervogel, welcher Anfang Mai ankommt und uns im September wieder verläßt, um den Winter in Mittelafrika und Südasien bleibend, mit dort angesiedelten seiner Art zu verbringen. Seinen Stand wählt er sich in großen einsamen Waldungen, und hier führt er, soweit bis jetzt bekannt, ein wahres Stillleben oder macht sich doch wenig bemerklich. In Indien, wo er ebenfalls brütet, haust er weniger in Waldungen und Dschungeln als auf offenen Ebenen und im bebauten Lande, gleichviel ob dasselbe trocken oder feucht ist. In Nordafrika sieht man ihn hauptsächlich im Winter, oft in Gesellschaften von sechs bis zwölf Stück, gern auf Felsen nahe am Strome, noch lieber aber in der Steppe und hier zuweilen viele Kilometer weit von einem ihm zugänglichen Gewässer entfernt. In Nordwestafrika hat man ihn horstend gefunden.

Lebensweise und Betragen, Sitten und Gewohnheiten des Schlangenbussardes erinnern ungleich mehr an unseren Mäusebussard als an irgend welchen Adler. Er ist nach meinen Beobachtungen ein ruhiger, fauler, grilliger und zänkischer Vogel, welcher sich um nichts anderes zu bekümmern scheint als um das Wild, welches er jagt, und um andere seiner Art, welche im Fange glücklicher waren. Am Horste ist er nach allen Angaben scheu und vorsichtig, auch schreilustig; in Afrika vernimmt man kaum einen Laut von ihm und lernt ihn als einen der unvorsichtigsten aller dortigen Raubvögel kennen. Wenn er aufgebäumt hat, glotzt er den sich nähernden Jäger mit seinen großen Augen an und denkt an alles andere, nur nicht an das Fortfliegen. Doch sieht man ihn nur gegen Abend und in den frühesten Morgenstunden aufgebäumt; während des ganzen übrigen Tages betreibt er langsam und gemächlich seine Jagd. Kreisend schwebt er über nahrungversprechenden Gefilden, oder bewegungslos sitzt er am Rande der Gewässer, um auf Beute zu lauern. Im Fluge rüttelt er oft wie sein Vetter, der Bussard; beim Angriffe senkt er sich langsam in die Tiefe herab und bewegt sich vermittels einiger Flügelschläge noch eine Zeit lang über dem Boden dahin, bis er endlich mit weit ausgestreckten Fängen auf diesen herabfällt, um das ins Auge gefaßte Thier zu ergreifen. Bei seinen Fußjagden, wie ich sie nennen möchte, wadet er oft in das seichte Wasser hinein und greift dann plötzlich mit einem Fange vorwärts. Besonders auffallend war es mir, zu erfahren, daß er alle anderen seiner Art mit schelen Augen betrachtet und futterneidisch über sie herfällt, wenn sie glücklicher waren. Sowie sich einer herabsenkt, um eine Beute aufzunehmen, eilt ein zweiter auf ihn los, packt ihn mit Wuth an und nun beginnt eine Balgerei, welche so heftig wird, daß beide Gegner sich zuweilen in einander verkrallen, gegenseitig am Fliegen hindern und zum Boden herabfallen. Hier angekommen, rennt jeder ein paar Schritte dahin und erhebt sich nun langsam wieder, wahrscheinlich eifrig nach der inzwischen entschlüpften Beute spähend. Zur Mittagszeit besucht er die Sandbänke am Strome, um zu trinken, hüpft hier rabenartig umher, fliegt auch wohl von einer Stelle zur anderen und entfernt sich dann langsam. Bei der größten Hitze bäumt er auch mittags auf und sitzt dann stundenlang, anscheinend regungslos, hoch aufgerichtet wie ein Mann. Zur Nachtherberge wählt er gern einzeln stehende Bäume, welche eine weite Umschau gestatten; aber auch hier läßt er den Menschen ohne Bedenken an sich herankommen.

Der Schlangenbussard verdient seinen Namen; denn seine Jagd gilt vorzugsweise diesen Kriechthieren. Aber er begnügt sich nicht mit ihnen, sondern nimmt auch Eidechsen und Frösche auf, stellt den Fischen nach, jagt auch, nach Jerdon, selbst auf Ratten, schwache Vögel, Krebse, große Kerbthiere und Tausendfüßler. Doch bilden Kriechthiere und Lurche unter allen Umständen sein Lieblingswild. Er geht beim Angriffe so verständig zu Werke, daß ihm selbst die gefährlichste Schlange wenig oder nichts anhaben kann, und seine Kunst im Jagen scheint ihm angeboren zu sein. »Mein jung aufgezogener Schlangenadler«, so schreibt Mecklenburg an Lenz, »stürzt sich blitzschnell auf jede Schlange, sie mag so groß und wüthend sein, als sie will, packt sie dicht hinter dem Kopfe mit dem einen Fuße und gewöhnlich mit dem anderen Fange weiter hinten, unter lautem Geschrei und Flügelschlägen; mit dem Schnabel beißt er dicht hinter dem Kopfe die Sehnen und Bänder durch, und das Thier liegt widerstandslos in seinen Fängen. Nach einigen Minuten beginnt er das Verschlingen, indem er die sich noch stark windende Schlange, den Kopf voran, verschluckt und bei jedem Schluck ihr das Rückgrat zerbeißt. Er hat in einem Vormittage binnen wenigen Stunden drei große Schlangen verzehrt, worunter eine über einen Meter lange und sehr dicke. Nie zerreißt er eine Schlange, um sie stückweise zu verschlingen. Die Schuppen speit er späterhin in Ballen aus. Schlangen zieht er jedem anderen Nahrungsmittel vor. Zu gleicher Zeit habe ich ihm lebende Schlangen, Ratten, Vögel und Frösche gebracht; doch fuhr er, die ihm näher befindlichen Thiere nicht berücksichtigend, auf die Schlangen los.« Elliot erwähnt, daß man einen gesehen habe, welcher von einer Schlange eng umringelt worden war, deren Kopf aber doch so fest hielt, daß alle Anstrengungen des Giftwurmes vergeblich waren. Uebrigens ist seine Geschicklichkeit und sein dichtes Gefieder der einzige Schutz gegen das Gift der Schlangen, er selbst aber keineswegs giftfest, wie man früher glaubte. Auf den Wunsch von Lenz ließ Mecklenburg seinen Schlangenbussard von einer Kreuzotter in den Kopf beißen: der Vogel verlor von Stund an seine Munterkeit und endete am dritten Tage.

Der Horst, welcher regelmäßig auf hohen Laub- oder Nadelbäumen, aber in sehr verschiedener Höhe über dem Boden, ausnahmsweise auch auf Felsen steht, wird Anfang Mai erbaut oder bezüglich wieder bezogen; denn das Paar kehrt, auch wenn ihm die Eier genommen werden, viele Jahre lang regelmäßig zu demselben Brutgebiete zurück. Nach Seidensachers eingehenden Beobachtungen erscheint es in Steiermark um die Mitte des März, meist begleitet von einem oder zwei anderen seiner Art und schwebt zuerst hoch in der Luft über dem gewählten Horstplatze umher. Nach einigen Tagen hat sich die Gesellschaft getrennt, und man sieht fortan nur noch das Nistpaar mit starr gehaltenen Fittigen und fast ohne Flügelschlag kreisen, vernimmt auch oft die laute Stimme, ein echtes, wie »Hii, hii« klingendes Bussardgeschrei. Alsbald beginnt es auch mit Ausbesserung seines alten Horstes, falls es nicht, durch Eiraub oder wiederholte Störungen veranlaßt, einen anderen wählt oder selbst einen neuen errichtet. Der Horst selbst ist kaum größer als der unseres Bussards, besteht aus dürren, nicht eben starken Zweigen, und die flache Nestmulde ist mit eben solchen ausgelegt. Wie bei anderen Raubvögeln kleiden die Alten die Nestmulde wohl auch mit grünem Laube aus und befestigen außerdem grüne Zweige als Schattendach. Man hat angegeben, daß das Weibchen zwei Eier legt, immer aber nur ein einziges Ei gefunden und zwar in den ersten Tagen des Mai, bald nach Ankunft der Vögel am Horste. Es ist länglichrund, verhältnismäßig sehr groß, dünn und rauhschalig und bläulichweiß von Farbe. Der Paarung gehen, laut Tristram, oft wiederholte Flugspiele voraus. Männchen und Weibchen verfolgen einander unter lautem Geschrei, erheben sich in die Luft, beschreiben in bedeutender Höhe über dem Boden enge Kreise und stürzen sich dann plötzlich wieder niederwärts, das Weibchen in den Horst, das Männchen dicht daneben auf seinen Ruhesitz und Wachposten. Beide Gatten brüten, nach Mecklenburg, achtundzwanzig Tage lang, beide theilen sich auch in Erziehung und Auffütterung der Jungen. Bei Gefahr trägt die besorgte Mutter ihr Junges einem anderen Horste zu: so beobachteten übereinstimmend und von einander gänzlich unabhängig Graf Wodzicki und die Jäger des Prinzen von Wied.

Jung aufgezogene Schlangenadler werden zahm und zutraulich; doch muß man sich, um solches zu erreichen, viel mit ihnen abgeben. Bei der Fütterung stürzen sie sich, laut Eugen von Homeyer, futterneidisch mit weitem Sprunge auf die hingeworfenen Fleischstücke, legen sich mit ausgebreiteten Flügeln darauf, schreien laut und wohlklingend »Bli bli«, fast wie ein Bussard, und sehen sich mißtrauisch um, als glaubten sie, daß ihnen jeder andere Vogel die Nahrung wegnehmen wolle. Leider ist es nicht so leicht, einen Schlangenbussard für den Käfig zu erhalten: ich habe nur zwei von ihnen in der Gefangenschaft beobachten und bloß einen einzigen, noch dazu verwundeten, geraume Zeit pflegen können, bin daher nicht im Stande, ein richtiges Urtheil über den ebenso seltenen als auffallenden Vogel zu fällen. Mein Pflegling saß still und ruhig auf einer und derselben Stelle und starrte jeden, welcher ihm sich näherte, mit den großen gelben Augen an, ohne sich weiter behelligen zu lassen, machte daher den Eindruck eines geistig wenig begabten Vogels. Daß dem nicht so, beweisen andere gefangene Schlangenbussarde zur Genüge. Ein jung dem Neste entnommener Vogel dieser Art, welchen Seidensacher wiederholt beobachten konnte, war ungemein zahm, so daß er mit unverschnittenen Flügeln frei im Hofe umherlaufen durfte, ließ sich von jedem, auch ihm fremden Menschen anfassen und streicheln, that Haushühnern nichts zu Leide, fing aber Mäuse und Ratten, trug sie längere Zeit umher und verzehrte sie mitunter, ließ auch seine Stimme oft vernehmen.


Der Wespenbussard, Vertreter einer gleichnamigen Sippe ( Pernis), ist gestreckter gebaut als andere Glieder seiner Familie, der Schnabel lang, niedrig, schwach und nur gegen die Spitze hin scharf gekrümmt, der Fuß kurz, der Fang mittellang, mit langen, schwachen und wenig gekrümmten Nägeln bewehrt, im Flügel die dritte Schwungfeder die längste, der Schwanz lang, der Zügel anstatt mit Borsten- mit kurzen, steifen, schuppenartigen Federn bedeckt, das übrige Gefieder härter und dichter anliegend als bei anderen Verwandten.

 

Unser Wespen- oder Honigbussard, Wespen-, Bienen-, Honig- oder Läuferfalk, Wespen-, Bienen- und Honiggeier, Sommermauser ( Pernis apivorus, communis, apium, vasparum und platyura, Falco apivorus, dubius, incertus und poliorhynchus, Accipiter lacertarius, Buteo apivorus, Aquila variabilis) erreicht eine Länge von neunundfunfzig bis zweiundsechzig, eine Breite von einhundertfünfunddreißig bis einhundertundvierzig Centimeter; die Fittiglänge beträgt vierzig, die Schwanzlänge dreiundzwanzig Centimeter. Das Gefieder ist mannigfachem und zufälligem Wechsel unterworfen; doch sollen nach Behrends Beobachtungen gewisse Spielarten durch mehrere Geschlechter hindurch treu sich fortpflanzen, also die Abkömmlinge zweier gleichmäßig gefärbten Eltern ein diesen ähnliches Kleid erhalten. Zuweilen ist das Kleid einfarbig braun, der Kopf des Männchens graublau und nur der Schwanz durch drei große und mehrere kleine braune Binden gezeichnet; oft wieder ist der Oberkörper braun, der Unterkörper hingegen mehr oder weniger weiß gefleckt oder weiß und durch braune Querflecke und Schaftstriche gezeichnet. Junge Vögel sind gewöhnlich braun oder gelbbraun, die Federn dunkler geschäftet, die des Nackens heller. Außer den angegebenen Farbenverschiedenheiten kommen viele andere vor. Das Auge ist silberweiß bis goldgelb, der Schnabel schwarz, die Wachshaut goldgelb, der Fuß citrongelb.

siehe Bildunterschrift

Wespenbussard ( Pernis apivorus). 1/5 natürl. Größe.

Ganz Europa, mit Ausnahme der nördlichsten Länder, ist die Heimat des Wespenbussards. Vom mittleren Skandinavien und Finnland an fehlt er nirgends, tritt aber, vielleicht mit alleiniger Ausnahme Ostrußlands, überall vereinzelt und bloß stellenweise auf. In den Niederungen Norwegens bemerkt man ihn zuweilen in großer Anzahl, an der Küste im Sommer regelmäßig und häufig; in Schweden verbreitet er sich bis zur lappländischen Grenze; in Rußland zählt er zu den gewöhnlichen Raubvögeln; Dänemark berührt er auf dem Zuge, brütet jedoch ebenfalls hier und da. In Deutschland bevorzugt er den Westen, ohne jedoch im Norden zu fehlen. Er tritt in der Tiefebene häufiger auf als im Mittelgebirge, scheint überhaupt tausend Meter unbedingter Höhe nicht zu übersteigen und läßt sich außerdem durch den herrschenden Bestand der Wälder beeinflussen. In Holland horstet er nahe der deutschen Grenze, in Belgien vorzugsweise auf den Ardennen, in Frankreich in ungleich größerer Anzahl im Süden und Südosten als im Norden; in Spanien, Italien und Griechenland hingegen scheint er sehr einzeln sich anzusiedeln, diese Länder vielmehr nur gelegentlich seiner Wanderung zu besuchen. Reine Nadelholzbestände meidet er mehr oder weniger, zieht ihnen mindestens Laubwaldungen unbedingt vor und scheint, laut Altum, wiederum lieber in Buchen- als in Eichenwaldungen sich festzusetzen. Erst spät im Frühjahre, nur sehr ausnahmsweise um die Mitte, in der Regel zu Ende des Monats April, stellt er sich bei uns ein, zieht aber bis zu Ende Mai noch einzeln durch Deutschland, seinen nördlichen Wohnkreisen zu, und bereits von August an beginnt er seine Rückwanderung, welche ihn bis ins Innere, sogar bis zum Süden Afrikas führt. In der Regel wandert er einzeln oder in kleinen Gesellschaften; es kann aber auch vorkommen, daß er im Laufe eines Tages zu Hunderten auf einer seiner Heerstraßen bemerkt wird. »Seit meinem Hiersein«, berichtet Brüggmann, »habe ich fast jedes Jahr Ende Mai einen Zug dieser Vögel und immer über Kniphausen ziehen sehen. Der Zug war selten über dreißig bis vierzig Stück stark. Die Vögel zogen immer in gerader Richtung von Westen nach Osten, nie über Baumeshöhe, nie Kreise beschreibend; niemals auch sah ich sie fußen. Dieses Jahr (1875) bemerkte ich am sechsundzwauzigsten Mai um vier Uhr Nachmittags die ersten Wespenbussarde, etwa fünfzig Stück. Dieselben kreisten seitwärts von Kniphausen in etwa dreißig Meter Höhe, und zogen, beständig Kreise beschreibend, von Westen nach Osten weiter. Ihnen folgten die übrigen in ununterbrochenem Zuge in derselben Richtung, aber keiner kreisend, und alle nur haushoch fliegend. Viele fußten auch im Kniphauser Garten. Der Zug währte bis acht Uhr, und weiß ich nicht, ob später noch welche nachgekommen, doch glaube ich es wohl: am anderen Morgen wurden ungefähr dreißig Stück auf gepflügtem Lande angetroffen. Die Zahl der hier durchgezogenen Vögel schätze ich auf weit über tausend. Von Wilhelmshaven, wo man am sechsundzwanzigsten Mai denselben Zug beobachtete, wurde mir genau dasselbe berichtet. Da unser Vogel in ganz Norddeutschland nur einzeln vorkommt, so frage ich, woher kommen diese Scharen und wohin ziehen sie?« Gätke hat auf Helgoland übereinstimmende Beobachtungen gesammelt. Einmal erschienen, wie er mir mündlich mittheilte, während des Herbstzuges gegen Mittag aus Osten her Wespenbussardflüge von fünf bis sieben Stück in rascher Folge, nahmen im Verlaufe des Nachmittags stetig zu, ebensowohl was die Anzahl der einzelnen Trupps als die Raschheit der Aufeinanderfolge anlangt, und flogen von zwei Uhr bis nach Einbruch der Nacht zu zwanzig bis dreißig so dicht hintereinander über die Insel weg, daß auch Gätke dieselbe Frage wie Brüggmann sich vorlegen mußte. Meiner Ansicht nach kamen diese Vögel aus dem fernen Osten Rußlands und wanderten Westafrika zu. Bemerkenswerth ist, wie genau die Wespenbussarde auch in weiterer Ferne ihre allgemeine Heerstraße, die ostnordöstlich-westsüdwestliche und umgekehrte Richtung beibehalten. Im Nordosten Afrikas haben weder Heuglin noch ich jemals einen Wespenbussard beobachtet, und nur in seltenen Ausnahmefällen kommen, wie erwiesen, dort einzelne dieser Vögel vor, wogegen man sie in Spanien, Marokko und Westafrika als regelmäßige Wintergäste findet und in zahlreichen Scharen auf ihren Hin- und Rückzügen über die Straße von Gibraltar wandern sieht.

»Der Wespenbussard«, sagt Naumann, »ist ein sehr unedler, feiger Vogel und übertrifft in dieser Hinsicht alle anderen einheimischen Raubvögel. Gutmüthigkeit und Furchtsamkeit, auch dummer Trotz sind Grundzüge seines Charakters. Er ist scheu und fliegt langsam und schwerfällig, auch meistentheils nur niedrig über dem Boden dahin. Fliegend bewegt er die Schwingen mit matten, bei Wendungen ziemlich ungeschickten Schlägen, gleitet oft streckenweise auch ganz ohne diese durch die Luft und wendet sich dann auch leichter, fliegt überhaupt sanfter und noch träger als die anderen Bussarde.« Sein Flugbild unterscheidet sich, wie ich hinzufügen will, leicht von dem seines in Deutschland gewöhnlichen Verwandten. Der ganze Vogel erscheint merklich gestreckter als der Bussard und läßt sich, auch wenn er das für alle Bussarde bezeichnende Bild des Dreispitzes vor das Auge führt, mit Sicherheit an seinen verhältnismäßig längeren und schmaleren Flugwerkzeugen, den Schwingen wie dem Schwanze, erkennen. Von Liebe begeistert, führt auch er, wie weiter unten zu erwähnen, wundervolle Flugkünste aus. »In seinem Betragen«, fährt Naumann fort, »verräth er die größte Trägheit. Man sieht ihn stundenlang auf einem Flecke, mehrentheils auf Grenzsteinen und einzelnen Feldbäumen sitzen und auf Raub lauern. Gegen die Gewohnheit anderer Raubvögel geht er ziemlich gut, verfolgt auch die Kerbthiere sehr oft zu Fuße. Auf der Erde umherschreitend, den Kopf etwas hoch getragen, dagegen die Federn des Hinterkopfes und Nackens gestreift, würde er einem kleinen Adler nicht unähnlich sehen, wenn sein krähenartiger Gang ihn nicht sogleich unterschiede und kenntlich machte. Die Stimme ist ein hastiges, oft wiederholtes ›Kikik‹, welches zuweilen mehrere Minuten in einem Zuge fortdauert.«

Nicht umsonst trägt der Wespenbussard seinen Namen; denn Wespen und andere Immen bilden in der That einen Haupttheil seiner Mahlzeiten. Den über der Erde bauenden Immen bricht er wahrscheinlich ihre Kuppelnester von den Zweigen ab, den unter dem Boden wohnenden kommt er bei, indem er die Nester ausscharrt. »Ich sah einst«, schreibt mir Liebe, »ein paar Wespenbussarde auf einem Feldrande damit beschäftigt, ein Hummelnest auszugraben. Das Weibchen packte mit dem Fange Rasenstücke und Erde und riß so Brocken für Brocken heraus, bisweilen mit dem Schnabel nachhelfend. Das Männchen löste seine Ehehälfte einigemale auf kurze Zeit ab. Nach etwa einer Viertelstunde war die Arbeit gethan.« Hat der Vogel ein Immennest entdeckt, so läßt er sich nicht leicht von ihm vertreiben. »In den Morgenstunden eines Julitages«, erzählt Behrends, »bemerkte ein Feldarbeiter einen Wespenfalken, welcher mit dem Ausscharren eines Wespennestes beschäftigt war. Obgleich der Vogel zu wiederholten Malen aufgescheucht wurde, erschien er doch immer bald wieder, seine Arbeit eifrig fortsetzend. Mittags erlegte ich ihn, noch bevor er seinen Zweck erreicht hatte. In seinem Körper und Magen fand ich nichts als Käferreste, keine Spur von Wespen, welche doch während seiner sechsstündigen Arbeit seinen Kopf zu Hunderten umschwärmten, von ihm aber durch Kopfschütteln abgewehrt wurden. Diese Beobachtung erregte meine Aufmerksamkeit, und es war mir sehr erwünscht, daß ich bald darauf ein leicht verwundetes altes Weibchen erhielt und an diesem Versuche anstellen konnte. Hielt ich diesem Vogel eine Wespe vor, so fraß er sie nicht nur nicht, sondern wich sogar vor derselben zurück oder biß im günstigsten Falle endlich nach ihr, schnellte sie aber weg. So oft ich auch meine Versuche wiederholte, das Ergebnis war immer dasselbe. Niemals war er zu bewegen, eine Wespe zu fressen.« Im übrigen bemerkt Behrends, dessen Auffassung ich weiter unten zu widerlegen haben werde, daß der Wespenbussard außer Wespen und Immen überhaupt vorzugsweise Heuschrecken, Käfer, Raupen, Frösche und Eidechsen frißt. Reste von warmblütigen Thieren fand Behrends selten, Hummeln niemals, Blütenkätzchen von Birken und Nadelhölzern, wie Naumann angibt, ebensowenig, wohl aber Blätter der Heidelbeerstaude. Naumann betrachtet ihn als einen argen Nestplünderer und bezichtigt ihn außerdem, neben Mäusen, Ratten, Hamstern und dergleichen auch wohl einen jungen Hasen abzuwürgen. Beim Habichte soll er sich zuweilen zu Gaste bitten, das heißt so lange in der Nähe des fressenden Räubers warten, bis dieser seine Tafel aufgehoben hat, und dann mit dem vorlieb nehmen, was jener übrig läßt. Im Hochsommer endlich soll er, außer den Heidelbeeren, auch Preißel- und andere Waldbeeren verzehren. »Bald« sagt Altum, »ist der Kropf gefüllt mit Erdraupen und kleinen Grasraupen, bald mit Wespen- und namentlich mit Hummelbrut, bald mit kleinen nackten Spannräupchen, bald mit Fröschen, bald mit einer Familie Nestvögel, von denen er die Drosseln besonders zu lieben scheint. Mäuse, welche er ohne Zweifel auch verzehrt, fand ich nie. Kerbthiere, namentlich Käfer, Hummelbrut, Erd-, Gras- und Spannraupen, scheinen nebst Fröschen seine Hauptnahrung zu sein«.

Alle Beobachter, welche die Kerbthiere im Kropfe und Magen des Wespenbussards untersuchten, mit alleiniger Ausnahme von Behrends, bemerken übereinstimmend, daß der Vogel nie verfehle, dem Immengeschlechte, also Hornissen, Wespen, Hummeln und Bienen, vor dem Verschlingen den Stachel abzubeißen. Er weiß diese Thiere, wie Naumann schildert, so geschickt zu fangen, daß er sie beim Zuschnappen seitlich quer in den Schnabel bekommt, durch rasches Zusammendrücken der Kiefer die Spitze des Hinterleibes in einige Millimeter Breite zusammt dem Stachel abbeißt, diese Stückchen fallen läßt und nicht mit verschluckt, weil ihn sonst der Stachel im Munde, Schlunde etc. tödtlich verletzen könnte. Sämmtliche Kerbthiere werden stets so verstümmelt, und nie war ein Stachel darunter zu finden. Beim Fange selbst schützen ihn schon das derbe Gefieder und die harten Fußschilder vor den Stichen der ihn umsummenden.

Unmittelbar nach seiner Ankunft in der Heimat beginnt der Wespenbussard mit dem Baue oder der Aufbesserung seines Horstes. Zur Anlage desselben bevorzugt er an Felder und Wiesen grenzende Laubwaldungen allen übrigen Beständen. Selbst zu bauen entschließt er sich nur in Nothfällen; weit lieber benutzt er den vorjährigen Bau eines Bussards oder Milans, selbst ein altes Krähennest, welches er so weit, als ihm nöthig scheint, herrichtet, namentlich, wenn auch nicht in allen Fällen, mit frischen, grünen Reisern versieht. Wenn er sich entschließen muß, selbst zu bauen, verfährt er so ungeschickt und liederlich als möglich. Der Bau ist dann immer schlecht und besteht meist nur aus dünnen Reisern, welche leicht übereinander geschichtet, zuweilen sogar so wenig zusammengelegt sind, daß man von unten her die Eier durchschimmern sehen kann. Während der Begattungszeit vergnügt sich das Paar nach anderer Raubvögel, insbesondere der Bussarde, Art durch Flugspiele in hoher Luft, und es ist dann, wie Naumann sagt, »sehr ergötzlich, bei heiterem Wetter diesen Spielen über dem Nistplatze zuzusehen; wie das Paar hoch in den Lüften ohne Flügelschlag zunächst in weiten Kreisen sich immer höher hinaufdreht, dann das Männchen allmählich hoch über das Weibchen sich erhebt, nun aus größter Höhe mit fast senkrecht nach oben gestellten Flügeln und einer eigenthümlichen, schnell schüttelnden Bewegung derselben wieder zu ihm sich herabläßt, jedoch sogleich wieder zu voriger Höhe heraufschraubt, um sich auf jene Weise abermals herabzusenken, dann wieder aufzusteigen und so dies anmuthige Spiel Viertelstunden lang zu wiederholen«.

Noch bevor die Eier gelegt werden, sitzen beide Gatten lange im Horste. Sachse, welcher im Westerwalde binnen zwölf bis vierzehn Jahren nicht weniger als einunddreißig Horste des in anderen Gegenden seltenen Raubvogels besuchte, fand, daß schon am elften Mai grünes Laub eingetragen wurde, obwohl erst am vierten Juni frische Eier im Horste lagen. Zwei Eier, welche nach Gestalt und Farbe sehr abweichen, bilden das Gelege. Sie sind bald rundlich, bald eiförmig; ihre Schale ist mehr oder weniger glänzend und auf gelbweißem oder braunrothem Grunde heller oder dunkler gemarmelt, zuweilen gleichmäßig, zuweilen auf der einen Hälfte dunkler als auf der anderen. Nach Sachse's Erfahrungen werden die Eier frühestens Ende Mai und zwar in Zwischenräumen von drei bis fünf Tagen gelegt. Männchen und Weibchen bebrüten sie abwechselnd und füttern einander gegenseitig mit Wespen- und Hummelbrut, welche in Waben herbeigeschleppt und oft in Menge im Horste aufgespeichert wird. Auffallend ist die geringe Scheu der brütenden Wespenbussarde am Horste. »Am sechsten Juni 1870 vermuthete ich in einem öfters zuvor besuchten Horste Eier. Der Vogel saß auf demselben, und der Schwanz reichte über den Nestrand. Ich klopfte mit dem Stocke an die Eiche, der Vogel aber blieb sitzen. Erst nach wiederholtem Klopfen trat er auf den Rand des Horstes, blies das Gefieder auf und sträubte die Kopffedern, sah mich grimmig an, schüttelte sich und setzte sich wieder auf seine Eier. Erst als ich den Horst beinahe erreicht hatte, stand er auf, ging gemächlich den Zweig, auf welchem der Horst stand, entlang und stob dann ab. Von Krähen und kleineren Vögeln verfolgt, umkreiste er den Baum eine Zeitlang und bäumte ungefähr fünfzig Schritte von mir wieder auf. Die beiden Eier waren vier bis fünf Tage bebrütet. Es ist mir wiederholt vorgekommen, daß der Vogel erst vom Horste flog, als ich denselben beinahe erreicht hatte.« Die Jungen werden anfänglich mit Raupen, Fliegen und anderen Kerbthieren ernährt und zwar, indem die Eltern ihnen die im Schlunde gesammelte Speise vorspeien, während sie später ganze, mit Brut angefüllte Waben und Wespennester auftischen und schließlich auch junge Frösche, Vögel und dergleichen herbeischaffen. Auch nach dem Ausfliegen benutzen die Jungen den Horst noch einige Zeit zur Nachtruhe, später beginnen sie umherzustreifen, halten sich aber noch zusammen und kehren wahrscheinlich auch jetzt immer und immer wieder zu ihrer Geburtsstätte zurück. Unter Führung und Leitung ihrer Eltern erwerben sie sich bald die Fähigkeit, sich selbst zu ernähren, verharren jedoch noch geraume Zeit in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zu ihnen.

In der Gefangenschaft ist der Wespenbussard, laut Behrends, höchst unterhaltend. »Ein flugbares Männchen, welches ich eingefangen, ward schon nach wenigen Wochen gegen ihm bekannte Leute wie auch gegen meine Hunde in hohem Grade zutraulich, ja anhänglich, nahm aber jedem fremden Hunde gegenüber eine Angriffsstellung an, sträubte die Federn und ging auf ihn los. Besondere Zuneigung hatte er zu einem kleinen Hunde gewonnen. Lag dieser, so setzte der Vogel sich zwischen seine Füße, spielte mit ihm oder zauste mit dem Schnabel seine Haare, was er sich denn auch gutwillig gefallen ließ. Nur beim Fressen war der Bussard zuweilen tückisch, jagte die Hunde, welche sich ihm nicht widersetzten, vom Futter und bewachte letzteres oft längere Zeit, ohne selbst davon zu fressen. Er lief in und außer dem Hause umher, und schrie, wenn er eine Thür verschlossen fand, aus Leibeskräften so lange, bis solche geöffnet wurde. Einen öffentlichen Garten in der Nähe meiner Wohnung, wo er ein beliebter Gast war und immer etwas zugeworfen erhielt, besuchte er im Sommer täglich; im Spätsommer und Herbste lief er oft halbe Tage lang nahrungsuchend auf den Stoppelfeldern herum. Er hörte auf den Ruf ›Hans‹, kam aber nur, wenn er gelaunt oder hungrig war. In Zeiten guter Laune sprang er Frauen auf den Schoß, hob oft einen Flügel auf, um sich unter demselben krauen zu lassen, wobei er unter sichtlichem Wohlbehagen die Augen zudrückte, oder setzte sich auf deren Schultern und spielte in den Haaren. That ihm jemand etwas zu Leide, so merkte er es lange Zeit und mied diese Person. Hatte er Hunger, so lief er der Magd, welche ihn gewöhnlich fütterte, schreiend im ganzen Hause nach und zupfte dabei an deren Kleidern; wollte sie ihn abwehren, so schrie er entsetzlich und stellte sich zur Wehre. Seine liebste Nahrung war Semmel und Milch; doch fraß er auch alles andere, wie Fleisch, Mehlspeisen, Kartoffeln, zuweilen auch einen kleinen Vogel. Ein Wespennest, welches in einem Garten an einem Busche hing, fesselte ihn nicht im mindesten. Wespen, welche ihm um den Kopf flogen, suchte er durch Kopfschütteln abzuwehren; hielt man ihm solche vor den Schnabel, so biß er dieselben todt, fraß aber nie eine. Gegen Kälte war er sehr empfindlich. Im Winter versteckte er sich häufig unter dem Ofen und verhielt sich, da er nicht gern im Zimmer geduldet wurde, ganz ruhig, um seine Anwesenheit nicht zu verrathen. Im allgemeinen hatte er mehr das Betragen einer Krähe als eines Raubvogels; nur waren seine Bewegungen gemessener und bedächtiger, sein Gang schreitend, nie hüpfend, nur wenn er gejagt wurde, machte er einige Sätze. Er starb nach drei Jahren.

»Ein alt eingefangenes Weibchen liebte Wespenbrut leidenschaftlich. Hielt man ihm ein Wespennest vor, so wurde es sichtlich aufgeregt, stieß mit Begierde danach und verschluckte ganze Stücke davon. Leere Wespennester zerriß es, nach Brut suchend, in Fetzen. Sonst war, wie bei dem vorigen, Semmel und Milch seine Lieblingsspeise. Todte Vögel ließ es oft unberührt; lieber waren ihm Frösche; auch Maikäfer fraß es, doch nicht besonders gern. Gegen meine übrigen Hausthiere war der Wespenbussard im hohen Grade verträglich. Ergötzlich war es anzusehen, wenn er mit denselben, nämlich mit zwei Meerschweinchen, einem Staare, einem Goldregenpfeifer und zwei Wachteln, aus einer Schüssel fraß. Keines der genannten Thiere zeigte die geringste Furcht vor ihm, ja, der naseweise Staar biß oft aus Futterneid nach ihm oder spritzte ihm Milch ins Gesicht, was er ganz ruhig hinnahm. Zuweilen erhob er sich dabei sehr würdevoll und überschaute mit stolzem Blicke den bunten Kreis seiner Tischgenossen. Einmal erhielt ich eine Taube, setzte sie neben den Wespenbussard und erstaunte nicht wenig, als dieselbe, statt Furcht zu zeigen, sich innig an den Falken schmiegte. Sie zeigte überhaupt bald eine solche Anhänglichkeit an ihn, daß sie nicht mehr von dessen Seite wich. War sie von der Stange, auf welcher sie neben ihm saß, zum Futter herabgehüpft, so lief sie, da sie nicht fliegen konnte, so lange unter ihrem Freunde hin und her, bis man sie wieder hinauf setzte; verhielt sich der Falk nicht ruhig, so hackte sie oft nach ihm, was ihn aber gar nicht zu beleidigen schien. So gutmüthig der Wespenbussard gegen Menschen und die genannten Thiere, so bösartig war er, wenn ein Hund in seine Nähe kam; pfeilschnell und mit größter Wuth schoß er nach dem Kopfe des Hundes, schlug seine Fänge ein, biß, und schlug ihn mit den Flügeln; dabei sträubte er die Federn und fauchte wie eine Katze. Die Hunde, auch die stärksten und bösartigsten, geriethen in die größte Angst und suchten das weite. Auch wenn der Hund entronnen war, beruhigte er sich nicht gleich, sondern biß eine Zeitlang in blinder Wuth nach allem, was sich ihm näherte.

»Er liebte sehr den Sonnenschein, setzte sich daher oft mit ausgebreiteten Flügeln und geöffnetem Schnabel an ein offenes Fenster und flog auch auf die benachbarten Dächer. Regen scheute er sehr; wurde er von einem solchen überrascht, so verkroch er sich schnell in die nächste Ecke. Gegen Kälte war auch er sehr empfindlich und mußte deshalb im Winter in der Arbeitsstube gehalten werden.«

Der Werth des Wespenbussards ist, wie Altum hervorhebt, leicht zu überschätzen, wenn man nur die von ihm verzehrten Raupen, Grillen und Wespen berücksichtigt, dagegen außer Acht läßt, daß Frösche und Hummeln durchaus keine schädlichen Thiere sind, und er viele Vogelbruten zerstört. Letzteres geht am besten daraus hervor, daß er, laut Sachse, sobald er sich blicken läßt, von allen Vögeln, großen und kleinen, heftig verfolgt wird, während dieselben Vögel sich um seinen Vetter, den Mäusebussard, wenig kümmern. Mit vorstehenden Worten dürfte übrigens aller Schaden, welchen er bringt, angegeben sein; gerechte Abwägung dieses Schadens und des Nutzens, welchen er durch Aufzehren verderblicher Kerbthiere doch offenbar leistet, aber zu der Erkenntnis führen, daß er Schonung und nicht Verfolgung verdient. Wer jedes Vogelnest und jedes junge Rebhühnchen, welches er verspeist, ihm zur Last legen will, wird wie üblich, nur den gefährlichen Räuber in ihm sehen und dessen wohlthätiges Wirken selbstverständlich darüber vergessen. Mit Schießjägern ist in dieser Beziehung nicht zu rechten: sie sind und bleiben taub gegen jede vorurtheilsfreie Erwägung.


Unser Mäusebussard, das Urbild der Familie und der Sippe der Bussarde ( Buteo) insbesondere, kennzeichnet sich durch kleinen schmalen, stark gekrümmten Schnabel, ungefiederte Fußwurzeln, verhältnismäßig kurze Fänge, breite Flügel, unter deren Schwingen die dritte bis fünfte, unter sich gleich langen Schwingen die anderen überragen, und kurzen, höchstens mittellangen, gerade abgeschnittenen Schwanz, welcher von den zusammengelegten Flügeln bedeckt wird. Von dem Wespenbussarde unterscheidet sich unser Vogel und seine Sippschaft augenfällig außerdem durch feine, weiche, haarförmige, von der Mitte strahlenförmig ausgehende Federchen, welche die Zügel und die Umgebung des Schnabels bekleiden.

 

Der Mäusebussard oder Mauser, sonst auch Bußhard und Busaar, Mäusehabicht, Mäusesalk, Mäuseaar, Mäusegeier, Rüttelweih, Wasservogel, Unkenfresser und Waldgeier genannt ( Buteo vulgaris, albidus, cinereus, fasciatus, mutans, septentrionalis, medius und murum, Falco buteo, albus, glaucopis, versicolor, albidus und Pojana), erreicht eine Länge von fünfzig bis sechsundfunfzig bei einer Breite von hundertzwanzig bis hundertfünfundzwanzig Centimeter; die Länge des Fittigs beträgt achtunddreißig bis vierzig, die des Schwanzes sechsundzwanzig Centimeter. Ueber die Färbung ist schwer etwas allgemein gültiges zu sagen; denn der Bussard ändert außergewöhnlich ab, so daß man selten zwei vollkommen gleich gefärbte Stücke von ihm sieht. Einzelne sind gleichmäßig schwarzbraun, auf dem Schwanze gebändert, andere braun auf der Oberseite, der Brust und den Schenkeln, sonst aber auch auf licht braungrauem Grunde in die Quere gefleckt, andere lichtbraun, bis auf den Schwanz längs gestreift, andere gilblichweiß mit dunkleren Schwingen und Schwanzfedern, auf der Brust gefleckt, auf den Steuerfedern gebändert etc. Das Auge ist in der Jugend graubraun, später röthlichbraun, im hohen Alter grau, die Wachshaut wachs-, der Fuß hellgelb, der Schnabel am Grunde bläulich, an der Spitze schwärzlich.

siehe Bildunterschrift

Mäusebussard ( Buteo vulgaris). 1/5 natürl. Größe.

Das Verbreitungsgebiet des Bussard reicht nicht weit über Europa hinaus. Schon in den Steppen Südrußlands ersetzt ihn der merklich größere, stärkere und hochläufigere, zwar vielfach abändernde, an seinem meist lichten, fast weißem Schwanze zu erkennende Raub- oder Adlerbussard ( Buteo ferox, canescens, longipes, leucocephalus, aquilinus, rufinus, fulginosus, pectoralis und nigricans, Accipiter ferox, Falco ferox, rufinus und astracanus, Butraquila leucocephala, Butaëtus leucurus, Circaëtus ferox und Limnosalus africanus); in Sibirien, Kleinasien, Nordostafrika wird er durch den, auf dem Zuge auch Deutschland durchwandernden Steppenbussard ( Buteo desertorum, rufiventer, cirtensis, capensis, vulpinus, minor, tachardus und Delalandii, Falco desertorum und cirtensis) vertreten, welcher sich, im Gegensatze zu jenem, durch merklich geringere Größe und vorwaltend röthliches Gefieder, mindestens deutlich röthlichen Schwanz kennzeichnet, unserem Bussard jedoch so nahe steht, daß er leicht mit ihm verwechselt werden kann. Außerhalb Europas hat man letzteren in Turkestan und während des Winters in Nordafrika beobachtet. Er ist in Großbritannien fast ausgerottet worden, im südlichen Skandinavien, Nord- und Mittelrußland, Dänemark, Deutschland, Oesterreich-Ungarn dagegen einer der häufigsten Raubvögel, in Holland hauptsächlich auf die östlichen Theile beschränkt, in Belgien und Frankreich seltener Stand-, aber häufiger Wandervogel, auf den drei südlichen Halbinseln regelmäßiger Wintergast. Im südlichen Deutschland verweilt er gewöhnlich auch während der Winterzeit, in den nördlichen Theilen wandert der größere Theil der Brutvögel; kältere Gegenden verläßt der Bussard allherbstlich, und zwar im September und Oktober, um im März oder April zurückzukehren. Gelegentlich des Zuges bildet er Gesellschaften von zwanzig bis mehr als hundert Stück, welche zwar mit einander in gleicher Richtung dahinfliegen, aber durchaus keine Schwärme bilden, sondern sich über Flächen von mehreren Geviertkilometern vertheilen, langsam und meist in ziemlicher Höhe dahinfliegen, auch stets noch Zeit finden, halbe Stunden lang in weiten Kreisen sich emporzuschrauben. Auf dem Rückzuge verweilen sie gern einige Tage an nahrungversprechenden Orten und wandern dann ein Stück weiter. Zum Standorte wählt das Paar Waldungen aller Art, am liebsten solche, welche mit Feld und Wiesen abwechseln, fehlt jedoch auch in ausgedehnten Forsten nicht und steigt hoch im Gebirge empor.

Der geübte Beobachter erkennt den Bussard auf den ersten Blick, derselbe mag sitzen oder fliegen. Gewöhnlich sitzt er zusammengedrückt, mit wenig anliegenden Federn, gern auf einem Fuße, den anderen zusammengebogen zwischen den Federn versteckt. Der Stein, der Erdhügel oder der Baum, welchen er zum Ruhesitze erwählt hat, dient ihm als Warte, von welcher aus er sein Gebiet überschaut. Der Flug ist langsam, aber leicht, fast geräuschlos und auf weite Strecken hin schwebend. Jagend erhält sich der Bussard rüttelnd oft längere Zeit über einer und derselben Stelle, um diese auf das genaueste abzusuchen oder ein von ihm bemerktes Thier genauer ins Auge zu fassen. Angreifend fällt er mit hart angezogenen Schwingen zu Boden herab, breitet dicht über demselben die Fittige wieder, fliegt wohl auch noch eine kurze Strecke über dem Boden dahin und greift dann mit weit ausgestreckten Fängen nach seiner Beute. Bei gewöhnlicher Jagd erhebt er sich seltener in bedeutende Höhe; im Frühjahre aber, und namentlich zur Zeit seiner Liebe, steigt er ungemein hoch empor und entfaltet dabei Künste, welche man ihm kaum zutrauen möchte. »Da, wo er horstet«, sagt Altum sehr richtig, »ist er eine wahre Zierde der Gegend. Es gewährt einen prachtvollen Anblick, wenn die beiden Alten an heiteren Frühlingstagen und auch später noch in den schönsten Kreisen über dem Walde sich wiegen. Ihr lautes und schallendes »Hiäh« erhöht noch die angenehme Belebung. Haben sie ihre Künste im Fliegen lange genug ausgeführt, so zieht einer die beiden Flügel an und wirft sich in laut sausendem Sturze herab in den Wald, und sofort folgt auch der andere nach.« Seine Stimme ähnelt dem Miauen einer Katze, und ihr verdankt er seinen Namen, da das Wort »Buse« soviel als Katze bedeutet, der Bussard also Katzenaar genannt worden ist. Unter den Sinnen steht das Gesicht obenan; aber auch das Gehör ist scharf, das Gefühl fein, der Geschmack wenigstens nicht verkümmert und der Geruch vielleicht ausgebildeter, als wir glauben. Die geistigen Fähigkeiten scheinen wohl entwickelt zu sein: sowohl der freilebende, wie der gefangene geben oft genug Beweise großer Klugheit, List und Verschlagenheit.

Ende April oder zu Anfang des Mai bezieht der Bussard seinen alten Horst wieder oder erbaut einen neuen. Er erwählt hierzu einen ihm passenden Baum in Laub- oder Nadelwäldern und errichtet hier, bald höher, bald niedriger über dem Boden, in der Regel möglichst nahe am Stamme, entweder in Zwiseln oder in passenden Astgabeln, den fast immer großen, mit den Jahren an Umfang zunehmenden Bau, falls er nicht vorzieht, ein ihm geeignet erscheinendes Kolkraben- oder Krähennest zu benutzen. In den meisten Fällen ist er nicht allein Baumeister für sich, sondern auch für viele andere Raubvögel unseres Vaterlandes. Der Horst hat ungefähr sechzig, höchstens achtzig Centimeter im Durchmesser und besteht aus stärkeren Zweigen, welche nach obenhin immer dünner und zuletzt mit großer Sorgfalt ausgewählt zu werden pflegen, so daß die flache Vertiefung mit zarten, grünen Reisern ausgeschmückt erscheint. Zuweilen füttert er die Mulde auch mit Moos, Thierhaaren und anderen weichen Stoffen aus. Drei bis vier Eier, welche auf grünlichweißem Grunde hellbraun gefleckt sind, bilden das Gelege. Das Weibchen scheint allein zu brüten; die Jungen aber werden von beiden Eltern gemeinschaftlich ernährt.

Dem Bussarde ergeht es ungefähr ebenso wie dem Fuchse. Jeder Uebergriff von ihm wird mit mißgünstigen Blicken bemerkt, seine uns Nutzen bringenden Thätigkeiten dagegen regelmäßig unterschätzt. In den Augen aller Jäger gilt er als der schädlichste Raubvogel unseres Vaterlandes und wird deshalb mit förmlicher Erbitterung verfolgt. Der gemeine Bauernschütze gestaltet sich zwar kein eigenes Urtheil, verfehlt aber selten, dem Jäger nachzuäffen. »Die Bussarde allein«, sagt Liebe, »zogen im Jahre 1848 ein schlimmeres Loos, alle übrigen Raubvögel dagegen ein besseres. In dem genannten und nächstfolgenden Jahre wurde von den Bauern eine große Menge dieser sehr unschädlichen Räuber am Horste oder im Anschleichen geschossen und prahlerisch an die Scheunenthüren genagelt, einfach deshalb, weil die armen Bursche zu groß waren, um nicht aufzufallen, zu vertrauensselig, um dem ihnen bisher ungefährlichen Landmann zu mißtrauen, und zu plump und zu langsam, um dem Schrotschusse ausweichen zu können.« Was für die Bauern, gilt auch für viele andere Schießjäger; mindestens glaube ich, daß nur die wenigsten von ihnen sich ein auf eigenen Beobachtungen beruhendes Bild der Thätigkeit des Bussards gestaltet haben. Zu den Jägern, welche den Bussard rücksichtslos verurtheilen, gehört auch ein wohlerfahrener Waidmann, Oberjägermeister von Meyerinck. »Seit fünfzig Jahren«, schreibt er mir, »habe ich den Bussard in den wildreichsten Gegenden von Deutschland vielfach beobachtet und kann mir daher wohl ein ganz bestimmtes Urtheil über seine Nützlichkeit und Schädlichkeit erlauben. Er sowohl wie sein Verwandter, der Rauchfußbussard, gehören unstreitig mit zu den schädlichsten Raubvögeln, und steht der Schaden, welchen sie der Jagd thun, mit dem Nutzen welchen sie dem Forst- und Landwirte bringen, in gar keinem Verhältnisse. Die Bussarde rauben Rehkälber, Hasen, besonders junge, Fasanen zu allen Jahreszeiten, und alte Rebhühner. Ich kann dies durch Hunderte von Beispielen beweisen, und alle Jagdbesitzer wildreicher Gegenden werden meiner Ansicht beitreten. In wildreichen Gegenden schlagen die Bussarde Mäuse nur ganz beiläufig, genau ebenso wie der Fuchs, wenn er lohnendere Beute zur Verfügung hat. Ich wohne gegenwärtig in Schlesien. In diesem Frühjahre gibt es in hiesigen Feldmarken ziemlich viele Mäuse, so daß zwei Menschen während des Aprils wöchentlich fünf- bis sechshundert Mäuse auf dem Weizen- und Roggenbreiten von etwa dreihundert Hektar gefangen und abgeliefert haben. Während des ganzen Frühjahrs habe ich noch keinen Mauser im Felde erblickt, wohl aber in und am Rande der Waldungen und Feldraine, wo wenige Mäuse zu bemerken sind, gesehen. Hier im Kreise Neumarkt sind innerhalb vierzehn Tagen vier Fälle vorgekommen, daß den Bussarden junge Hasen, welche sie im Walde geschlagen und bereits halb verzehrt hatten, abgejagt wurden. Zwei von den Bussarden konnten dabei erlegt werden und hatten im Magen nur Wildpret von jungen Hasen, aber keine Spur von Mäusen. In meiner Nachbarschaft hat man dieselben Erfahrungen ebenfalls gemacht und nicht bloß mit jungen Hasen, sondern auch mit alten Fasanenhennen. Ein Forstbeamter hatte ganz kürzlich ein Stoßnetz mit einer Taube aufgestellt, um einen Hühnerhabicht zu fangen, sich selbst aber, um zu beobachten, etwa einhundertundfunfzig Schritte vom Netze versteckt. Statt des erwarteten Habichts erschien ein Mauser, stieß senkrecht von oben herab auf die Taube und holte dieselbe aus dem Netze, ohne daß dieses zuschlug. Am folgenden Tage stand das Netz wieder auf derselben Stelle, und wiederum erschien wahrscheinlich derselbe Bussard, und nochmals holte er die Taube aus dem Netze, ohne daß er sich fing. Am dritten Tage wurde das Schlagnetz oben mit Kreuzfäden überzogen und so aufgestellt. Da fing sich endlich unser schlauer Räuber. Auch er hatte keine Mäusereste im Magen. Im Jahre 1834, als im Herbste eine arge Mäuseplage herrschte, wurden in jungen Eichenpflanzungen der Oberförsterei Ledderritz, in denen die Nager sich überaus schädlich erwiesen, täglich gegen tausend von ihnen in gebohrten Löchern gefangen und getödtet; aber auch hier mußte man erfahren, daß sich die Bussarde, deren es ziemlich viele gab, nur um die jungen Fasanen kümmerten und äußerst wenige Mäuse in den fortwährend beobachteten Eichenpflanzungen fingen. Die auf der Krähenhütte erlegten Mauser hatten deshalb auch nur Fleisch von geschlagenem Geflügel und selten die Ueberreste einer Maus in dem Magen. Bei solch einem argen Mäusefraße kommt es gar nicht in Betracht, was die Bussarde an Mäusen vertilgen, und die Menschenhand kann in kurzer Zeit hundertmal mehr leisten. Mehrfach sind mir Fälle vorgekommen, daß Mauser junge Rehkälber geschlagen hatten und auch dabei erlegt wurden. Seit langen Jahren habe ich alljährlich in der Brunstzeit der Rehe auf verschiedenen Revieren geblattet. Wiederholt ist es mir dabei geschehen, daß Bussarde, wenn ich einigemal geblattet hatte, dicht vor mir auf acht bis zehn Schritte aus der Luft mit großer Schnelligkeit herunterstießen und mit ausgebreiteten Flügeln wild umherschauten, in der Hoffnung, hier ein Rehkalb erbeuten zu können. Die mich bei der Jagd begleitenden Forst- und Jagdbeamten hatten dieselbe Erfahrung schon öfters gemacht. Ich bemerke hierzu noch, daß ich vor Beginn des Blattens niemals einen Bussard in meiner Nähe wahrgenommen hatte; sie mußten also das ›Fipen‹ oder Blatten mindestens dreihundert Schritte weit von mir wahrgenommen haben. Daß Rebhühner im Winter bei Schnee und Fasanen an den Futterplätzen von Bussarden sehr häufig geschlagen werden, können alle Jäger, welche dergleichen Jagden beaufsichtigen, bestätigen. Ich könnte unzählige Beispiele anführen, welche die Schädlichkeit des Bussards beweisen; doch würde das hier zu weit führen. Nach allem dem hier gesagten kann ich der in der ersten Auflage des ›Thierlebens‹ ausgesprochenen Ansicht nicht beipflichten, daß die Bussarde mehr zu den nützlichen als schädlichen Vögeln gehören sollen.«

Ich habe den ausgezeichneten Waidmann, dessen Erfahrungen ich in hohem Grade schätze, vollständig zu Worte kommen lassen, muß aber erklären, daß ich trotz alledem in keiner Weise von der überwiegenden Schädlichkeit des Bussards überzeugt worden bin. Was die Uebergriffe dieser Raubvögel anlangt, so gestehe ich sie auch jetzt noch ohne weiteres zu, ebenso wie ich dieselben auch in der ersten Auflage des »Thierlebens« nicht verschwiegen habe. Ich will sogar noch weitere Belege für die zeitweilige Schädlichkeit des Bussards beibringen, theils eigenen Beobachtungen, theils fremden Mittheilungen Rechnung tragend. Wahr ist es, daß der Bussard, eben so gut wie Mäuse, Ratten und Hamster, Schlangen, Frösche, Kerbthiere und Regenwürmer, auch junge Hasen fängt oder alten, kranken, namentlich verwundeten den Garaus macht und von ihrem Wildprete kröpft, nicht minder richtig, daß er zuweilen Rebhühner schlägt, möglich sogar, daß er gewandt genug ist, um selbst im Sommer und Herbste gesunde Feldhühner oder Fasane zu schlagen, erwiesen ferner, daß er seinen Jungen außer den eben genannten Wildarten Maulwürfe, Finken, Lerchen, Amseln und andere junge Vögel, deren er sich bemächtigen kann, zuträgt, nicht wohl in Abrede zu stellen endlich, daß er nach Art der Weihen unter Umständen sogar Enten-, vielleicht noch andere Jagdvogeleier frißt. Aber die Hauptnahrung des Bussards besteht trotzdem in allen Arten von Mäusen, in Ratten, Hamstern, Zieseln, Fröschen, Heuschrecken und anderen Kerbthieren, also in Thieren, welche uns entweder auf das empfindlichste schädigen oder, wie die Frösche, in so zahlreicher Menge vorhanden sind, daß die Vernichtung einzelner von ihnen nicht in Betracht kommt. Blasius hat dreißig Mäuse dem Magen eines einzigen Bussards entnommen, Martin hunderte dieser ihm zum Ausstopfen überlieferten Raubvögel geöffnet und in aller Kröpfen nur Mäuse gefunden. Es mag sein, daß die Annahme von Lenz, nach welcher ein Bussard bei dreißig Mäusen täglich ungefähr zehntausend Stück der schädlichen Nager vertilgen soll, wie alle ähnlichen auf derartige Berechnungen gegründete Muthmaßungen falsch ist; richtig aber wird trotz alledem sein und bleiben, daß der Bussard im allgemeinen durch Aufzehren der Mäuse mehr nützt, als er durch Schlagen einzelner Wildarten schadet. Nicht vergessen darf man hierbei namentlich noch das eine, daß auch dieser Raubvogel wie alle Verwandten mehr oder weniger den Verhältnissen sich anbequemt, also in besonders wildreichen Gegenden in erklärlicher Weise öfters an einer Wildart sich vergreift als in einer wildarmen, wo ihm die Flüchtigkeit solcher Beute ungleich mehr Mühe verursacht als die Erwerbung seiner regelmäßigen Nahrung, ebensowenig außer Acht lassen, daß er zeitweilig besonders schädlich wird, namentlich wenn er hungrige, viel verlangende Junge aufzufüttern hat, alles schlägt, was er zu erlangen und zu bewältigen im Stande ist, und, wenn der Hunger ihn treibt, im Winter, besonders kühn sich zeigt. Daß nicht alle Jäger mit Meyerinck übereinstimmen, mag aus folgenden Worten des Grafen Kospoth hervorgehen. »Wo viele Mäuse sind,« so schreibt der genannte an Riesenthal, »findet sich der Mäusebussard aus weiter Ferne ein. Als im Jahre 1873 die Mäuseplage bei uns anfing, hatte ich die ersten dieser landwirtschaftlichen Feinde in einem Kleeschlage von fünf Hektar. Jeden Tag konnte ich nun zwölf Mäusebussarde sehen, welche fleißig dem Mäusefang oblagen und die jungen Hasen und Rebhühner vollkommen unbeachtet ließen. Sie waren den ganzen Tag auf diesem Flecke versammelt, bis die Mäuseplage weiter um sich griff, wo sie dann immer paarweise ihren Stand nahmen. Im Winter von 1874 zu 1875 dagegen bei dem hohen Schnee war der Mäusebussard sehr gefährlich, wenn freilich auch nur aus Noth. Mein Fasanenjäger hat während dieser Zeit sieben von ihnen in Tellereisen gefangen, nachdem er vorher jeden von ihnen ein Huhn hatte schlagen sehen. Dieses jagte er ihm ab, legte das Eisen auf dieselbe Stelle und darauf dasselbe Huhn, worauf gewöhnlich nach einer Stunde der Dieb im Eisen saß. Ohne Aufsicht hätten die sieben Bussarde unter meinen Hühnern auf dem Futterplatze arg aufgeräumt. Deshalb ist meine Ansicht, im Sommer lasse man ihn fliegen, im Winter schieße man ihn, wo man ihn trifft.« Vom Standpunkte des Jägers aus mag diese Auffassung als gerechtfertigt gelten; anders aber verhält es sich, wenn man den Standpunkt des Forst- und Landwirtes berücksichtigt und in Erwägung zieht, daß beide doch wohl noch mehr als der Jäger berechtigt sind, über den Nutzen und Schaden eines Thieres zu urtheilen. Thun sie es unbefangen, ohne Rücksicht auf die Jagd, dann steht die vorwiegende Nützlichkeit des Bussards unantastbar fest, und da nun der Naturforscher offenbar den Standpunkt dessen zu vertreten hat, welcher sich bestrebt, dem nutzbaren Boden den höchsten Ertrag abzuringen, halte ich auch jetzt noch an meiner früher ausgesprochenen Meinung fest und betrachte es nach wie vor als eine schmachvolle Handlungsweise, wenn der Vertreter der Thierkunde in der Hauptstadt eines unserer Kleinstaaten vor der Krähenhütte täglich vierzehn bis fünfzehn Bussarde erlegt, dessen öffentlich sich rühmt und mit Behagen verzeichnet, daß während der einen Zugzeit vierhundert Stück dieser Raubvögel vernichtet worden seien.

Obwohl mir die von Meyerinck dem Bussard zugesprochene Fähigkeit oder doch Absicht, unter Umständen auch ein Rehkalb zu schlagen, nicht glaublich erscheinen will, muß ich doch zugestehen, daß unser Vogel zuweilen, gerade als ob er sinnlos wäre, sich auch auf Thiere stürzt, denen er nichts anhaben kann. »Im Jahre 1863«, schreibt mir Liebe, »stieß ein Mäusebussard an einem trüben Herbsttage auf einem Feldwege bei Hohenlauben auf einen Zugochsen und hackte sich auf dem Rücken des erschreckten Thieres so fest ein, daß ihn der Bauer mit dem Peitschenstocke todtschlagen konnte. Besagter Bussard war wohl toll vor Hunger. Denn daß dieser auf die Raubvögel merkwürdig einwirkt, beweist das bereits mitgetheilte Beispiel vom Sperber, welcher, eben gefangen, im Zimmer sich auf meinen Vogelbauer stürzte.«

Um den Bussarden, welche ich auf unseren Fluren nicht missen möchte, noch einige Freunde zu werben, will ich noch ausdrücklich hervorheben, daß der so oft falsch beurtheilte und geschmähete Vogel einer der wirksamsten Vertilger der Kreuzotter ist. Lenz hat die umfassendsten Versuche angestellt, um sich hierüber zu vergewissern und feiert den Bussard begeistert in Wort und Lied. Um die Gefährlichkeit der Kämpfe des Bussards mit Vipern zu würdigen, muß man wissen, daß er nicht gefeit ist gegen das Gift der Kreuzottern, sondern den Bissen des tückischen Kriechthieres erliegt, wenn diese einen blutreichen Theil des Leibes getroffen haben. Es mag allerdings selten vorkommen, daß der Raubvogel nicht als Sieger aus dem Kampfe hervorgeht; einzelne aber finden gewiß ihren Tod in dem Kampfe mit Kreuzottern. So erfuhr Holland eine wirklich rührende Geschichte von einem ihm befreundeten glaubwürdigen Forstmanne. Derselbe hatte einen Bussardhorst erstiegen, weil der Vogel, den er von unten schon gesehen, nicht abgeflogen war. Als er nun zum Horste kam, bemerkte er, daß der Bussard nicht mehr lebte. Er nahm ihn in die Höhe und sah zu seinem nicht geringen Schrecken eine lebende Kreuzotter unter dem Bussard liegen. Dieser mußte also die Schlange in den Horst getragen, einen Biß von ihr empfangen haben und an demselben verendet sein.


Die nördlichen Länder der Erde, insbesondere aber die Tundra, bewohnt ein Bussard, welcher sich durch seine wie bei den Adlern befiederten Fußwurzeln besonders auszeichnet und deshalb von meinem Vater zum Vertreter einer gleichnamigen Sippe ( Archibuteo) erhoben worden ist, der Rauchfußbussard oder Schneeaar, Moos-, Schnee-, Nebel- und Scherengeier, Graufalk etc. ( Archibuteo lagopus und pennatus, africanus, alticeps und planiceps, Falco lagopus, sclavonicus, sublagopus und plumipes, Buteo lagopus, Butaëtus buteo und lagopus). Der Schnabel ist klein und schmal, stark gekrümmt und langhakig; die großen Flügel, in denen die dritte oder vierte Schwungfeder die übrigen überragt, erreichen, zusammengelegt, das Ende des langen, abgerundeten Schwanzes. Das Gefieder ist locker, in der Gurgelgegend zu Borsten umgestaltet; die Federn sind groß und lang, die, welche den Kopf und Nacken bekleiden, mittellang und zugerundet. Die ungemein abändernde Färbung ist ein Gemisch von Weiß, Gelblichweiß, Rothgrau, Braunschwarz und Braun. Die Länge beträgt fünfundsechzig, die Breite etwa hundertundfunfzig, die Fittiglänge fünfundvierzig, die Schwanzlänge vierundzwanzig Centimeter.

Obwohl der Rauchfußbussard in verschiedenen Theilen Deutschlands, insbesondere aber auf Rügen, in Westpreußen, der Lausitz, Thüringen und am Taunus, gehorstet haben soll, liegt unser Vaterland doch jenseit der Grenze seines eigentlichen Brutgebietes. Als dieses hat man die Tundra anzusehen. Erwiesenermaßen horstet unser Vogel im Norden Großbritanniens, namentlich in Schottland, wahrscheinlich auch nur auf solchen Stellen, welche der Tundra ähneln. Daß er von dieser seiner beliebtesten Wohnstätte in südlicher gelegene Waldungen streift und in ihnen seinen Horst errichtet, ist erklärlich. In Europa sind es vor allem Skandinavien und Nordrußland, wo man ihm während des Sommers begegnet; in Sibirien haben wir ihn erst am nördlichen Rande des Waldgürtels, weit häufiger aber in der eigentlichen Tundra beobachtet, und in Nordamerika, wo er ebenfalls vorkommt, werden zweifellos dieselben Verhältnisse maßgebend sein. Selbst da, wo er weiter im Süden horstet, wie beispielsweise in Skandinavien, pflegt er sich zu seinem Wohnsitze solche Stellen auszusuchen, welche der Tundra gleichen oder, streng genommen, Tundra sind, ob sie auch rings von Waldungen umgeben sein sollten, wie beispielsweise die nackten, kahlen Fjelds der Gebirge.

siehe Bildunterschrift

Rauchfußbussard ( Archibuteo lagopus). 1/5 natürl. Größe.

Bei uns zu Lande trifft der Rauchfußbussard, von Norden kommend, um die Mitte des Oktober, selten früher, meist etwas später ein, um hier, in seiner Winterherberge, bis in den März, selbst bis zum April, zu verweilen. In einzelnen Wintern dehnt er seine Wanderungen weiter aus, zählt aber schon in Südfrankreich und Norditalien zu den sehr seltenen Erscheinungen und wird wohl noch auf der Balkan-, nicht aber auf der Pyrenäischen Halbinsel beobachtet. Von Nordrußland aus besucht er die südlichen Theile des Landes oder bezieht die an das Schwarze Meer grenzenden Landstriche; von Sibirien aus wandert er bis in die Steppen Turkestans.

Ein geübter Beobachter ist im Stande, den Rauchfußbussard in jeder Stellung, namentlich aber im Fliegen, von seinen einheimischen Verwandten zu unterscheiden. Die längeren Flügel mit den schwarzen Flecken am Handgelenke und die auffallende Schwanzzeichnung lassen das Flugbild von dem des Bussards hinlänglich abweichend erscheinen. Auch sind die Bewegungen beider Vögel verschieden, indem der Rauchfußbussard die Schwingen beim Schlagen tiefer nach unten bewegt und nach je zwei oder drei Schlägen eine Strecke geradeaus zu schweben pflegt. Abgesehen hiervon, unterscheiden sich beide Arten in ihrem Winterleben so wenig, daß man das von dem einen beobachtete unbedenklich auch auf den anderen beziehen kann. Viel eher und bestimmter lassen sich hinsichtlich des Sommerlebens der beiden so nahe verwandten Vögel Unterschiede nachweisen.

Wenn man die Tundra durchreist, wird man sicherlich im Laufe der ersten Wanderstunden, mindestens Wandertage, ein Rauchfußpaar bemerken, entweder hoch am Himmel kreisend oder nach Bussardart niedrig über dem Boden schwebend, von Zeit zu Zeit rüttelnd ein Stück weiterfliegend und wiederum sich feststellend, um einen Lemming ausfindig zu machen. Betritt man die Tundra in den letzten Tagen des Juli, so wird ein solcher Vogel nicht verfehlen, sobald er den Menschen gewahrt, auf ihn zuzufliegen und ihm unter lautem Geschrei seine Angst, daß derselbe den Horst besuchen möge, kundzugeben. Um diese Zeit nämlich sind den vier bis fünf Eiern, welche von denen unseres Bussards kaum sich unterscheiden lassen, bereits die Jungen ausgeschlüpft und sitzen im wolligen Dunenkleide, die Alten erwartend, auf dem Horste. Letzterer aber steht in der Tundra nur höchst selten auf einer Stelle, welche nicht ohne weitere Anstrengung erreicht werden könnte. Zwar verfehlt auch der Rauchfußbussard nie, Bäume oder passende Felsennischen zu verwenden, ist aber auf weite Strecken hin hierzu gar nicht im Stande, weil es an vielen Stellen seines eigenartigen Brutgebietes wohl hinreichende Nahrung, nicht aber Bäume oder Felsen gibt, sieht sich daher genöthigt, seinen Horst auf dem Boden selbst anzulegen. Abweichend von dem Wanderfalken wählt er hierzu nicht solche Stellen, welche an Abhänge grenzen, sondern regelmäßig die Spitze eines Hügels, gleichviel ob derselbe dreißig bis fünfzig oder nur zwei bis drei Meter über die durchschnittliche Höhe der Ebene sich erhebt. Abgesehen von dem für einen Bussard sicherlich auffallenden Standorte, zeichnet sich der Horst, welcher in waldigen Gegenden von dem unseres Mausers kaum abweicht, in der Tundra noch dadurch aus, daß ausschließlich dünne, gebrechliche Zweige zu seinem Aufbaue verwendet werden: kostet es doch unserem Rauchfußbussarde Mühe genug, selbst diese herbeizuschaffen. Weite Strecken durchfliegend, findet er nur hier und da einen durch irgend einen Zufall abgebrochenen Zwergbirkenzweig, im günstigsten Falle einen ausgerissenen Zwergbirkenstrauch oder einen dürren Lärchenast, welchen er verwenden kann: sehr erklärlich daher, daß er sich mit den unbedeutendsten Zweigen begnügt und selbst solche zum Unterbaue verwendet, welche nicht dicker sind als die in einander verfilzten der Zwergbirkenkronen, auf denen der Horst steht. Die Last des letzteren ist noch immer so bedeutend, daß das schwankende, federnde, schon unter dem Gewichte eines Vogels sich biegende Geäst der Zwergbirken zu Boden herabgedrückt, gleichsam mit dem Horste selbst verschmolzen und somit streng genommen zum unteren Theile desselben umgewandelt wird. Findet der Rauchfußbussard Renthierhaare oder sonstige weiche Stoffe zur Ausfütterung, so schleppt er auch diese herbei, wenn nicht, begnügt er sich, die sehr flache Nestmulde regelmäßiger als den unteren Theil des Horstes mit sehr dünnen Zweigen und einzelnen Riedgrashalmen auszukleiden. Im nördlichen Skandinavien legt er, nach Wolley's Beobachtungen, in der Zeit von der Mitte des Mai bis zu Ende des Juni, in der Tundra Westsibiriens anscheinend auch nicht später. Ende Juli und Anfang August fanden wir in verschiedenen Horsten Junge im Dunenkleide.

Betritt man das Wohngebiet eines Rauchfußpaares, so wird man gewiß durch die Alten selbst auf den Horst aufmerksam gemacht und, wenn man verständnisvoll ihnen folgt, von ihnen sogar zur Brutstätte geführt werden. Einer der Alten hat den herbeikommenden Menschen, einen ihm ungewohnten Gegenstand, von ferne entdeckt und fliegt eilig herbei, um sich den Eindringling genau zu betrachten, bricht dann, wie bereits geschildert, in lautklagendes Geschrei aus und lockt damit regelmäßig, meist bereits in den ersten Minuten, seinen Gatten herbei. Beide kreisen in vorsichtig bemessener Höhe, mindestens außer der Schußweite eines Schrotgewehres, über dem Wanderer, schrauben sich im Kreise allmählich höher und höher, stürzen von Zeit zu Zeit wieder tief herab, als ob sie einen Angriff ausführen wollten, wagen aber niemals einen ebenso kühnen Stoß wie Wanderfalken unter gleichen Umständen, und setzen ihre Sicherheit nicht aus den Augen. Aus der zunehmenden Heftigkeit ihres Geschreies und ihrer Bewegungen kann man zwar entnehmen, daß man sich dem Horste nähert, demungeachtet ist es nicht immer leicht, ihn zu finden. Man kann in nicht allzu großer Entfernung an ihm vorübergehen, da er selbst in keiner Weise auffällt und nur durch die auf weithin sichtbaren lebenden Dunenklümpchen, die Jungen, erkenntlich wird. Findet man ihn rechtzeitig auf, so kann man, mit dem Fernglase vor dem Auge, weiter und weiter schreitend, das Treiben der Jungen trefflich beobachten. Harmlos, wie üblich die Köpfe nach innen gerichtet, sitzen sie in verschiedenen Stellungen neben einander. Der eine lagert, den Hals ausgestreckt und den Kopf auf den Boden der Horstmulde gelegt, behaglich, halb geschlossenen Auges, träumend oder schlummernd; der andere hockt auf den Fußwurzeln und nestelt sich mit dem Schnabel im dunigen Gefieder; der dritte versucht, die stummelhaften Fittige zu bewegen, als ob er fliegen wollte; der vierte sträubt ärgerlich das Kopfgefieder, auf welchem mehr als ein Dutzend blutgieriger Mücken sitzen; der fünfte kauert halb in sich zusammengesunken zwischen den übrigen. Nun stößt plötzlich der Alte, auf dessen ängstliches Rufen die gesammte junge Schar bisher noch nicht geachtet, tief herab und streicht eiligen Fluges schwebend unmittelbar über dem Horste dahin: und augenblicklich ducken sich alle Jungen zu Boden nieder und verharren regungslos in der Stellung, welche sie infolge dessen erlangten. Der eine, welcher seine Flügel zu bewegen versuchte, wurde durch den, welcher den Mücken zürnte, über den Haufen geworfen und liegt jetzt schief auf dem Rücken, den einen geöffneten Fang dicht an den Leib angezogen, den anderen, halb geschlossenen weit von sich gestreckt, ohne irgend eine Bewegung zu wagen, ohne durch mehr als ein Zucken seines Auges und das Heben und Senken der athmenden Brust zu verrathen, daß noch Leben in ihm sei. So bildsäulenhaft verfahren die Jungen, so lange man am Neste sich aufhält. Man kann sie zeichnen, ohne befürchten zu müssen, daß einer derselben die Stellung verändere; man darf sie aus dem Neste heben und wieder zurücklegen: sie werden sich stets gebaren, als ob sie leblos seien, und diejenige Stellung getreulich beibehalten, welche man ihnen zu geben für gut befunden. Währenddem schreien die Alten jämmerlich, stoßen herab, schwingen sich in Kreislinien wieder nach oben empor, geben durch tausend Zeichen ihre Angst zu erkennen, wagen aber auch jetzt noch nicht, bis in Schußweite zu nahen. Ihre Liebe zu den Jungen bethätigen sie übrigens auch in anderer Weise, dadurch, daß sie ihnen reichlich Nahrung herbeischleppen. In dem einen Horste fanden wir, obgleich er noch sehr kleine Junge enthielt, außer verschiedenen Resten von Lemmingen, einen offenbar vor wenig Minuten erst abgewürgten jungen Kampfstrandläufer, welchen dem Anscheine nach die Jungen noch gar nicht verschlingen konnten, und der vielleicht dazu bestimmt war, von den Alten auf dem Horste selbst zerfleischt zu werden. Ueber den ferneren Verlauf der Aufatzung und Erziehung der Jungen vermag ich nach eigener Beobachtung nichts mitzutheilen, habe hierüber auch in keinem der mir bekannten Werke etwas gelesen. Dagegen erfahren wir durch Harvie-Brown und Alston, daß das Weibchen in einem nicht zugänglichen, also im Geklüfte oder in Felsen stehenden Horste außerordentlich fest auf den Eiern sitzt und zuweilen nicht einmal durch eine nach dem Horste abgefeuerte Kugel sich verscheuchen läßt, ebenso, daß der eine Gatte des Paares den ihm gewaltsam zugefügten Verlust des anderen rasch verschmerzt und unter Umständen bereits am folgenden Tage wieder verehelicht sein kann.

Das Beutethier, welches den Rauchfußbussard an die Tundra fesselt, ist der Lemming, beziehentlich die eine oder andere Art dieses Geschlechtes. Dank der außerordentlichen Häufigkeit besagter Wühlmäuse leidet der Vogel während der wichtigsten Zeit seines Lebens niemals Mangel. Lemminge fängt er mühelos, so viele er will und braucht; mit ihnen ernährt er sich und seine Jungen. Daß er auch andere Thiere der Tundra nicht verschmäht, hat uns der bereits erwähnte Kampfstrandläufer bewiesen; daß er selbst den Schneehasen gefährden kann, wenn die heranwachsenden Jungen mehr als sonst zu rücksichtslosem Raube anspornen, läßt sich aus den Beobachtungen schließen, welche wir an unserem Vogel während der Zeit seines Winteraufenthalts bei uns zu Lande gesammelt haben. Zwar bilden auch hier Mäuse, namentlich Feld- und Ackermäuse, so vorwiegend seine Nahrung, daß der Ausstopfer Lokaj, welchem, laut Fritsch, in manchem Winter bis sechzig in der Umgegend von Prag erlegte Rauchfußbussarde zugesandt wurden, versichern durfte, ihren Kropf so gut als ausschließlich mit Feldmäusen angefüllt und bloß gegen das Ende des Winters bei hohem Schnee zuweilen die Ueberreste eines Rebhuhns gefunden zu haben; aber der Hunger regt auch diesen Bussard zu Uebergriffen an, welche unsere Jäger ihm nun und nimmermehr verzeihen wollen. »So lange der Boden frei ist«, sagt Eugen von Homeyer, welcher ihn in Pommern seit zwei Menschenaltern fast allwinterlich beobachtet hat, »wird man den Rauchfußbussard kaum etwas anderes jagen sehen als Mäuse, so bereit er auch ist, Edelfalken und Hühnerhabichten ihre Beute abzujagen. Gern aber hält er sich in der Nähe des Jägers und der suchenden Hunde, und es ist uns mehrfältig vorgekommen, daß uns ein verwundetes in einiger Entfernung fallendes Rebhuhn von dem Rauchfußbussard entführt wurde. Einen bemerkenswerthen Fall erlebte ich einmal, als ich bei Frühschnee mit einem Bekannten auf das Feld fuhr, und derselbe noch einen Schuß auf Rebhühner machte, von denen eines in einer Entfernung von ungefähr dreihundert Schritten niederstürzte. Sofort saß ein Rauchfußbussard darauf; auf ihn aber stürzte sich nicht minder rasch ein zweiter, und beide verkrallten sich in einander über dem Rebhuhne. Bevor wir, im Trabe fahrend, uns noch nähern konnten, saß ein dritter dazwischen. Bei tiefem Schnee, wo sich Mäuse selten zeigen, wird dieser Bussard den Rebhühnern ganz besonders gefährlich. Mir ist sogar ein Fall bekannt, daß ein Rauchfußbussard sich wochenlang jeden Morgen eine Taube vom Hofe holte, bis er endlich von einem herbeigeholten Jäger getödtet wurde. Immerhin«, schließt mein kundiger Freund, »gehört der Rauchfußbussard zu den überwiegend nützlichen Vögeln, wenn auch Fälle vorkommen können, wo es dringend geboten ist, seiner sich zu entledigen.«

Gern erkläre ich mich mit letzteren Worten einverstanden; ebenso bestimmt aber weise ich die Behauptung jagdneidischer und engherziger Jäger zurück, daß der Rauchfußbussard ebenso wie sein Verwandter unter allen Umständen vertilgt werden müsse. Der Landwirt hat, nach meiner Ansicht, auch in diesem Falle größere Rechte zu beanspruchen als der Jagdpächter und Schießjäger.


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