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Die nächsten Verwandten der Plattschnäbler, welche wir Sägeraken oder Motmots nennen und ebenso wie jene als besondere Familie ( Momotidae) der Ordnung einreihen, haben Aehnlichkeit mit den Raken der Alten Welt, unterscheiden sich aber durch längeren Schwanz und höheren Lauf und noch mehr durch den am Rande gezahnten Schnabel. Dieser ist leicht gebogen, ziemlich spitzig, ohne Endhaken, seitlich zusammengedrückt und an beiden Kieferrändern mehr oder minder regelmäßig gekerbt. Steife, aber nicht sehr lange Borstenfedern umgeben den Mundrand. Die Flügel sind ziemlich kurz und etwas abgerundet, im Fittige die vierte oder fünfte Schwinge die längste. Der starke und keilförmige Schwanz besteht bei einigen Arten aus zehn, bei anderen aus zwölf Federn, welche paarig gleiche Länge, haben. Die Mittelfedern überragen die übrigen, sind aber gewöhnlich theils an der Spitze, theils eine Strecke vor derselben abgenutzt. Das Gefieder ist weich, voll, großfederig und in der Tiefe stark dunig, bei beiden Geschlechtern gleich gefärbt und auch nach dem Alter kaum verschieden. Der innere Leibesbau weist manche Eigenthümlichkeit auf. Das Gerippe ähnelt dem der Blauraken, aber auch dem der Kukuke. Die Wirbelsäule besteht aus dreizehn Hals-, acht Rücken- und acht Schwanzwirbeln; das Brustbein ist kurz und breit; das Gabelbein verbindet sich nicht mit dem Kamme des Brustbeines; Schlüsselbeine und Schulterblatt sind lang, aber dünn und schmal. Unter den inneren Organen zeichnet sich die Zunge durch eine gewisse Ähnlichkeit mit der Pfefferfresserzunge aus. Sie ist zwar nicht so lang, wie bei diesen, und der Zungenbeinkörper sehr klein, aber sie geht in eine hornige, federartig zerschlissene, tief zweilappige, etwas breitere, lanzettförmige Endfläche aus, welche beinahe den ganzen Unterschnabel ausfüllt.
Die Sägeraken, von denen man siebzehn Arten kennt, sind südamerikanische Waldvögel, welche überall gefunden werden, aber nirgends in beträchtlicher Anzahl auftreten, vielmehr einzeln oder paarweise zusammenleben und sich gewöhnlich fern von den menschlichen Wohnungen halten. Bewegungslos sitzen sie auf einem niederen Zweige, gern in der Nähe von kleinen Flüßchen, und lauern von hier aus auf ihre Beute. Dummdreist sehen sie in die Welt, und ohne Besorgnis lassen sie den ihnen nahenden Menschen an sich herankommen. Nicht einmal Erfahrung witzigt sie: auch da, wo man ihnen des schönen Gefieders halber häufig nachstellt, sind sie so wenig scheu, daß in Costarica der Volksmund sie geradezu dumme Vögel nennt. Zu singen vermögen sie nicht, schreilustig aber sind sie in hohem Grade. Des Morgens und Abends hört man ihren Ruf, welcher einem einfachen Pfiffe auf der Flöte ähnelt. Sie fressen Kerbthiere, welche sie größtentheils am Boden aufsuchen. Einige Reisende behaupten, daß sie Kerbthiere im Fluge fangen, während andere dies in Abrede stellen. Außer den Kerfen, welche wohl ihre hauptsächlichste Nahrung ausmachen dürften, vergreifen sie sich, ganz nach Art unserer Raken, auch an kleinen Wirbelthieren, insbesondere Kriechthieren, und ebenso nehmen sie Früchte an. In Gefangenschaft lassen sie sich mit einem aus Brod, rohem Fleische und verschiedenen Pflanzenstoffen bestehenden Mischfutter erhalten, verlangen aber Abwechselung und stürzen sich mit Gier auf Mäuse, Vögelchen, Eidechsen, kleine Schlangen und dergleichen, packen solche Opfer mit dem Schnabel und schlagen sie zuerst heftig gegen den Boden, um sie zu tödten, worauf sie die Beute zerstückelt verzehren. In den unserem Frühjahre entsprechenden Monaten legen sie in Höhlungen drei bis vier trüb milchfarbene Eier.
Eine der bekanntesten Arten der Familie ist der Motmot, »Hutu« der Eingeborenen ( Prionites Momota und brasiliensis, Rhamphastos Momota, Baryphonus cyanocephalus). Stirnrand, Zügel und die Augengegend sowie ein runder Scheitelfleck sind schwarz, ersterer vorderseits breit himmelblau, hinterseits tief ultramarinblau, der Ohrfleck unter- und hinterseits saumartig schmal blau umgrenzt, Hinterhals und Unterseite grün mit rostzimmetbraunem Scheine, die Nackenfedern rothbraun, einen Querfleck bildend, einige verlängerte breite schwarze Federn der Kehlmitte schmal himmelblau gesäumt, Rücken, Flügel und Schwanz dunkel grasgrün, die Schwingen innen schwarz, die Handschwingen außen grünlichblau, die Schwanzfedern am Ende breit dunkel meerblau gesäumt, die beiden mittelsten an dem breiten hervorragenden Endtheile lebhafter mit schwarzem Spitzenrande. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß hornbraungrau. Die Länge beträgt funfzig, die Fittiglänge siebzehn und die Schwanzlänge achtundzwanzig Centimeter.
Nach Burmeister bewohnt der Motmot die Waldgebiete der nördlichen Gegenden Brasiliens und ist hier allgemein bekannt. Schomburgk fand ihn häufig in Guayana und hatte Gelegenheit, ihn länger zu beobachten. »Schon vor Sonnenaufgang«, sagt er, »ertönt das klagende und melancholische, aber dabei genau betonte ›Hutu Hutu‹ der Sägeraken aus dem dichten Urwalde hervor und verkündet der schlummernden Natur den jungen Morgen. Der merkwürdige Vogel scheut jede lichte Stelle des Urwaldes und verirrt sich nie bis zum Saume desselben, obschon er nichts weniger als scheu ist. Er läßt jeden Eindringling bis in seine unmittelbare Nähe kommen, bevor er zu einem anderen der unteren Baumzweige, seinem Lieblingssitze, fliegt. Sobald er gebäumt hat, stößt er augenblicklich sein trauriges ›Hutu Hutu‹ aus, hebt währenddem bei den ersten Silben seinen Schwanz empor und schlägt ihn bei den zweiten wieder nach unten, eine Bewegung, welche viel Ähnlichkeit mit der unserer Bachstelzen hat, nur daß diesen das ernste, gemessene der Sägeraken abgeht.
»Da sich mir schon während des ersten kurzen Zusammenlebens mit den Urbewohnern Guayanas, den ›Männern ohne Thränen‹ unumstößlich herausgestellt, daß ich mich, namentlich was die Lebensweise der Thiere anlangt, mit meinen Fragen an keine besser unterrichteten wenden könne als an sie, so frug ich unseren freundlichen Häuptling Cabaralli, wie es käme, daß die Schwanzfedern des Motmots nicht wie die anderer Vögel beschaffen seien. ›Mann von jenseits des großen Wassers, morgen sollst du es sehen‹, war die Antwort. Am folgenden Morgen führte er mich in den Wald, und da gerade die Brutzeit der Vögel eingetreten, so hatte der kundige Cabaralli auch bald ein Nest mit einem brütenden Vogel gefunden und forderte mich auf, mich ruhig hinter einem nahe gelegenen Baume zu verhalten.
»Zum Baue des Nestes sucht sich der Motmot eine runde oder eiförmige Vertiefung an der Seite eines Hügels oder einer anderen Erhöhung aus. Männchen und Weibchen wechseln regelmäßig im Brüten ab; aber so gemessen und ernst auch der Vogel in allen seinen Bewegungen ist, so scheint ihm die Zeit auf dem Neste doch ziemlich lang zu werden. Denn kaum hat er drei bis vier Minuten ruhig auf den Eiern gesessen, so dreht er sich auch schon mehreremal im Kreise auf diesen herum, kommt dann wieder zeitweilig zur Ruhe und beginnt sein Herumdrehen von neuem. Durch dieses fortwährende Bewegen und Drehen kommen aber die Fasern der beiden langen Schwanzfedern in Unordnung oder werden an der Kante der Vertiefung abgerieben. Kaum ist der ablösende Gatte herbeigeflogen, so eilt der erlöste, die Glätte seines Gefieders über alles liebende Vogel auf den nächsten Ast, um die verwirrten Fasern wieder in Ordnung zu bringen. Dies aber gelingt ihm freilich meist nur durch gänzliche Vernichtung der Fasern selbst. Hierdurch entsteht jene Lücke, welche zu so vielen Vermuthungen Veranlassung gegeben hat, und welche jedesmal je nach ihrer Länge das mehr oder minder vorgeschrittene Alter des Vogels bekundet. Bei ganz alten Vögeln erstreckt sich diese kahle Stelle des Schaftes selbst bis zur Spitze, während der junge, jährige Vogel, welcher noch nicht gebrütet hat, durchgängig eine unbeschädigte und ununterbrochene Fahne zeigt.«
So wenig glaublich mir die Mittheilung Schomburgks erscheinen wollte, der Thatsächlichkeit entspricht sie im wesentlichen doch. Neuerdings bestätigt Salvin, nach Beobachtungen an gefangenen Vögeln, die Angabe des genannten Reisenden, und auch Bartlett versichert gesehen zu haben, daß der Motmot die Fahne der mittleren Schwanzfedern abbeißt. Der letztgenannte hat sogar die Reste der Fahnen im Käfige des beobachteten Vogels zusammengesucht. Die Zerstörung der Schwanzfedern endete erst, nachdem der Schnabel des Motmot, wie dies bei gefangenen Vögeln nicht allzu selten, seine ursprüngliche Gestalt eingebüßt hatte. Die Ursache des absonderlichen Beginnens bleibt auch nach den Mittheilungen Calvins und Bartletts räthselhaft wie zuvor.
Ueber das Brutgeschäft selbst berichtet Owen, nach Beobachtungen einer verwandten Art. Diese legt vier reinweiße Eier auf den noch unbedeckten Boden der Nisthöhle, bebrütet dieselben eifrig und vertheidigt sie auch durch Beißen gegen jeden Störenfried, sieht im übrigen aber dem Beginnen eines Nesträubers aus nächster Nähe, wenn auch mit scheinbarer Aufmerksamkeit so doch mit vollständiger Gleichgültigkeit zu.
Das Gefangenleben der Sägerake hat Azara, welcher drei Stück von ihnen besaß und sie frei im Hause umherlaufen ließ, beobachtet und geschildert. Er sagt, daß sie sich scheu und mißtrauisch, jedoch neugierig zeigen. Die Vögel waren plump und steif in allen ihren Bewegungen, nickten aber mit dem Halse recht artig auf und nieder oder bewegten ihn seitlich hin und her. Sie hüpften rasch, gerade und schief mit ausgespreizten Beinen wie Pfefferfresser. Von ihrem Sitzplatze kamen sie nur herab, wenn sie fressen wollten. Ihre Freßlust gaben sie durch ein oft wiederholtes »Hu« oder »Tu« zu erkennen. Sie verzehrten Brod und noch lieber rohes Fleisch, welches sie vor dem Verschlingen mehreremal auf den Boden stießen, als wenn sie die erfaßte Beute erst tödten müßten. Kleine Vögel waren sehr nach ihrem Geschmacke; sie verfolgten solche lange und tödteten sie endlich, indem sie dieselben gegen den Boden schlugen. Ebenso jagten sie den Mäusen nach; größere Vögel dagegen rührten sie nicht an. Bisweilen fraßen sie auch Wassermelonen und Pomeranzen; Welschkorn nahmen sie nicht. Zu große Bissen ließen sie liegen, und niemals faßten sie dieselben mit den Krallen. In der Neuzeit gelangt dann und wann eine lebende Sägerake auch in unsere Käfige, gehört in den Thiergärten jedoch noch immer unter die seltensten Erscheinungen.