Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Kurzschwanzpapageien ( Psittacinae)
Die Eintheilung der Sittiche ist wegen der großen Anzahl der bekannten Arten, auch wegen der überraschenden Uebereinstimmung aller wesentlichen Merkmale sämmtlicher Mitglieder der Ordnung schwierig; letztere befindet sich daher, wie Wallace in seinem neuesten Werke sagt, thierkundlich »noch in einem sehr ungeordneten Zustande«. Scharfe Grenzen zwischen den verschiedenen Hauptgruppen sind, obwohl das bezeichnende Gepräge der einen anderen gegenüber sich nicht verkennen läßt, kaum zu ziehen und jene daher auch wohl nur als Unterfamilien aufzufassen. Ich nehme eine einzige Familie an und theile dieselbe in Abtheilungen, denen ich den Rang von Unterfamilien zuspreche. Wer diese mit Wallace als Familien ansieht oder die Reihenfolge verändert, soll von mir des Irrthums nicht geziehen werden.
Obenan stelle ich die Kurzschwanzpapageien ( Psittacinae), kenntlich an ihrem kurzen, höchstens mittellangen, gerade abgeschnittenen oder sanft gerundeten Schwanze.
Die Unterfamilie ist über alle warmen Erdtheile verbreitet, tritt besonders zahlreich in Amerika und Afrika, am spärlichsten in Australien auf und wird nur in Polynesien nicht vertreten.
Ein allgemein bekannter, hochbegabter Papagei, der Jako ( Psittacus erithacus, cinereus, ruber, erythroleucus und varius), Vertreter der urbildlichen Sippe der Graupapageien ( Psittacus), mag die Reihe der Arten eröffnen. Die Merkmale der Sippe sind kräftiger, auf der Firste abgerundeter Schnabel, lange Flügel mit wohl entwickelter Flügelspitze, mittellanger, fast gerade abgeschnittener Schwanz und großfederiges Gefieder, welches Nasenlöcher, Wachshaut, Zügel und Augenkreis unbekleidet läßt. Der Jako selbst ist leicht beschrieben, denn er zeigt eigentlich nur zwei Hauptfarben auf seinem Gefieder. Der Schwanz ist scharlachroth; alle übrigen Federn sind aschgrau, etwas lichter gerundet. An Kopf und Hals treten diese Ränder stärker hervor als im übrigen Gefieder, und deshalb erscheinen diese Theile lichter. Wenn der feine Puderstaub, welcher in der Regel das Gefieder dick bedeckt, abgewischt wird, sehen die Federn schieferschwarzblau aus. Mancherlei, zum Theil prachtvoll gefärbte Spielarten, bei denen einige Armschwingen oder auch andere Theile des Gefieders roth angeflogen sind, kommen vor, gelangen aber selten nach Europa, weil die an der Westküste wohnenden Kaufleute solche Vögel, in Westafrika »Königspapageien« genannt, für sich zu erwerben pflegen. Der junge Jako unterscheidet sich vom alten durch fahleres, bräunliches Grau des Gefieders und durch grauen Augenstern. »Die Streitfrage«, schreibt mir Reichenow, »ob die Schwanzfedern der Graupapageien in der Jugend roth oder grau sind, habe ich, trotz besonderer Aufmerksamkeit, welche ich dieser Frage widmete, nicht entscheiden können. Mehrfach erhielt ich freilich junge Vögel, bei denen die Grundtheile der Federn dunkelgrau, die Seiten schmutzig rothbraun gefärbt waren, so daß es den Anschein hatte, als wenn hier eine allmähliche Verfärbung vom Grunde aus stattfinde; solche Stücke stammten jedoch stets aus den Bergen des Binnenlandes und gehörten, wie neuerliche Forschungen festgestellt zu haben scheinen, der längst bekannten, nah verwandten Art Psittacus Timneh an.« Der Augenstern des alten Jako ist gelb, der Schnabel schwarz, der Fuß bleigrau. Das Männchen ist ein wenig größer als das Weibchen. Die Länge beträgt einunddreißig, die Breite fünfundsechzig, die Fittiglänge zweiundzwanzig, die Schwanzlänge acht Centimeter.
Das Verbreitungsgebiet des Jako erstreckt sich im Westen Afrikas von Senegambien bis Benguela und reicht nach Osten hin bis zum Tschadsee, den westlichen Quellflüssen des Nil und dem Nyanzasee, fällt also ziemlich mit dem der Oelpalme zusammen. Innerhalb dieses ungemessenen Gebietes tritt der Vogel fast überall sehr häufig auf, und es erscheint daher im hohen Grade befremdend, daß wir über sein Freileben erst in der allerneuesten Zeit Kunde erlangt haben. Meine Leser danken mit mir Reichenow, welcher den Graupapagei eingehender und sachgemäßer beobachtet hat als jeder andere und so freundlich gewesen ist, seine Erfahrungen mir zur Verfügung zu stellen, das nachstehende:
»Wohin man sich auch wendet, überall begleitet einen das Gekrächze der Jakos. Sie sind in Westafrika, namentlich aber an der Goldküste, im Nigerdelta, am Kamerun und Gabun überaus häufig; denn die Natur bietet ihnen hier in den unzugänglichen Waldungen des Schwemmlandes der Flußmündungen so außerordentlich geschützte und zusagende Wohnorte, daß die Verfolgung, welche sie seitens der Eingeborenen und der wenigen sie bedrohenden Feinde zu erleiden haben, kaum in Betracht kommt. Hauptsächlich die Mangrovewaldungen nahe der Küste sind es, in denen sie nisten, indem sie vorhandene Höhlungen in den Bäumen benutzen oder Astlöcher mit Hülfe ihres kräftigen Schnabels zu geeigneten Brutstellen erweitern. Während der Brutzeit, welche in die Regenmonate, je nach Lage der betreffenden Oertlichkeit nördlich oder südlich des Gleichers, also in unsere Sommer- oder Wintermonate fällt, leben die Paare mehr oder weniger einzeln; nach der Brutzeit dagegen schlagen sie sich nebst ihren Jungen mit anderen Artgenossen zu Gesellschaften zusammen, welche vereint umherstreifen, gemeinschaftlich Nahrung suchen und gemeinsam Nachtruhe halten. Sie wählen nunmehr zu bestimmten Schlafplätzen die höchsten Bäume eines Wohngebietes und vereinigen sich hier allabendlich. Aus verschiedenen Richtungen her erscheinen um Sonnenuntergang größere oder kleinere Trupps, so daß die Anzahl der endlich versammelten Vögel oft viele Hunderte erreichen kann. Solche Schlafplätze werden bald bemerkbar. Weithin durch die Gegend schallt das Gekrächze der ankommenden und aufbäumenden Vögel, und erst mit dem Eintritte der Dunkelheit verstummt es gänzlich. Am nächsten Morgen erhebt es sich von neuem und verkündet jetzt den allgemeinen Aufbruch. Fortwährend lärmend, krächzend und kreischend, ziehen die Graupapageien dem Binnenlande zu, um sich in den auf den Hochebenen mit Vorliebe angelegten Maisfeldern der Neger gütlich zu thun. Halbreifer Mais bildet ihre Lieblingsnahrung, und erschreckend sind die Verheerungen, welche sie in den Feldern anrichten. Gegen Sonnenuntergang erst treten sie den Rückzug an, um sich wiederum auf ihren Schlafplätzen zu versammeln. Bei diesen regelmäßigen Streif- und Raubzügen halten sie stets dieselben Zugstraßen ein, insofern sie auf letzteren nicht beunruhigt werden. Wir benutzten solche bald erkundeten Wechsel zum Anstande, um unserer Küche aufzuhelfen, konnten jedoch einen und denselben Platz niemals längere Zeit nach einander behaupten, weil die klugen Vögel die betreffenden Stellen sich merkten und in weitem Bogen umflogen.
»Der Flug der Graupapageien ist erbärmlich zu nennen. Mit kurzen, schnellen Flügelschlägen streben sie in gerader Richtung ihrem Ziele zu: es gewinnt den Anschein, als ängstigten sie sich und fürchteten, jeden Augenblick herabzufallen. Als wir die Küste betraten und zum erstenmale in der Ferne fliegende Jakos bemerkten, glaubten wir Enten vor uns zu sehen; denn deren Fluge glich der ihrige. Ein Schuß bringt die fliegenden Jakos vollständig außer Fassung: sie stürzen nach dem Knalle, oft förmlich sich überschlagend, tief herab und erheben sich erst langsam wieder. Lautes Krächzen, wie sie es sonst nur angesichts eines sie bedrohenden Raubvogels ausstoßen, verräth die Angst, welche sie ausstehen. Schreckhaft zeigen sie sich überhaupt bei jedem ungewöhnlichen Ereignisse.«
Ueber das Brutgeschäft selbst vermochte Reichenow eigene Beobachtungen nicht zu gewinnen, und wir sind daher auf die Angaben von Keulemans angewiesen. Auf der Prinzeninsel, wo der letztgenannte Reisende sammelte, findet die Brutzeit im December, nach der Regenzeit, statt. Als Nest dient eine meist sehr tiefe Baumhöhlung. Das Weibchen legt bis fünf reinweiße, ungleichhälftige, nach dem stumpfen Ende sanft, nach dem spitzen stark abfallende und stumpf zugespitzte Eier. Da die Vögel ihre Nester nur im unzugänglichsten Waldesdickichte anlegen, ist es nicht leicht, diese zu finden. In einem gewissen Umkreise findet man oft einige hundert brütende Paare, meist aber nur ein Nest in je einem Baume. Die Alten wissen ihre Brut gut zu vertheidigen und werden hierbei von ihren Genossen unterstützt. Die Eingeborenen nehmen die Jungen nicht aus dem Neste, weil sie glauben, in demselben herrsche eine solche Hitze, daß man sich die Finger verbrennen würde, wollte man mit der Hand in die Nesthöhle greifen.
»Unter den gefiederten Räubern«, fährt Reichenow fort, »scheint namentlich der Geierseeadler ( Gypohierax angolensis) ein gefährlicher Feind der Graupapageien zu sein. Ich sah ihn mehrfach letztere verfolgen und erkannte an ihrer entsetzlichen Angst, wie sehr sie diesen Raubvogel fürchteten. Daß dieser, trotzdem er kein gewandter Flugkünstler ist, die ungeschickten Flieger einzuholen und zu überwältigen vermag, unterliegt keinem Zweifel.« Reichenows Angabe steht mit einer von Keulemans ausgesprochenen Behauptung durchaus im Widerspruche. Letzterer bezeichnet die Jakos als sehr unverträgliche Gesellen und versichert, daß Raubvögel von ihnen gemeinschaftlich angegriffen und in die Flucht geschlagen würden. Ich weiß nicht, ob diese Behauptung auf bestimmte Beobachtungen sich stützt, glaube aber nicht an die Thatsächlichkeit derselben, weil alle Papageien, über deren Freileben wir Kunde haben, sich so benehmen, wie Reichenow schildert.
Dohrn rühmt den Braten, welchen ein zweckentsprechend zubereiteter Jako liefert, als vortrefflich von Geschmack; Reichenow dagegen läßt nur einer aus dem sehr fetten Fleische gekochten Suppe Gerechtigkeit widerfahren und sagt von dem Fleische, welches wie Rindfleisch aussieht, es sei so zähe, daß man trotz scharfer Messer und guter Zähne es nicht zu zerkleinern vermöge. Die Eingeborenen urtheilen wie Dohrn; doch ist hierauf nicht viel zu geben, weil die Neger und alle Innerafrikaner überhaupt jeden Vogel, welcher in ihre Hände fällt, nachdem sie ihn getödtet, mit Haut und Federn und Eingeweiden ins Feuer werfen und, sobald er äußerlich verkohlt ist, als Leckerbissen betrachten und verspeisen. Den Jako jagt man übrigens weniger seines Fleisches als seiner rothen Schwanzfedern halber, weil alle Neger die letzteren zu kriegerischem Kopfputze und anderem Zierath benutzen oder auch wohl zu vorgeblichem Zauberwerke, als »Medicin« verwenden.
Ueberall, wo der Jako vorkommt, wird er von den Eingeborenen gefangen, gezähmt und zum Sprechen abgerichtet, auch als Tauschgegenstand oder als Handelswaare verwerthet. Denham, Clapperton und Oudney brachten lebende Jakos vom Tschadsee nach England, Heuglin traf denselben Vogel im Lande der Niamniam und Bongo, Livingstone in der Umgegend des Nyanzasees als gezähmten Hausgenossen der Neger an; alle Reisenden, welche die Westküste Afrikas besuchten, fanden ihn lebend im Besitze der Eingeborenen, bei dem einen Stamme häufiger, bei dem anderen seltener. »Der Jako«, bemerkt Reichenow ferner, »ist der einzige Vogel, welcher von Westafrika aus regelmäßig auf den europäischen Thiermarkt gelangt; denn die verhältnismäßig wenigen anderen Käfigvögel, welche aus diesen an anziehenden und fesselnden Erscheinungen so reichen Gegenden zu uns kommen, treffen mehr oder weniger unregelmäßig ein. Der Grund zur Erklärung dieser Thatsache liegt in der Theilnahmlosigkeit und Unzugänglichkeit der Eingeborenen jener Gegenden. Die Neger der Westküste Afrikas sind zu träge, um sich mit dem Vogelfange zu befassen. Vollständig stumpf gegen die sie umgebende Natur, empfinden sie auch keine Freude an gefiederten Hausgenossen. Die Vogelwelt hat für ihren Haushalt nur die eine Bedeutung: den Magen zu füllen. Ich sah daher auch bloß bei den geweckten Bewohnern der Goldküste kleine Käfigvögel. Der Jako aber macht fast allerorten eine Ausnahme von dieser Regel.«
Keulemans gibt an, daß man die Graupapageien auf der Prinzeninsel immer erst nach dem Ausfliegen in Schlingen fange, daß dieselben leicht in Fallstricke aller Art fallen sollen und dann durch entsetzliches Geschrei sich verrathen. Auch diese Angabe gilt, nach Reichenow, für das Festland nicht. »Kein einziger aller Jakos, welcher lebend zu uns gelangt«, schließt mein Gewährsmann, »wird als alter Vogel gefangen; alle werden jung, noch vor dem Ausfliegen, von den Negern aus den Nestern gehoben. Im Binnenlande sammeln die Häuptlinge oder die vornehmsten Bewohner der Negerdörfer die jungen Vögel auf, welche sie nach und nach erlangen, um dieselben später in größerer Anzahl gleichzeitig nach der Küste zu bringen. Inzwischen lassen sie die Thiere mit beschnittenen Flügeln frei umherlaufen. Man sieht daher die Papageien in den Dörfern allenthalben auf den Strohdächern der Hütten oder auf Bäumen, welche für sie vor den Hütten aufgerichtet sind, nach Art unserer Haustauben sitzen und erfreut sich des ungewohnten Schauspiels in so hohem Maße, daß das entzückte Auge das gemarterte Ohr beschwichtigt. Unmittelbar nach der Brutzeit kann man einen jungen Jako an der Küste mit drei Mark unseres Geldes kaufen und im Innern des Landes gegen Waaren von noch viel geringerem Werthe eintauschen; später steigen die Preise, und auf den englischen Postdampfern werden oft fünfzehn bis achtzehn Mark für einen Graupapagei gezahlt. Aeltere, durch längere Gefangenschaft bereits gezähmte Vögel stehen höher im Preise als junge, weshalb die Neger an vielen Orten, besonders die gewinnsüchtigen, halbgebildeten, in den Missionshäusern erzogenen oder besser verdorbenen Schwarzen Jakos längere Zeit zu halten und ihnen einige Worte ihrer Sprache oder kauderwelsches Englisch zu lehren pflegen. Jedes Schiff, welches die Küste Westafrikas verläßt, führt eine mehr oder minder erhebliche Anzahl von Jakos mit sich. Von dieser Anzahl gehen während der kurzen Seereise, trotz der höchst mangelhaften Pflege, nur wenige ein; um so bedeutender aber ist die Sterblichkeit unter denen, welche nach Europa gelangten. Die schlechte Behandlung unterwegs legt den Todeskeim. Der größte Mangel der Pflege beruht darin, daß ein absonderlicher, aber allgemein verbreiteter Irrthum die Schiffer verleitet, den Papageien unterwegs Trinkwasser vorzuenthalten. Da nun hauptsächlich trockenes Hartbrod als Futter gereicht, Trinkwasser aber entzogen wird, müssen nothwendigerweise Verdauungsstörungen und damit Krankheiten der Verdauungswerkzeuge eintreten, denen die Vögel zum größten Theile erliegen. Das Schiff, auf welchem ich zurückkehrte, brachte einige dreißig Graupapageien mit herüber. Sie erhielten, auf meine Veranlassung, zweimal täglich Trinkwasser und kamen, bis auf einen einzigen, in bester Gesundheit in Europa an. Beachtet man ferner, daß die Jakos in der Freiheit vorzugsweise mehlige Sämereien fressen, und reicht man ihnen anfänglich nur solche, nicht aber Hanf und andere Oelsamen, so wird man schwerlich Verlust dieser harten Vögel zu beklagen haben.«
Der Jako ist einer der beliebtesten aller Stubenvögel und verdient die Gunst, welche er genießt; denn er besitzt Sanftmuth, Gelehrigkeit und Anhänglichkeit an seinen Herrn, welche Bewunderung erregen. Sein Ruhm wird so zu sagen in allen Sprachen verkündigt; von ihm erzählt jede Naturgeschichte, ja jedes Buch überhaupt, welches einen Theil des Thierlebens behandelt. Eine Menge anmuthiger Geschichten von ihm sind ausgezeichnet worden. Schon Levaillant erzählt sehr ausführlich von einem dieser Papageien, welcher in der Gefangenschaft eines Kaufmanns in Amsterdam lebte, und rühmt die guten Eigenschaften des Vogels. » Karl, so hieß dieser Papagei, sprach fast so gut wie Cicero; denn ich würde einen ganzen Band mit den schönen Redensarten anfüllen können, welche er hören ließ und welche er mir, ohne eine Silbe zu vergessen, wiederholte. Dem Befehle gehorsam, brachte er die Nachtmütze und die Pantoffeln seines Herrn und rief die Magd herbei, wenn man sie im Zimmer brauchte. Sein bevorzugter Aufenthalt war der Kaufladen, und hier erwies er sich nützlich; denn er schrie, wenn in Abwesenheit seines Herren ein Fremder eintrat, so lange, bis jemand herbeikam. Er hatte ein vortreffliches Gedächtnis und lernte ganze Sätze und Redensarten des Holländischen vollkommen genau. Erst im sechzigsten Jahre seiner Gefangenschaft wurde sein Gedächtnis schwach, und er vergaß täglich einen Theil von dem, was er schon konnte. Er wiederholte nie mehr als die Hälfte einer Redensart, indem er selbst die Worte versetzte oder die eines Satzes mit denen eines anderen mischte.«
Levaillant hat mit vorstehendem keineswegs eine erschöpfende Beschreibung gegeben. Nach ihm haben viele über den Papagei berichtet und mehr oder minder wichtige Beobachtungen gesammelt. Aus ihnen geht zur Genüge hervor, daß fast alle Gefangenen im wesentlichen dieselben Eigenschaften besitzen. Doch gibt es unter ihnen ausgezeichnete, und ein solcher, vielleicht der ausgezeichnetste aller Papageien überhaupt, lebte jahrelang in Wien und Salzburg und fand treue und fleißige Beobachter. Die Mittheilungen derselben sind bereits wiederholt gedruckt worden, demungeachtet müssen sie hier ihre Stelle finden. Lenz hat vollkommen Recht, wenn er sagt, daß vielleicht niemals, seit Vögel auf Erden leben, ein Papagei oder sonst ein Vogel höheres in Kunst und Wissenschaft geleistet habe als gedachter Papagei. Das Wunderthier wurde im Jahre 1827 von dem Ministerialrath Andreas Mechletar im Auftrage des Domkapitulars Josef Marchner zu Salzburg von einem Schiffskapitän zu Triest für fünfundzwanzig Gulden erkauft und kam im Jahre 1830 in den Besitz des Domceremoniarius Hanikl. Dieser gab ihm täglich vormittags von neun bis zehn oder abends von zehn bis elf regelrechten Unterricht, beschäftigte sich außerdem viel mit ihm und bewirkte so die hohe Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten. Nach Hanikls Tode wurde der Papagei für hundertundfunfzig Gulden und im Jahre 1840 zum zweiten Male für dreihundertundsiebzig Gulden verkauft. Ein Freund meines verstorbenen Vaters, Graf Gourcy Droitaumont, war der erste, welcher im Jahre 1835 in Okens »Isis« einen Bericht über den Vogel gab. Diesen Bericht hat der letzte Besitzer, von Kleimayrn, auf Wunsch unseres Lenz vervollständigt, und so konnte letzterer das ihm mitgetheilte zusammenfassen, wie folgt:
»Der Jako achtet auf alles, was um ihn her vorgeht, weiß alles zu beurtheilen, gibt auf Fragen die richtige Antwort, thut auf Befehl, was ihm geheißen wird, begrüßt Kommende, empfiehlt sich Gehenden, sagt nur früh ›Guten Morgen‹ und nur abends ›Gute Nacht‹, verlangt Futter, wenn er Hunger hat. Jedes Mitglied der Familie ruft er bei seinem Namen, und das eine steht mehr bei ihm in Gunst als das andere. Will er mich bei sich haben, so ruft er: ›Papa komm her!‹ Was er spricht, singt und pfeift, trägt er ganz so vor wie ein Mensch. Zuweilen zeigt er sich in Augenblicken der Begeisterung als Improvisator, und seine Rede klingt dann genau wie die eines Redners, den man von weitem hört, ohne ihn zu verstehen.
»Nun das Verzeichnis dessen, was der Jako spricht, singt, pfeift etc.: ›Geistlicher Herr! guten Morgen.‹ ›Geistlicher Herr! ich bitt um a Mandl.‹ ›Magst a Mandl? Magst a Nuß? Bekommst schon 'was. Da hast 'was.‹ ›Herr Hauptmann, grüß Gott, Herr Hauptmann? ›Frau Baumeisterin, gehorsamer Diener.‹ ›Bauer, Spitzbub, Spitzbub, Bauer, Wilddieb, gehst weiter? gehst weiter, gehst nach Haus, gehst nach Haus oder nicht? wart du Kerl!‹ ›Du Lump du! Du Kerl, du abscheulicher du!‹ ›Braver Paperl, guter Paperl!‹ ›Du bist a braves Buberl, gar a brav's Buberl!‹ ›Bekommst an Kukuruz, bekommst schon 'was.‹ ›Nani! Nani!‹ ›Herr Nachbar! Zeit lassen! Herr Nachbar! Zeit lassen!‹ Wenn jemand an der Thüre klopft, so ruft er sehr laut, sehr deutlich und ungemein täuschend, wie ein Mann: ›Herein, herein! Befehl mich, Herr Bräu, gehorsamer Diener! Freut mich, daß ich die Ehre hab, freut mich, daß ich die Ehre hab.‹ Er klopft auch selbst an sein Haus und ruft obiges. – Er ahmt den Kukuk sehr gut nach. – ›Gib mir a Busserl, a schön's Busserl; kriegst a Mandl.‹ ›Schau her da!‹ ›Komm heraus!‹ ›Komm herauf, komm her da!‹ ›Mein liebes Paperl!‹ ›Bravo, bravissimo!‹ ›Beten, gehen wir zum Beten!‹ ›Gehen wir zum Essen!‹ ›Gehen wir zum Fenster!‹ ›Hieronymus, steh auf!‹ ›Ich geh, bfiet Gott!‹ (behüt dich Gott.) ›Es lebe unser Kaiser! er lebe recht lange!‹ ›Wo kommst du her? Verzeihen Ihr Gnaden, ich hab glaubt, Sie sein a Vogel.‹ – Wenn er etwas zerbeißt oder in seinem Hause etwas ruinirt, so sagt er: ›Nicht beißen, gib Ruh! Was hast 'than?‹ ›Was hast du gethan? Wart, du Spitzbub du! Du Kerl du! Wart, ich hau dich!‹ ›Paperl, wie geht's dir denn, Paperl?‹ ›Hast 'was z'essen?‹ ›Guten Appetit!‹ ›Bst! Bst! Gute Nacht!‹ ›Der Paperl darf herausgehen, komm, allo komm!‹ ›Paperl, schieß, schieß, Paperl!‹ Dann schießt er, indem er laut ruft ›Puh!‹ ›Gugu! Gugu!‹ (da da da da da) ›Geh nach Haus! Gehst nach Haus? Allo marsch!‹ ›Gleich geh nach Haus! Wart, ich hau dich!‹ Er läutet an einer Glocke, die in seinem Hause angebracht ist und ruft laut: ›Wer läut? Wer läut? Der Paperl.‹ ›Kakadu, Kakadu!‹ ›Gagagaga! Wart mit dein Ga, du – – du!‹ ›'s Hunderl ist da, a schön's Hunderl ist da, gar a schön's Hunderl!‹ Dann pfeift er dem Hunde. – Er fragt: ›Wie spricht's Hunderl?‹ Dann bellt er. Darauf spricht er: ›Pfeif 'n Hunderl!‹ Dann pfeift er dem Hunde. Wenn man ihm befiehlt: ›Schieß!‹ so schreit er ›Puh!‹ Dann macht er ein ordentliches Kommando: ›Halt! richt euch! Halt, richt! Macht euch fertig! Schlagt an, hoch! Feuer! Puh! Bravo, bravissimo!‹ Bisweilen läßt er das ›Feuer‹ aus und ruft nach dem ›Schlagt an, hoch!‹ gleich ›Puh!‹ Worauf er aber nicht ›Bravo, bravissimo!‹ ruft, gleichsam im Bewußtsein seines Fehlers. – ›Bfiet Gott, a Dio! Bfiet Ihnen Gott!‹ So sagt er zu den Leuten, wenn sie fortgehen. ›Was? mich beuteln? was? mich beuteln?‹ Er macht ein Zetergeschrei, als wenn er gebeutelt würde, dann ruft er wieder: ›Was? mich beuteln? mich beuteln? Wart du Kerl! Mich beuteln?‹ ›Ja, ja, ja, so geht's auf der Welt! A so, A so!‹ Dann lacht er mit der größten Deutlichkeit. ›Der Paperl ist krank, der arme Paperl ist krank.‹ ›Hörst den Hansel?‹ ›Gugu, Gugu! Da ist der Paperl!‹ ›Wart, ich will dich beuteln, dich!‹ Wenn er den Tisch decken sieht, oder von dem zweiten oder dritten Zimmer aus es hört, so ruft er gleich: ›Gehen wir zum Essen! Allo! komm zum Essen!‹ Wenn sein Herr im zweiten oder dritten Zimmer frühstückt, so ruft er: ›Kakau! (Kakao) bekommst an Kakau, bekommst schon was!‹
»Wenn er zur Chorzeit das Glöcklein von der Domkirche läuten hört, so ruft er: ›Ich geh. bfiet Gott! ich geh!‹ Wenn sein Herr außer der Chorzeit ausgeht, so ruft der Papagei, ist er auch die ganze Zeit still gewesen, beim Oeffnen der Thüre fast jederzeit so recht gutherzig: ›Bfiet Gott!‹ Waren aber fremde Personen da, so ruft er bei ihrem Fortgehen: ›Bfiet Ihnen Gott!‹ Wenn er bei Nacht im Zimmer seines Herren ist, so bleibt er so lange ruhig, als sein Herr schläft. Ist er aber bei Nacht in einem anderen Zimmer, so fängt er mit Tagesanbruch zu sprechen, zu singen und zu pfeifen an.
»Der Eigenthümer des Jako hatte eine Wachtel. Als sie im Frühjahre das erste Mal ihr ›Pickerwick‹ schlug, kehrte sich der Papagei gegen sie und rief: ›Bravo! Paperl! Bravo!‹ Um zu sehen, ob es möglich wäre, ihm auch etwas singen zu lehren, wählte man anfangs solche Worte, welche er ohnehin aussprechen konnte, z. B. wie folgt: ›Ist der schöne Paperl da? ist der brave Paperl da? ist der liebe Paperl da? ist der Paperl da? Ja, ja!‹ Später lernte er das Liedchen singen: ›O Pitzigi, o Pitzigi, blas anstatt meiner Fagot, blas anstatt meiner Fagot, blas, blas, blas, blas anstatt meiner Fagot, blas anstatt meiner Fagot!‹ Er stimmt auch Akkorde an und pfeift eine Skala hinauf und herunter sehr geläufig und sehr rein, pfeift andere Stückchen und Triller; doch pfeift und singt er dieses alles nicht jederzeit im nämlichen Tone, sondern bisweilen um einen halben oder ganzen Ton tiefer oder höher, ohne daß er falsche Töne hervorbringt. In Wien lernte er auch eine Arie aus der Oper ›Martha‹ pfeifen, und da ihm dabei von seinem Lehrmeister nach dem Takte vorgetanzt wurde, so ahmte er den Tanz wenigstens dadurch nach, daß er einen Fuß nach dem anderen hob und dabei den Körper possierlich hin und her bewegte.
»Kleimayrn starb im Jahre 1853. Jako begann, und wie es schien aus Sehnsucht nach seinem geliebten Herrn, zu kränkeln, wurde im Jahre 1854 ganz matt in ein kleines Bettchen gelegt, sorgfältig gepflegt, schwatzte da noch fleißig, sagte oft mit trauriger Stimme: ›Der Paperl ist krank, armer Paperl ist krank‹, und starb.«
Von einem anderen Jako berichtet mir eine hochstehende Dame folgendes:
»Der Papagei, von welchem ich einiges mittheilen will, wurde uns von einem Manne, welcher lange in Ostindien gelebt hatte, zum Geschenke gemacht. Er sprach schon viel, aber nur Holländisch. Bald jedoch lernte er Deutsch und Französisch. In diesen drei Sprachen schwatzte er so deutlich wie ein Mensch. Dabei war er so aufmerksam, daß er oft Redewendungen auffaßte, welche ihm niemals vorgesagt worden waren; sie wandte er dann zu aller Erstaunen gelegentlich passend an.
»Er sprach einzelne Worte und zusammenhängende Sätze in holländischer Sprache, brachte aber auch holländische Worte sinnig zwischen deutschen an, wenn ihm in dieser Sprache das passende Wort mangelte oder nicht einfiel. Er fragte und antwortete, forderte und bedankte sich; er wandte die Worte mit Verständnis der Zeit, des Ortes, der Personen an.
»›Papchen will Klukkluk machen (trinken).‹
»›Papchen will 'was zu fressen haben.‹ Erhielt er das verlangte nicht sogleich, so rief er: ›Papchen will und muß aber 'was zu fressen haben.› Geschah es noch nicht, so warf er alles durcheinander, um seinen Zorn auszulassen.
»Er grüßte des Morgens mit › bon jour‹, des Abends mit › bon soir‹; er verlangte nach Ruhe und nahm Abschied. ›Papchen will schlafen gehen.‹ Wurde er weggetragen, so empfahl er sich durch wiederholtes › bon soir, bon soir‹.
»Seiner Gebieterin, welche ihm gewöhnlich Futter reichte, war er überaus zugethan. Wenn er von ihr Nahrung empfing, drückte er ihr küssend den Schnabel auf die Hand und sagte: ›Küss' der Frau die Hand.‹ Er nahm an allem Theil, was seine Gebieterin that, und oft, wenn er sie mit irgend etwas beschäftigt sah, fragte er sie mit unendlich komischem Ernst: ›Ja, was macht denn da die Frau?‹ Und als er sie nicht mehr sah, weil der Tod sie entführt, da fühlte auch er den Verlust und den Schmerz. Man hatte Mühe, ihm Speise beizubringen, und ihn am Leben zu erhalten. Ja, oft weckte er von neuem den herben Kummer der Trauernden, indem er sie fragte: ›Wo ist denn die Frau?‹
»Er pfiff wundervoll, namentlich die Weise: ›Ich dank dir schon durch deinen Sohn‹; er sang auch ganz prächtig. ›Das Papchen muß 'mal singen‹, ermahnte er sich selbst, und dann begann er:
›Perroquet mignon,
Dis-moi sans façon,
Qu'a-t-on fait dans ma maison
Pendant mon absence?‹
›Ohne Lieb und ohne Wein,
Können wir doch leben.‹
»Nun setzte er bisweilen auch zusammen:
›Ohne Lieb und ohne
maison,
Können wir doch leben.‹
oder:
›Ein Kuß – sans-façon‹,
was ihn dann so erheiterte, daß er in ein lautes Gelächter ausbrach.
»›Papchen, wie sagt denn Lottchen?‹ fragte er sich bisweilen und antwortete darauf ebenso, als ob diese Frage von sonst jemand gethan worden wäre: ›O, mein schönes, schönes Papchen, komm, küsse mich‹. Und das sagte er mit dem richtigen Ausdrucke der Zärtlichkeit, wie es Lottchen nur sagen konnte. Seine Selbstzufriedenheit drückte er mit den Worten aus: ›Ach, ach, wie ist doch das Papchen schön‹, und dabei strich er sich mit seinem Fuße über den Schnabel.
»Er war aber keineswegs schön, denn auch er hatte die Unart, seine Federn sich auszuziehen. Es wurden nun als Gegenmittel Weinbäder verordnet, welche man ihm vermittels einer feinen Brause beibrachte. Die Bäder waren ihm höchst unangenehm; sobald er merkte, daß man dazu Anstalten traf, begann er flehentlich zu bitten: ›Papchen doch nicht naß machen, – ach, das arme Papchen – nicht – naß – machen‹.
»Fremde liebte er nicht, und diejenigen, welche seinetwegen kamen und ihn sprechen hören wollten, erreichten ihren Wunsch gewöhnlich nur dann, wenn sie sich vor ihm verbargen. In ihrer Gegenwart blieb er mäuschenstill. Um so lebhafter schwatzte er, wenn sie sich versteckt oder wirklich empfohlen hatten: es schien als wolle er sich für den sich selbst angethanen Zwang entschädigen. Doch konnte man sich seine Zuneigung erwerben, und mit solchen Leuten, welche oft zu uns kamen, sprach er gern, machte wohl auch, sie betreffend, einen seiner Witze. Ein dicker Major, welchen er gut kannte, machte eines Tages Versuche, ihm Kunststücke zu lehren. ›Geh auf den Stock, Papchen, auf den Stock!‹ befahl der Krieger. Papchen war entschieden verdrossen. Da plötzlich lacht er laut und sagt: ›Major auf den Stock, Major!‹
»Ein anderer seiner Freunde war längere Zeit nicht im Hause zu Besuch gewesen. Es wurde darüber gesprochen und erwartet, daß Roth, so hieß der ersehnte, heute sich einstellen werde. ›Da kommt Roth‹, sagte plötzlich Papchen: er hatte zum Fenster hinaus gesehen und den erwarteten von fern erkannt.
»Ein Sohn des Hauses, George, wurde nach längerer Abwesenheit erwartet und darüber natürlich in der Familie gesprochen. George kam erst spät abends an, als Papchen bereits im Dunkel seines verdeckten Käfigs schlief. Nach der ersten Begrüßung wandte sich der heimgekehrte zu aller Liebling und lüftete die Decke: ›Ah, George, bist du da? Das ist schön, sehr schön‹, sagte der Vogel.
»Er hatte bemerkt, daß sein Herr, wenn er ans Fenster ging, oft den Verwalter oder Vogt aus dem Hofe heraufrief. Sah er nun, daß sein Gebieter wiederum dem Fenster rasch zuging, so rief er jedesmal die Namen, aber die beider, weil er ja doch nicht wissen konnte, welchen der Herr rufen wollte.
»Was der Vogel sonst noch alles gesprochen und gethan, vermag ich nicht aufzuzählen: er war ein halber Mensch!
»Papchen endete auf klägliche Weise. Er wurde einem alten Verwandten des Hauses, welcher kindisch geworden war und den Vogel kindisch lieb gewonnen hatte, geschenkt. Alle weinten als das herrliche Thier weggetragen wurde; Papchen weinte zwar nicht, die Trennung von seinen Lieben konnte er aber doch nicht ertragen: wenige Tage später war er todt.«
Ich könnte noch von mehreren grauen Papageien berichten, welche es ebenfalls weit brachten in der Kunst zu sprechen; doch schließt vorstehendes eigentlich alles in sich ein, was ein Vogel dieser Art hierin leisten kann. Nur erwähnen will ich noch, daß das wundervolle Gedächtnis und die Nachahmungsgabe des geistvollen Thieres auch ihre Schattenseiten hat. Die ersten Lehrmeister des grauen Papageis pflegen die Matrosen zu sein, welche später oft in den Bedienten des Hauses entsprechende Hülfe finden. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß in solcher Schule der Wortschatz des Papageis nicht immer mit dem edelsten und feinsten bereichert wird. Leider kommen später auch dem wohlgezogensten Vogel oft genug alte Worte wieder in Erinnerung, und mitten unter seine hübschen Sätze und Redensarten mischt er die rohesten und gemeinsten. Zudem findet der Papagei die absonderlichsten Töne, Laute und Geräusche oft äußerst nachahmenswerth, lernt mit derselben Fertigkeit wie Worte, das Knarren einer Thüre in seiner Nähe, das Bellen des Hundes, das Miauen der Katzen, das Husten eines alten Menschen nachahmen und stört durch alles dies oft wesentlich sein im übrigen liebenswürdiges Geplauder.
Unnöthig würde es sein, über die geistigen Fähigkeiten dieser Vögel noch ein Wort zu sagen. Das vorstehende spricht für sich selbst, und so viel leuchtet auch wohl dem Befangensten ein, daß hier nicht von sogenanntem unbewußten Instinkte, sondern nur von klarem Verstande die Rede sein kann.
Aber nicht bloß über den Verstand, sondern auch über das Gemüth des grauen Papageis sind hübsche Beobachtungen bekannt geworden. »Ein Freund von mir«, erzählt Wood, »besaß einen Vogel dieser Art, welcher die zierlichste und liebenswürdigste Pflegemutter anderer kleiner hülflosen Geschöpfe war. In dem Garten seines Eigners gab es eine Zahl von Rosenbüschen, welche von einem Drahtgehege umwoben und von Schlingpflanzen dicht umsponnen waren. Hier nistete ein Paar von Finken, welches beständig von den Einwohnern des Hauses gefüttert wurde, weil diese gegen alle Thiere freundlich gesinnt waren. Die vielen Besuche des Rosenhaines fielen Polly, dem Papagei, bald auf; er sah, wie dort Futter gestreut wurde und beschloß, so gutem Beispiele zu folgen. Da er sich frei bewegen konnte, verließ er bald seinen Käfig, ahmte den Lockton der alten Finken täuschend nach und schleppte den Jungen hierauf einen Schnabel voll nach dem anderen von seinem Futter zu. Seine Beweise von Zuneigung gegen die Pflegekinder waren aber den Alten etwas zu stürmisch; unbekannt mit dem großen Vogel, flogen sie erschreckt von dannen, und Polly sah jetzt die Jungen gänzlich verwaist und für ihre Pflegebestrebungen den weitesten Spielraum. Von Stund an weigerte sie sich, in ihren Käfig zurückzukehren, blieb vielmehr Tag und Nacht bei ihren Pflegekindern, fütterte sie sehr sorgfältig und hatte die Freude, sie groß zu ziehen. Als die Kleinen flügge waren, saßen sie auf Kopf und Nacken ihrer Pflegemutter, und dann kam es vor, daß Polly sehr ernsthaft mit ihrer Last umherging. Doch erntete der Papagei wenig Dank; als den Pflegekindern die Schwingen gewachsen waren, flogen sie auf und davon.«
Einen noch auffallenderen Zug aus dem Gemüthsleben des Jako theilt Buxton mit. »Der elterliche Trieb eines Pärchens grauer Papageien, welche zu den frei fliegenden Ausländern des Parkes gehörten, nahm eine sehr närrische Form an. Eine Katze richtete sich in einem der Nistkästen ein und nährte dort ihre Jungen. Unsere Papageien, welche nicht unternehmend genug sein mochten, um es zu einer eigenen Familie zu bringen, schienen diese Kätzchen als ihre Kinder zu betrachten. Sie lebten auf beständigem Kriegsfuße mit der alten Katze, und sobald diese den Kasten verließ, schlüpfte einer der Papageien hinein und setzte sich neben die Kätzchen. Ja, sie achteten auf letztere selbst dann mit Aufmerksamkeit und Spannung, wenn die Mutterkatze zu Hause war.«
Gefangene Jakos schreiten selten zur Fortpflanzung. Doch sind einige Fälle bekannt, daß sie auch im engen Gebauer legten, brüteten und Junge zogen. Schon Buffon berichtet von einem Pärchen, welches fünf bis sechs Jahre nacheinander jedes Mal vier Eier legte und seine Jungen regelmäßig aufbrachte. Auch Labac erzählt ähnliches, und neuerdings hat Buxton an seinen frei fliegenden Jakos erfahren, daß sie in einer Baumhöhlung drei Junge aufzogen. Eines von diesen starb; die beiden anderen aber flogen lustig mit den übrigen Papageien, welche Buxton aussetzte, umher und fanden sich mit ihnen jeden Morgen ein, um ihr Futter in Empfang zu nehmen.
Zweckmäßig gepflegte, möglichst einfach gefütterte Jakos erreichen ein hohes Alter. Derjenige, welchen der Kaufmann Minninck-Huysen in Amsterdam besaß, hatte, bevor er durch Erbschaft seinem späteren Besitzer zufiel, bereits zweiunddreißig Jahre in der Gefangenschaft gelebt und hielt dann noch einundvierzig Jahre aus. Ungefähr vier bis fünf Jahre vor seinem Ende wurde er altersschwach. Seine Lebhaftigkeit und seine Geistesfähigkeiten, namentlich sein Gedächtnis, nahmen ab und schwanden endlich gänzlich dahin. In den letzten zwei Jahren konnte er nicht mehr auf seiner Stange sitzen, sondern nur noch auf dem Boden hocken. Zuletzt war er nicht mehr im Stande, selbst zu fressen und mußte geatzt werden. Auch seine Mauser ging in den letzten Jahren seines Lebens nur sehr unvollkommen von statten. Altersmatt und schwach schwand er ganz allmählich dahin. Aus diesem einen Beispiel geht hervor, daß die von Humboldt mitgetheilte und von Curtius bearbeitete Sage, welcher ich oben Raum gegönnt habe, auf thatsächlichem Grunde beruht.
Auf Neuguinea, den Molukken und Philippinen leben die Edelpapageien ( Eclectus), große Vögel mit sehr kräftigem, auf der Firste abgerundetem, mit schwachem Zahnausschnitte versehenem Schnabel, langem Fittige, unter dessen Schwingen die dritte die längste ist, weit vorragender Flügelspitze, mittellangem, etwas abgerundetem Schwanze und hartem, weitstrahligem Gefieder, welches auch die Gegend um das Auge sowie Nasenlöcher und Wachshaut bedeckt und in lebhaft grüner oder rother Färbung prangt.
Bis in die neueste Zeit glaubte man, sieben Arten dieser Gruppe zu kennen und zwar drei grüne und vier rothe Edelpapageien, deren Männchen und Weibchen dasselbe oder doch ein sehr ähnliches Kleid tragen sollten; diese Ansicht stellten jedoch die höchst überraschenden Mittheilungen Adolf Bernhard Meyers als zweifelhaft dar. Als der genannte Reisende die auf Mafoor von ihm erlegten Vögel musterte, fiel es ihm auf, daß alle von ihm erbeuteten grünen Edelpapageien männlichen und alle rothen weiblichen Geschlechtes waren. Spätere umfassendere Untersuchungen hatten, wie er versichert, dasselbe Ergebnis, und Nachfragen bei malaiischen Jägern wurden dahin beantwortet, daß die grünen und rothen Edelpapageien Männchen und Weibchen einer und derselben Art seien. Meyer betrachtet letzteres als erwiesene Thatsache, sieht alle drei als Arten aufgestellten Grünpapageien als Abarten des männlichen, alle vier rothen als Abarten des weiblichen Geschlechtes an und vereinigt somit sämmtliche Edelpapageien zu einer einzigen Art. Ich will dem insofern Rechnung tragen, als ich, anstatt eines Vertreters der Sippe, deren zwei beschreibe.
Der Grünedelpapagei ( Eclectus polychlorus, Psittacus sinensis, pectoralis, aurantius, magnus, viridis und lateralis, Mascarinus polychlorus und prasinus, Psittacodus und Polychlorus magnus), ein stattlicher Vogel, welcher den Jako an Größe merklich übertrifft, ist lebhaft grasgrün, oberseits etwas dunkler als unterseits. Ein großer Fleck an den Brustseiten wie die Achseldeckfedern und unteren Flügeldecken haben scharlachrothe, der Eckflügel und die kleinen Deckfedern längs des Unterarmes hellblaue, die innen schwarz gerandeten Handschwingen indigoblaue, die außen bis über die Wurzelhälfte grünen Armschwingen dunkelblaue, die drei hinteren grüne Färbung; die drei äußersten Schwanzfedern jederseits sind dunkel indigoblau, innen schwarz gerandet, die vierte und fünfte nur am Ende blau, übrigens aber grün wie die beiden Mittelfedern. Der Augenstern ist orangegelb, der Oberschnabel korallroth, an der Spitze wachsgelb, der Unterschnabel wie die Füße schwarz.
Die noch zu beschreibende zweite Form, der Rothedelpapagei ( Eclectus grandis und ceylonensis, Psittacus grandis, roratus, ceylonensis, guebensis und janthinus, Mascarinus puniceus), ist scharlachroth, auf Kopf und Nacken lebhafter als an den übrigen Theilen, ein Querband über Rücken, Brust und Bauch dunkel, der Flügelrand heller ultramarinblau; die innen schwarzgerandeten Handschwingen, deren Decken und der Eckflügel, die außen bis gegen die Spitze hin rothen, schwarzgerandeten Armschwingen haben indigoblaue, die drei letzten an der Innenfahne grüne, die Armschwingendecken an der Wurzel der Innenfahne blaue, übrigens grüne, die Enden der an ihrer Wurzel schwärzlichen Steuer- und die Unterdeckfedern hoch citrongelbe Färbung.
Ich verkenne nicht, daß Meyers Ausführungen bestechend erscheinen; beweisend aber sind sie nicht. Auch von Stölker erfahre ich, daß alle von ihm zergliederten Grünedelpapageien Männchen alle untersuchten Rothedelpapageien Weibchen waren; demungeachtet habe ich mich von der Arteinheit beider oder aller Edelpapageien nicht überzeugen können. Der Zufall treibt oft neckisches Spiel. Meyers Annahme wird widerlegt, sobald nachgewiesen werden kann, daß ein einziger Grünedelpapagei weiblichen, ein einziger Rothedelpapagei männlichen Geschlechtes ist. Wie es mir scheinen will, ist dieser Beweis bereits erbracht worden. »Daß alle Grün- und Rothedelpapageien«, so schreibt Brown an Sclater, »Männchen und Weibchen einer Art sein sollen, ist ein grober Irrthum. Unsere Aufmerksamkeit war auf den Gegenstand gerichtet worden, und ich bin vollkommen überzeugt, daß die genannten verschiedene Arten bilden. Wir erlegten ebensowohl Männchen als Weibchen des Grünedelpapageis.« Neuerdings erhielt das Berliner Museum aber auch einen Rothedelpapagei, welcher von dem Sammler als männlich bezeichnet wurde.
Ueber das Freileben der Edelpapageien insgemein fehlen uns noch immer Berichte. Nur das Verbreitungsgebiet konnte bisher ziemlich genau festgestellt werden. Beide oben beschriebenen Arten wurden auf Ternate, Halmatera und Batjan, der Grünedelpapagei außerdem auf Neuguinea, Guebe, Waigiu und Mysol eingesammelt. Aus der Bemerkung Eduard von Martens', daß die Edelpapageien im Walde eher einsam als scharenweise leben, scheint hervorzugehen, daß sie minder gesellig sind als andere Arten. Weiteres über ihr Freileben ist mir nicht bekannt. Denn die Aussage eines von Meyer befragten Malaien, daß grüne und rothe Edelpapageien abwechselnd die Eier eines Nestes bebrüten sollen, wird von Meyer selbst nicht für gewichtig erachtet, bleibt daher einstweilen besser unberücksichtigt.
Ueber gefangene Edelpapageien sind wir etwas genauer unterrichtet. Die stattlichen Vögel gelangen noch immer, obschon weit seltener als vor zehn bis zwanzig Jahren, auf unseren Thiermarkt und zwar die grünen wie die rothen Arten in annähernd gleicher Anzahl. Sie gehören nicht zu den besonders anziehenden Gliedern ihrer Ordnung. Ihre Farbenpracht fesselt das Auge, ihr ernstes, um nicht zu sagen trauriges Wesen unterstützt den ersten Eindruck jedoch in keiner Weise. Auch sie werden leicht zahm oder kommen, wie alle indischen Vögel überhaupt, bereits bis zu einem gewissen Grade gezähmt, freilich oft auch verdorben, in unsere Hände, zeigen sich hingebend gegen Pfleger, welche ihr anfängliches Mißtrauen zu besiegen wußten und lernen auch wohl sprechen. Hinfällig oder nicht so widerstandsfähig als andere Arten gleicher Größe, ertragen sie die Gefangenschaft selten lange und gehen oft aus nicht erkennbaren Ursachen plötzlich ein. Fortpflanzung im Käfige hat, so viel mir bekannt, bisher noch niemals stattgefunden; man hat aber auch kaum irgendwo so viele dieser Vögel gleichzeitig in Gefangenschaft gehabt, als zu maßgebenden Versuchen in dieser Hinsicht erforderlich sein dürften. Einzelne, und zwar rothe, haben im Käfige Eier gelegt, ohne befruchtet worden zu sein; andere haben Jahre lang miteinander gelebt, und zwar grüne ebensowohl mit grünen wie mit rothen, ohne sich fortpflanzungslustig zu zeigen. Auf ihr gegenseitiges Verhalten ist kein Gewicht zu legen. Denn wenn Meyer, wie er später mittheilt, beobachtete, daß ein Grünedelpapagei, welcher zu einem Rothedelpapagei gesetzt wurde, diesem Zärtlichkeiten erwies, so wissen wir andererseits, daß auch das Gegentheil stattfindet, also Grün- und Rothedelpapageien sich bitter befehden, wenn sie nach längerer Einzelhaft in einem Käfige zusammengesperrt werden. Selbst wenn die Meyer'schen verschiedenartigen Gefangenen sich begattet, Eier gelegt und Junge erbrütet hätten, wäre dadurch der Beweis für ihre Arteinheit nicht erbracht worden. Denn ähnliches geschieht, wie auch bereits bemerkt, bei verschiedenartigen Papageien gar nicht selten: kommt es doch sogar vor, daß zwei Weibchen mit einander sich paaren, das eine von dem anderen sich treten läßt, dann Eier legt und diese eifrig, in solchem Fälle natürlich ohne Erfolg, bebrütet.
Eine der zahlreichsten Sippen der Unterfamilie umfaßt die Amazonen- oder Grünpapageien ( Chrysotis ), große oder mittelgroße, gedrungen gebaute Vögel, mit sehr kräftigem, mäßig gewölbtem Schnabel, dessen Firste nur nach hinten zu scharfkantig abgesetzt ist, mäßig langem Fittige, unter dessen Schwingen die zweite und dritte die längsten sind, wenig oder kaum vorragender Flügelspitze, kurzem, höchstens mittellangem, etwas gerundetem Schwanze und derbem, breitem, am Ende abgestutztem Kleingefieder, welches Wachshaut und Augenkreis in der Regel frei läßt.
Die Amazonenpapageien, von denen man einige dreißig Arten unterschieden hat, sind so übereinstimmend gebaut und gefärbt, daß Finsch in ihnen die am höchsten entwickelte Sippe der ganzen Ordnung, also gewissermaßen die Urbilder der Papageien überhaupt, erkennen zu dürfen glaubt. Diese Ansicht wird durch die hohe geistige Begabung unserer Papageien unterstützt und mag deshalb erwähnt sein. Das Verbreitungsgebiet der Gruppe erstreckt sich von den Platastaaten bis Südmejiko; als Brennpunkt desselben darf der Amazonenstrom gelten. Einige Arten bevölkern Westindien und vertreten sich hier auf den verschiedenen Eilanden gegenseitig, haben auch einen so beschränkten Wohnkreis, daß man geneigt ist, sie als ständige Abarten einer und derselben Form aufzufassen. Lebensweise, Sitten und Gewohnheiten, Wesen und Betragen sämmtlicher Arten stimmen in allen Zügen überein; das von einem zu sagende gilt mit unerheblichen Beschränkungen für alle.
Am Morgen ziehen sie, wie die übrigen kurzschwänzigen Papageien schnell und stark mit den Flügeln schlagend, laut rufend und schreiend durch die Luft, wenden sich den mit Früchten behangenen Waldbäumen oder Pflanzungen zu, fressen hier während des Tages, ruhen in den Mittagsstunden, fliegen abends nochmals nach Futter aus und vereinigen sich außer der Brutzeit gegen Abend in zahlreichen Gesellschaften, welche lauten Lärm verursachen, bevor ein jeder sich seinen nächtlichen Stand erwählt hat.
Als Vertreter der Sippe mag uns der Amazonenpapagei, »Kurika« und »Papageio« der Brasilianer ( Chrysotis amazonica , und jamaicensis, Psittacus amazonicus, luteus, luteolus und Aourou, Amazona amazonica), gelten. Er zählt zu den mittelgroßen Arten seiner Sippschaft: die Länge beträgt fünfunddreißig, die Breite sechsundfunfzig, die Fittiglänge neunzehn, die Schwanzlänge zehn Centimeter. Das Gefieder ist dunkel grasgrün, das des Hinterhalses durch verwischte schwärzliche Endsäume der Federn gezeichnet, ein breiter Stirnrand lilablau, der Oberkopf nebst Backen hochgelb, der Flügelbug grün, an der Handwurzel gelb; die Handschwingen sind, mit Ausnahme der ersten schwarzen, an der Wurzel der Außenfahne mattgrün, dahinter indigoblau, die zweite bis vierte Armschwinge an der Wurzel grün, in der Mitte zinnoberroth, an der Spitze indigoblau, die übrigen, ausgenommen die zwei letzten grünen, außen grün, innen schwarz und am Ende blau, die Unterseite aller Schwingen schwarz, innen in der Wurzelhälfte grün, die unteren Flügeldecken grün, die vier äußeren Schwanzfedern jederseits innen licht zinnoberroth, außen dunkelgrün, an der Spitze grüngelb; die fünfte Steuerfeder zeigt auf der grünen Innenfahne einen rothen Fleck, die zweite und dritte einen ebenso gefärbten, aber verwaschenen an der Wurzel und am Schafte; das Roth der übrigen ist in der Mitte durch einen breiten grünen Querstreifen getrennt; die unteren Schwanzdecken haben gelbgrüne Färbung; die Schwanzfedern von unten gesehen auf matt zinnoberrothem Grunde in der Mitte einen grünen Quer- und einen breiten gelbgrünen Endstreifen. Der Augenstern ist zinnoberroth, der Schnabel horngelb, an der Spitze dunkelbraun, der Fuß bräunlich. Gefangene ändern leicht ab und stellen dann verschiedene, zum Theil sehr hübsche Spielarten dar.
Das Verbreitungsgebiet des Amazonenpapageis erstreckt sich vom mittleren Brasilien bis Britisch-Guayana und Trinidad und reicht nach Westen hin bis Bogota, Ecuador und Venezuela.
»In allen von mir bereisten Gegenden der brasilianischen Ostküste«, sagt Prinz von Wied, welcher die Kurika oder Kuricke am ausführlichsten schildert, »ist dieser Papagei einer der gemeinsten. Ich fand ihn überall in Menge, wo dichte Urwälder an die Manguesümpfe und Flußmündungen grenzen; denn er brütet sowohl hier als dort, scheint aber die Früchte der Mangue zu lieben. Schon in den Umgebungen von Rio de Janeiro, da, wo große Waldungen sind, trifft man diese Papageien in Menge an; aber auch an den nördlichen Flüssen, am Parahiba, Espirito Santo, am Belmonte, überall haben wir sie gefunden und besonders morgens und abends ihre laute Stimme in den sumpfigen, häufig von der Flut unter Wasser gesetzten Gebüschen der Flußmündungen gehört. Diese Gebüsche sind für die brasilianischen Flüsse etwa dasselbe, was an den europäischen die Weidengebüsche; nur sind gewöhnlich die Bäume höher, weshalb auch oft die Papageien in starken hohlen Aesten oder Stämmen derselben nisten.
»In der Brutzeit stiegt die Kuricke paarweise, gewöhnlich hoch in der Luft, laut schreiend und rufend, schnell dahin. Außer der Paarzeit hält sie sich immer in manchmal höchst zahlreichen Gesellschaften. Ich habe solche, ich möchte sagen unzählige Gesellschaften kurzgeschwänzter Papageien in den Waldungen des Mucuri und an anderen Orten zusammengesehen, wo der ganze Wald von ihnen und ihrem außerordentlichen Geschrei erfüllt war. Auch waren hier mehrere Arten dieser Vögel vereint. Es dauerte lange, bis die Flüge vorüber waren, und ihr vereinter Ruf war merkwürdig anzuhören. Eine Gesellschaft trieb die andere von den Bäumen auf, und diese Unruhe belebte ganz besonders ihre Stimme. Solche Vereinigungen unter den Papageien sind zwar zahlreich; doch kann man sie mit den ungeheueren Zügen der Wandertaube in Nordamerika nicht vergleichen.
»Fallen diese Vögel in dem Urwalde auf einen hohen, dicht belaubten Baum, so ist es oft schwer, sie zu sehen. Die grüne Farbe schützt sie sehr; man bemerkt aber ihr Dasein an dem Herabfallen der Fruchthülsen und Kerne. Während sie fressen, sind sie still; sobald sie jedoch aufgeschreckt werden, geben sie sogleich ihre laute Stimme von sich. Man schießt sie in Menge, weil sie ein kräftiges Essen geben: eine Papageibrühe ist nicht bloß in Brasilien, sondern auch in Surinam ein beliebtes Gericht.«
Von dem auf Cuba lebenden Amazonenpapagei ( Chrysotis leucocephala) gibt Gundlach einige Mittheilungen über das Freileben, welche als Ergänzung des vorstehenden dienen mögen. Wenn im freien Zustande sich mehrere vereinigen, verursachen sie meist lauten Lärm, welchen man von weitem vernimmt, verhalten sich dagegen andere Male ganz still oder lassen, namentlich wenn sie im Gebüsche ausruhen, leise, gleichsam murmelnde Laute hören. Zuweilen fliegen plötzlich viele von ihnen sehr nahe vor dem Beobachter auf, ohne daß dieser vorher sie bemerkt hätte. Gern setzen oder hängen sie sich auch an die jungen, noch stangenartig emporstehenden Palmenblätter und ebenso an freie dürre oder blätterlose Aeste, um an ihnen auf und nieder zu klettern. Sie halten sich stets paarweise zusammen, fliegen auch so, vereinigen sich jedoch oft zu zahlreichen Gesellschaften. Ihr Flug geschieht in gerader Richtung und fördert schnell, erfordert aber viele Flügelschläge. Wenn man einen von ihnen niederschießt oder besonders, wenn man einen verwundet, kommen viele herbeigeflogen, um die Ursache der Angelegenheit zu erforschen, und der Jäger benutzt dies, um reichere Beute zu gewinnen.
Sämmtliche Amazonenpapageien werden hinsichtlich ihrer Fortpflanzung wahrscheinlich sich ähneln. Diejenigen, über deren Lebensweise auch in dieser Beziehung Beobachtungen veröffentlicht wurden, legen während des Frühlings drei bis vier weiße Eier in Baumhöhlungen auf die losgebissenen Späne der Höhlenwandungen selbst. Sie brüten, ungestört, nur einmal im Jahre und zwar im Frühlinge jener Länder. Die aus dem Neste genommenen Jungen werden außerordentlich zahm und lernen deutlich sprechen. Deshalb findet man sie in Brasilien häufig in den Wohnungen und bringt sie in Menge in die Städte, wo Matrosen sie kaufen, um sie mit sich nach Europa zu nehmen. Hier gehören sie zu den gewöhnlichsten Papageien. Sie erweisen sich gelehrig, wenigstens gegen ihre rechtmäßigen Gebieter oder gegen diejenigen, welche sich am meisten mit ihnen beschäftigen, sind auch ziemlich sanft und liebenswürdig, verdienen also wohl das Lob, welches man ihnen spendet. Auch von ihnen lassen sich ähnliche Geschichten erzählen wie vom Jako. »Einer meiner Amazonenpapageien«, schreibt mir Linden, »singt anmuthende, melodienreiche Lieder ohne Worte und geht dazu im Takte und mit halbgeöffneten Flügeln auf seiner Stange hin und her. Erfahrene Leute, welche ihn singen hörten, sagten mir, daß er Negerlieder vorträgt, wie man sie in Brasilien hört. Ueber ein halbes Jahr hatte der Vogel gänzlich geschwiegen, und erst nach Ablauf dieser Frist trat er mit seiner Kunstfertigkeit hervor. Wie dieser Amazonenpapagei einen glänzenden Beweis seines Gedächtnisses erbrachte, lieferten andere Belege ihrer außerordentlichen Begabung im Nachahmen von ihnen gehörter Laute oder Worte. Einer meiner Gefangenen singt ein hübsches deutsches Liedchen, spricht außerdem noch vieles und stets genau in derselben Betonung wie sein nicht selten nur zufälliger Lehrmeister. So plaudert er jedem anderen Vogel nach, was und wie dieser spricht. Einige Tage, nachdem mein Helmkakadu gestorben war, sprach er, vollständig mit dessen Betonung, aber mit auffallend sanfter Stimme: ›Kakadu, Kakadu, lieber Kakadu‹, äffte gleichzeitig aber auch dessen Bewegungen nach, als wolle er keinen Zweifel aufkommen lassen, wen er meine. Jetzt steht er neben einem Molukkenkakadu und ahmt dessen Worte und Geberden aufs getreueste nach. Wenn angeklopft wird, ruft er: ›Herein!‹, thut dies aber niemals, wenn auf Eisen oder Blech geklopft wurde.« Ein Amazonenpapagei, welcher Buxton entflogen war und sich drei Monate lang im Garten umhertrieb, bis der herannahende Winter ihn veranlaßte, das gastliche Dach des Hauses wieder aufzusuchen, ergötzte nach seiner Rückkehr allgemein durch genaueste Wiederholung der von verschiedenen Stubenmädchen in ängstlichem Tone an ihn ergangenen Einladungen, doch zurückkehren zu wollen, schien also offenbar zu wissen, daß jene Einladungen ihm gegolten hatten.
Ein Amazonenpapagei, welchen mein Vater sah, hing mit inniger Liebe an der Tochter des Hauses, während er nicht nur gegen fremde, sondern selbst gegen die anderen Glieder der Familie sich bösartig zeigte. Diese mochten noch so freundlich mit ihm reden: er antwortete ihnen nicht und bekümmerte sich nicht um sie. Ganz anders aber benahm er sich, wenn seine Gönnerin erschien. Er kannte ihren Schritt und geberdete sich höchst erfreut, wenn er sie auf der Treppe kommen hörte. Sobald sie in das Zimmer trat, eilte er ihr entgegen, setzte sich auf ihre Schultern und gab durch verschiedene Bewegungen und Laute seine Zufriedenheit zu erkennen oder schwatzte, als ob er sich mit seiner Herrin unterhalten wolle. Liebkosungen, welche ihm gespendet wurden, erwiederte er, indem er sanft seine Wangen an die seiner Gebieterin drückte, und immer ließ er dabei zärtliche Laute vernehmen. Das Fräulein durfte unbesorgt mit ihm spielen; er nahm ihre Finger in den Schnabel, ergriff selbst die Oberlippe, ohne solches Vertrauen jemals zu mißbrauchen. Wenn seine Herrin abwesend war, geberdete er sich traurig, saß ruhig auf einer und derselben Stelle, fraß gewöhnlich nicht und war mit einem Worte ein ganz anderer geworden als sonst. Ich habe mehrere Amazonenpapageien gesehen, auch selbst solche gepflegt, welche sich im wesentlichen ebenso liebenswürdig zeigten, auch erfahren, daß Wildlinge leicht sich zähmen lassen, darf sie daher jedermann empfehlen.
Unter dem Sippennamen Langflügelpapageien ( Pionias) vereinigen wir einige vierzig Arten der Unterfamilie, denen folgende Merkmale gemeinsam sind. Die Größe schwankt zwischen der einer Taube und der einer Dohle; die Gestalt ist kurz und dick, also gedrungen. Der kräftige Schnabel, dessen Firste scharfkantig sich absetzt, ist seitlich schwach gewölbt und erscheint daher etwas zusammengedrückt, zeichnet sich auch durch eine mehr oder minder deutliche, längs der Firste verlaufende Längsrinne aus. Der starke Fuß hat kurze Läufe, mäßig lange Zehen und kräftige Nägel; der Flügel, unter dessen Schwingen die zweite und dritte alle übrigen an Länge übertreffen, ist lang, die Flügelspitze weit vorragend, so daß der zusammengelegte Fittig über zwei Drittheile des Schwanzes deckt, letzterer, dessen Federn am Ende klammerförmig, seltener abgerundet sind, kurz, breit, gerade abgeschnitten, das Gefieder weich oder derb, aus breiten, am Halse oft schuppigen Federn gebildet. Von der vorwaltenden grünen Färbung sticht meist die bunte, aber sehr verschiedenfarbige des Kopfes und der unteren Schwanzdecken lebhaft ab.
Die Langflügelpapageien verbreiten sich über drei Erdtheile. Südamerika beherbergt die Hälfte von ihnen, Afrika den größeren, Asien den geringeren Theil der anderen Halbscheid. Ihre Lebensweise weicht nicht erheblich von dem Thun und Treiben anderer Kurzschwanzpapageien ab. Während der Brutzeit leben auch sie paarweise in Waldungen, Hainen und selbst auf einzelnstehenden großen Bäumen, beispielsweise Adansonien, welche ihnen Nistlöcher bieten; nachdem sie ihre Jungen großgezogen haben, schwärmen sie mit diesen im Lande umher, vereinigen sich auch wohl mit anderen Familien zu mehr oder minder zahlreichen Scharen und ziehen nun von einem Fruchtbaume oder einem Felde zum anderen. Hierbei führen sie im wesentlichen den Tageslauf ihrer Familienglieder, halten, wie sie, beim Hin- und Widerfliegen bestimmte Straßen ein und widmen gewisse Stunden der Aufnahme ihrer Nahrung, dem Bade, der Ruhe. Ihre Bewegungen ähneln am meisten denen der Amazonenpapageien; ihre Stimme zeichnet sich mehr durch gellende als durch kreischende oder krächzende Laute aus. Hinsichtlich ihrer geistigen Anlagen sind die Meinungen getheilt; doch glaube ich nicht zu irren, wenn ich sie durchgehends als wohlbegabte Geschöpfe bezeichne. Das Brutgeschäft scheint, soweit aus den dürftigen Mittheilungen hierüber ersichtlich ist, von dem anderer Kurzschwanzpapageien nicht abzuweichen.
Des empfindlichen Schadens halber, welchen die Langflügelpapageien dem Landwirte oder Pflanzer ihrer Heimatsländer zufügen, verfolgt man sie, wenn auch nicht allerorten, so doch in gewissen Gegenden mit berechtigtem Hasse, fängt sie zu Hunderten, gebraucht überhaupt alle Mittel, ihrer sich zu erwehren. Aber auch, um sie zu Käfigvögeln zu gewinnen, stellt man ihnen Schlingen und Netze. Sie zählen zu den anspruchlosesten aller Papageien, verursachen ihrem Pfleger keinerlei Beschwer, werden bald und im hohen Grade zahm, lernen auch, jung aus dem Neste gehoben und mit Sorgfalt behandelt, unterrichtet und gelehrt, Worte und Sätze nachsprechen, leiden jedoch meist unter dem ziemlich allgemein verbreiteten Vorurtheil, daß sie ungelehriger seien als ihre größeren Verwandten, und erwerben sich deshalb nur ausnahmsweise die Anerkennung, welche ich, auf eigene Beobachtungen gestützt, ihnen nicht versagen kann.
Die räumliche Anordnung unseres Werkes gestattet mir nicht, mehr als eine Art in Betracht zu ziehen.
Wenn auch vielleicht nicht das schönste, so doch eines der auffallendsten Glieder der reichen, vielfach gegliederten und in Unterabtheilungen zerfällten Sippe ist der Fächerpapagei ( Pionias accipitrinus, Psittacus accipitrinus, elegans, coronatus und Clusii, Derotypus und Derotypus accipitrinus, Amazona accipitrina). Das Gefieder des Hinter- und Seitenhalses, der ganzen Oberseite und der Schenkel ist glänzend dunkelgrün, das des Vorder- und Oberkopfes licht bräunlichgelb, wie heller Milchkaffee, der Schläfe, Ohrgegend, Zügel und Kopfseiten sowie des Kinnes bräunlichfahl, durch verwaschene fahlweiße Schaftstreifen und Schaftflecke gezeichnet, das aus breiten Federn bestehende, sehr verlängerte, aufrichtbare und dann eine fächerförmige Holle bildende des Hinterkopfes und Nackens dunkel karminroth, ins Veilchenfarbene spielend, jede Feder an der Wurzel braunfahl, an der Spitze durch einen breiten, blauen Saum geziert, das der ganzen Unterseite, mit Ausnahme der seitlichen, außen grünen Brustfedern, ebenso gefärbt und gezeichnet; die Handschwingen und deren Deckfedern sind ganz, die vorderen Armschwingen nur in der Wurzelhälfte der Innenfahne schwarz, die drei letzten grün, die Schwanzfedern, mit Ausnahme der äußersten innen schwarzen, außen dunkel schwarzblauen, grün wie der Rücken, innen breit mattschwarz gerandet, die Unterschwanzdecken endlich grün. Der Augenstern ist braun; Schnabel, Füße sowie die nackten Augenkreise sehen braunschwarz aus. Die Länge beträgt, nach Burmeister, siebenundzwanzig, die Fittiglänge achtzehn, die Schwanzlänge vierzehn Centimeter.
Soviel bis jetzt bekannt, bewohnt der Fächerpapagei vorzugsweise die Waldungen um den Amazonenstrom, Surinam und Guayana, wie es scheint überall minder häufig als andere Papageien. Spix traf ihn bei Villanova am Amazonenstrome, Schomburgk gedenkt in dem bekannten Reisewerke seiner nur zweimal. Er fand ihn am Rupununi und gezähmt in den Hütten der Warrau. Obgleich er einmal erwähnt, daß eine zahllose Menge dieser herrlichen Papageien die Sawaripalmen belebte und die Reisenden mit ohrerschütterndem Geschrei begrüßte, er also wohl Gelegenheit zu beobachten hatte, theilt er uns doch nur äußerst wenig mit. »Im Zorne ist der gedachte Vogel ohne Zweifel einer der schönsten Papageien, da sich dann die glänzend gefärbten Federn des Hinterkopfes in die Höhe sträuben und einen förmlichen Kreis um seinen Kopf bilden. Die Ansiedler nennen ihn ›Hia‹, welchem Worte seine Stimme vollkommen ähnelt.« Aus dem wissenschaftlichen Anhange seiner Reise erfahren wir noch, daß der Fächerpapagei die niederen Wälder in der Nähe der Ansiedelungen bevorzugt, zutraulich und leicht zähmbar, aber weichlich und ungelehrig sei, in Baumlöchern niste und mehr als zwei, mitunter vier Eier lege.
Ich habe längere Zeit einen Fächerpapagei gepflegt und zwei andere in Thiergärten gesehen. Alle drei, insbesondere aber mein Pflegling, waren höchst anmuthende Vögel. Zutraulich und hingebend wie irgend ein wohlgezähmter Papagei, sanft und ruhig, ich möchte sagen leidenschaftslos, befreundete sich mein Gefangener bald innig mit mir, begrüßte mich durch verlangendes Geberdenspiel, wenn ich an seinem Käfige vorüberging und gab sich mit ersichtlichem Behagen Liebkosungen hin, welche ich ihm spenden durfte, ohne befürchten zu müssen, von ihm gebissen zu werden. Die oft zu förmlicher Arglist ausartende Bosheit anderer Papageien lag ihm fern. Auch er liebte es, wenn man ihm im Gefieder nestelte und hob dann gewöhnlich langsam die verlängerten Federn seines Hinterhauptes, um den ihn außerordentlich schmückenden Fächer nach und nach voll zu entfalten. Dies aber geschah keineswegs im Zorne, wie Schomburgk meint, sondern viel öfter bei freudiger Erregung.
Hinsichtlich seiner Bewegungen unterschied sich der betreffende Vogel merklich von allen Sippschaftsverwandten, welche ich im Freien beobachtet, gepflegt und sonst in Gefangenschaft gesehen habe. Von der Hast und Unruhe, welche die meisten Langflügelpapageien bethätigen, bemerkte man nichts an ihm. Für gewöhnlich saß er still und schaute ernsthaft vor sich hin; doch ließ das lebhafte Auge keinen Zweifel aufkommen, daß er alles um sich her sehr genau beobachtete; auch kündigte er, ebensogut wie Kakadus, alles ungewohnte oder ihm besonders auffällige durch Unruhe und Geschrei an. Bewegte er sich, so geschah es in gemessener, scheinbar überlegter Weise. Sein Geschrei war gellend, entsprach jedoch den von Schomburgk bezeichneten Lauten nicht.
Ein anderer Fächerpapagei, welchen ich beobachtete, gab so verschiedenartige Töne und Laute zu hören, daß ich glauben mußte, dieselben seien ihm angelernt worden, und er würde, hätte man sich zweckentsprechend mit ihm abgegeben, sprechen gelernt haben. Ueber die hohe geistige Begabung des Vogels konnten Zweifel nicht bestehen. Zwar fehlten ihm fast alle die ausdrucksvollen Geberden, durch welche beispielsweise ein Kakadu sich verständlich zu machen strebt; er unterschied aber sehr genau zwischen ihm bekannten und fremden Leuten, bekundete rege Theilnahme für alles um ihn her, achtete auf den Ruf seiner Freunde und ging zuvorkommend auf deren Wünsche ein. So konnte es nicht fehlen, daß er bald zu einem mit vollstem Rechte bevorzugten Lieblinge von mir wurde.
Nachdem ich vorstehende Zeilen niedergeschrieben hatte, empfing ich von Linden über einen von ihm seit neun Jahren gepflegten Gefangenen die nachfolgenden Mittheilungen: »Aus der früheren Abbildung im ›Thierleben‹ glaubte ich schließen zu dürfen, daß der Fächerpapagei zu den unfreundlichen Vögeln gezählt werden müsse, und war nicht gerade erfreut, als mir der Thierhändler Jamrach in London unaufgefordert einen dieser Papageien übersandte, freilich zu einem für einen so seltenen Gast äußerst geringfügigen Preise. Bei Ankunft des verkommenen und krankhaft aussehenden Vogels mußte ich alle Hoffnung verlieren, ihn am Leben zu erhalten; zu meiner Freude aber hatte er sich nach kurzer Zeit vollständig erholt und prangte nicht lange darauf in voller Pracht seines Gefieders. Schon unmittelbar nach Empfang fiel mir sein sanftes Wesen auf. Ich hatte gemeint, daß die aufrichtbaren Federn, welche keine Holle, sondern einen schönen Fächerkragen bilden, nur im Zorne gesträubt würden, fand aber bald, daß dies nicht der Fall war, und habe eigentlich bis jetzt noch nicht zu ergründen vermocht, aus welcher Ursache er dann und wann seinen Fächer aufrichtet. Oft geschieht es allerdings im Zorne; versuche ich aber, ihn zu reizen, um ihn zum Aufrichten des Kragens zu veranlassen, so weist er solche Störung nur mit Bissen ab, ohne die Federn zu bewegen. Nicht minder oft drückt er durch Entfaltung des Kragens seine Freude aus: dies geschieht namentlich, wenn ich seine gewöhnliche Stimme, ein angenehm lautendes Pfeifen, nachahme oder ihn damit aufmuntere. Aber auch in solchem Falle ist seine jeweilige Laune maßgebend. Will ich ihn einem Besucher in seiner vollen Schönheit zeigen, so thut er mir gewiß nicht den Gefallen, den Fächer aufzurichten, wogegen er ein anderes Mal ohne Aufforderung nicht müde wird, mit letztem zu spielen. Daß er wirklich launenhaft ist, bekundet er auch bei seinem Fressen. Oft sucht er sich den Mais aus seinem Körnerfutter heraus und wirft alles übrige zur Seite; dann wiederum nimmt er nur Sonnenblumenkörner. Das eine Mal kann er es nicht erwarten, bis ich ihm ein Stückchen in Milch eingeweichten Zwieback gebe; das andere Mal will er nichts von diesem Futter wissen und wünscht sich anstatt dessen eine Feige oder Orange, welche er wochenweise oft gänzlich verschmäht. Saftige Weidenzweige sind ihm immer willkommen.
»Ein Gewitter versetzt ihn in die höchste Aufregung und verursacht ihm größte Angst. Er zittert am ganzen Leibe und drückt sich beim Donner ängstlich in eine Ecke, bekundet auch noch stundenlang nach dem Aufhören des Gewitters durch furchtsames Gebaren, wie sehr er sich gefürchtet hatte. Beim Scheine der Laterne dagegen ermuntert er sich sogleich, ohne die mindeste Aufregung zu zeigen. Obwohl sich der Fächerpapagei durch Lebhaftigkeit nicht auszeichnet, hat er mich doch zu seinem warmen Freunde gewonnen und verdient meine Zuneigung durch die Liebenswürdigkeit seines Wesens, seine Zuthunlichkeit und innige Anhänglichkeit, welche er mir erweist.«
Die Zwergpapageien ( Psittacula) gehören zu den anmuthigsten Gliedern dieser Unterfamilie; ihre äußere Erscheinung wenigstens ist gefällig und gewinnend, und auch ihr Betragen in mancher Beziehung anziehend und fesselnd. »Die deutschen Dichter«, sagt Schomburgk, »kannten die zärtliche Liebe nicht, welche zwischen einem Pärchen der Zwergpapageien waltet; deshalb wählten sie ein Taubenpaar zum Sinnbilde der idyllischen Liebe. Allein wie weit bleibt ein solches in seiner Zärtlichkeit hinter jenem zurück! Hier herrscht die vollkommenste Harmonie zwischen dem beiderseitigen Wollen und Thun: frißt das eine, so thut dies auch das andere; badet sich dieses, so begleitet es jenes; schreit das Männchen, so stimmt das Weibchen unmittelbar mit ein; wird dieses krank, so füttert es jenes, und wenn noch so viele auf einem Baume versammelt sind, so werden doch niemals die zusammengehörenden Pärchen sich trennen.«
Daß Schomburgks Schilderung richtig ist, beweisen diejenigen Zwergpapageien, welche mehr oder weniger regelmäßig in unsere Käfige gelangen und uns Gelegenheit bieten, sie eingehend zu beobachten. Man hat einer Art nicht mit Unrecht den Namen »Unzertrennliche« gegeben, diese Benennung auch wohl auf alle ausgedehnt, geht aber zu weit, wenn man behauptet, daß der eine Gatte den Tod des anderen niemals überlebe. Wahr ist es: sie leiden schwer unter dem Verluste des Ehegenossen, trauern aber, wenn dieser durch einen anderen ersetzt wurde, nicht länger mehr, gewöhnen sich auch früher oder später an Einzelhaft. Doch hält man sie nur gezwungen allein, weil man sich des hübschen Bildes der Zärtlichkeit beider Gatten nicht berauben will.
Alle Zwergpapageien sind kleine, gedrungen gebaute Vögel von Sperlings- bis höchstens Staarengröße, mit glänzendem und oft buntem Gefieder. Ein schönes Blattgrün ist die vorherrschende Färbung desselben; der Kopf ist oft roth, der Bürzel blau, der Schwanz meist bunt, und dann gewöhnlich durch eine schwarze Quer- und Endbinde gezeichnet. Der Schnabel ist verhältnismäßig sehr kräftig, zuweilen auffallend dick, meist höher als lang und seitlich abgerundet, der Oberschnabel mäßig gekrümmt und mit ansehnlich langer, dicker Spitze über den unteren herabgebogen, vor der Spitze rechtwinkelig ausgeschnitten oder sanft ausgebuchtet, der Unterschnabel meist höher als jener und seine Schneide jederseits vor der Spitze tief ausgebuchtet, der Fuß kurz und kräftig, der Flügel, unter dessen Schwingen die drei ersten alle anderen überragen, lang, durch die sehr lange Flügelspitze ausgezeichnet, der Schwanz endlich kurz und sanft gerundet oder gerade abgeschnitten.
Die Sperlingspapageien verbreiten sich weiter als alle anderen Sippen ihrer Ordnung; denn sie gehören vier Erdtheilen an. Von den dreiundzwanzig Arten, welche Finsch unterscheidet, leben elf in Südamerika, vier in Afrika, und zwar drei auf dem Festlande, eine auf Madagaskar, sieben auf den südasiatischen Inseln und eine in Australien. Alle Arten scheinen da, wo sie vorkommen, sehr häufig aufzutreten und nach der Brutzeit zu oft unzählbaren Scharen sich zu gesellen. Sie bevölkern den Wald und die buschreiche Steppe, die Ebene wie das Gebirge bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe, verhalten sich nur, so lange sie fressen, ruhig und still, treten übrigens außerordentlich geräuschvoll auf und schwatzen und zwitschern so laut und schneidend, daß einem die Ohren gellen. Ihre Bewegungen sind rasch, hastig und unstet; der Flug geschieht unter schwirrenden Flügelschlägen, der Lauf trippelnd und rennend, das Klettern ruckweise, aber eilfertiger als bei den meisten ihres Geschlechtes. Hinsichtlich ihrer höheren Begabungen stehen sie hinter allen größeren Papageien entschieden zurück, hinsichtlich ihres Wesens noch mehr: die meisten erscheinen bald ebenso langweilig, als sie anfänglich fesselten. Allerlei Baumfrüchte und Sämereien bilden ihre Nahrung; in die Getreidefelder fallen auch sie plündernd ein, richten daher unter Umständen sehr beträchtlichen Schaden an. Alle Arten brüten in Baumhöhlungen; einzelne von ihnen kleiden letztere aber sorgsam mit weicheren Stoffen aus. Das Gelege besteht aus vier bis acht Eiern und wird entweder vom Weibchen allein oder von beiden Geschlechtern gemeinsam bebrütet. Gefangene Zwergpapageien beanspruchen sorgfältige Pflege, erweisen sich als sehr hinfällig und lohnen nur ausnahmsweise die Mühe, welche sie verursachen. Gleichwohl werden sie von vielen mit Vorliebe gepflegt, haben sich sogar begeisterte Liebhaber erworben.
Unter allen mir bekannten Arten der Sippe stelle ich den Rosenpapagei ( Psittacula roseicollis, Psittacus roseicollis und parasiticus, Agapornis roseicollis) oben an. Er zählt zu den größeren Arten der Sippe: seine Länge beträgt siebzehn, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge fünf Centimeter. Die vorherrschende Färbung des Gefieders ist ein schönes Grasgrün, welches unterseits etwas lichter wird und auf den Seiten einen gelben Schimmer zeigt; ein Stirnstreifen und die Augenbrauen sind blaß scharlach-, Zügel, Backen, Ohrgegend und Kehle zart pfirsich- oder blaß rosenroth, nach unten zu unmerklich in die grüne Färbung übergehend, Bürzel und obere Schwanzdecken himmelblau, die Schwingen außen grasgrün, nach der Spitze zu dunkler, fast schwärzlich, unterseits schwärzlich, innen verloschen bläulich gesäumt, die beiden mittelsten Steuerfedern einfarbig grün, die übrigen grün, am Ende grünlichblau, vorher durch eine schwärzliche Querbinde, in der Wurzelhälfte aber mit einem zinnoberrothen Fleck gezeichnet. Der Augenstern ist dunkelbraun, der schmale Augenkreis weißlich, der Schnabel wachsgelb, an der Spitze grünlich, der Fuß blaugrünlich. Der junge Vogel unterscheidet sich von beiden gleichgefärbten Eltern durch düsterere Färbung und den Mangel der rothen Stirnbinde.
Das Vaterland des Rosenpapageis ist der Südwesten Afrikas, namentlich das Kaffer-, Namaka- und Damaraland sowie Angola; doch scheint der Vogel, wie Kirk angibt, auch im Südosten, zumal im Sambesigebiete, vorzukommen. Nach Ortlepps Angabe ist er ein großer Liebling der Bauern von Limpopo und wird häufig im Käfige gehalten.
Mittheilungen über sein Freileben gibt meines Wissens nur Andersson. »Dieser hübsche kleine Papagei ist über ganz Damara- und Großnamakaland verbreitet, wird aber auch in Owakango und am Ngamisee gefunden. Man begegnet ihm stets in kleinen Flügen und niemals weit entfernt von einem Gewässer. Zu einem solchen begibt er sich mindestens einmal täglich und kann demgemäß dem durstigen Reisenden zu einem verläßlichen Führer werden, falls dieser erfahren genug ist, um hieraus Vortheil zu ziehen und die oft sehr kleinen oder an ungewöhnlichen Stellen belegenen Trinkplätze aufzufinden.
»Der Rosenpapagei hat einen ungemein schnellen Flug; die kleinen Schwärme eilen gedankenschnell an einem vorüber, wenn sie ihre Futterplätze wechseln oder sich zur Tränke begeben, durchmessen jedoch selten verhältnismäßig weite Strecken in einem Zuge. Während sie fliegen, stoßen sie in rascher Folge scharfe Laute aus, und ebenso lassen sie sich vernehmen, wenn sie plötzlich erschreckt wurden. Ihre Nahrung besteht aus Beeren und großen beerenartigen Sämereien.
»Diese Papageien bereiten sich kein eigenes Nest, sondern nehmen von dem anderer Vögel, insbesondere des Siedelsperlings und Mahaliwebers Besitz. Ich vermag nicht zu sagen, ob sie die rechtmäßigen Eigener vertreiben oder nur verlassener Nester derselben sich bedienen; Rosenpapageien und Siedelsperlinge aber habe ich in annähernd gleicher Anzahl im Schutze eines und desselben Nestdaches hausen sehen. Die reinweißen Eier sind länglicher als die der Spechte.«
Gefangene Rosenpapageien, welche ich mehrere Jahre nacheinander pflegte und beobachtete, haben mich in hohem Grade angezogen. Ihr Wesen und Gebaren sticht vortheilhaft ab von dem Thun und Treiben anderer Zwergpapageien: sie sind offenbar begabter, leiblich und geistig reger als diese, besitzen alle anmuthenden Eigenschaften derselben und noch andere dazu, welche sehr für sie einnehmen. Vielleicht sagt man nicht zu viel, wenn man sie zu den anmuthigsten aller Papageien überhaupt rechnet. Sie halten ihr Gefieder stets in bester Ordnung, sehen daher immer höchst sauber aus, gefallen auch wegen ihrer schlanken Haltung, sind sehr munter, lebhaft und rege, viel in Bewegung, laut, verträglich, mindestens gegen ihresgleichen, äußerst zärtlich gegen ihren Gatten und hingebend in der Pflege ihrer Brut. In ihren kletternden Bewegungen ähneln sie anderen Kurzschwanzpapageien, erinnern aber auch an die Zierpapageien, da sie sich zuweilen wie diese, den Kopf nach unten gerichtet, an der Decke ihres Käfiges aufhängen. Ihre Stimme ist für ein kleines Zimmer fast zu gellend, behelligt jedoch in einem größeren Raume, zumal im freistehenden Fluggebauer, wenig oder nicht. Am besten bezeichnet man sie, wenn man sie ein Zwitschern nennt, welches zuweilen in Trillern übergeht. Nach meinem Gehöre läßt sich der gewöhnliche Stimmlaut durch ein zehn- bis zwanzigmal wiederholtes »Zickzick«, der Warnungston durch »Tirrirrirrirrit zit tit zit, tiet, tiet«, oder auch durch »Ziterititititie«, mit angehängtem »Zit«, übertragen. Zuweilen sitzt das Männchen in lässiger Haltung, mit etwas gesträubten Federn und geschlossenen Augen, wie in sich versunken, regungslos auf einer und derselben Stelle, und gibt einen zwitschernden Gesang zum besten, dessen einzelne Töne zwar dieselben sind, welche man auch beim Locken und Schwatzen vernimmt, jedoch durch verbindende Laute erweicht und vertönt werden, hinsichtlich ihrer Stärke und Betonung auch sehr verschieden sind, so daß ansprechende Mannigfaltigkeit entsteht.
Fesseln die Rosenpapageien schon, wenn man sie einzeln oder in größeren Gesellschaften hält, jeden achtsamen Pfleger, so entfalten sie ihre ganze Eigenartigkeit doch erst, wenn sie sich zum Brüten anschicken. Ich habe meine hierauf bezüglichen Beobachtungen zwar bereits in meinen »Gefangenen Vögeln«, einem für Vogelwirte bestimmten, die genauesten und verläßlichsten Angaben über Pflege und Zucht aller Vögel enthaltenden Werke, geschildert; sie sind jedoch so eigenthümlich, ja, geradezu einzig in ihrer Art, daß ich sie nothgedrungen hier wiederholen muß. Der Zufall belehrte mich über die unerläßlichen Bedürfnisse dieser Vögel. Anderssons Angaben über das Freileben waren zur Zeit, als ich die ersten Rosenpapageien erwarb, noch nicht veröffentlicht worden; ich konnte daher nicht ahnen, daß sich deren Fortpflanzungsgeschäft so wesentlich von dem anderer Zwergpapageien und Sittiche überhaupt unterscheidet. Meine Pfleglinge waren gepaart, die Pärchen überhäuften sich auch gegenseitig mit Zärtlichkeiten, schritten aber nicht zum Brüten. Gegen ihre Käfiggenossen, kleine Webefinken, benahmen sie sich ebenso unfriedfertig als gegen ihresgleichen verträglich, zerstörten deren Nester und trieben anderweitigen Unfug. Ich hielt das für Uebermuth, wie man ihn an Papageien oft beobachtet, und ließ sie gewähren. In die für sie bestimmten Nistkästchen schlüpften sie aus und ein, schienen dieselben aber mehr als Verstecke, denn als Nistplätze zu betrachten. Sie waren unzweifelhaft brütlustig; es fehlte ihnen aber offenbar an etwas. Da sie bisher nur Körnerfutter, Glanz, Hirse, Hanf und Hafer, angenommen, Mischfutter aber verschmäht hatten, kam ich auf den Gedanken, daß sie vielleicht Knospenfresser sein möchten und ließ ihnen grüne, beblätterte Weidenzweige reichen. Wenige Minuten später saßen sie auf denselben, entblätterten sie rasch und benagten Knospen und Rinde. Anfänglich wollte mir scheinen, als ob diese Arbeit ebenfalls nur aus Zerstörungslust, nicht aber, um sich zu ernähren, unternommen werde; als ich jedoch aufmerksam weiter beobachtete, bemerkte ich, daß meine Vögel nunmehr endlich erwünschte Baustoffe gefunden hatten. Geschickt spleißten sie ein Schalenstück von sechs bis zehn Centimeter Länge ab, faßten es hierauf so mit dem Schnabel, daß das eine Ende etwa drei Centimeter weit hervorragte, drehten sich um, sträubten die Bürzelfedern, nestelten mit dem Schnabel in ihnen, und der Splitter blieb zwischen den wieder geglätteten Federn haften. Ein zweiter, dritter, sechster, achter wurde in derselben Weise abgelöst und befestigt; manch einer fiel dabei zum Boden herab, ohne weitere Beachtung zu finden, manch einer wurde von dem allzueifrigen Gatten wieder zwischen den Federn hervorgezogen: schließlich aber blieben doch einige haften; der Papagei erhob sich, schwirrte langsam und vorsichtig zum Nistkästchen auf, schlüpfte mit voller Ladung ein und kehrte leer zurück. Ob auch andere Zwergpapageien in ähnlicher Weise verfahren, weiß ich nicht, halte es jedoch für wahrscheinlich. Bis jetzt steht meine Beobachtung durchaus vereinzelt da. Die gesammte Lebensgeschichte der Vögel bietet nichts ähnliches dar; kein einziger aller Vögel, über dessen Fortpflanzung wir unterrichtet sind, den Mönchssittich, welcher freistehende Nester baut, nicht ausgeschlossen, trägt in gleicher Weise zu Neste. Meine Beobachtung oder Entdeckung erfüllte mich daher mit hoher Freude und erregte die Verwunderung aller Kundigen.
Wenige Tage nach Beginn des Eintragens der Niststoffe erfolgte die erste Begattung des einen Pärchens, einige Tage später die eines zweiten. Man kann schwerlich etwas ansprechenderes sehen als die tiefinnige, langwährende Vereinigung der Geschlechter, das Kosen vorher, die geschickte Stellung während des Paarens selbst, das glühende Begehren des Männchens, das hingebende Sichselbstvergessen des Weibchens, die Freudigkeit nach vollzogener Begattung, die zärtliche Dankbarkeit des einen Gatten gegen den anderen! Wann das erste Ei gelegt wurde, wie lange die Brütezeit, wie lange die Wiegenzeit der Jungen währt – dies alles vermag ich nicht zu sagen, weil ich den Vögeln durch Untersuchen ihres Nestes nicht hinderlich oder lästig werden wollte. Ich habe bloß erfahren, daß das Nest aus den abgespleißten Splittern sauber hergestellt wird und ungefähr zwei Dritteln einer hohlen Halbkugel gleicht, daß das weiße Ei sehr rundlich und verhältnismäßig groß ist, daß die zwei bis fünf Jungen zehn oder elf Wochen nach der ersten Paarung ausschlüpfen, und daß deren oben beschriebenes Kleid im dritten oder vierten Monate durch Verfärbung in das ihrer Eltern übergeht, aber erst im achten Monate des Lebens durch Vermauserung neugebildet wird, wogegen der anfangs schwärzliche Oberschnabel schon etwa vier Wochen nach dem Ausfliegen verbleicht. Geatzt wurden die Jungen von beiden Eltern, und zwar nicht allein mit Pflanzenstoffen, sondern auch mit Nachtigallenfutter, was die Folgerung erlaubt, daß die Alten in der Freiheit ihnen wahrscheinlich nebenbei Kerbthiere zutragen werden. Ihr Gebaren ist ganz das ihrer Eltern: sie bekunden deren Munterkeit, Regsamkeit und Achtsamkeit vom ersten Tage ihres Lebens an, bald auch deren Scheu und Vorsicht, lernen ihren Erzeugern bald die listige Art ab, sich zu verstecken und sind vom fünften Monate ihres Lebens an nicht mehr von jenen zu unterscheiden. Unmittelbar nach der ersten Brut, noch bevor die Jungen von dieser recht selbständig geworden sind, schreiten die Alten zur zweiten und, wie es scheint, letzten des einen Jahres.
Abgesehen von dem mitgetheilten, habe ich gelegentlich der Fortpflanzung des Rosenpapageies alle Beobachtungen gesammelt, welche man an brütenden Papageien zu machen pflegt. Meine Vögel bekundeten überaus große Zärtlichkeit gegen die eigenen, Feindseligkeit gegen die fremden Jungen ihrer Art, überfielen letztere, obgleich sie mit deren Eltern im besten Einvernehmen gelebt hatten und, von etwas Eifersucht und Mißtrauen abgesehen, auch während der Brutzeit lebten, und gingen ihnen in unverkennbar böswilliger Absicht zu Leibe, so daß ich sie vor ihren Angriffen retten mußte. Einige Weibchen gingen an Legenoth zu Grunde, und mehrere Bruten schlugen fehl; demungeachtet glaube ich, daß kein Zwergpapagei besser zum Stubenvogel sich eignet und wärmer empfohlen zu werden verdient als der Rosenpapagei.
Zu den Kurzschwanzpapageien zählt Finsch endlich noch die Zierpapageien ( Coryllis), welche von anderen als Loris angesehen werden. Sie sind meist noch kleiner als die Zwergpapageien und die Liliputaner innerhalb ihrer Ordnung; denn der kleinste aller Papageien (Coryllis exilis) gehört dieser Sippe an. Ihr Schnabel ist sehr schwach, viel länger als hoch, seitlich zusammengedrückt, der Oberschnabel auf der sanft gebogenen, in eine lange, sanft gekrümmte, dünne Spitze auslaufenden Firste kantig, der Unterschnabel niedriger als der obere und vor der Spitze schwach ausgebuchtet, die undeutliche Wachshaut bogig vortretend, das runde Nasenloch frei gelegen, der Fuß kurz und kräftig, der Flügel, welcher, zusammengelegt, mehr als die Hälfte des Schwanzes bedeckt, und unter dessen Schwingen die zweite alle anderen überragt, lang, die Flügelspitze weit vorragend, der etwas abgerundete Schwanz kurz, das Gefieder, von dessen lebhaft grüner Hauptfärbung rothe, gelbe oder blaue Flecke auf Oberkopf und Kehle sowie der stets rothe Bürzel abstechen, hart und dicht, aus weitstrahligen Federn bestehend.
Die Zierpapageien, etwas mehr als ein Dutzend verschiedene, unter sich sehr übereinstimmende Arten, sind Bewohner der indisch-malaiischen Länder und Inseln: ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Ceylon bis Malabar und von der Halbinsel Malakka bis Flores. Innerhalb dieses ausgedehnten Länderkreises treten sie auffallend vereinzelt auf; nur die Philippinen beherbergen vier Arten von ihnen und dürfen daher als ihr Hauptwohnsitz betrachtet werden. Ueber ihr Freileben mangelt eingehende Kunde; wir wissen nur, daß sie im engsten Sinne des Wortes Baumvögel sind, zuweilen in unzählbaren Schwärmen zusammenleben, von Beeren, Baumblüten, Knospen und Sämereien sich nähren, beim Ausruhen nach Art der Fledermäuse an den Beinen sich aufhängen, wenig, obwohl geschickt fliegen, ansprechend singen und in Baumhöhlungen ihre Jungen erbrüten. Von den Eingeborenen ihrer Heimatländer werden sie oft und gern in Gefangenschaft gehalten, zählen aber zu den hinfälligen Arten und gelangen daher selten in unsere Käfige.
Da ich das Glück gehabt habe, einen Ziersittich länger als zwei Jahre zu pflegen, wähle ich ihn zum Vertreter der Gruppe. Das Blaukrönchen, wie ich das reizende Vögelchen nennen will ( Coryllis galgulus, Psittacus galgulus, pumilus und flavigulus, Psittacula galgula und cyaneopileata, Loriculus galgulus und pumilus), »Silindit« oder »Silinditum« der Javanen, »Serindit« der Sumatraner, »Serendak«, »Sindada« und »Beizung Slinde« der Malaien, »Talisok« der Dajakers, ist etwa ebenso groß wie unser Feldsperling, das Gefieder vorherrschend grasgrün, ein runder Fleck auf der Scheitelmitte dunkel ultramarinblau, ein dreieckiger, mit der Spitze nach unten gerichteter Fleck auf dem Rücken orangefarben, ein großer, länglich runder Querfleck auf der Kehle, wie die Bürzel- und oberen Schwanzdeckfedern, brennend scharlachroth, ein schmaler Querstreifen auf dem Unterrücken, über dem rothen Bürzel, wie die Säume der unteren Schenkelseitenfedern, hochgelb; die Schwingen sind innen schwarz, unterseits wie die Schwanzfedern ebenda, meerblau, ihre unteren Deckfedern grün. Der Augenstern hat dunkelbraune, der Schnabel einfarbig schwarze, die Wachshaut hellgraue, der Fuß graulichgelbe Färbung. Das etwas lichter als das Männchen gefärbte Weibchen zeigt, anstatt des blauen, einen grünen Scheitel- sowie einen kleineren, bläulichgrünen Oberrückenfleck und entbehrt des rothen Kehlfleckes. Beim jungen Vogel ist das Gefieder düsterer, der Scheitelfleck nur angedeutet und weder der Rücken- noch der Kehlfleck vorhanden.
So viel bis jetzt nachgewiesen werden konnte, lebt das Blaukrönchen ausschließlich auf Borneo, Sumatra, Banka und der Südspitze Malakkas. Ueber das Freileben gibt nur Salomon Müller, welcher die lieblichen Vögel im Süden Borneos beobachten konnte, einige Nachrichten. Der thätige und kenntnisreiche Reisende fand unseren Zierpapagei bei den Dajakers als beliebten Käfigvogel, gewöhnlich gesellschaftlich eingebauert in einem runden drehbaren Käfige aus Bambusrohr, welcher durch das Klettern des Papageien in Bewegung gesetzt wird. In der Freiheit nährt er sich von Baumknospen, zarten Sprossen und Baumblüten, zumal denen der Erythrinen; in der Gefangenschaft erhält er gekochten Reis und ab und zu rohe Bananen, welche er gern verzehren soll. Im übrigen bemerkt Müller nur noch, daß man den kleinen Vogel zwischen dem grünen Laube und den rothen Blüten der Erythrinen schwer wahrzunehmen im Stande sei. Ueber das Fortpflanzungsgeschäft ist nichts bekannt.
Zu meiner Freude gelang es mir mehrmals, gefangene Blaukrönchen zu erwerben. Ein Pärchen habe ich jahrelang gepflegt und sein Betragen und Gebaren in meinen »Gefangenen Vögeln« geschildert. Da diese Beschreibung die einzige ausführliche und verläßliche ist, welche wir besitzen, muß ich wohl oder übel das dort gesagte hier wiederholen. Die Blaukrönchen und wohl alle Ziersittiche überhaupt, gehören unbedingt zu den liebenswürdigsten Gliedern ihrer Ordnung. Sie müssen als allerliebste Geschöpfe bezeichnet werden, bekunden harmlose Zuthunlichkeit, sind regsam, nicht aber stürmisch und schwatzen singend oder singen schwatzend, ohne durch lautes, gellendes Geschrei oder Gekreisch abzustoßen. Alle Bewegungen erfolgen mit ungewöhnlicher Leichtigkeit und Zierlichkeit. Eilfertig, trippelnden, nicht aber watschelnden Ganges, rennen sie über den Boden dahin; ohne Bedenken wagen sie einen Sprung von einer, für die kurzen Beinchen bedenklichen Weite; rasch und gewandt klettern sie, Schnabel und Füße mit derselben Sicherheit gebrauchend, am Gitter empor.
Der Flug, welchen ich, obschon in beschränktem Maße, im Gesellschaftskäfige beobachten konnte, ist leicht und anscheinend mühlos, so rasch auch die Schwingen bewegt werden. Das polternde Geräusch, welches ein auffliegender Zwergpapagei verursacht, habe ich von ihnen nicht vernommen. Um auszuruhen, verweilen sie bloß ausnahmsweise in der üblichen Stellung, nehmen vielmehr regelmäßig, beim Schlafen stets die Lage der rastenden Fledermaus an, indem sie mit den Beinen an der Decke des Käfigs oder einem dürren Sitzzweige sich anklammern und nicht allein den Leib, sondern auch den Kopf gerade herabhängen lassen, so daß der Rücken, der eingezogene Hals, der Scheitel und der Schnabel eine gerade Linie bilden, während der Schwanz, wohl um nicht anzustoßen, schief nach hinten und oben gerichtet und das Gefieder lässig gesträubt wird. Die schmucken Thierchen erhalten in dieser Lage ein gänzlich anderes Aussehen als sonst: sie erscheinen noch einmal so dick als während des Sitzens, förmlich kugelig. Oft hängt sich der eine oder der andere nur an einem Beine auf und zieht das andere so weit ein, daß die geschlossene Klaue eben noch sichtbar ist, wechselt auch wohl ab, um das eine Bein zeitweilig zu entlasten. Erschreckt flüchten sie stets zur Decke empor, gleichsam, als ob sie sich am sichersten fühlten, wenn sie sich aufgehängt haben. In dieser Lage werden auch unbedeutende Geschäfte erledigt, beispielsweise die Federn ein wenig geordnet, ebenso einige Behaglichkeit ausdrückende Laute hergeplaudert, obschon das eine wie das andere regelmäßiger im Sitzen geschieht. Fühlt der Zwergpapagei das Bedürfnis, sich zu entleeren, so wird der Schwanz ein wenig mehr als sonst gestelzt, der Leib etwas gebogen und hierauf der meist in einem umhäuteten Klümpchen bestehende Unrathballen gegen dreißig Centimeter weit weggeschleudert. Im Zustande tieferer Ruhe oder während des Schlafes bläht sich die kleine Gestalt noch mehr auf als außerdem, und schließen sich die Lider bis auf einen kleinen Spalt. Daß die Zwergpapageien auch alle übrigen Stellungen, welche Sittichen möglich sind, und zwar mit spielender Leichtigkeit annehmen, bedarf kaum besonderer Erwähnung: kopfoberst und kopfunterst gilt ihnen vollständig gleich. Die beschriebene Fledermausstellung ist jedoch diejenige, welche man am häufigsten sieht und so bezeichnend, daß ich vorschlagen würde, die Vögel »Hänge-« oder »Fledermauspapageien« zu nennen, erschiene mir dieser Name ebenso ansprechend wie sie selber.
Die geistigen Anlagen der Ziersittiche dürften mit denen der Zwergpapageien annähernd auf einer und derselben Stufe stehen. Die Blaukrönchen sind harmlos und mit Bewußtsein zutraulich. Sie lernen bald ihren Pfleger und dessen Familienglieder kennen, lassen sich weder durch ihn, noch durch diese im geringsten stören, gestatten, daß man dicht an ihren Käfig tritt, zeigen sich auch dann nicht ängstlich, wenn man letzteren hin- und herträgt, gehen meist nicht einmal aus ihrer hängenden Stellung in eine andere über. Sie erkennen fremde Leute recht wohl, vertrauen aber auch ihnen, während sie das Erscheinen eines Hundes in die größte Aufregung versetzt. Doch geberden sie sich, nach Art kleiner Papageien überhaupt, niemals so ausdrucksvoll wie ihre größeren Ordnungsverwandten, zetern auch nicht, wenn sie erregt werden, wie dies selbst die Zwergpapageien zu thun pflegen. Ihr Betragen ist in jeder Hinsicht ruhig und gemessen; sie leben, so zu sagen, still vor sich hin. Beide Gatten des Paares vertragen sich ausgezeichnet gut; keiner aber erweist dem anderen ersichtliche Zärtlichkeiten: das gegenseitige Nesteln im Gefieder, das Schnäbeln und anscheinende Küssen anderer Papageien habe ich bei ihnen niemals beobachtet. Eine größere Gesellschaft von Ziersittichen, welche ich sah, lebte ebenfalls im tiefsten Frieden; als ich jedoch zu meinem Pärchen noch ein Männchen setzte, geberdete sich jenes wohl mehr aus Furcht vor dem neuen Ankömmlinge als infolge eifersüchtiger Regung, äußerst unruhig. Demungeachtet glaubte ich auch in diesem Falle eine gewisse Neugier, wie sie ihnen eigen, wahrnehmen zu können.
Höchst ansprechend ist der Gesang des sonst ziemlich schweigsamen Männchens. Mit dem Schlage eines Finken kann er sich freilich in keiner Weise messen, besteht vielmehr aus schwatzenden, schwirrenden, zwitschernden und einigen pfeifenden Lauten, wird aber mit soviel Behagen vorgetragen und wirkt so anmuthend, daß man ihn recht gern hört. An Reichhaltigkeit sowie an Wendungen und Vertönungen steht er dem Gesange des Wellensittichs vielleicht etwas nach, schwerlich aber, für mein Ohr entschieden nicht, in der Gesammtwirkung. Der Sänger pflegt sich während des Vortrages hoch aufzurichten, den Hals so viel als möglich zu strecken und trotzdem die rothen Kehlfedern zu sträuben, so daß deren Bewegungen jene der Kehlmuskeln wiedergeben oder doch andeuten. Jeder einzelne Vortrag währt eine bis zwei Minuten; dann tritt eine kurze Pause ein, und das singende Geschwätz beginnt von neuem. Im Winter geschieht es nicht selten, daß der singfertige Vogel, nachdem er stundenlang geschwiegen, auch wohl ein wenig geschlafen, noch in später Abendstunde bei Lampenlicht ein Liedchen anhebt. Das Weibchen, welches dann und wann denselben Lockton wie das Männchen, ein scharfes »Zit« vernehmen läßt, hört dem Gesange des Gatten ohne merkliche Erregung, scheinbar sogar theilnahmlos zu, frißt während dem unbehelligt weiter, klettert auf und nieder, hängt sich zur Ruhe an, putzt sich etc., treibt es, mit einem Worte, nach Belieben, ohne das Weibchen zu beirren, da dieses, wie man glauben muß, mehr zu seinem Vergnügen als in der Absicht singt, die Gattin zu erheitern.
Glanz oder Kanariensamen, welcher wohl während der Seereise gereicht worden sein mag, in Stückchen geschnittenes Obst und frische Ameisenpuppen bildeten das Futter der von mir gepflegten Ziersittiche. Hierbei befanden sie sich wohl und überstanden die Mauser, ohne von ihrer Lebhaftigkeit etwas einzubüßen, auch ohne ihr Kleid irgendwie zu verändern, gelangten jedoch nicht zur Fortpflanzung. Andere Stücke derselben Art, welche ich erwarb, starben bald nach ihrer Ankunft; gleichwohl meine ich nicht, daß sie insgemein hinfälliger seien als Zwergpapageien oder Plattschweifsittiche. Ich vermag also nicht, mich der Ansicht anzuschließen, daß sie die Gefangenschaft nicht ertragen sollten, bin auch überzeugt, daß man sie selbst in unseren Käfigen früher oder später zur Brut schreiten sehen wird.
Oceanien scheint für die Vögel ein wahres Eden zu sein. Die dort lebenden Säugethiere sind verkümmerte Gestalten, welche eben nur an die vollkommeneren anderer Erdtheile erinnern, die Vögel hingegen, welche den gedachten Erdtheil ihre Heimat nennen, und zum großen Theile in wunderbarer Farbenpracht prangen, ebenso vollkommen gebildet als irgendwo anders. Keine einzige dieser Familien verleiht dem Erdtheile ein so bestimmtes Gepräge wie die Papageien. Zwischen dem grünen Laubwerke der Gummibäume schimmern, wunderbaren Blüten vergleichbar, die blendenden Kakadus hervor; von den gelbblühenden Akazien hernieder leuchten mit den lebhaftesten Farben geschmückte Plattschweifsittiche, und um die Blüten der Bäume tummeln sich die honigsaugenden Pinselzüngler in ewig beweglichen Gruppen, während die kleinen Graspapageien die oft trostlosen Ebenen des Inneren freudig beleben. Wie bei uns die Schwalben durch die Straßen der Städte und Dörfer huschen, schwirren in Australien Flüge von Papageien über dieselben Wege dahin, und wie unsere Sperlinge auf den Landstraßen sich tummeln, sieht man dort sie gleichsam vertretende Papageivögel in buntem Gewimmel den Boden bedecken. Wenn der einsam wohnende Landwirt seine Ernte eingeheimst, erscheinen Flüge dieser Thiere, welche nach Hunderten von Stücken zählen, vor den Thoren der Scheuern, wie bei uns die Tauben, und suchen in dem ausgedroschenen Strohe nach den letzten Körnern umher. Dichterisch fühlende Reisende sind begeistert von dem ewig wechselnden Schauspiele, welches die Prachtvögel gewähren; der Ansiedler hingegen haßt sie von Grund seines Herzens, weil sie nur zu oft in sein Besitzthum verwüstend einfallen, und schießt sie mit derselben Gleichgültigkeit zusammen, mit welcher bei uns ein Bauer unter die räuberischen Spatzen feuert.
Unter den mehr als sechzig bestimmten verschiedenen Papageiarten, welche Australien bevölkern, nehmen die Kakadus einen hohen Rang ein. Sie bilden eine ziemlich scharf in sich abgeschlossene Gruppe der Papageien und werden deshalb mit Recht in einer besonderen Familie oder von denen, welche in der gesammten Ordnung nur eine solche sehen, mindestens in einer Unterfamilie ( Plictolopphinae ) vereinigt. Ihr am meisten in die Augen fallendes Merkmal ist die aufrichtbare Federhaube, welche den Kopf schmückt, und dieses eine Kennzeichen genügt auch, sie von allen übrigen Papageien zu unterscheiden.
Australien, die Papuländer und einige indisch-malaiische Eilande sind die Wohnsitze der Kakadus. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von den Philippinen bis Tasmanien und von Timor und Flores bis zu den Salomonsinseln. Innerhalb dieses Kreises beherbergen fast alle Länder und Inseln Kakadus; einzelne Arten verbreiten sich jedoch über weite Landstriche oder über mehrere Eilande, während die Mehrzahl ein auffallend beschränktes Wohngebiet zu haben scheint. Hier leben die meisten Arten in großen, oft ungeheueren Scharen, welche sich in Waldungen verschiedenen Gepräges ansässig machen, von hier über die Fluren und Felder dahinstreichen und den Beschauern unter allen Umständen ein zauberhaft erhabenes Schauspiel gewähren. Selbst der Forscher stimmt gern in die dichterischen Worte der Reisebeschreiber ein, welche dieses Schauspiel gar nicht hoch genug rühmen können. »Mitten in dem massigen Schatten des dunkelsten Laubwerks treiben weiße Kakadus ihr Spiel gleich Geistern des Lichtes«, so sagt Mitchell von einer Art dieser Vögel, und »ihr hochrother Fittig und ihre glühenden Hauben wandeln die Höhen, in denen sie leben, zu Gefilden von üppigster Wonne«, von einer zweiten Art. Man muß selbst Umstrickung durch all den Zauber, welchen die Pflanzenwelt unter den Wendekreisen auf den Nordländer übt, empfunden, und erfahren haben, daß alle Pracht der Pflanzen doch erst durch die belebten Wesen, welche wir zu unseren Lieblingen erkoren, befähigt wird, ihre volle Wirkung zu äußern; man muß selbst von dem paradiesischen Wirrwarr einer durch den Menschen noch nicht behelligten Vogelwelt berauscht worden sein, um in solchen Aeußerungen nur den Erguß eines tief empfundenen Gefühles und nicht eine schwülstige Uebertreibung zu erkennen.
In ihrem Wesen und Treiben ähneln die Kakadus den übrigen Papageien. Sie gehören aber zu den liebenswürdigsten von allen. Wenn sie in Massen von tausenden zusammen leben, mag ihr unangenehmes Geschrei allerdings so betäubend werden können, daß sie die Gunst des Menschen verscherzen; wenn man jedoch den einzelnen Vogel kennen lernt, wenn man sich mit ihm befreundet, gewinnt man ihn lieb. Alle Kakadus sind kluge und verständige, die meisten ernste und sanfte Vögel. Ihre geistige Begabung ist außerordentlich entwickelt, ihre Neugier ebenso groß wie ihr Gedächtnis, die Eigenart des einzelnen bemerkenswerth. Kaum zwei von ihnen haben genau dasselbe Benehmen. Der Kakadu befreundet sich gern und innig mit den Menschen, zeigt weniger Tücke, als andere Papageien, und erkennt dankbar die ihm gespendete Liebe, welche er von jedem in gleicher Weise zu begehren scheint. Erst schlimme Erfahrungen machen ihn unfreundlich und unliebenswürdig. Man mag sich hüten, einen Kakadu von sich abzuwenden; denn sein vortreffliches Gedächtnis bewahrt die empfangenen Eindrücke treulich jahrelang auf. Er vergißt empfangene Beleidigungen schwer oder nicht, und das einmal erwachte Mißtrauen kann kaum wieder besänftigt werden; ja, es geschieht nicht selten, daß der beleidigte Vogel sogar rachsüchtig sich zeigt und später den, welcher ihm eine Unbill zufügte, gefährdet. Dieser Charakterzug ist vielleicht der einzig unangenehme, welchen der Kakadu bekundet; im allgemeinen ist mildes Wesen bei ihm vorherrschend. Er will lieben und geliebt sein und bekundet dies seinem Pfleger bald auf alle erdenkliche Weise. Hat er sich einmal mit dem Loose seiner Gefangenschaft ausgesöhnt und an einen Menschen angeschlossen, so läßt er sich gerne von diesem und bald von allen anderen streicheln, neigt willig seinen Kopf, sobald man Miene macht, ihn zu liebkosen, lüftet sein Gefieder der Hand förmlich entgegen. Es mag sein, daß ihm ein behagliches Gefühl erwächst, wenn man mit den Fingern in seinem Gefieder nestelt und aus der zwischen den dünn stehenden Federn leicht erreichbaren nackten Haut reibt und kraut; jene Willigkeit gewinnt jedoch stets den Anschein vergessender Hingebung und muß deshalb bestechen. »Ich besitze«, so schreibt mir Linden, »einen Kakadu, dessen Zahmheit und Zutraulichkeit jede Beschreibung übertrifft. Wenn auch im Wesen der Papageien immer etwas Tücke liegt und man sich bei dem zahmsten von ihnen gelegentlich auf einen Hieb gefaßt machen kann, sei es, indem man ihre Bosheit, ihre Eifersucht oder ihren Widerwillen weckte, so bildet dieser eine Ausnahme. In den zehn Jahren, seitdem er in meinem Besitze ist, hat er sich stets als dasselbe liebenswürdige Geschöpf bewiesen. Er läßt alles mit sich thun und beträgt sich immer wie ein gut geartetes Kind. Höchstens, wenn man seinem Genossen zu lange schmeichelt, regt sich Eifersucht in ihm und er streicht sich dann mit einem Fuße über Hals und Kopf, um seinen Wunsch, auch geschmeichelt zu werden, zu erkennen zu geben.«
Aber der Kakadu besitzt noch andere gute Eigenschaften. Sein hochbegabter Geist bekundet sich nicht bloß in einem vortrefflichen Gedächtnisse, sondern auch durch eine große Gelehrigkeit. Er wetteifert hierin mit den begabtesten aller Papageien. Auch er lernt mit ziemlicher Leichtigkeit und Fertigkeit sprechen, verbindet verschiedene Worte in sinngebender Weise und wendet ganze Sätze bei passender Gelegenheit an, läßt sich abrichten zu Kunststücken mancherlei Art: ein sehr hoher Verstand ist nicht zu verkennen.
»Wohl keine Sippe der Sittiche insgemein«, bemerkt Linden ferner, »verdient den Namen ›gefiederte Affen‹ mehr als die Kakadus. Dies zeigt sich insbesondere auch in der Lust, alles nachzuahmen. Was in einem Nachbarkäfige geschieht, erregt ihre Aufmerksamkeit, und wenn sie es vermögen, thun sie es nach, ungewöhnliche Bewegungen und Geberden oder Stimmlaute ebensowohl wie uns angenehme oder unangenehme Handlungen. Einer meiner Gelbwangenkakadus läuft in gewissem, gleichmäßigem Takte auf seiner Sitzstange hin und her, tanzt, turnt und treibt allerlei Künste. Alles dies wird von den anderen nachgeahmt, zuerst vielleicht stümperhaft, später besser, zuletzt so ausgezeichnet, daß der ursprüngliche Lehrmeister sich übertroffen sehen muß. Wie erheiternd dieses Gebaren auf den Beschauer wirkt, läßt sich nicht schildern. Es liegt in der Nachahmung ein gewisser Muthwille und zugleich Eifer, etwas ebenso gut oder noch besser auszuführen. Wird von einem ein Futtergeschirr losgebrochen und als Spielball im Käfige umhergeworfen, so ruht der Nachbar nicht, bis auch er dasselbe gethan hat. Er bekundet dabei eine Kraft und Beweglichkeit des Schnabels ohnegleichen; denn dieses eine Werkzeug wird als Hammer, Zange, Schraubenzieher benutzt und leistet erstaunliches. Mit aller List habe ich Futtergeschirre befestigt, sie mit Draht um die Eisenstäbe gewunden, von außen mit Mutterschrauben fest angezogen etc.; aber meine Kakadus wissen den Schraubenwindungen ganz gut entgegenzuarbeiten und bringen früher oder später alles los. Meine Käfige bestanden vormals aus Drahtgeflecht; allein es war immer nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein enggeflochtener Theil losgetrennt und dann die Oeffnung rasch genug erweitert wurde, um das Durchschlüpfen, behufs Verübung von allerlei Unfug, zu ermöglichen.« Die Lust zum Zerstören ist, wie ich hinzufügen will, bei Kakadus besonders ausgeprägt, und die Leistungen der Vögel übertreffen in der That alle Vorstellungen. Sie zernagen, wie ich aus eigener Erfahrung verbürgen kann, nicht allein Bretter von fünf bis sechs Centimeter Dicke, sondern sogar Eisenblech von einem Millimeter Stärke; sie zerbrechen Glas und versuchen selbst das Mauerwerk zu durchhöhlen. Von gewöhnlichen Vogelketten, welche sie an einen Ständer befestigen sollen, befreien sie sich mit Leichtigkeit. Die sinnreichsten Vorkehrungen, um sie an der Flucht zu verhindern, schützen wohl manchmal, aber keineswegs immer. Fiedler schreibt mir, wie ich bereits in den »Gefangenen Vögeln« erzählt habe, daß sie selbst eine doppelt, also gegeneinander wirkende Schraube aufzudrehen verstehen. Dies alles trägt dazu bei, uns einen hohen Begriff von ihrem Verstande zu geben.
Die natürliche Stimme der Kakadus ist ein abscheuliches, unbeschreibliches Kreischen. Die Laute »Kakadu«, welche die meisten in bestechend zarter Weise aussprechen und mit denen sie auch regelmäßig ihre freundschaftlichen Gesinnungen oder ihre Hingebung an den Pfleger ausdrücken wollen, sind nichts anderes als ihnen angelernte Worte. Letzteres hat Bernstein, welcher Kakadus vielfach in der Freiheit beobachten konnte, mitgetheilt und Finsch wiederholt. Um mir Gewißheit hierüber zu verschaffen, wandte ich mich an den Thierhändler Hagenbeck und erfuhr von ihm, wie ich ebenfalls schon in meinen »Gefangenen Vögeln« erwähnt habe, das nachstehende: »Am regelmäßigsten habe ich das Wort ›Kakadu‹ von den aus Indien stammenden Arten gehört; aber die australischen sagen es ebenfalls. Ja, ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu können, daß man es von allen Arten überhaupt vernehmen kann. Jedoch waren es immer zahme Vögel, welche ihren Namen sprachen. Von wilden, welche man bekanntlich sehr leicht als alt gefangene oder doch vernachlässigte erkennt, hörte ich die Worte nie und zwar ebenso wenig von indischen wie von australischen Arten. Vor kurzem erhielt ich vierzehn Gelbwangenkakadus, von denen nicht ein einziger ›Kakadu‹ sagte. Endlich muß ich bemerken, daß die australischen Arten das Wort ›Kakadu‹ englisch aussprechen und ebenso oft ›pretty cokey‹ sagen, was doch unbedingt beweist, daß sie wenigstens die betreffenden Worte erst in der Gefangenschaft gelernt haben.« Vollste Aufklärung hierüber gibt mir von Rosenberg. »Ich muß bemerken«, schreibt er mir, »daß das Wort ›Kakatua‹ von wildlebenden Vögeln niemals vernommen wird und auch nicht vernommen werden kann, weil es erst den jung gefangenen angelernt wird. Es ist malaiischen Ursprungs und bedeutet ›Alter Vater‹ (Kaka, Vater, tua, alt). Diejenigen Vögel also, welche es aussprechen, stammen entweder aus malaiischen Ländern oder sind jung in die Hände von Malaien gelangt.« Durch diese Bemerkung Rosenbergs wird mir auch die zarte Betonung der betreffenden Worte verständlich: es mögen, nein, es müssen Frauen und Kinder sein, welche das Lehramt bei den srischgefangenen Vögeln übernehmen.
Wie andere Papageien leben auch die Kakadus im Freien in Gesellschaften, welche selbst während der Brutzeit noch in einem gewissen Vereine bleiben. Die Nacht verbringen sie wohlverborgen in den dichtesten Kronen der höchsten Bäume; den Morgen begrüßen sie mit weithin tönendem Geschrei. Dann erheben sie sich und fliegen mit leichten Schwingenschlägen, viel schwebend und gleitend, dahin, irgend einem Fruchtfelde oder einem anderen, nahrungversprechenden Orte zu. Sie beuten ihr Gebiet nach Möglichkeit aus. Früchte, Körner und Sämereien bilden wohl ihre Hauptnahrung; nebenbei fressen sie aber auch kleine Knollen und Zwiebeln, welche sie mit dem langen Oberschnabel sehr geschickt aus dem Boden graben, oder sie nehmen Pilze auf und verschlingen außerdem, wie die Hühner thun, kleine oder mittelgroße Quarzstücke, jedenfalls aus demselben Grunde wie andere Körnerfresser, um die Nahrung zu zerkleinern. Der Kropf und Magen der getödteten enthält stets die verschiedensten Nahrungsstoffe durcheinander. Auf frisch gesäeten Feldern und im reifenden Mais können sie höchst empfindlichen Schaden anrichten. Sie sind mit Ausnahme der Mittagsstunden während des ganzen Tages in Thätigkeit und achtsam auf alles, was vorgeht. Jedes neue Ereignis wird mit Geschrei begrüßt; namentlich wenn ein Flug sich niedergelassen hat und ein anderer vorüberkommt, erhebt sich ohrenzerreißender Lärm, dessen Mißtöne man sich einigermaßen vorstellen kann, wenn man das Geschrei einiger wenigen Gefangenen durch eigene Erfahrung kennen gelernt hat. Sobald ein Flug sich gesättigt hat, kehrt er wieder nach dem Ruheorte im Walde zurück und verweilt nun eine zeitlang wenigstens verhältnismäßig ruhig, um zu verdauen. Dann geht es zum zweiten Male nach Nahrung aus, und mit einbrechender Nacht versammelt sich die Masse wiederum auf dem gewohnten Schlafplatze.
So ungefähr leben die Scharen bis zur Brutzeit. Nunmehr trennen sie sich in Paare, und jedes derselben sucht nun eine paffende Höhlung zur Aufnahme des Nestes aus. Dieses findet sich je nach den Umständen in Baumhöhlen aller Art, namentlich in hohlen Aesten, aber auch in den Spalten der Felsen. Steile Felswände an den Flüssen Südaustraliens werden alljährlich von tausenden unserer Vögel besucht, in gleicher Weise wie die Klippen der nordischen Meere von den in noch größeren Mengen auftretenden Möven. Man behauptet, daß einzelne dieser Wände von den Papageien ganz durchlöchert seien, und die Kraft und Festigkeit des Schnabels läßt Arbeiten im Gestein in der That glaublich erscheinen. Das Gelege besteht immer nur aus zwei, höchstens drei rein Weißen, etwas spitzigen Eiern, welche denen einer Zwerghenne ungefähr an Größe ähneln, aber durch ihren Glanz hinlänglich sich unterscheiden. In welcher Weise das Brutgeschäft besorgt und die Jungen aufgefüttert werden, ist mir nicht bekannt. Auch Buxton, welcher wohl Gelegenheit gehabt hätte, bei seinen freigelassenen Vögeln Beobachtungen in dieser Richtung zu sammeln, sagt nichts hierüber.
Freundschaften zwischen zwei verschiedenartigen Kakadus sind etwas durchaus gewöhnliches, und wenn die Freunde beiden Geschlechtern angehören, bildet sich zwischen ihnen regelmäßig ein Liebesverhältnis heraus, welches früher oder später zu einem innigen Ehebunde wird. Beide Genossen oder Gatten Pflegen dann ebenso unzertrennlich nebeneinander zu sitzen wie die Zwergpapageien und sich mit Zärtlichkeiten aller Art zu überhäufen. In Lindens Vogelhause hat sich ein riesiger Gelbwangenkakadu einem kleinen Ducorpkakadu gesellt und erweist der erwählten Genossin eheliche Liebkosungen. »Schon wiederholt«, schreibt mir Linden, »habe ich die Paarung beobachtet. Die Zärtlichkeit, welche derselben vorgeht und nachfolgt, ist auffallend. Beide umhalsen sich gegenseitig, umschlingen sich förmlich mit den Flügeln und küssen sich wie zwei Verliebte. Zum Eierlegen haben sie es jedoch noch nicht gebracht, und alle Nistkästen, welche ich ihnen gab, verfielen binnen wenigen Stunden ihrem unermüdlichen Schnabel.« Daß auch das entgegengesetzte stattfindet und verschiedenartige Kakadus erfolgreich sich fortpflanzen, haben wir oben gesehen.
Des Schadens wegen, welchen die oft in so großer Menge auftretenden Kakadus den Landwirten zufügen, werden sie in ihrer Heimat eifrig verfolgt und zu Hunderten erlegt. Erfahrene Reisende erzählen, daß sie, wenn sie feindliche Nachstellungen erfahren, sich bald ungemein vorsichtig zeigen, wie andere Papageien auch oder wie die Affen, mit wirklicher List ihre Raubzüge ausführen und deshalb schwer oder nicht von den Feldern zu vertreiben sind. In eigenthümlicher Weise betreiben die Eingeborenen die Jagd auf diese Vögel. »Vielleicht«, erzählt Kapitän Grey, »kann es kein fesselnderes Schauspiel geben, als die Jagd der Neuholländer auf Kakadus. Sie benutzen hierzu die eigenthümliche, unter dem Namen ›Bumerang‹ bekannte Waffe, ein sichelartig geformtes, plattes Geräthe aus hartem Holze, welches mit der Hand mehr als dreißig Meter weit geschleudert wird, die Luft in kurzen Kreisen durchschneidet und trotz der vielfachen Abweichungen von dem geraden Wege mit ziemlicher Sicherheit das Ziel trifft, dieselbe gefährliche Waffe, welche auch von den Innerafrikanern in Holz und Eisen hergestellt wird. Ein Eingeborener verfolgt einen starken Flug unserer Vögel im Felde oder im Walde, am liebsten da, wo hohe, prachtvolle Bäume ein Wasserbecken umgeben. Solche Orte sind es hauptsächlich, welche die Kakadus aufsuchen, und hier sieht man sie oft in unzählbaren Scharen versammelt, kletternd im Gezweige oder fliegend von Baum zu Baum. Hier pflegen sie auch ihre Nachtruhe zu halten. Der Eingeborene schleicht mit Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln zu solchen Lachen herbei, drückt sich von einem Baume zum anderen, kriecht von Busch zu Busch und gibt sich die größte Mühe, die wachsamen Vögel so wenig als möglich zu beunruhigen. Aber so lautlos sein federnder Gang auch ist, die Kakadus nehmen ihn doch wahr, und ein allgemeiner Aufruhr bekundet das Nahen des gefährlichen Feindes. Die Vögel wissen, daß Gefahr im Anzuge ist; sie sind nur noch ungewiß über sie. So kommt der Verfolger zuletzt bis an das Wasser heran und zeigt unverhüllt seine dunkle Gestalt. Mit ohrenzerreißendem Schreien erhebt sich die weiße Wolke in die Luft, und in demselben Augenblicke schleudert der Neuholländer seine Waffe unter sie. Der Bumerang tanzt in den wunderbarsten Sprüngen und Drehungen über das Wasser hin, erhebt sich aber im Bogen mehr und mehr und gelangt bald genug mitten unter die Vögel. Eine zweite, dritte, vierte gleichartige Waffe wird nachgesandt. Vergeblich versuchen die geängsteten Thiere zu entrinnen: der scheinbar regellose Flug des Geschosses macht sie verwirrt und lähmt ihre Flucht. Einer und der andere kommt mit dem Bumerang in Berührung und wird zu Boden geworfen, sei es, indem die sausende Waffe ihm den Hals abschlägt oder einen Flügel zertrümmert. Schreiend vor Schmerz und Grimm stürzt einer der fliegenden zu Boden, und erst wenn der dunkle Jäger seinen Zweck erfüllt hat, besinnt sich die Masse und fliegt schreckerfüllt davon oder sucht in den dichtesten Baumkronen Zuflucht.«
Das Fleisch der erlegten wird als erträglich wohlschmeckend bezeichnet, und namentlich die Suppe, welche man von ihm bereitet, sehr gerühmt.
Daß die Kakadus auch leicht gefangen werden können, beweisen die vielen, welche lebend zu uns kommen. Allerdings ertragen gerade sie bei einfacher Nahrung die Gefangenschaft ohne Beschwerde und sind deshalb vortrefflich geeignet, weite Reisen zu überstehen; wenn man aber bedenkt, daß man in Deutschland aus dritter und vierter Hand einen Kakadu für wenige Mark unseres Geldes kaufen kann, ergibt sich von selbst, daß er an Ort und Stelle sehr niedrig im Preise stehen muß.
Bei geeigneter Pflege hält der Kakadu auch in Europa viele Jahre lang aus: man kennt Beispiele, daß einer länger als siebzig Jahre im Bauer lebte. Seine Haltung erfordert wenig Mühe; denn er gewöhnt sich nach und nach an alles, was der Mensch ißt. Doch thut man wohl, ihm nur die einfachsten Nahrungsstoffe zu reichen: Körner mancherlei Art, gekochten Reis und etwas Zwieback etwa, weil er bei zu reichlichem Futter leicht allzu fett wird oder auch mancherlei Unarten annimmt, welche dann schwer auszurotten sind. Wer sich ihn zum Freunde gewinnen will, muß sich viel und eingehend mit ihm beschäftigen, ihm liebevoll entgegentreten und ihm manche Unart verzeihen. Unter guter Pflege wird früher oder später jeder Kakadu zahm und lohnt dann durch die treueste Anhänglichkeit die auf ihn verwendete Mühe. Doch darf man sich nicht verleiten lassen zu glauben, daß er, unter so glücklichen Verhältnissen er auch leben möge, jemals vergessen könnte, wozu ihm die Schwingen gewachsen sind. »Daß selbst lange Zeit in Gefangenschaft gehaltene Papageien, welche anscheinend nur klettern oder hüpfen können«, so schreibt mir Linden ferner, »im ersten Augenblicke ihres Freiwerdens aus dem Käfige von ihrer ungeschwächten Flugkraft den umfassendsten Gebrauch zu machen wissen, sollte ich an einem Gelbwangenkakadu erfahren. Ich hatte die Unklugheit, ein sehr großes Gebauer, in welchem er und sein bereits erwähnter Genosse, um nicht zu sagen Buhle, schon seit lange in guter Freundschaft lebten, in das Freie zu stellen. Eines Morgens beim Füttern entkam mir besagter Kakadu unbemerkt unter dem Arme weg. Im nächsten Augenblicke schon saß er auf dem höchsten Baume des Gartens, entfaltete seine Flügel, richtete seine gelbe Haube empor und nahm sich in der frühen Morgenstunde prachtvoll aus. Ich rief ihn mit den besten Worten, streckte ihm sein Lieblingsfutter empor; er aber hatte keinen Sinn mehr für alles, und nachdem er kurze Zeit in den schwankenden Zweigen geklettert, schwang er sich plötzlich mit Geräusch und Geschrei in die Höhe, flog höher und immer höher, so daß ich ihn kaum mehr mit den Augen verfolgen konnte und nahm dann die Richtung nicht über den nahen Bodensee, wie ich befürchtete, sondern nach der Landzunge, welche sich von hier aus eine Wegstunde lang in den See erstreckt. Mein sofortiges Suchen nach ihm war umsonst, obwohl ich jeden Obstbaum, das Weidengestrüpp und die Pappeln längs der Ufer genau durchforschte. Am Abend hatte ich die Hoffnung aufgegeben und konnte mir nicht anders denken, als daß er dennoch über den See in die Waldungen des anderen Ufers entkommen sei. Doch ging ich am nächsten Morgen noch vor Tagesanbruch nochmals zum Suchen aus und glaubte wirklich nach kaum einer Viertelstunde Weges seine Stimme zu hören, folgte derselben und entdeckte ihn in einem Obstgarten, wo er sich belustigte, Zweige in ganz bedeutender Menge von den Bäumen abzureißen. Mein Rufen beantwortete er; als ich jedoch Hülfe und eine Leiter geholt hatte, auf welcher einer den Baum erkletterte, flog er auf den nächsten, beschrieb plötzlich wieder eine weite Schraubenlinie, stieg höher und höher auf und ließ sich endlich ganz oben auf der höchsten Pappel, hart am Ufer nieder. Ihn aus solcher Höhe herabzulocken, schien mir unmöglich. Doch hatte ich seinen geliebten Genossen in einem kleinen Käfige mitgenommen und setzte letzteren auf den Boden, einen anderen leeren aber nebenan. Beide riefen sich, gaben sich gegenseitig Antwort, und endlich kam der Flüchtling aus seiner Höhe, zuletzt auch auf den Boden herab. Ein zufällig vorübergehender Mann verscheuchte ihn zum zweiten Male, und im Nu saß er wieder auf dem alten Standpunkte. Mir war die Geduld ausgegangen. Ich stellte daher eine Wache ganz in die Nähe und kehrte ohne Hoffnung nach Hause zurück. Allein kaum eine Viertelstunde später wurde mir der Flüchtling überbracht. Seine Genossin hatte ihn an sich gelockt, er der alten Freundschaft und Anhänglichkeit nicht zu widerstehen vermocht. Seit diesem Ausfluge befindet er sich längst wieder unter gutem Verschluß und lebt nach wie vor mit seinem Kameraden in größter Freundschaft.«
Vorstehende Schilderung bezieht sich im wesentlichen auf die Kakadus im engeren Sinne des Wortes ( Plictolophus ), große oder mittelgroße, also ungefähr zwischen Krähen- und Dohlengröße schwankende, sehr gedrungen gebaute Papageien. Die Kennzeichen der Sippe, von welcher bis jetzt sechzehn, nach anderen achtzehn Arten unterschieden wurden, sind folgende: der sehr kräftige Schnabel ist meist ebenso hoch, selten höher als lang, seitlich flach gewölbt und sehr deutlich zusammengedrückt, die Firste bis zur Spitze rundlich abgeflacht, zuweilen durch eine schwache Längsrinne ausgetieft, der Oberschnabel stark im Bogen und mit der Spitze nach innen gekrümmt, vor der meist ansehnlichen, zuweilen weit vorragenden und überhängenden Spitze mit einer tiefen gerundeten Ausbuchtung versehen, der Unterschnabel niedriger als der obere, an den Seitentheilen flach, an der bogig aufsteigenden Dillenkante breit, am Endtheile der sonst glatten Schneidenränder bogig in die Höhe gekrümmt. Der sehr starke Fuß zeichnet sich durch die Kürze des Laufes und die kräftigen, mit sichelförmigen Nägeln bewehrten Zehen aus. Der Fittig, in welchem die dritte oder vierte Schwinge die anderen überragt, ist lang und spitzig, die Flügelspitze meist wenig vorragend, der Schwanz mittelmäßig breit, am Ende gerade, schwach ab- oder sanft ausgerandet, das Gefieder, welches einen mehr oder minder breiten Kreis um das Auge freiläßt, aus breiten, am Ende abgerundeten, seidenartig weichen Federn zusammengesetzt und durch die aus den verlängerten Stirn- und Oberkopffedern gebildete, sehr verschiedenartig gebaute Haube ausgezeichnet, seine vorherrschende Färbung weiß, die der Haube dagegen bunt.
Die Sippe umfaßt den Kern der Unterfamilie und diejenigen Arten, welche das Gepräge derselben am deutlichsten zur Schau tragen. Ihr Verbreitungsgebiet dehnt sich fast über alle oben angegebenen Länder und Inseln aus, wo überhaupt Kakadus vorkommen; ihre Lebensweise ist die bereits geschilderte.
Der Molukkenkakadu ( Plictolophus moluccensis, Psittacus moluccensis, rosaceus und malaccensis, Cacatua moluccensis, rosacea, erythrolophus und rubrocristatus), »Golabi-Kakatua« der Hindus, dürfte als würdigster Vertreter der Sippe allen übrigen obenangestellt werden. Er ist neben einem australischen Verwandten die größte Art und trägt ein weißes, blaß rosenroth überhauchtes Kleid von hoher Schönheit, welchem die siebzehn Centimeter langen, mennigrothen, durch weiße gedeckten Federn der Haube zu hohem Schmucke gereichen. Die Wurzelhälfte der Schwingen und des Schwanzes sind unterseits gelblich, der Augenstern ist tief braun, der kleine Augenkreis graublau oder bläulichweiß, der Schnabel wie der Fuß schwarz, grau überpudert, bei freilebenden pflaumenblau angehaucht. Im Freileben nimmt, laut brieflicher Mittheilung von Rosenbergs, das zarte Rosenroth des Gefieders mit dem Alter so an Tiefe zu, wie man es an gefangenen Vögeln niemals sieht.
Ueber das Freileben des Molukkenkakadu danke ich der Freundlichkeit von Rosenbergs eingehende Mittheilungen, welche meinen Lesern um so willkommener sein dürften, als wir bisher in dieser Beziehung noch nicht das geringste wußten. »Der Molukkenkakadu«, so schreibt mir der erfahrene Reisende, »bewohnt so gut als ausschließlich die Insel Ceram. Nur sehr selten fliegt er einmal auf die zwei ganze Minuten südlicher gelegene Insel Amboina hinüber: ich meinestheils habe ihn hier bloß ein einziges Mal beobachtet und auch erlegt. Auf Amboina und bei den Strandbewohnern Cerams führt er den Namen ›Katalla‹. In seiner Heimat gehört er zu den gewöhnlichen Erscheinungen. Hauptsächlich er ist es, welcher sowohl an der Küste wie im Inneren, in der Ebene wie im Gebirge den stillen Wald der im allgemeinen an Vögeln nicht reichen Insel belebt. Einen prächtigen Anblick gewährt es, ihn, unstreitig den schönsten seiner Gattung, in seinem Thun und Treiben zu beobachten. Sein Flug ist geräuschvoll, kräftig, führt in gerader Richtung dahin, wird auch zuweilen, namentlich wenn man den Vogel aufgescheucht hatte, mit lautem Geschrei begleitet. Man sieht unseren Kakadu auf dem Boden wie auch in den höchsten Baumkronen und zwar stets beschäftigt, ebenso auch beständig auf seine Sicherheit bedacht. In einsamen Gebirgswäldern ist er allerdings leicht zu beschleichen, in bewohnten Gegenden aber, zumal da, wo er vielfache Nachstellungen erfahren mußte, außerordentlich scheu. Gewöhnlich sieht man ihn paarweise, nach der Brutzeit jedoch ebenso in Flügen, und zu solchen schart er sich stets, wenn es gilt, ein Fruchtfeld zu plündern. Nach Aussage der Eingeborenen hält das Männchen Zeit seines Lebens treu zum erwählten Weibchen. Getreide, Körner und verschiedene Baumfrüchte bilden die Nahrung.
»Gegen Ende der trockenen Jahreszeit sucht sich das Weibchen eine passende Baumhöhlung, arbeitet dieselbe mehr oder weniger sorgfältig aus und legt auf den zu Boden herabgefallenen Spänen und Mulmstücken drei bis vier glänzend weiße Eier von etwas mehr als vier Centimeter Länge, welche binnen fünfundzwanzig Tagen ausgebrütet werden. Die Jungen legen schon im Neste das Kleid ihrer Eltern an. Von den eingeborenen Alfuren, welche gute Baumsteiger sind, werden die Jungen häufig ausgehoben, gezähmt und dann verkauft. Auf Ceram gilt das Stück einen holländischen Gulden und weniger, auf Amboina zwei bis drei Gulden.«
Man darf wohl sagen, daß der gefangene Molukkenkakadu alle Eigenschaften seiner Familie und Sippe insbesondere in sich vereinigt. Er ist ein Prachtvogel, welchen man um so lieber gewinnt, je länger man mit ihm verkehrt. Fast immer gelangt er bereits gezähmt in unseren Besitz, und wenn er auch etwas unwirsch ankommen sollte, so fügt er sich, dank seiner außerordentlichen Klugheit, doch bald in seine veränderte Lage und erkennt ihm gespendete Freundlichkeiten ungemein dankbar an, belohnt sie auch mit hingebender Zärtlichkeit. Aber er ist ein geistig lebhafter, reger und infolge dessen sehr beweglicher Vogel. »Selbst wenn er ruhig auf seiner Sitzstange sitzt«, bemerkt Linden mit vollstem Rechte, »beweist er wenigstens durch Erheben und Senken seiner prachtvollen Haube, daß er alles beobachtet, was um ihn vorgeht, und wenn er irgendwie in Aufregung geräth, erhebt er nicht bloß die lang herabfallenden Federn derselben, sondern sträubt zugleich die des Halses, Nackens und der Brust, welche dann wie ein großer Kragen von ihm abstehen, breitet die Flügel zur Hälfte und den Schwanz, bis er als Fächer erscheint, und gewährt so einen geradezu prachtvollen Anblick. Die rothen Haubenfedern gleichen leuchtenden Flammen, die Federn rund um den Unterschnabel werden zu einem Barte, und die gelüfteten Flugwerkzeuge tragen dazu bei, den ganzen Vogel als ein Bild selbstbewußter Stärke erscheinen zu lassen. Steigert sich seine Aufregung, so bewegt er sich auf das lebhafteste, ohne das gesträubte Gefieder zu glätten, und wenn er sich dann in einem weiten Käfige oder einem größeren Flugraume befindet, schwingt er sich auf seiner Sitzstange hin und her und entfaltet dabei nicht nur seine vollste Schönheit, sondern auch alle Kunstfertigkeit eines vollendeten Turners. Mein Molukkenkakadu ist ein ebenso prachtvoller wie anmuthiger, ebenso stolzer wie zärtlicher Vogel und unzweifelhaft seiner Schönheit sich bewußt. Sein Geschrei ist niemals so durchdringend wie bei Gelbwangen- oder Inkakakadus, nach meinem Dafürhalten eher wohllautend, seine Begabung zum Sprechen nicht geringer als bei jeder anderen Art. Sehr herzlich weiß er eine Anrede zu erwidern, und wenn ich ihm die Thüre öffne und ihm seinen Kopf und Flügel streichele, legt er sein Gesicht an das meinige und spricht in sanftestem Tone: ›Kakadu, guter Papagei, gelt ein guter, guter.‹ Wäre ich ein geduldigerer Lehrmeister, es würde nicht schwer halten, ihm viel mehr beizubringen. Eine rasche Bewegung, ungewohntes Geräusch oder plötzlicher Anblick eines fremdartigen Gegenstandes erschreckt ihn oft heftig. Doch ermannt er sich bald wieder und gewöhnt sich rasch an neues. Gegen andere Kakadus ist er niemals abstoßend, aber auch nicht zu freundlich. Dagegen sitzt er auf seiner geöffneten Käfigthüre gern einige Zeit neben einem blaustirnigen Amazonenpapagei, welchen er zwar oft liebkost und schnäbelt, aber noch öfter in verschiedenster Weise zu necken sucht, ohne jemals seine Ueberlegenheit geltend zu machen. Es ist Muthwillen, welchen er an dem Verwandten auslassen will, nichts weiter, und er läßt davon sogleich ab, wenn es dem Spielkameraden zu bunt wird und dieser ihn in dem Käfige beißt. Gern würde ich ihm besagten Amazonenpapagei als immerwährenden Spielgenossen lassen. Aber die Amazone lebt in einem sehr innigen Verhältnisse mit einer kleinen Arara, welche so eifersüchtig ist, daß ich beide unmöglich trennen kann.
»An die Nahrung stellt der Molukkenkakadu nicht mehr Ansprüche als irgend ein anderer seiner Verwandtschaft. Dagegen verlangt er, wie es scheint, öfter als diese ein Bad und nutzt daher seinen großen Wassernapf in der ausgibigsten Weise aus. Sein Behagen am Bade gipfelt, wenn er sich nach Herzenslust im Wasser herumwälzen kann. Auch ein reichlicher Guß, welcher ihn von oben herab trifft, gefällt ihm wohl. Erst wenn er pudelnaß geworden ist, verläßt er seine Badewanne, und dann thut man wohl, sich in einige Entfernung von ihm zurückzuziehen, bis er sich genügend geschüttelt hat.«
Unter den australischen Arten tritt der Inkakakadu ( Plictolophus Leadbeateri ) und crythropterus, Cacatua und Lophochroa Leadbeateri), »Jakkul« der Eingeborenen Australiens, durch seine Schönheit besonders hervor. Sein weißes Gefieder ist am Vorderkopfe, an der Stirn und den Halsseiten, auf der Mitte und Unterseite der Flügel, der Bauchmitte und auf dem Wurzeltheile der Innenfahne der Schwanzfedern rosa-, und unter den Flügeln schön lachsroth. Prächtig ist die Haube. Die einzelnen Federn sind hochroth an der Wurzel, gelb gefleckt in der Mitte und weiß zugespitzt am Ende. Bei niedergelegter Haube sieht man nur die weißen Spitzen; sowie aber der Vogel seinen Schopf aufrichtet, tritt das brennende Roth leuchtend hervor, und die gelben Mittelflecke vereinigen sich dann zu einem Bande, durch welches die Haube nur noch schöner wird. Der Augenring ist lichtbraun, der Schnabel lichthornfarbig, der Fuß dunkelbraun. Das Weibchen unterscheidet sich durch weniger lebhafte Färbung der Unterseite und kleinere gelbe Flecke in den Federn der Haube. In der Größe steht der Inkakakadu hinter dem Molukkenkakadu zurück, ist namentlich schlanker gebaut.
Nach Gould ist dieser Prachtvogel weit über den Südwesten Australiens verbreitet, hält sich aber vorzugsweise an die hohen Gummibäume und an das Buschholz, welches im Inneren des Landes die Ufer der Flüsse bekleidet, und läßt sich niemals in der Nähe des Strandes sehen.
An den Ufern des Darring und Murray soll er häufig sein, an der Nord- und Nordwestküste Australiens dagegen fehlen. Zur Brutzeit erscheint er alljährlich an bestimmten Plätzen und zwar in großer Menge. Die eintönigen Wälder des Inneren belebt er in der angenehmsten Weise. Seine Stimme ist mehr klagend als die seiner Verwandten und hat nicht den rauhen Ausdruck derselben. Die Pracht des Vogels reißt jeden, welcher ihn sieht, zum Entzücken hin. Auf ihn sind die oben angeführten Worte Mitchells zu beziehen.
Der Inkakakadu ziert die reichste Papageiensammlung und erfreut jedermann ebensowohl durch seine anmuthige Farbenpracht, wie durch die Liebenswürdigkeit seines Wesens. Die Gefangenschaft verträgt er ebensogut als irgend ein anderer seiner Familie. Einzelne Liebhaber wollen beobachtet haben, daß er noch sanfter und gutmüthiger wäre.
Zwei Kakaduarten unterscheiden sich von den übrigen durch ihren sehr gestreckten Schnabel, dessen Obertheil ungewöhnlich verlängert ist, und sind daher in einer besonderen Sippe vereinigt worden, dürfen mindestens als Vertreter einer Untersippe, der Langschnabelkakadus ( Licmetis), aufgefaßt werden. Wir erkennen in ihnen die Erdvögel der Familie.
Der Nasenkakadu ( Plictolophus nasica, Licmetis nasica, nasicus und tenuirostris, Psittacus nasicus und tenuirostris, Cacatua nasica und tenuirostris zeigt noch die vorherrschende Färbung seiner Sippschaftsgenossen und wenigstens eine kleine aufrichtbare Federholle am Vorderkopfe. Seine Länge beträgt fünfundvierzig, die Fittiglänge siebenundzwanzig, die Schwanzlänge elf Centimeter; die Breite finde ich nicht angegeben. Der Schnabel mißt längs der Firste gegen fünf Centimeter. Beide Geschlechter sind gleichgefärbt. Das Gesammtgefieder ist weiß, die Schwingen sind unterseits auf der Innenfahne blaß, die Steuerfedern ebenda lebhafter schwefelgelb. Alle Federn des Kopfes und Halses bis zur Oberbrust sind wie die Dunen zinnoberroth am Grunde, weiß an der Spitze. Ein Band über die Stirne, welches bis zum Unterschnabel herabreicht und über das Auge hin brauenartig verläuft, zeigt dieselbe Färbung, und ebenso kommt das Roth auf der Brust in einem Querbande zum Vorscheine. Das dunkelbraune Auge wird von einer nackten schieferblauen Stelle umgeben, welche ihrerseits oben durch die erwähnte rothe Braue, hinten und unten aber durch einen, wie Stirnband und Augenbraue aus strahligen Federn bestehenden, rothgelben Federkranz eingefaßt ist. Der Schnabel ist licht horngelb, der Fuß aschgrau. Sämmtliche Federn der Wangengegend können gesträubt werden.
Gould nimmt mit Recht zwei verschiedene Nasenkakadus an, von denen der eine auf Westaustralien und Neusüdwales, der andere auf Port Philippe und Südaustralien beschränkt ist. Hier bewohnt der Nasenkakadu mehr das Innere als die Nachbarschaft der Küste. Auch er sammelt sich in großen Flügen, welche des Nachts und in den Mittagsstunden auf den hohen Waldbäumen verweilen, sonst aber sich viel auf dem Boden umhertreiben, indem sie hüpfend, jedoch ziemlich langsam umherlaufen. Der Flug dagegen ist reißend schnell, viel leichter und besser als der anderer Kakadus. Die Nahrung besteht allerdings auch noch in Körnern und Sämereien, vorzugsweise aber doch in Knollen und Zwiebeln verschiedener Pflanzen, namentlich auch der Orchideen, zu deren Ausgrabung der Vogel seinen langen und so sonderbar gestalteten Schnabel vortrefflich zu benutzen versteht. Das Brutgeschäft bietet nichts absonderliches dar. Die beiden weißen Eier, welche denen des gehäubten Kakadus ähnlich sind, werden meist auf einem Lager faulen Holzes im Boden einer Baumhöhle der großen Gummibäume gelegt.
Der Nasenkakadu erträgt die Gefangenschaft ohne Beschwerde. In Europa ist er namentlich in der letzten Zeit häufiger eingeführt worden als früher; demungeachtet gehört er nirgends zu den häufigen Vögeln in den Sammlungen. Schon Gould bemerkt, daß der gefangene Nasenkakadu mürrischer und reizbarer sei als andere Verwandte; ich muß mich dieser Ansicht anschließen. Der Vogel gewöhnt sich in der Regel schwer an seinen Pfleger, tritt diesem anfänglich oft recht unwirsch entgegen, weist versuchte Liebkosungen thatkräftig zurück, gestattet weder Berührungen, noch anderweitige Annäherung und läßt sich durch alles ungewohnte erregen, selbst zu hell loderndem Zorne reizen. Er sträubt dann die kleine, hufeisenförmig gestaltete Federholle auf der Stirn, so daß der prächtige rothe Federgrund hier ganz vors Auge tritt, nickt wiederholt und heftig mit dem Kopfe, bewegt kauend den Schnabel und kreischt endlich wüthend auf. In seinem Kreischen klingt ebenfalls das Wort »Kakadu« wieder; dasselbe wird aber ganz anders betont, als bei seinen Verwandten. Diese sprechen es bekanntlich sehr sanft und zusammenhängend; der Nasenkakadu dagegen stößt die beiden ersten Silben kreischend hervor, so daß sie eher wie »kai« als »ka« klingen und hängt ihnen dann erst ein wohllautendes »du« an.
Auffallend ist die Leichtigkeit, mit welcher unser Papagei seinen Schnabel nach allen Richtungen hin bewegen kann. Kein anderer besitzt in den beiden Kiefern ähnliche Gelenkigkeit und Biegsamkeit. Der Schnabel des Nasenkakadus ist die vollendetste natürliche Greifzange, welche es gibt.
Zur Rechtfertigung des Nasenkakadu muß ich vorstehendem hinzufügen, daß auch er sehr zahm werden kann und selbst sprechen lernt. Ein Freund von mir kannte einen unserer Vögel, welcher nicht nur viel Worte und Sätze zu sprechen wußte, sondern sie auch verständig gebrauchte; im Thiergarten zu Antwerpen lebte ein zweiter, welcher zum allgemeinen Liebling der Besucher geworden war, weil er sich förmlich mit diesen unterhielt. Seine Bekannten grüßte er regelmäßig, wenn er sie von fern erblickte, und ihnen gegenüber zeigte er sich auch nicht im geringsten mürrisch oder übellaunisch.
Als die nächsten Verwandten der geschilderten Art dürfen wir wohl die Langschwanzkakadus ( Caloyptorrhynchus) betrachten, meist sehr große Arten von Raben- bis Dohlengröße herab, welche, ihrer langen Flugwerkzeuge halber, noch größer aussehen, als sie thatsächlich sind. Der auffallend kräftige Schnabel ist höher als lang, in einem Halbkreise herab und mit der kurzen Spitze nach innen gekrümmt, der Oberschnabel an der Wurzel breit und stark gewölbt, auf der Firste scharf gekielt, gegen die Spitze zu seitlich zusammengedrückt, vor derselben mit einer tiefen, sanft gerundeten Ausbuchtung versehen, der Unterschnabel niedriger als der obere, sehr breit, mit auffallend breiter Dillenkante und geraden, an der Spitze hakig in die Höhe gekrümmten Ladenschneiden, der Fuß stark, durch kurze, nackte Läufe und kräftige, mit starken, langen, sichelförmigen Nägeln bewehrte Zehen ausgezeichnet, der Fittig lang und spitzig, in ihm die dritte Schwinge die längste, die Flügelspitze weit vorragend, der Schwanz lang, breit und stark abgerundet, das weiche Gefieder, welches meist einen breiten Augenkreis und einen Theil der Zügel freiläßt, aus breiten, am Ende abgerundeten Federn gebildet und am Hinterkopfe zu einer nach hinten gekrümmten, selten hohen Haube verlängert. Im Gegensatze zu den Kakadus ist die vorherrschende Färbung des ausgebildeten Kleides ein stahlglänzendes Schwarz, welches meist durch eine rothe oder gelbe Schwanzbinde oder einen lebhaft gelben Ohrfleck gehoben wird. Das Kleid des Weibchens und der jungen Vögel unterscheidet sich dadurch von dem des Männchens, daß die Unterseite gelb oder röthlich quer gewellt und die Schwanzbinde quer gebändert und gefleckt ist, Haube, Backen und Oberflügeldecken aber meist punktirt sind.
Als Verbindungsglied der Kakadus und Rabenkakadus darf der Helmkakadu ( Calyptorrhynchus galeatus, Psittacus galeatus, fimbriatus und phoenicocephalus, Cacatua galeata, Coryodon und Banksianus galeatus, Callocephalon australe und galeatum), nach Ansicht einzelner Forscher Vertreter einer besonderen Untersippe ( Callocephalum), bezeichnet werden. Der Vogel, welcher einem mittelgroßen Kakadu ungefähr gleichkommt, ist dunkel schieferschwarz schwarz, licht quer gewellt, weil jede Feder am Ende einen schmalen, hell graulichweißen Saum trägt; Kopf, Nacken, Backen und Haube prangen in prachtvollem Scharlachroth; die Armschwingen zeigen außen düster erzgrüne Säume; die Unterdeckfedern und die Unterseite der Schwingen und des Schwanzes sind grauschwarz. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel hornweiß, der Fuß schwärzlich. Bei jungen Vögeln, vielleicht auch alten Weibchen, ist das Gefieder dunkel schieferbraungrau, und sind die Federn der Oberseite an der Wurzel und in der Mitte durch eine weißliche Querbinde und einen schmalen, mennigrothen Endsaum, die der Unterseite durch undeutliche, aschgraue Endränder, die des Schwanzes und die Schwingen in der Wurzelhälfte durch verwaschene, hellgraue Querbinden gezeichnet, Kopf und Haube fast einfarbig schiefergraubraun.
Ueber das Freileben des Helmkakadu fehlen zur Zeit noch eingehende Berichte, und auch über das Gefangenleben vermag ich wenig zu sagen, obgleich ich den Vogel mehrfach bei Vogelhändlern und in Thiergärten gesehen habe. Gould berichtet, daß er in den Waldungen an der Südküste Australiens und auf einigen benachbarten Inseln sowie in den nördlichen Theilen von Vandiemensland vorkomme, woselbst er die höchsten Bäume bewohne und die Samen verschiedener Gummibäume genieße; Peron fand ihn auf der Kingsinsel, und das Museum zu Sidney besitzt ihn von dem Moretonbusen. Auf unserem Thiermarkte gehört er immer noch zu den Seltenheiten. Haltung und Bewegung, Sitten und Gewohnheiten sind die anderer Kakadus; ich wenigstens habe niemals besondere Unterschiede finden können. Schmidt bezeichnet ihn als einen ernsten, mürrischen Vogel, welcher sich begnügt, alles freundliche Zureden und Darbieten von Leckerbissen mit kurzen, knarrenden Lauten zu beantworten und höchstens gegen den vorgehaltenen Finger einige wuchtige Schnabelhiebe führt, von denen der Käfig dröhnt, in der Regel aber steif und gerade auf seiner Stange sitzt und nur schwer und unter Widerstreben in Bewegung versetzt werden kann, auch zum Zahmwerden nicht die mindeste Neigung zeigt. Andere Pfleger, beispielsweise Linden, rühmen seine Zutraulichkeit, seine erheiternden Bewegungen und die Sanftheit, mit welcher auch von ihm das Wort »Kakadu« ausgesprochen wird. Man sieht hieraus, daß der Vogel den Kakadus im engeren Sinne des Wortes näher steht als jeder andere seiner Unterfamilie.
Genauer als über den Helmkakadu sind wir über andere Mitglieder seiner Sippe unterrichtet. Als eigentlicher Vertreter derselben darf der Rabenkakadu oder »Gering-Gora« der Eingeborenen Australiens ( Calyptorrhynchus Banksi, Leachi, Temminckii, Cookii und macrorhynchus Psittacus Banksi, magnificus, funereus, Cookii und Leachi, Cacatua Banksi, Banksianus australis) angesehen werden. Er übertrifft alle bisher genannten Kakadus an Größe: seine Gesammtlänge beträgt ungefähr siebzig, die Fittiglänge zweiundvierzig, die Schwanzlänge dreißig Centimeter. Das Gefieder, mit alleiniger Ausnahme der Schwanzfedern, ist beim Männchen glänzend schwarz, grünlich schimmernd, beim Weibchen grünlich schwarz, am Kopf, an den Halsseiten und auf den Flügeldecken gelb gefleckt, auf der Unterseite blaßgelb gebändert. Ein breites scharlachrothes Band zieht sich bei dem Männchen mitten über den Schwanz, läßt jedoch die beiden mittelsten Schwanzfedern und die Außenfahne der beiden seitlichen Federn frei. Bei dem Weibchen verlaufen breite gelbe, rothgelb gesprenkelte Bänder in derselben Weise, und auch die unteren Schwanzdeckfedern sind derartig gezeichnet.
Die Rabenkakadus sind ausschließlich in Neuholland zu Hause, hier aber auf verschiedene Strecken des Erdtheiles vertheilt. Gould führt sechs Arten auf und gibt von ihnen auch eine ziemlich ausführliche Lebensbeschreibung. Aus dieser ersehen wir, daß sich die verschiedenen Arten im wesentlichen ähneln, und somit dürfte es gerechtfertigt sein, wenn ich hier nicht ausschließlich von dem Banksschen Rabenkakadu, sondern von allen Arten überhaupt spreche.
Die Rabenkakadus sind echte Baumvögel, welche sich hauptsächlich von dem Samen der Gummi- und anderer Bäume ihres Vaterlandes nähren, gelegentlich aber auch, abweichend von anderen Papageien, fette Maden verzehren. Im Gegensatze zu den übrigen Kakadus halten sie sich nur in kleinen Gesellschaften von vier bis acht Stück zusammen, welche nur zuweilen, namentlich wenn sie wandern oder streichen, Flüge bilden. Jeder Theil des Erdtheiles, von der Nordküste an bis Vandiemensland,besitzt seine eigene Art. Der beschriebene Rabenkakadu gehört Neusüdwales an und findet sich hauptsächlich in den Landstrichen zwischen der Moreton Bai und Port Philipp. In unmittelbarer Nachbarschaft von Sidney und anderen großen Städten ist er noch heutigentages nicht selten. Sein Flug ist schwerfällig; die Flügel werden schlaff und mit Beschwerde bewegt. Er steigt selten hoch in die Luft, fliegt jedoch demungeachtet zuweilen meilenweit in einem Zuge. Dabei stößt er oft seine Stimme aus, welche von der rauhen anderer Kakadus verschieden, d.h. wenig kreischend ist. Andere Arten haben sich durch ihren Ruf die Namen erworben, welche ihnen die Australier gegeben haben. Einige lassen im Fluge ein eigenthümlich weinerliches Geschrei hören, andere schreien, wenn sie sitzen und fressen, wie unsere Raben. Auf dem Boden bewegen sie sich ziemlich schwerfällig, wie andere Papageien auch, in den Kronen der Bäume dagegen geschickt, obwohl immer langsam.
Ueber die Begabungen und das geistige Wesen der Vögel theilt Gould wenig mit. Die meisten Arten sind, wahrscheinlich aber bloß infolge der vielfachen Nachstellungen, welche sie erleiden, sehr scheu und mißtrauisch. Nur wenn sie fressen, vergessen sie oft ihre Sicherheit. Ihren Gefährten sind sie mit treuer Liebe zugethan. Wenn einer getödtet oder verwundet worden ist, verlassen die übrigen nur selten den hülflosen; sie fliegen vielmehr um ihn herum, setzen sich auf die benachbarten Bäume, schreien kläglich und opfern sich so rückhaltslos auf, daß der Jäger, welcher sich diese hingebende Anhänglichkeit zu Nutze macht, den ganzen Flug nach und nach erlegen kann.
Eigenthümlich ist die Art und Weise, wie sich die Rabenkakadus ernähren. Einige Arten haben die Gewohnheit, beim Fressen die kleinen Zweige der dortigen Fruchtbäume abzuschneiden, anscheinend aus Muthwillen, und alle benutzen ihren starken Schnabel, um versteckt lebende Kerbthiere, namentlich Larven, aus dem Holze herauszuarbeiten. Die großen Raupen, welche sie von den Gummibäumen auflesen, genügen ihnen nicht immer; sie befehden auch, wahrscheinlich durch den Geruch geleitet, die tief im Holze arbeitenden Maden, schälen geschickt die Rinde der Aeste ab und nagen erstaunlich große Höhlungen in die Zweige, bis sie auf die gesuchte Beute gelangen. Einige Arten scheinen Kerbthiernahrung jeder anderen Speise vorzuziehen, die anderen halten sich mehr an Sämereien und namentlich an die Samen der Kasuarinen und Banksien. Früchte scheinen sie zu verschmähen; sie üben aber ihren Uebermuth auch an diesen, indem sie sie abbeißen, noch bevor sie reif sind, zum großen Aerger und Schaden der Einwohner.
Soviel man bis jetzt weiß, brüten die Rabenkakadus ausschließlich in Baumhöhlen. Sie erwählen dazu immer die höchsten und unzugänglichsten Bäume, regelmäßig solche, an denen selbst die Eingeborenen nicht emporklettern können. In der Höhlung bereiten sie sich kein eigentliches Nest, sondern sammeln höchstens die behufs der Ausglättung abgebissenen Späne am Boden an. Die zwei bis fünf weißen Eier, welche sie legen, sind ziemlich groß, 4,5 Centimeter lang und 4 Centimeter dick. Ueber Brutgeschäft und Erziehung fehlen Berichte.
Außer dem Menschen sollen Raubbeutelthiere und große Raubvögel den Rabenkakadus mit Erfolg nachstellen. Ihr Fleisch wird von den weißen Bewohnern Neuhollands nicht, von den Eingeborenen dagegen, wie alles genießbare, welches das arme Land bietet, sehr hoch geschätzt.
Gefangene Rabenkakadus sind seltene Erscheinungen unseres Thiermarktes; sie dauern auch im Käfige meist nur kurze Zeit aus. Der Eindruck, welchen sie auf den Beobachter machen, ist kein günstiger. Sie sind viel ruhiger und offenbar in jeder Beziehung minder begabt als ihre lichtfarbenen Verwandten. Ihre gewöhnliche Haltung ist eine unschöne, fast wagerechte; nur in tiefster Ruhe richten sie sich auf, sehen aber auch dann noch steif und unbeholfen aus. Ihre hauptsächlichste Beweglichkeit entfalten sie im Gehen auf dem Boden und Hin- und Herlaufen auf einem Zweige. Wie die meisten australischen Papageien überhaupt gehen sie mit trippelnden Schritten, ziemlich rasch, fast rennend, und führen auf einem Zweige tanzende Bewegungen aus, welche den großen dunklen Vögeln absonderlich genug zu Gesichte stehen. Beim Klettern packen sie langsam und vorsichtig einen Stab ihres Käfiges oder einen Ast mit dem Schnabel, ziehen den schweren Leib anscheinend mühselig in die Höhe, setzen die Füße an und suchen mit dem Schnabel neuen Halt zu gewinnen. An glatten Stäben vermögen sie nicht emporzuklimmen, und wenn sie zum Boden herabkommen wollen, brauchen sie auffallend lange Zeit, gerade als ob sie sich beständig fürchteten, herabzufallen, rutschen auch in der That unter ersichtlicher Angst oft an den Stäben hernieder. Stellungen, wie sie die turnenden Kakadus mit Behagen einnehmen, sind ihnen fremd; kopfunterst sieht man sie fast nie an einem Zweige kleben. Hält man sie in einem großen Fluggebauer, so erwählen sie sich eine bestimmte Stelle, einen leicht zu erklimmenden Ast z. B., bleiben so lange sie nicht fressen, auf demselben sitzen und führen höchstens einige tanzende Bewegungen aus, wobei sie rasch mit dem Kopfe nicken, ohne jedoch dabei den Ernst ihres ganzen Wesens einen Augenblick zu verleugnen. Eine Lieblingsbeschäftigung von ihnen besteht darin, irgend einen benachbarten Ast zu benagen; aber auch hierbei beschränken sie sich möglichst auf eine und dieselbe Stelle und nehmen nicht, wie andere Papageien, bald nacheinander verschiedene in Angriff. Zum Fliegen entschließen sie sich selbst in einem weiten Fluggebauer nur im größten Nothfalle, und wenn sie es wirklich thun, fallen sie in der Regel plump zu Boden herab, weil sie die Entfernungen nicht richtig zu schätzen wissen. Hiermit in gewisser Beziehung scheint es zu stehen, daß sie in heftiger Erregung ihre Flugwerkzeuge nicht lüften, vielmehr darauf sich beschränken, die Gesichtsfedern zu sträuben. Oft lassen sie ihre Stimme vernehmen, gewöhnlich ein lautes und undeutliches, heiser klingendes »Krru« oder »Grru«, welches dem bekannten Rufe des Kranichs ähnelt, jedoch bei weitem leiser ist. Auch vernimmt man dann und wann ein sanftes »Gäeh«, welches Behaglichkeit auszudrücken scheint. Sie schlafen länger und gehen früher zur Ruhe als andere Papageien, sind dafür aber während des ganzen Tages munter. Vor dem Schlafengehen schreien sie nicht, wie ihre Verwandten dies bekanntlich stets zu thun pflegen, sind im Gegentheile noch stiller als gewöhnlich, stecken endlich den Kopf zwischen die Schulterfedern und bekümmern sich nun nicht mehr um die Außenwelt. Mit ihresgleichen vertragen sie sich keineswegs gut, geben sich vielmehr als zänkische Gesellen zu erkennen, sind aber so feige, daß sie sich durch den kleinsten Papagei in die Flucht schlagen lassen. Nähert sich ihnen ein solcher, so schreien sie etwas lauter als sonst, nicken heftig mit dem Kopfe und suchen so schleunig als möglich zu entfliehen. Bemerkenswerth ist ihre Unreinlichkeit: sie putzen ihr Gefieder niemals mit besonderer Sorgfalt, gleichviel ob sie sich selbst beschmutzt haben oder von anderen beschmutzt worden sind. Ihre Nahrung in der Gefangenschaft beschränkt sich auf wenige Körnerarten, namentlich Hanf und Hafer. Letzteren lieben sie besonders dann, wenn er geschält wurde. Gekochter Mais behagt ihnen wohl auch, rohen lassen sie liegen, als wären sie nicht im Stande, ihn mit ihren ungeheueren Schnäbeln zu zerkleinern. Dagegen fressen sie sehr gern Engerlinge und Schnecken, auch wohl Regenwürmer, erstere und letztere ohne Vorbereitung, die Schnecken, nachdem sie deren Haus zertrümmert und den Inwohner sorglich herausgeschält haben.
Auf Neuguinea und den benachbarten Inseln, namentlich auf Salawati, Misul, Waigiu und den Aruinseln, auch Australiens Nordspitze, lebt ein Papagei, welchen man ebenfalls zu den Kakadus rechnet: der Ararakakadu ( Microglossus aterrimus, alecto, griseus und Goliath, Psittacus aterrimus, gigas und Goliath, Cacatua aterrima, intermedia und alecto, Microglossum aterrimum und alecto, Solenoglossus ceylonicus). Der Vogel zählt zu den größten aller Papageien, und sein Schnabel ist der gewaltigste, welcher einen von ihnen bewehrt. Dieser riesige Schnabel ist länger als der Kopf, viel länger als hoch, stark seitlich zusammengedrückt, der Oberschnabel im Halbkreise herabgebogen und in eine lange, dünne, nach innen gekrümmte Spitze ausgezogen, vor derselben mit einem rechtwinkeligen Vorsprunge versehen, an welchen die Spitze des von jenem nicht umschlossenen, durch seine breiten Laden und die rechtwinkelig von diesen abgesetzte Dille ausgezeichneten Unterschnabels stößt. Der an und für sich kräftige, verhältnismäßig aber dennoch schwache Fuß hat kurzen, bis über die Fußbeuge nackten Lauf und mittelmäßig lange Zehen. In dem ziemlich langen Fittige ist die Flügelspitze sehr kurz und unter den Schwingen die vierte die längste. Der lange und breite, seitlich etwas verkürzte Schwanz besteht aus sehr breiten, am Ende abgerundeten, das ziemlich weiche Gefieder, mit Ausnahme der zugespitzten, die Haube bildenden, aus ähnlich gestalteten Federn; die hohe Haube ist nach oben und hinten gebogen. Die Familienangehörigkeit des Vogels begründet sich hauptsächlich auf den kurzen, viereckigen Schwanz und die Federholle auf dem Kopfe, welche übrigens ganz anders gebildet ist als bei den wahren Kakadus. Durch die nackte Wange und den ungeheueren Schnabel erinnert derselbe aber auch wieder an die Araras. Ihm eigenthümlich ist die ziemlich lange, fleischige, walzige, oben ausgehöhlte und an der vorderen Spitze abgeflachte, tiefrothe, am Ende hornige und wie mit einem schwarzen Panzer gedeckte Zunge, welche ziemlich weit aus dem Schnabel vorgeschoben und wie ein Löffel gebraucht werden kann, indem der Vogel mit ihr die von dem Schnabel zerkleinerten Nahrungsmittel aufnimmt und der Speiseröhre zuführt. Die Zungenränder sind sehr beweglich und können vorn von rechts und links her gegen einander gewölbt werden, so daß sie den ergriffenen Speisebissen wie in einer Röhre einschließen, in welcher er leicht zum Schlunde hinabgleitet.
Der Rasmalos, wie der Ararakakadu auf Neuguinea genannt wird, übertrifft die meisten Araras an Stärke. Sein Gefieder ist gleichmäßig tiefschwarz gefärbt und schillert etwas ins Grünliche, bei dem lebenden Vogel aber vorherrschend ins Grauliche, weil mehliger Staub auf den Federn liegt. Die nackten, faltigen Wangen sind roth gefärbt. Die Holle besteht aus langen und schmalen Federn, deren Färbung mehr ins Grauliche spielt als das übrige Gefieder.
Ueber das Freileben des Vogels ist wenig bekannt. Mac Gillivray fand ihn in der Nähe des Vorgebirges York ziemlich häufig, in der Regel paarweise. Er lebte hier auf den höchsten Gummibäumen, ließ ein gellendes Geschrei wie »wit wit« vernehmen, war sehr scheu und ernährte sich vorzugsweise von Palmnüssen, welche neben Quarzstücken den Magen der getödteten füllten. »Der Ararakakadu«, sagt von Rosenberg, welcher neuerdings einige Nachrichten über die Papageien der Inseln des Stillen Meeres gab, »ist nicht selten aus Waigiu, Misul, Salawati und an der Küste von Neuguinea selbst. Meistens sitzt er in der Krone der höchsten Bäume, ist daselbst beständig in Bewegung und läßt während des Sitzens oder, wenn er mit kräftigem Flügelschlage in hoher Luft dahinfliegt, seine schnarrende, von der weißer Kakadus ganz verschiedene Stimme hören. Die Eingeborenen nehmen die jungen Vögel aus dem Neste, ziehen sie auf und verkaufen sie nachher an Händler. In der Gefangenschaft verzehren sie am liebsten die Frucht des Kanaribaumes, deren eisenharte Schale sie gemächlich aufsprengen. Sie werden sehr zahm. Einer dieser sogenannten Kakadus, einem Bewohner von Amboina gehörig, streicht fliegend in der ganzen Stadt umher und kommt zu gehöriger Zeit nach Hause, um zu essen und zu schlafen.«
Wallace beobachtete und sammelte ihn auf den Aruinseln. »Er bewohnt hier die niedrigen Stellen des Waldes und wird einzeln, aber meist zu zweien oder dreien gesehen, fliegt langsam und geräuschlos und verzehrt verschiedene Früchte und Samen, besonders aber den Kern der Kanarinuß, welche an hohen, in Fülle vorhandenen Waldbäumen auf allen von ihm bewohnten Inseln in Menge wächst. Die Art, wie er diesen Samen frißt, deutet auf eine Wechselbeziehung zwischen Bildung und Gewohnheit, welche die Kanarinuß als seine besondere Nahrung erscheinen läßt. Die Schale dieser ziemlich dreieckigen, außen ganz glatten Nuß ist so außerordentlich hart, daß nur ein schwerer Hammer sie aufbrechen kann. Der Ararakakadu nimmt ein Ende in seinen Schnabel, hält es mit seiner Zunge fest und schneidet durch seitliche sägende Bewegungen der scharfrandigen unteren Kinnlade ein queres Loch hinein. Darauf faßt er die Nuß mit dem Fuße, beißt ein Stück davon ab und hält es in der tiefen Kerfe des Oberkiefers fest, ergreift sodann die Nuß, welche jetzt durch das fasernde Gewebe des Blattes am Hinausgleiten gehindert ist, wieder, setzt den Rand des Unterkiefers in dem Loche ein und bricht mit einem mächtigen Rucke ein Stück der Schale aus. Nunmehr nimmt er die Nuß wieder in seine Krallen, sticht die sehr lange und scharfe Spitze des Schnabels in das Innere und bohrt den Kern heraus, welchen er Stück für Stück verspeist. So scheint jede Einzelheit in Form und Bau des außerordentlichen Schnabels seinen Nutzen zu haben, und wir können leicht einsehen, daß die Ararakakadus im Wettkampfe mit ihren thätigen und zahlreicheren weißen Verwandten sich erhalten haben durch ihre Fähigkeit, eine Nahrung zu verwenden, welche kein anderer Vogel aus seiner steinigen Schale herauszulösen vermag. Anstatt des rauhen Gekreisches der weißen Kakadus läßt er ein klagendes Pfeifen vernehmen.« Als besonders auffallend hebt Wallace noch die Hinfälligkeit des gewaltigen Vogels hervor, welcher einer verhältnismäßig leichten Wunde erliegt.
Von Martens sah einen Gefangenen dieser Art auf Mahai. »Der schwarze Kakadu«, bemerkt er, »ist ein drolliger Gesell. Steif da sitzend mit dem rothen Gesichte, dem mächtigen Schnabel und seinem stets aufgerichteten Federbusche steht er aus wie ein alter General, und macht namentlich wegen seiner Häßlichkeit einen lebhaften Eindruck. Auch er ist ruhig und langweilig, läßt aber bei Annäherung eines Fremden, wie auch sonst zuweilen zum Vergnügen seine knarrende Stimme hören. Die Eingeborenen und deshalb natürlich auch die einheimisch gewordenen Europäer behaupten, die Speiseröhre sitze bei ihm in der Zunge.«
Auf Amboina wird der Rasmalos nach Rosenbergs Angabe oft gesehen. Das Stück kostet dort zwanzig bis fünfundzwanzig Gulden. In Europa gehört er zu den größten Seltenheiten der Sammlungen. Gegenwärtig lebt einer dieser merkwürdigen Vögel im Thiergarten zu Amsterdam. Westerman, der Vorsteher dieser ausgezeichneten Anstalt, hat die Güte gehabt, mir nachstehendes über ihn mitzutheilen: »Wir besitzen unseren Rasmalos seit dem achtundzwanzigsten Mai 1860. Es ist uns nur mit großer Mühe geglückt, ihn an ein geeignetes Futter zu gewöhnen. In der Freiheit scheinen diese Vögel ausschließlich von Kernfrüchten zu leben; der unserige ist auf der ganzen Reise mit Kanarikörnern gefüttert worden und hat sich erst nach und nach zu anderem Futter bequemt. Jetzt frißt er Hanf und alles, was ich esse, Fleisch ausgenommen. Bei dieser Nahrung befindet er sich gesund und wohl. Abweichend von allen anderen mir bekannten Papageien, gebraucht der Rasmalos seine eigenthümlich gestaltete Zunge in absonderlicher Weise. Er nimmt das Futter mit dem Fuße an, bringt es an den Schnabel, zerstückelt es und drückt nur die Spitze seiner Zunge, welche mit einem runden, hornartigen Blättchen versehen ist, auf den abgetrennten Bissen, welcher auf dem Blättchen kleben bleibt. Nun wird die Zunge zurückgezogen und der Bissen verschluckt. Das geht langsam vor sich, und daraus folgt, daß die Mahlzeit sehr lange währt.«
Auch Schmidt schildert die Art und Weise, wie der Ararakakadu frißt, in eingehender Weise. »Die Nahrung, ein Hanfkorn z. B.«, sagt er, »wird unter stetem Betasten mit der Zunge und von beiden Schnabelhälften ergriffen, mit der Zunge gegen den zahnartigen Absatz des Oberschnabels gestemmt und durch die untere Lade aufgeknackt. Nun fassen Unterschnabel und Zunge das Korn, und der Zahn des Oberschnabels reibt den Kern heraus, welcher zwischen beiden Schnabelhälften unter steter Mitwirkung der Zunge vorsichtig zerdrückt und zerrieben wird. Ist dies geschehen, so klemmt ihn die letztere, indem sie sich etwas aufrichtet, zwischen sich und den Zungenbeinapparat in die dort befindliche Querfurche. Nun wird rasch die Zunge zurückgezogen, der Bissen gegen den Gaumen geführt, und, indem die Zunge wieder vorschnellt, an der vordersten Querwulst des Gaumens abgestreift, wobei er über die Stimmritze hinweg in den Bereich der Schlundkopfmuskeln gelangt. Während des Zerkleinerns wird das Futter zuweilen mit dem Fuße festgehalten, ein kleineres Stück auch wohl auf den Rücken der Zehen gestützt. Da der Vogel jede Nahrung nur in durchaus zermahlenem und zerfasertem Zustande und überdies in ganz kleinen Stücken hinabschluckt, dauert das Fressen jedesmal sehr lange. Beim Trinken steckt der Ararakakadu den vorderen Theil des Unterschnabels in das Wasser, hebt hierauf den Kopf rasch schief vorwärts nach oben und schöpft sich so förmlich seinen Trank. Rohes Fleisch verzehrt er sehr gern, Reis liebt er nicht besonders und von dem Mais nimmt er nur den innersten zarten und mehligen Kern heraus. Brod und in noch höherem Grade Obst sind Leckerbissen für ihn.«
Die Stimme, welche durch die Laute »Ira-a« wiedergegeben werden kann, erinnerte Schmidt an das Knarren einer Thüre. Wenn der Laut leise hervorgebracht wird, scheint er Behaglichkeit auszudrücken, wenn er laut hervorgestoßen wird, Langeweile oder Sehnsucht zu äußern. Unter solchen Umständen stößt der Rasmalos die Laute rasch und wiederholt aus, und das Geschrei erinnert dann an das eines gemeinen Makalen. Im Zerstören leistet der riesige Vogel außerordentliches. »Nicht wenig verwundert habe ich mich«, schließt Schmidt seinen trefflichen Bericht, »über die Härte und Kraft, welche der Schnabel besitzt. Unser Gefangener hatte sich die Vernichtung seiner Futtergeschirre zur Lieblingsaufgabe erkoren und leistete darin fast unglaubliches. An zwei Schüsseln von gebranntem und verglastem Thone biß er eines Tages den etwa sechs Millimeter hohen und fünfzehn Millimeter dicken Rand vollständig weg. Am folgenden Tage wurden ihm zwei Porzellangefäße von gleicher Stärke vorgesetzt, doch auch ihre Ränder waren in kürzester Frist bis auf den Boden abgenagt. Nunmehr ließ ich gußeiserne Schmelzpfännchen als Futtergeschirre verwenden. Aber schon nach zwei Stunden hatte der Rasmalos in den Rand des einen Gefäßes eine bis zum Boden herabreichende Scharte gebrochen. Das Spiel fand erst dadurch ein Ende, daß ich schwere Geschirre aus Schmiedeeisen anfertigen ließ, welche er weder zu zerbeißen noch umzustürzen vermochte. Ich muß ausdrücklich bemerken, daß ihn Bedürfnis nach Kalk nicht zu diesen Ausschreitungen nöthigte. Denn er berührte weder die zu seinem Verfügen stehende Rückenschulpe des Tintenfisches noch den seinem Schnabel erreichbaren Kalkanwurf der Wand.
»Leider ging das merkwürdige Thier, nachdem es nur drei Jahre bei uns gelebt hatte, an Abzehrung ein.«
Ueber die Fortpflanzung des Ararakakadu sind mir keinerlei Mittheilungen bekannt.
Auf den Riesen der Familie mögen die Zwergkakadus (Nasiterna) folgen. Nicht allein innerhalb ihrer engsten Verwandtschaft, sondern unter allen Papageien überhaupt zeichnen sie sich aus durch ihre außerordentlich geringe Größe; denn sie sind neben den Zierpapageien die kleinsten Arten der gesammten Ordnung. Ihr Verbreitungsgebiet hat in Neuguinea seinen Brennpunkt und erstreckt sich von hier aus nur über die benachbarten Eilande, insbesondere Misul, Salawati, Mafur, Waigiu, Guebe, die Aru-, Kei- und Salomonsinseln. Bis in die neueste Zeit kannte man nur zwei Arten; gegenwärtig unterscheidet Salvadori deren sieben.
Ueber die Stellung dieser Zwerge können, wie Finsch hervorhebt, Zweifel nicht bestehen. Sie sind in jeder Beziehung Kakadus im kleinen. Ihr Schnabel, welcher in seiner Bildung vollkommen dem der Rabenkakadus entspricht, ist sehr kräftig, viel höher als lang, stark herabgekrümmt, seine Spitze kurz und kaum übergreifend, der Oberschnabel an der Wurzel breit und gewölbt, gegen die Spitze zu seitlich stark zusammengedrückt, auf der Firste gekielt, vor der Spitze mit einem tiefen, spitzwinkeligen Einschnitte versehen, der Unterschnabel höher als der obere, seitlich abgeflacht und durch die breite, abgerundete Dillenkante sowie die ausgebuchteten Ladenschneiden ausgezeichnet. An dem dünnen Fuße fallen die verhältnismäßig sehr langen, gestreckten, mit schwachen, wenig gekrümmten Nägeln bewehrten Zehen besonders auf, da sie doppelt so lang als der Lauf sind. Der Fittig ist lang, spitzig, so daß er zusammengelegt fast bis zum Schwanzende reicht, die zweite Schwinge die längste, die Flügelspitze weit vorgezogen. Der kurze und abgerundete Schwanz fällt besonders auf durch seine steifen, am Ende etwas nach unten gebogenen, spitzigen und vorragenden Schäfte und läßt unsere Vögelchen als die Spechte unter den Papageien erscheinen. Das ziemlich weiche Gefieder verlängert sich auf dem Kopfe nicht zu einer Haube und weicht auch durch seine vorherrschend grüne Färbung wesentlich von dem anderer Kakadus ab.
Die uns am längsten bekannte Art der Sippe ist der Zwergkakadu ohne weitere Nebenbezeichnung (Nasiterna pygmaea, Psittacus pygmaeus, Psittacula und Micropsitta pygmaea, Micropsittis pygmaeus), ein Vogel, welcher unseren Zeisig an Größe nicht wesentlich überbietet und grasgrün, unterseits etwas heller, auf dem Oberkopfe gelb, auf den Zügeln einschließlich des Augenkreises gelbbräunlich gefärbt ist und durch die schwarzen, breit grün umsäumten, kleinen Flügeldecken gezeichnet wird. Die schwarzen Handschwingen zeigen einen schmalen, die Armschwingen einen breiteren grünen Saum an der Innenfahne, die letzten sind ganz grün, die Schwanzfedern schwarz, am Ende der Innenfahne durch einen gelben Fleck geschmückt, die beiden mittelsten meerblau, die äußersten zwei Paare außen schmal grünlich gesäumt, die Unterschwanzdeckfedern gelb, gegen die Spitze hin grünlichgelb. Der Schnabel sieht schwarzgrau, der Fuß horngraubraun aus. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht durch die Färbung.
Ueber die Lebensweise sind wir noch wenig unterrichtet. Das erste Pärchen, welches Quoy und Gaimard von ihrer Weltreise heimbrachten, kam durch bloßen Zufall in ihren Besitz, indem einer ihrer Jäger auf einem Baume nach einem anderen Vogel schoß und statt diesen die beiden bis dahin noch gänzlich unbekannten Papageien erlegte. Erst in den letzteren Jahren gelangten mehrere Stücke in unsere Sammlungen, und durch Bernstein, von Rosenberg, Wallace und endlich Beccari wurden uns auch dürftige Mittheilungen über das Freileben. Mit Ausnahme des letztgenannten stimmen alle übrigen Reisenden darin überein, daß dieser Papagei wegen seiner Kleinheit und seines Aufenthaltes in den höchsten Wipfeln dicht belaubter Bäume äußerst schwer zu erkennen und demgemäß zu erlangen sei. Erst Beccari bemerkt, daß man Zwergkakadus, wenn man einmal ihre Lieblingsbäume kennen gelernt habe, ohne besondere Schwierigkeit aufzufinden und zu erlegen vermöge. Entsprechend ihrem Spechtschwanze haben sie die Gewohnheit, an den Stämmen und Schlingpflanzenranken zu klettern. Von den Papua werden sie oft lebend gefangen, d. h. aus den Baumhöhlen, in denen sie ihr Nest anlegen, hervorgezogen. Die Eier fand Allen denen der südamerikanischen Zwergpapageien ähnlich. Weiteres über den beachtenswerthen Vogel vermag ich nicht zu sagen.
Zu den von dem Gesammtgepräge der Familie am meisten abweichenden Arten zählt der Keilschwanzkakadu, die »Corella« oder der »Kakadupapagei« der Ansiedler Neuhollands (Callipsittacus Novae-Hollandiae, Psittacus, Palaeornis, Nymphicus, Callopsitta und Platycercus Novae-Hollandiae, Leptolophus auricomus), Vertreter einer besonderen wohl begründeten Sippe, deren Kennzeichen die folgenden sind. Der Schnabel ist schwächer als jener der Kakadus, diesem jedoch ganz ähnlich, der Fuß kurzläufig und schwachzehig, der Fittig auffallend lang und spitzig, in ihm die zweite Schwinge am längsten, die Flügelspitze ungewöhnlich lang, der Schwanz, in welchem die beiden mittelsten Federn die anderen ansehnlich überragen, stark keilförmig, das Gefieder sehr weich, die Färbung nach dem Geschlechte verschieden. Die Corella kommt einer unserer größten Drosseln ungefähr gleich, erscheint aber des langen Schwanzes halber größer. Das Gefieder ist sehr bunt und ansprechend gezeichnet, die Hauptfärbung ein dunkles Olivengraubraun, welches unterseits in Grau übergeht; Oberkopf, Zügel und Backen sind blaß strohgelb, die Haubenfedern ebenso, an der Spitze aber grau; ein runder Fleck in der Ohrgegend ist safranroth, nach hinten weißlich gerandet; die schiefergrauen Handschwingen haben dunkelbraune Innenfahnen und Spitzen, die Armschwingen, mit Ausnahme der letzteren, einfarbig braunschwarz, weiße Außen- aber braunschwarze Innenfahnen und Enden; die Oberflügeldeckfedern sind braunschwarz, die unteren wie die Schwingen unterseits schwarz, die Steuerfedern, mit Ausnahme der beiden mittelsten grauen, aschgrau, innen am Rande und unterseits schwarz, die oberen Schwanzdecken aschgrau, die unteren etwas düsterer. Der Augenring ist tiefbraun, der nackte Augenkreis grau, der Schnabel grauschwärzlich, an der Wurzel bräunlich, die Wachshaut grau, der Fuß graubraun. Das Weibchen unterscheidet sich von dem Männchen durch die hellere Oberseite und die blaßröthlich graubraune Unterseite, den blaß strohgelben Ohrfleck, die schmutzig graugelbe Färbung des Kopfes und der Haube, die Schwingen, welche innen mit vier oder fünf runden, blaßgelben Flecken gezeichnet sind, und die Steuerfedern, deren äußerstes Paar jederseits blaßgelb, marmorartig schwarz in die Quere gebändert ist, während die übrigen auf der ganzen Unterseite mehr oder minder deutliche Querflecke zeigen. Der junge Vogel ähnelt dem Weibchen, ist schmutzig braun, unterseits gilblich überflogen, hat schmutzigbraune Haubenfedern und einen je nach dem Geschlechte dunkleren oder helleren, stets aber schmutziggelben Ohrfleck.
Gould, dem wir die erste Lebensbeschreibung der Corella verdanken, fand den schönen Vogel in namhafter Menge im Inneren Australiens. An den Küsten ist er seltener; mindestens zeigen sich im Verhältnisse zu den tausenden, welche man in den inneren Flächen sieht, nur sehr wenige auf den Ebenen zwischen dem großen Gebirgszuge und der See. Im Osten Australiens scheint er häufiger zu sein als im Westen: im Sommer brütet er aller Orten in den Ebenen des oberen Hunter oder am Peel und anderen nördlich strömenden Flüssen, wo sich die geeigneten Bäume finden. Nach der Brutzeit versammelt er sich in unermeßlichen Flügen, welche den Boden auf große Strecken hin bedecken oder sich zu Hunderten auf abgestorbene Zweige der Gummibäume am Wasser niederlassen. Im September treten diese Scharen eine Wanderung an und erscheinen dann auf den Brutplätzen; im Februar und März ziehen sie wieder nach Norden hinauf. Sie verzehren Grassämereien, wie die meisten Verwandten, können aber das Wasser nicht entbehren und müssen sich deshalb immer in der Nähe der Ströme aufhalten; daher nisten sie auch nur in den Waldungen längs der Flußufer. Sie sind sehr beweglich, laufen geschickt auf dem Boden umher, klettern gut und fliegen zwar gemächlich, aber leicht, oft weithin in einem Zuge. Vor dem Menschen scheuen sie sich wenig oder nicht; vom Boden aufgescheucht, wenden sie sich einem der nächsten Bäume zu und lassen sich hier auf den dürren Zweigen nieder. Wenn die Gefahr vorüber zu sein scheint, kommen sie wieder auf den Boden herab. Sie sind durchaus nicht scheu und werden deshalb häufig erlegt und gefangen, ebensowohl ihres schmackhaften Fleisches wegen als ihrer Anmuth und Liebenswürdigkeit im Käfige halber. Die fünf bis sechs weißen Eier, welche ein Gelege bilden, sind ungefähr zwei Centimeter lang.
Durch Herrn Engelhart, einen sehr aufmerksamen Beobachter, welcher ein halbes Menschenalter in Australien verlebt hat, erhielt ich ergänzende Mittheilungen, welche ich, obgleich sie bereits in den »Gefangenen Vögeln« veröffentlicht wurden, hier wiederholen zu müssen glaube. »Die Corella«, so schreibt mir der genannte, »ist sehr unstät in ihren Wanderungen. Oft vergehen drei bis vier Jahre, bevor sie in Südaustralien die angebauten Gegenden wieder einmal mit ihrem Besuche beehrt. Es geschieht dies stets nach einem guten Winter und nassem Frühlinge. Dann weiß sie gewiß, daß auch für sie Weizen gewachsen ist, daß das Känguru- und wilde Kanariengras reichen Samen für ihre Jungen liefern wird. Um die Zeit, wenn der Weizen abgeblüht hat und die Aehren sich füllen, künden betäubendes Geschrei und durchdringende, auf weithin vernehmbare Locktöne ihre Ankunft an, und unmittelbar darauf bemerkt man, daß sie sich inmitten der Landgüter niedergelassen hat, ohne in Bezug auf den Wohnbaum besonders wählerisch zu sein. In manchem Jahre erscheinen unschätzbare Scharen, welche auf weite Strecken hin den Boden oder die gewaltigen Rothgummibäume buchstäblich bedecken.
»Unser Vogel erfreut sich einer ungleich größeren Beachtung als irgend ein anderer seiner Ordnung, den Wellensittich nicht ausgeschlossen. Baut er in der Nähe der Landhäuser seine Nester, welche er, kunstlos genug, mit seinem Schnabel aus dem mürben Holze herausarbeitet, am liebsten da, wo ein ausgefaultes Astloch ihm einigen Vorsprung gewährte, so wird sein Thun und Treiben von der lieben Jugend sicherlich scharf bewacht, bis endlich der lang ersehnte Tag anbricht, an welchem die Nester ausgehoben werden können. Dann ist der Jubel groß allüberall. Jeder Landwirt hat fortan sein Pärchen Kakadupapageien, und jeder bemüht sich nach Kräften, die gelehrigen Vögel abzurichten, sie zahm und zutraulich zu machen, sie das Nachpfeifen eines Liedes zu lehren, was alles nur wenig Anstrengung und Mühewaltung erfordert. Auch bringt man jetzt hunderte und tausende von Jungen zur Stadt, um sie hier zu verkaufen, und ist zufrieden, wenn man für das Stück einen Preis von zwei bis dritthalb Mark unseres Geldes erzielt. Trotz der eifrigen Nachstellung, welche der brütenden Corella droht, gelingt es mancher jungen Brut, allen Verfolgungen zu entgehen, und dann vereinigen sich bald mehrere Familien zu zahlreichen Trupps. Allerliebst sieht eine solche Gesellschaft aus, wenn sie mit hoch aufgerichteter Haube in langen Reihen auf den Aesten der hohen Bäume scheinbar athemlos dasitzt, besorgt auf den nahenden Fußtritt achtend, um dann plötzlich eiligen Fluges das weite zu suchen. Die erste Brut der Corella fällt wie die so vieler Vögel Südaustraliens in den Oktober, den dortigen Frühling; die zweite findet kurz vor Weihnachten oder noch etwas später statt. Jedes Gelege zählt sechs bis acht weiße Eier, aus denen meist dieselbe Anzahl von Jungen schlüpft, so daß eine Familie aus acht bis zehn Stücken zu bestehen pflegt. Die Jungen werden noch lange nach dem Ausfliegen von den Alten gefüttert, wie ich dies einst beobachten konnte, als sich Corellas dicht vor meinem Fenster angesiedelt hatten. Sie arbeiteten bereits eifrig an dem Neste für die zweite Brut, fütterten jedoch trotzdem die halb erwachsenen der ersten noch fort.
»Mit Beginn der Regenzeit verläßt auch dieser Papagei den Süden Australiens und bricht in ungeheueren Scharen nach dem Norden des Festlandes auf.«
Von allen australischen Papageien kommt die Corella nächst dem Wellensittich am häufigsten auf unseren Thiermarkt. Sie dauert bei geeigneter Pflege besser aus als jeder andere Papagei, pflanzt sich auch ohne besondere Umstände im Käfige fort. Anspruchslos wie nur irgend einer ihrer Ordnungsgenossen begnügt sie sich mit Körnerfutter, Hafer, Hirse, Glanz und Hanf, Grünzeug aller Art, geschnittenen und zerriebenen Möhren, gewöhnt sich auch wohl, wenn man sie mehr als üblich gezähmt hat und im Zimmer hält, an die Speisen, welche auf den Tisch kommen und würde jeden Vogelfreund entzücken, könnte sie es über sich gewinnen, mit ihrem durchdringenden, gellenden Geschrei die Ohren weniger zu beleidigen, als sie dies zu thun pflegt.
Mit demselben Rechte, mit welchem man die Eulen von den Falken trennt, darf man den merkwürdigsten aller Papageien, den »Kakapo«, einen Nachtvogel Neuseelands, von den übrigen sondern und als Vertreter einer besonderen Unterfamilie oder meinetwegen Familie betrachten. Der Vogel erinnert so auffallend an die Eulen, daß man ihn dieser Familie zurechnen könnte, widerspräche dem sein Fußbau nicht. Um ihn zu kennzeichnen, genügt es, wenn man das eulenartige seines Gefieders und den Schleier hervorhebt, welcher sein Gesicht umgibt. Der Schnabel ist kräftig, dick, höher als lang, der Oberschnabel an der Wurzel so breit als hoch, auf der Firste abgerundet und in eine kurze, stumpfe Spitze ausgezogen, vor welcher die Schneiden schwach ausgebuchtet erscheinen, der Unterschnabel niedriger als der obere, mit abgeflachten Ladenschneiden und breiter, im Bogen aufsteigender Dillenkante, auf welcher vier tiefe Längsfurchen verlaufen, der Fuß sehr kräftig, lang- und dickläufig, auch lang- und dickzehig, mit stark gekrümmten, spitzigen Krallen bewehrt, der Fittig kurz und abgerundet, in ihm die fünfte Schwinge die längste, die Flügelspitze wenig vorragend, der ziemlich lange Schwanz am Ende sanft abgerundet, das Gefieder hart, aus breiten, weitfaserigen, am Ende abgerundeten Federn gebildet, welche auf der Stirne und an den Backen schmal und fast zerschlissen sind, verlängerte haarartige Schäfte zeigen, mit ihnen die Schnabelwurzel strahlig umgeben und eine Art von Federschleier bilden. Das Geripp kommt namentlich wegen des Schädels mit dem der Kakadus am meisten überein, unterscheidet sich aber durch das unvollkommene Brustbein mit verkümmertem Kamme von dem Gerippe aller übrigen Papageien.
Der Kakapo oder Eulenpapagei ( Stringops habroptilus, Strigops und Strigopis habroptilus), Vertreter einer gleichnamigen Sippe ( Stringops) und beziehentlich Unterfamilie ( Stringopinae), gehört zu den größten Papageien überhaupt und kommt wegen seines dichten Federkleides fast einem Uhu an Größe gleich. Beim Männchen ist die ganze Oberseite lebhaft olivengrün, jede Feder auf dem braunschwarzen Wurzeltheile durch breite olivengelbliche Querbinden und Schaftflecken gezeichnet, unterseits grünlich olivengelb, jede Feder mit verdeckten, auf der Schaftmitte unterbrochenen, schmalen, dunkelbraunen Querbinden geziert. Der eulenartig ausgebreitete Gesichtsschleier, welcher die Stirne mit bedeckt und die Ohrgegend in sich einschließt, sowie das Kinn sind lebhaft blaß strohgelb, nur in der Ohrgegend hell olivenbräunlich verwaschen. Die Schwingen haben an der Innenfahne nächst den Schäften dunkel schwarzbraune, an der Außenfahne olivengelbbraune Färbung und zeigen hier schwarze Marmelflecke. Die olivengelbbraunen Steuerfedern sind auf der Innen- und Außenfahne schwarz gemarmelt, die unteren Schwanzdecken fast einfarbig olivengrün. Der Schnabel ist hell hornweiß, der Fuß hell horngraubraun. Beim Weibchen ist die grüne Färbung der Oberseite dunkler, die Federn sind an der Wurzel breiter braunschwarz und tragen hier olivengelbliche Schaftflecke und vereinzelte olivengelbliche Querflecke. Der Gesichtsschleier ist olivenbräunlich, indem die Federn nur sehr schmale, helle Schaftstriche besitzen. So beschreibt Finsch ein prachtvolles Pärchen dieser merkwürdigen Vögel. Genaue Maße finde ich in den mir zugänglichen Werken nicht angegeben.
Trotzdem Neuseeland uns schon lange bekannt war, blieb es doch erst der neueren Forschung vorbehalten, den Kakapo oder »Tarapo«, wie die Maoris den Eulenpapagei nennen, zu entdecken, und der neuesten, auch über seine Lebensweise Kunde zu gewinnen. Bekannt wurde der merkwürdige Vogel zuerst durch die grünen Federn, welche den Eingeborenen als Schmuck dienten oder aber durch seine Köpfe, welche zu gleichem Zwecke Verwendung fanden. Aufenthalt und Lebensweise wirkten zusammen, um ihn der Beobachtung zu entziehen, und so kam es, daß erst im Jahre 1845 der erste Balg nach Europa gelangte. In den inzwischen verlaufenen dreißig Jahren haben wir den Kakapo ziemlich genau kennen gelernt, zugleich aber auch die Befürchtung aussprechen hören, daß er binnen kurzem wohl das Schicksal der Dronte theilen und ausgerottet werden möge. Auf Neuseeland beschränkt und gegenwärtig nur noch in entlegenen Alpenthälern der Südinsel häufig, auf der Nordinsel dagegen schon fast gänzlich vernichtet, scheint der Vogel allerdings Grund zu dieser Befürchtung zu geben; doch theilt diese der beste Kenner desselben, Dr. Julius Haast, glücklicherweise nicht. »Wer, wie ich, mit der Natur Neuseelands bekannt ist, muß einsehen, daß es noch tausende von Geviertmeilen unbewohnten Landes gibt, welche für Jahrhunderte hin außer für den Forscher unbetreten bleiben werden, und in denen der merkwürdige Vogel noch für lange Zeit ungestört sein Wesen forttreiben kann. Die Hoffnungen für das Fortbestehen der Art werden um so größer, wenn wir bedenken, daß der Kakapo vom Ufer des Meeres an bis in eine Höhe von sechzehnhundert Meter über dasselbe vorkommt. Sollte er also selbst in den niedrig gelegenen Strecken ausgerottet oder vertrieben werden, so bieten ihm die oft nur mit den größten Schwierigkeiten zu erreichenden Gebirgshöhen sicheren Aufenthalt.«
Außer Haast sind es namentlich Lyall und George Grey, welche uns über die Lebensweise des Kakapo berichten, und ihre Angaben sind es, welche ich hier zusammenstelle.
»Obgleich man annimmt«, sagt der erstere, »daß der Kakapo noch gelegentlich in den hohen Gebirgen des Inneren der Nordinsel Neuseeland angetroffen wird, war doch die einzige Oertlichkeit, wo wir diesen Vogel während der Umschiffung und Untersuchung der Küsten Neuseelands fanden, das Südwestende der Mittelinsel. Dort an den tiefen Fjorden, welche in jenen Theil der Insel einschneiden, begegnet man ihm noch in beträchtlicher Anzahl. Er bewohnt hier die trockenen Abhänge der Hügel oder flache Stellen nahe dem Ufer der Flüsse, wo die Bäume hoch und die Waldungen einigermaßen frei von Farnkraut oder Unterholz sind. Der erste Platz, an welchem wir ihn erhielten, war ein etwa zwölfhundert Meter über der Meeresfläche liegender Hügel; doch trafen wir ihn auch und zwar gemeinschaftlich lebend auf flachen Stellen in der Nähe der Flußmündungen unfern des Meeres an.«
»Höchst auffallend«, bestätigt und ergänzt Haast, »ist es, daß der Kakapo, das Thal des Makaroraflusses, welcher den See Wanaka bildet, ausgenommen, niemals auf der Ostseite der Alpen sich findet, obgleich auch da große Wälder vorkommen. Es scheint, daß er, auf die Westseite der Hauptkette beschränkt, nur den niederen, bewaldeten Paß überschreitet, welcher von den Quellen des Haastflusses zu jenen des Makarora führt, und, die Mündung dieses Flusses in den See Wanaka erreichend, wahrscheinlich in dem Mangel an Wäldern für sein Vordringen eine Grenze findet. Er ist im Thale des letztgenannten Flusses und im Makarorawald sehr häufig, obwohl daselbst zahlreiche Holzfäller arbeiten. Am Rande dieses Waldes gelagert, hörten wir unaufhörlich seinen Ruf; aber keiner der Arbeiter vermuthete die Nähe eines so großen Vogels, obgleich der auffallende, gellende Ruf ihre Aufmerksamkeit oft erregt hatte. Weniger zahlreich kommt er im Wilkinthale vor (wo ich, nebenbei bemerkt, die Spuren wilder Hunde fand). Im Hunterthale, nur durch eine nicht sehr hohe Bergkette und einige niedere Sättel getrennt, ist keine Spur von ihm zu bemerken, obgleich ihm die großen Buchenwälder einen günstigen Aufenthalt bieten würden.«
»An solchen Orten«, fährt Lyall fort, »konnte man seine Spuren bemerken. Sie sind ungefähr dreißig Centimeter weit, regelmäßig niedergedrückt bis zum Rande, welcher fünf bis sieben Centimeter tief bis in das Moos hineinreicht, und kreuzen einander gewöhnlich in rechten Winkeln. Dabei sind sie so eigenthümlich, daß sie denen, welche von Menschen herrühren, oft täuschend ähneln, und anfänglich glaubten wir wirklich, es müßten Eingeborene in der Nähe gewesen sein.
»Der Kakapo lebt in Höhlen unter dem Gewurzel der Bäume, wird auch wohl unter der Wölbung überhängender Felsen bemerkt. Da die Wurzeln vieler Baumarten Neuseelands sich theilweise über den Boden erheben, sind Höhlungen unter ihnen sehr gewöhnlich; es schien uns aber, als wären diese da, wo wir den Kakapo trafen, zum Theil erweitert worden, obgleich wir uns vergeblich nach ausgescharrter Erde umsahen.« Haast kommt zu derselben Ansicht: »Obgleich alle die verschiedenen Aufenthalte, welche ich untersuchte, natürliche Höhlen waren, so fand ich doch eine, welche künstlich gegraben war. Am nördlichen, durch Auswaschung der Ablagerungen zwei bis drei Meter hohen Ufer des Haastflusses nächst der Mündung des Clark waren nahe unter der Oberfläche mehrere runde Löcher, durch welche der Hund nicht eindringen konnte. Alsbald schnüffelte er an der Oberfläche und begann an einer Stelle den Boden aufzukratzen, wo er gerade das Ende der Höhle traf und auch bald den Vogel hervorzog. Diese Höhle war bestimmt künstlich gebildet, so daß es wohl glaublich ist, der Vogel besitze die Fähigkeit zu graben.« Häufig haben die Höhlen zwei Oeffnungen; zuweilen waren die Bäume über ihnen eine Strecke hinauf hohl.
Bei Tage erblickt man den Kakapo nicht anders, als wenn man ihn aus seiner Höhle treibt. »Wir sahen uns«, bemerkt Lyall, »nur mit Hülfe von Hunden im Stande, ihn aufzufinden. Vor Einführung der Hunde, als der Vogel noch häufig war in den bewohnten Theilen der Inseln, pflegten ihn die Eingeborenen bei Nacht mit Fackeln zu fangen. Gegenwärtig ist eine Rasse halbwilder Hunde, welche in den nördlichen Gegenden dieser Insel haust, dem Kakapo beständig auf den Fersen und er dort beinahe ganz ausgerottet. Man sagt, daß die Verbreitung dieser Hunde zunächst noch durch einen Fluß begrenzt sei, und daß die gänzliche Ausrottung des Vogels zu fürchten stehe, wenn es ersteren gelänge, den Fluß zu überschreiten; denn obgleich er Krallen und Schnabel sehr empfindlich zu gebrauchen weiß und erklecklichen Widerstand leistet, muß er seinen vierfüßigen Feinden doch erliegen und ihm da, wo diese sich finden, früher oder später das Schicksal der Dronte werden.«
»Die Maoris versicherten mich«, sagt Haast, »der Kakapo sei ein sehr tapferer Vogel, welcher mit den Hunden öfter mit Erfolg kämpfe; allein dies ist nicht zu glauben, falls man nicht annehmen will, daß ihre Hunde sehr schwach gewesen seien; denn bei meinem gab es nie einen ernsthaften Kampf. Anfangs wurde der Hund allerdings von Schnabel und Klauen des Vogels arg mitgenommen; doch lernte er bald, sein Wild rasch zu bewältigen, indem er es immer gleich durch den Schädel biß.
»Man war bisher der Ansicht, daß der Kakapo eine nächtliche Lebensweise habe; aber ich glaube, diese Ansicht dürfte durch meine Beobachtungen wohl dahin abgeändert werden, daß dies nicht ausschließlich der Fall ist. Denn obwohl man seinen Ruf gewöhnlich eine Stunde nach Sonnenuntergang, wann die dichte Laubdecke große Dunkelheit schafft, ringsum vernimmt, und er alsdann herumzuschweifen beginnt (wobei er, angezogen vom Lichte, unserem Zelte nahe kam, und von unserem Hunde gefangen wurde), so fanden wir ihn doch zweimal auch während des Tages fressend und sehr achtsam auf eine nahende Gefahr. Das erste Mal war es eines Nachmittags bei bewölktem Himmel im lichten Walde, als wir von der Westküste zurückkehrten, daß wir einen Kakapo auf einem umgestürzten Baume unweit des Flusses Haast bemerkten. Als wir in die Nähe kamen, verschwand er schnell, wurde jedoch vom Hunde gefangen. Das zweite Mal sahen wir einen ebenfalls noch am hellen Tage, als wir in einer tiefen Felsenschlucht gingen, auf einem Fuchsienbaum drei Meter über dem Boden sitzend, dessen Beeren fressend. Als er uns bemerkte, stürzte er wie geschossen zu Boden und verschwand unter den umherliegenden großen Felsblöcken. Das überraschendste für uns war, daß der Vogel keinen Gebrauch von seinen Flügeln machte, ja sie nicht einmal öffnete, um seinen Sturz zu mildern. Um zu erkunden, ob er denn gar nicht fliegen oder doch flattern werde, wenn er verfolgt wird, ließ ich einen ohne Schaden vom Hunde gefangenen Kakapo auf einen großen, freien, kiesigen Platz setzen, wo er hinreichend Raum hatte, um sich mittels der Schwingen zu erheben, wenn er überhaupt zu diesem Zwecke eines größeren Raumes bedurfte. Ich war jedoch überrascht, daß er nur dem nächsten Dickichte zulief, und zwar schneller, als ich in Anbetracht seiner Zehen und plumpen Gestalt erwartet hatte, und daß er in seinen Bewegungen den Hühnervögeln ähnelte. Ich stand seitlich von ihm, und mir schien, er halte die Flügel vollkommen geschlossen am Leibe; allein jene meiner Gefährten, welche hinter ihm standen, bemerkten, daß sie etwas geöffnet waren, jedoch nicht bewegt wurden, also wohl ohne Zweifel mehr dazu dienten, das Gleichgewicht zu erhalten, als seinen Lauf zu beschleunigen. Er zieht auch, obwohl sein Bau nicht zum Laufen geeignet erscheint, ziemlich weit, wie wir an den Spuren sehen konnten, die oft über eine halbe Meile über Sand und Geröll bis ans Flußufer führten.« Lyall hat den Vogel jedoch fliegen sehen, wenn auch bloß über unbedeutende Strecken hinweg. »Bei unseren Jagden«, sagt er, »sahen wir den Kakapo nur dann fliegen, wenn er in einem hohlen Baume emporkletterte, um weiter oben einen Ausweg zu suchen. Von hier aus flog er regelmäßig nach tieferstehenden Bäumen herab, arbeitete sich an diesen aber und zwar kletternd mit Hülfe des Schwanzes rasch wieder empor. Die Flügelbewegung war sehr unbedeutend, kaum, daß man sie wahrnehmen konnte.
»Das Geschrei des Kakapo ist ein heiseres Krächzen, welches in ein mißtöniges Kreischen übergeht, wenn der Vogel erregt oder hungrig ist. Die Maoris behaupten, daß der Lärm, welchen die Vögel verursachen, zuweilen betäubend werden könne, weil sie sich während des Winters in großen Gesellschaften zusammenhalten und bei ihrer ersten Zusammenkunft oder beim Auseinandergehen lebhaft begrüßen sollen.
»Die Magen der von uns erlegten Kakapos enthielten eine blaßgrüne, mitunter fast weiße gleichartige Masse ohne Spur von Fasern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Nahrung zum Theil in Wurzeln, theils aber auch in den Blättern und zarteren Sprößlingen verschiedener Pflanzen besteht. Wir bemerkten, daß an einer Oertlichkeit, wo die Vögel sehr zahlreich waren, alle jungen Triebe einer an den Ufern des Flusses wachsenden Schotenpflanze abgezupft waren, und erfuhren von unserem Steuermanne, welcher hier viele Jahre behufs des Walfischfanges verkehrt hatte, daß der Kakapo der Thäter sei; auch fanden wir dessen Schnabel fast immer mit verhärtetem Schmutze bedeckt.« Haast konnte die Nahrung noch genauer bestimmen. »Der Kakapo«, berichtet er, »scheint Flußwasser sehr zu benöthigen, um die breiigen Pflanzenmassen in seinem Kropfe damit zu mischen. Wir fanden den Kropf, mit Ausnahme von zwei Stücken, welche Beeren gefressen hatten, stets mit fein zertheiltem Moose gefüllt, und davon so ausgedehnt und schwer, daß er viele Unzen wog. Der Vogel erscheint auch viel kleiner, wenn der Kropf ausgeleert wird. Die Menge dieses wenig nahrhaften Futters, mit dem er sich vollstopfen muß, dürfte seine Bestimmung, auf der Erde zu leben, erklären, und ihn befähigen, in jenen Wildnissen fortzukommen, wo keine andere Art seiner Familie lebt.
»Eine andere Eigenthümlichkeit, vielleicht ebenfalls Folge dieser Pflanzenkost, ist, daß er statt des öligen, weichen Fettes, wie es andere Vögel unter der Haut haben, viel festes, weißes Fett besitzt und auch sein Fleisch weit derber und besser ist, als das der anderen Papageienarten, und einen ausgezeichneten Geschmack hat. Man wird mir wohl vergeben, wenn ich bemerke, daß dieser Vogel eine köstliche Speise ist für die in diesen Wildnissen herumstreifenden Leute, und ich kann es sehr wohl begreifen, daß der alte Maori von der Westküste schon mit den Lippen schmatzt, wenn man nur vom Kakapo spricht.«
Ueber die Fortpflanzung gibt Lyall folgendes an: »Während der letzten Hälfte des Februar und der ersten des März, welche Zeit wir inmitten der Wohnplätze des Kakapo verweilten, fand ich in vielen seiner Höhlen Junge, oft nur eins und nie mehr als deren zwei. In einem Falle fand ich neben dem Jungen auch ein faules Ei. Gewöhnlich, jedoch nicht immer, wurde ein alter Vogel zugleich mit den Jungen in der Höhle angetroffen. Ein eigentliches Nest ist nicht vorhanden; der Kakapo scharrt sich nur eine seichte Höhlung in der trockenen Masse des vermoderten Holzes. Das Ei ist reinweiß, einem Taubenei an Größe ungefähr gleichkommend. Die Jungen, welche wir fanden, waren sehr verschiedenen Alters, einige fast ganz ausgefiedert, andere noch mit Dunen bedeckt.
»Viele Junge wurden uns lebend an Bord des Schiffes gebracht. Die meisten von ihnen starben nach wenigen Tagen, wahrscheinlich infolge ungenügender Pflege, einige hielten einen oder mehrere Monate aus. Gewöhnlich verkrüppelten schon nach wenigen Wochen der Gefangenschaft die Beine, muthmaßlich wegen ihres zu engen Käfigs oder aus Mangel an gehöriger Nahrung. Man fütterte sie hauptsächlich mit eingeweichtem Brode und gekochten Kartoffeln. Wenn wir sie frei im Garten umherlaufen ließen, fraßen sie Kohl und Gras und knabberten an jedem grünen Blatte, welches ihnen in den Weg kam. Ein Kakapo, welchen ich glücklich bis auf sechshundert englische Meilen der britischen Küste nahe brachte, fraß während unseres Aufenthaltes in Sidney die Blätter einer Banksie und mehrerer Eukalypten, schien aber auch Nüsse und Mandeln zu lieben, und lebte während der letzten Hälfte unserer Heimfahrt fast ausschließlich von brasilianischen Erdnüssen. Zu verschiedenen Zeiten wurde dieser Vogel von Krämpfen befallen. Dann genoß er zwei bis drei Tage lang nichts, schrie wüthend und hackte mit dem Schnabel zu, wenn jemand ihn zu berühren versuchte. Ueberhaupt war wenig Verlaß auf ihn; denn oft biß er gerade dann sehr heftig, wenn man dies am wenigsten erwarten konnte. In der glücklichsten Stimmung schien er zu sein, wenn man ihn morgens früh zuerst aus dem Käfige nahm. Er beschäftigte sich dann, sobald man ihn aufs Verdeck gesetzt hatte, mit dem ersten besten Gegenstande, oft mit meinen Beinkleidern oder Stiefeln. Letztere liebte er sehr, hockte auf ihnen nieder, schlug mit den Flügeln und gab alle Zeichen behaglichen Vergnügens von sich. Dann erhob er sich, rieb sich mit den Seiten an ihnen, rollte mit dem Rücken darauf herum und bewegte dabei aufs lebhafteste seine Füße. Durch einen unglücklichen Zufall kam er ums Leben. Ein anderer dieser Vögel, welchen Kapitän Stokes ans Land gesetzt und der Sorge von Major Murrey überantwortet hatte, durfte frei im Garten umherlaufen. Er zeigte große Zuneigung für die Gesellschaft von Kindern und folgte ihnen wie ein Hund auf Schritt und Tritt.«
Außer Lyall berichten Grey und neuerdings Sale über das Gefangenleben des Eulenpapageis. »Der Kakapo«, sagt erstgenannter, »ist ein gutmüthiger und kluger Vogel und faßt warme Zuneigung zu denjenigen, welche ihm gutes erweisen. Er bekundet dieselbe, indem er an seinen Freunden umherklettert und sich an ihnen reibt, ist auch in hohem Grade gesellig und spiellustig. In der That würde er, wenn er nicht so viel Schmutz verursachte, einen besseren Gesellschafter abgeben als irgend ein anderer der mir bekannten Vögel; denn die Art, seine Zuneigung durch Spielen und Liebkosen zu zeigen, ist mehr die eines Hundes als eines Vogels.« Sale, welcher im Jahre 1870 den ersten lebenden Kakapo nach England brachte, schließt sich vorstehenden Bemerkungen im wesentlichen an. »Während der ganzen Zeit, in welcher ich den Vogel besaß«, sagt er, »ließ er nicht das geringste Zeichen von Unmuth bemerken, war vielmehr unverändert heiter oder gut aufgelegt und geneigt, jede ihm gespendete Aufmerksamkeit dankbar entgegenzunehmen. Bemerkenswerth ist seine Spiellust. Er kommt aus einer Ecke des Zimmers herbei, ergreift meine Hand mit Klauen und Schnabel, wälzt sich, die Hand festhaltend, wie ein Kätzchen auf dem Boden und eilt zurück, um sich zu einem neuen Angriffe einladen zu lassen. Sein Spiel wird zuweilen ein wenig derb; aber die geringste Zurechtweisung besänftigt ihn wieder. Er ist ein entschieden launiger Gesell. Zuweilen habe ich mich damit ergötzt, einen Hund oder eine Katze dicht vor seinen Käfig zu bringen: er tanzte mit ausgebreiteten Flügeln vor- und rückwärts, als ob er zornig scheinen wolle, und bezeigte, wenn sein ungewohnter Anblick die Thiere einschüchterte, durch ausgelassene Bewegungen und Stellungen Freude über den erzielten Erfolg. Eine seiner Eigenheiten besteht darin, daß er beim Umhergehen den Kopf umdreht und den Schnabel in die Höhe hält, als beabsichtige er, sich zu überzeugen, wie die Dinge umgekehrt aussähen. Die höchste Gunst, welche er mir erweisen kann, ist die, in meine Hand sich zu kauern, seine Federn aufzublähen und mit den herabhängenden Flügeln die Hand abwechselnd zu schlagen. Schüttelt er dann noch seinen Kopf, so befindet er sich im höchsten Zustande der Wonne. Ich glaube nicht, daß man Recht hat, ihn zu zeihen, daß er viel Schmutz verursache, denn er ist in dieser Beziehung gewiß nicht schlimmer als irgend ein anderer Papagei. Ueberrascht war ich, zu hören, daß er während der Zeit, welche er im Thiergarten zu Regents-Park verbrachte, sich selten am Tage zeigte. Nach meinen Erfahrungen war das Gegentheil der Fall. Er war für gewöhnlich zwar nicht so laut und lebhaft wie des Nachts, aber doch munter genug.«
Eine andere Unterfamilie umfaßt die Sittiche im engeren Sinne oder die Langschwanzpapageien ( Sittacinae), kenntlich an ihrem langen, keilförmigen oder abgestuften Schwanze.
Fast die Hälfte aller bekannten Papageien gehört dieser Gruppe an. Sie verbreitet sich über alle Erdtheile und tritt in Südamerika, Australien und auf den Inseln des Stillen Weltmeeres besonders zahlreich, jedoch auch auf dem südasiatischen Festlande in einer erheblichen Anzahl von Arten auf. Neuere Forscher haben versucht, die Abtheilung in mehrere gleichwerthige zu zersplittern; doch liegen meines Erachtens hierzu durchschlagende Gründe nicht vor.
Unter den Langschwanzpapageien stellen wir wie billig die größten obenan. Es sind dies die Araras ( Sittace), Papageien von Raben- bis Dohlengröße, welche durch den sehr kräftigen und außerordentlich großen, seitlich zusammengedrückten, auf der Firste stark gekrümmten und in eine weit überhängende Spitze ausgezogenen Schnabel sowie die nackte Stelle am Vorderkopfe, welche Zügel, Augenkreis und den vorderen Theil der Wange in sich begreift, in selteneren Fällen auf eine faltige Haut um den Unterschnabel sich beschränkt, endlich auch durch den sehr langen Schwanz von allen übrigen Papageien sich unterscheiden. Zur Kennzeichnung möge außerdem noch dienen, daß der Oberschnabel vor der Spitze einen deutlichen Zahnausschnitt besitzt, der Unterschnabel höher als der obere und seitlich abgeflacht ist, eine breite Dillenkante und vor der abgestutzten Spitze jederseits eine gerundete Bucht zeigt, daß die nackten Kopfseiten oft mit kurzen, in weit von einander getrennten Reihen geordneten Federn bekleidet sind, daß in dem langen und spitzigen Fittige die dritte Schwinge alle anderen überragt, die Flügelspitze sehr lang vorgezogen ist, und daß in dem langen, keilförmigen Schwanze die äußerste Feder ungefähr ein Drittheil der Länge der mittelsten besitzt. Das derbe, harte Gefieder prangt in lebhaft grüner, rother oder blauer Färbung. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht und die Jungen unerheblich von den Alten.
Die Araras, fälschlich auch wohl » Aras« genannt, verbreiten sich vom nördlichen Mejiko bis ins südliche Brasilien und Paraguay, reichen aber nicht bis Chile herüber. In den Andes steigen einzelne Arten bis zu dreitausendfünfhundert Meter unbedingter Höhe empor. Die meisten Arten bewohnen den Urwald fern von dem Menschen und seinem Treiben, ziehen sich vor dem Pflanzer auch weiter und weiter zurück und werden mit der zunehmenden Bevölkerung überall seltener. Abweichend von den meisten übrigen Papageien, leben sie paarweise, manchmal einzeln, von anderen Paaren ganz getrennt, öfter mit diesen insofern in einem gewissen Verbande, als sie sich nach der Paarzeit zu kleinen Gesellschaften scharen; aber nur selten wachsen diese Gesellschaften zu großen Haufen an. Jedes Paar scheint an seinem Wohnsitze treulich festzuhalten und wenig von demselben sich zu entfernen, wohl aber vom Mittelpunkte aus tagtäglich regelmäßige Streifzüge zu unternehmen. Als Mittelpunkt eines solchen Wohngebietes darf man wahrscheinlich den Nistbaum betrachten; denn ein solcher wird von einem und demselben Paare wenigstens alljährlich wieder aufgesucht. Diese Thatsache war schon den alten Peruanern bekannt und eine Quelle des Erwerbes für sie, wie noch heutigen Tages für viele Indianerstämme Guayanas und Brasiliens; solche Nistbäume waren es, welche vom Vater auf den Sohn erbten. So anspruchslos die Arara in Bezug auf ihren Nistbaum auch ist: eine weite Höhlung verlangt sie; Bäume aber, welche solche bieten, sind auch im Urwalde selten, die Vögel daher an gewisse Gegenden gebunden. Hinsichtlich ihres Wesens unterscheiden sich die Araras durch verhältnismäßige Ruhe und einen gewissen Ernst von anderen Papageien, denen sie im übrigen beziehentlich ihrer Begabungen gleichstehen. Zur Nahrung dienen ihnen vor allem die verschiedenen Baumfrüchte ihrer heimatlichen Wälder. Doch fallen auch sie plündernd in die Felder ein und richten da, wo sie häufig auftreten, erklärlicherweise vielen Schaden an. In den Frühlingsmonaten ihrer Heimat legen sie in das altgewohnte Nest zwei Eier, welche, wie es scheint, nur vom Weibchen bebrütet werden, wogegen beide Eltern mit ebenso warmer Liebe an ihren Jungen hängen wie die treuen und zärtlichen Gatten aneinander. Die Jungen werden, wie schon seit alten Zeiten, von den Indianern ausgehoben und aufgezogen, die Alten, wie von jeher, noch heutigen Tages ihrer prachtvollen Federn halber verfolgt.
Unserem Zwecke genügt, wenn ich von den achtzehn dieser Sippe angehörigen Arten die größte und außerdem diejenigen beschreibe, welche als Gefangene am häufigsten zu uns gelangen.
Größe und eigenthümliche Schönheit würdigen die Hyacintharara ( Sittace hyacinthina, Psittacus hyacinthinus und augustus, Macrocercus hyacinthinus und augustus, Ara und Arara hyacinthina, Anodorhynchus hyacinthinus und Maximiliani) obenangestellt zu werden. Dieser herrliche Vogel, schon an seinem riesenhaften Schnabel kenntlich und deshalb von einzelnen Forschern zum Vertreter einer besonderen Sippe ( Anodorhynchus) erhoben, ist einfarbig dunkel kobaltblau, auf Kopf und Hals etwas lichter, die Wurzel der Federn grau, die Innenfahne der Schwingen schwärzlich gerandet. Schwingen, Steuerfedern und größte Unterflügeldeckfedern sind glänzend schwarz, wie deren Schäfte. Das Auge ist tief braun, der große nackte Augenkreis und die sehr ausdehnbare nackte Haut um den Unterschnabel hoch orange, der Schnabel schwarz, der Fuß schwärzlichbraun. Die Länge wird von Burmeister zu einem Meter, die Fittiglänge zu zweiundvierzig, die Schwanzlänge zu achtundfunfzig Centimeter angegeben.
Das Verbreitungsgebiet der Hyacintharara beschränkt sich auf den nördlichen Theil des mittleren Brasiliens, ungefähr vom sechzehnten Grade südlicher Breite an bis zum Amazonenstrome. Innerhalb dieses Wohnkreises tritt sie jedoch überall nur einzeln auf, gehört deshalb auch zu den selteneren Erscheinungen unseres Vogelmarktes.
Viel häufiger und weiter verbreitet ist die Arakanga ( Sittace Macao, Psittacus ambiguus, Macao und Aracanga, Arara Macao und Aracanga, Ara jamaicensis und Aracanga, Macrocercus Macao und Aracanga), ein ebenfalls sehr stattlicher Vogel von sechsundachtzig Centimeter Länge, funfzehn Centimeter Breite, vierzig Centimeter Fittig- und zweiunddreißig Centimeter Schwanzlänge. Das Kleingefieder ist scharlachroth, auf Stirn- und Ohrgegend etwas heller, auf Hinterrücken und Bürzel, sowie die oberen und unteren Schwanzdecken schön himmelblau; die Hand- und Armschwingen nebst ihren Deckfedern und dem Eckflügel sind berlinerblau, erstere an der Innenfahne breit schwärzlich gerandet, die größten Oberflügeldecken nebst den langen Schulterfedern orangegelb, mit grünem Endflecke geziert, die Steuerfedern scharlachroth, am Ende himmelblau, die beiden äußersten Paare dunkelblau, die unteren Flügeldecken, wie die Schwingen und Steuerfedern unterseits, glänzend scharlachroth. Das Auge ist gelblichweiß, die nackte Wange bräunlich fleischfarben, der Oberschnabel hornweiß, unten am Wurzelrande mit schwarzem, dreieckigem Flecke geziert, der Unterschnabel schwarz, der Fuß graulich schwarz.
Die Arakanga lebt in den nördlichen Ländern Südamerikas, von Bolivia und dem nördlichen Brasilien bis Guatemala und Honduras hinauf, kommt jedoch auch in Peru und ebenso wahrscheinlich in Mejiko vor.
Sehr häufig wird mit der vorher beschriebenen Art die Grünflügelarara ( Sittace chloroptera, Ara brasiliensis, Macrocercus chloropterus, Arara chloroptera) verwechselt, obwohl sie an ihrem dunkel scharlachrothen Gefieder und den grünen Oberflügel- und Schulterdecken ersichtlich sich unterscheidet. Sie vertritt die Arakanga in Mittel- und Südbrasilien, verbreitet sich aber auch weit nach Norden, Süden und Westen hin.
Die letzte Art, welche ich erwähnen will, ist die Ararauna ( Sittace Ararauna, Psittacus Ararauna und coeruleus, Ara, Arara und Macrocercus Ararauna). Alle oberen Theile nebst den Schwanzdecken sind dunkel himmelblau, die Halsseiten und alle Unterteile hoch orangefarben, ein Randstreifen, welcher Backen und Kinn einfaßt, endlich schwarz. Das Auge ist grünlich perlgrau, die nackte Kopfseitenstelle bräunlich fleischfarben, der Schnabel schwarz, der Fuß bräunlich schwarz. Die Länge beträgt siebenundneunzig, die Fittiglänge vierzig, die Schwanzlänge zweiundfunfzig Centimeter. Das Verbreitungsgebiet stimmt mit dem der Arakanga überein.
Die Araras zählen zu den Charaktervögeln der Urwaldungen. Ebene, von Flüssen durchzogene Wälder bilden ihren bevorzugten Aufenthalt. Früher lebten sie in unmittelbarer Nähe auch der großen Städte; gegenwärtig haben sie sich vor der andringenden Bevölkerung längst zurückgezogen und verschwinden da, wo Pflanzer den Urwald lichten, früher oder später. Einzelne Arten beschränken sich nicht auf den Wald, sondern finden sich ebenso in jenen trockenen, höheren Gegenden, welche von der Hitze des Sommers verbrannt sind, und auch in den wilden, felsigen Gebirgen der Provinz Bahia bildet ihr Geschrei die Unterhaltung der Reisenden. »Während man auf den Flüssen der Küstenwälder schifft«, sagt der Prinz, »erblickt man die stolzen Vögel und erkennt sie an ihrer Stimme, Größe und dem langen Schweife sogleich, wenn sie mit ihren großen, langen Flügeln schlagend langsam durch die hohe dunkelblaue Luft dahinrudern.« Die Reisenden pflegen von solchen, den Europäer im höchsten Grade fesselnden Erscheinungen gewöhnlich in übertriebenen Ausdrücken zu reden. So sagt Waterton, ein großartiger Anblick sei, tausende von Araras in hoher Luft dahinfliegen zu sehen, während der Prinz und alle übrigen gewissenhaften Beobachter behaupten, daß eine solche Menge wohl noch von niemand vereinigt gesehen worden sei.
»Die Lebensweise dieser schönen Vögel«, fährt der Prinz fort, »ist im allgemeinen nicht verschieden von der anderer Papageien. Am Mittage während der größten Hitze sieht man sie auf den unteren starken Aesten eines schattenreichen Baumes ausruhend sitzen. Der Hals ist eingezogen, und der lange Schweif hängt gerade herab. Jedoch wird ihre Thätigkeit schon nach ein paar Stunden der Ruhe wieder rege. Sie ziehen außer der Paarzeit in Gesellschaften nach verschiedenen Früchten umher, die mehrerer Palmenarten, des Sapucajabaumes und anderer aufsuchend, an deren steinharten Schalen sie die Kraft ihrer gewaltigen Schnäbel zu versuchen pflegen. So laut sie sich gewöhnlich hören lassen, so verhalten sie sich doch nach Art aller Papageien still, sobald sie einen Baum mit ihnen angenehmen Früchten entdeckt und sich hierauf niedergelassen haben. Hier erkennt man alsdann ihr Dasein besonders durch das Herabfallen der zerbissenen Fruchthülsen. In vielen Gegenden fanden wir sie namentlich in der kalten Jahreszeit mit der Aufsuchung der Frucht einer gewissen rankenden Pflanze beschäftigt, welche man dort Spinha nennt. Sie kletterten sehr geschickt an den verworrenen Ranken dieser Gewächse herum und waren alsdann dort leichter zu schießen als gewöhnlich. Die weißen Samenkörner dieser Frucht füllten ihren ganzen Kropf an, und zu anderen Zeiten fanden wir ihren Schnabel von gewissen Früchten blau gefärbt.
» Levaillant sagt in seiner Naturgeschichte der Papageien, daß die Araras stumpfsinnige Vögel seien, welche den Schuß des Jägers nicht fürchteten; ich muß aber aus eigener Erfahrung bekennen, daß man in den menschenleeren Wäldern von Brasilien, wo diese Thiere sehr zahlreich sind, sie für die scheuesten und listigsten Vögel hält.«
Daß die Ansicht der Brasilianer berechtigt ist, beweisen die Gefangenen, welche zu uns gelangen. Man müßte blind sein, wenn man ihre höheren Begabungen verkennen wollte. Die Lebhaftigkeit und Regsamkeit vieler ihrer Verwandten geht ihnen allerdings ab; jedoch würde man ihnen Unrecht thun, wenn man sie als träge oder unbehülflich bezeichnen wollte. Im Vergleiche zu anderen Sittichen erscheinen sie als ruhige, bedächtige und ernste Vögel: Entwickelung der Sinne und Verstand aber kann ihnen nur derjenige absprechen, welcher sie nicht beobachtet hat. Auch sie gewöhnen sich leicht, leichter vielleicht als viele andere Papageien, an veränderte Umstände, gehen, ich will mich so ausdrücken, auf die Wünsche und Eigenheiten des Menschen ein, fügen sich zwar nicht jeder, aber doch einer sanften und verständigen Behandlung und machen nur dann von ihrer bedeutenden Kraft Gebrauch, wenn man sie reizt. Mit ihresgleichen leben sie in innigstem Verbande, mit anderen unschädlichen Vögeln oder Thieren in tiefstem Frieden. Ihr Wesen macht sie, wie ich schon an anderen Orten gesagt habe, angenehm und liebenswerth. Sie sind nicht allein gutmüthige und anhängliche, sondern auch gegen den Gatten und ihre Brut und ebenso dem geliebten Pfleger gegenüber hingebend zärtliche Vögel.
Wenn Araras auf einem Baume sitzen und fressen, schweigt gewöhnlich die ganze Gesellschaft; höchstens lassen sie leise Laute vernehmen, welche einer menschlichen Unterhaltung nicht unähnlich sind. Ihre kreischende Stimme hört man immer dann, wenn sie beunruhigt sind oder wenn sie fliegen; am lautesten schreien sie, wenn der Jäger sich leise herangeschlichen und durch einen Schuß die sorglos fressende Bande erschreckt ist. Dann erheben sie ein Geschrei, welches geradezu betäubend werden kann. Sie sind es, auf welche Humboldt die oben mitgetheilten Worte bezieht: ihr Geschrei ist es, welches das Brausen der Bergströme übertönt. Die laute Stimme selbst ist ein sehr rauher, ziemlich einsilbiger Laut, welcher mit der Stimme unserer Rabenkrähe Aehnlichkeit hat. Der Prinz sagt, daß man sie nicht durch die Silben »Aras« oder »Arara« wiedergeben könne; Burmeister dagegen versichert, Arara oder Aras auch aus dem Geschrei der Freilebenden herausgehört zu haben, und ich meinestheils kann ihm, soweit es sich um Gefangene handelt, nur zustimmen.
Ursprünglich auf die Früchte, Nüsse und Sämereien der Bäume des Urwaldes angewiesen und auch wohlbefähigt, mit ihrem gewaltigen Schnabel selbst die steinharten Schalen verschiedener Palmennüsse zu zertrümmern, erscheinen doch auch die Araras dann und wann als unliebsame Gäste in den Pflanzungen des Menschen. Wie so viele andere fruchtfressende Vögel des Urwaldes ziehen sie außer der Paarzeit reifenden Früchten nach, und bei dieser Gelegenheit mag es geschehen, daß sie ihre Wanderungen bis über die Grenzen des Urwaldes ausdehnen und plündernd in Feldern und Obstpflanzungen einfallen. Schomburgk schildert ihre Raubzüge in sehr anschaulicher Weise. »Finden sie ein reifes Feld, so werden rundherum auf den nächsten Bäumen Wachen ausgestellt. Das sonst immerwährende Lärmen und Gekreisch der rauhen Stimmen ist verstummt; nur hin und wieder hört man einen halb unterdrückten knurrenden oder murrenden Laut. Nähert sich der plündernden Gesellschaft ein verdächtiger Gegenstand, so läßt augenblicklich die Wache, welche diesen zuerst bemerkt hat, einen leisen Warnungsruf erschallen, welchen die Räuber, um jener anzuzeigen, daß er gehört worden ist, mit halb unterdrücktem Krächzen beantworten. Sowie die Gefahr dringender wird, fliegt die Wache unter lautem Aufkrächzen von ihrem Posten auf, und mit ihr zugleich erhebt sich die plündernde Herde unter wildem Geschrei, um ihr Heil in beschleunigter Flucht zu suchen.«
Wie alle Papageien, sind auch die Araras sehr treue Gatten. »Im Monat April des Jahres 1788«, erzählt uns Azara, »jagte Manuel Palomares eine Meile von der Stadt Paraguay, schoß eine Arara und befestigte sie am Sattel seines Pferdes. Der Gatte des Vogels folgte dem Jäger bis zu seinem, mitten in der Hauptstadt gelegenen Hause, stürzte sich dort auf seinen todten Genossen, verweilte mehrere Tage an derselben Stelle, und ließ sich endlich mit Händen greifen. Er blieb sodann als Gefangener in dem Hause.« Aehnliche Mittheilungen erhalten wir auch von anderen Forschern, welche Araras im Freien beobachteten. Die Gattenliebe ist bei ihnen so ausgeprägt, daß man sagen darf, zwei gepaarte Araras leben nur sich und ihrer Brut. Die gerühmten Zwergpapageien können gegen einander nicht zärtlicher sein als diese großen Vögel. Immer sieht man Männchen und Weibchen zusammen, und selbst wenn ihrer mehrere fliegen, kann man, wie bei anderen Papageien auch, die einmal verbundenen Paare unterscheiden. Diese gegenseitige Anhänglichkeit ist eine den Brasilianern so wohlbekannte Thatsache, daß sie der Jäger benutzt, um mehrere aus einem Fluge zu erlegen. Denn wenn einer herabgeschossen wurde, erscheint sofort der überlebende Gatte bei ihm, um sich über die Ursache des Trauerfalles aufzuklären, und sein Geschrei lockt dann auch wohl andere desselben Fluges herbei.
»In der Paarzeit«, erzählt Prinz von Wied weiter, »pflegen die Araras den Brutort oder Stand wieder aufzusuchen, welchen sie sich einmal erwählt haben, wenigstens dann, wenn sie daselbst nicht beunruhigt worden sind. Man sieht sie somit lange Jahre hindurch an einer und derselben Stelle. Sie wählen, um ihr Nest anzulegen, immer einen hohen Waldbaum von gewaltigem Umfange, an welchem ein hohler Ast oder eine eingefaulte Oeffnung sich befindet, die sie dann mit ihrem starken Schnabel bis zu der gehörigen Weite öffnen. Hier legt das Weibchen zwei weiße Eier, wie die meisten Arten der Papageien.« Die Eier stehen einem Hühnereie an Größe wenig nach, sind ungleichhälftig, stumpf zugespitzt, nach dem dicken Ende sanft zugerundet und zeigen ein zartes Korn mit dichten, runden, mäßig tiefen Poren. Ob nur das Weibchen brütet oder dann und wann auch vom Männchen abgelöst wird, konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Letzteres scheint mir glaublich, mindestens nicht unwahrscheinlich zu sein. Der lange Schwanz wird, wie Schomburgk angibt, beim Brüten zum Verräther, indem er weit aus der Oeffnung hervorragt. Nach Azara's Versicherung verliert das Paar sein Nest nicht aus dem Auge und trägt deshalb abwechselnd Atzung zu. Wenn sich jemand naht, verräth es große Unruhe. Die Jungen schreien nicht nach Futter, sondern drücken ihr Begehren dadurch aus, daß sie mit dem Schnabel gegen die Wandung ihrer Nesthöhle klopfen. In ihrer ersten Jugend sind sie, wie alle Papageien, überaus häßlich und unbeholfen; aber auch nach dem Ausfliegen verlangen sie noch lange Zeit die Obhut und Pflege der Eltern. Die Eingeborenen pflegen sie auszunehmen, bevor sie ihr volles Gefieder erhalten haben; dann werden sie sehr zahm.
Gefangene Araras scheinen von jeher Lieblingsthiere der Indianer gewesen zu sein. »Mit reger Theilnahme«, sagt Humboldt, »sahen wir um die Hütten der Indianer zahme Araras, welche auf den Feldern umherflogen wie bei uns die Tauben. Diese Vögel sind eine große Zierde der indianischen Hühnerhöfe; sie stehen an Pracht den Pfauen, Goldfasanen, Baumhühnern und Hockos nicht nach. Schon Columbus war die Sitte aufgefallen, Papageien, Vögel aus einer dem Hühnergeschlecht so fern stehenden Familie, aufzuziehen; und gleich bei der Entdeckung Amerikas hatte er beobachtet, daß die Eingeborenen auf den Antillen, statt Hühner, Araras oder große Papageien essen.«
Etwas gefährliches bleibt es immer, Araras um sich zu haben; denn nur zu oft gebrauchen sie ihren furchtbaren Schnabel in unerwünschter Weise. Doch gibt es einzelne, welche sehr zahm werden. Mein Vater sah einen dieser Vögel in dem Arbeitszimmer des Prinzen von Wied. Die Arara hatte volle Freiheit, in den Gemächern umherzufliegen, hielt sich aber gern in der Nähe ihres Gebieters auf, ließ sich von diesem ruhig ergreifen, auf der Hand im Zimmer umhertragen und streichelte ihm mit ihrem gefährlichen Schnabel die Wangen in zärtlicher Weise. Fremde Besucher sah sie mit den kleinen lebhaften Augen so scharf an, daß es den Anschein hatte, als wolle sie sich deren Gesichtsbildung merken und die Züge tief einprägen. Ich habe mehrere gepflegt, welche kaum weniger zahm wurden, jedoch keinen einzigen kennen gelernt, welcher, wie Kakadus, gegen alle gleich freundlich sich bezeigte. Araras unterscheiden scharf zwischen Bekannten und Fremden, beweisen ihrem Pfleger Anhänglichkeit, zeigen sich Fremden gegenüber jedoch oft launisch und selbst tückisch, verlangen daher immer eine vorsichtige Behandlung. Der Wärter wird freudig begrüßt und darf sich alles mit ihnen erlauben; anderen gegenüber nehmen sie gewöhnlich eine zornige Miene an, indem sie die Kopffedern sträuben und den Schnabel in verdächtiger Weise bewegen.
»Was aus einer Arara werden kann«, schreibt mir Linden, »beweist mir eine Ararauna, welche jetzt zu meinen Lieblingsvögeln zählt. Ich bekam sie als einen scheuen, betäubend schreienden, bissigen Vogel, welchem ich selbst das nöthige Futter nur mit List beibringen konnte, um nicht währenddem von ihm gebissen zu werden. Eine Hungerkur, wie unverständige Pfleger wohl anrathen, nahm ich selbstverständlich nicht vor, weil ich erfahrungsmäßig wußte, daß Güte viel eher zum Ziele führt als derartige Maßregeln. Und in der That haben gute Worte und liebevolle Behandlung meiner Arara bald alle früheren Unarten abgewöhnt. Berühren der Schwanzfedern kann sie zwar auch jetzt noch nicht leiden; dagegen läßt sie sich gern Streicheln ihres Kopfes gefallen und streckt dabei nicht selten ihre große fleischige Zunge seitwärts zum Schnabel heraus, gleichsam, als wolle sie damit die ihr gespendete Liebkosung erwidern. Einmal hatte sie einen tüchtigen Schnupfen und infolge dessen verstopfte Nasenlöcher, welche ich ihr mit einer Feder reinigte; diese Maßnahme schien ihr offenbar Erleichterung zu verschaffen; denn sie verfehlte nicht in der unter Papageien üblichen Weise ihre Zufriedenheit zu äußern. Muthwillige Streiche mancher Art läßt sie sich freilich fortwährend zu Schulden kommen. An der Thüre ihrer Behausung war die Schließfeder zu schwach. Sie erkannte dies bald, untersuchte und fand, daß das Schloß aufsprang, wenn sie hinten die Thüre in die Höhe drückte. Nunmehr verließ sie sofort ihr Gebauer, flog im Vogelhause umher und spielte den Holzkäfigen übel mit. Endlich kam ich der Sache auf den Grund und änderte den Verschluß. Hierüber war sie anfänglich höchst verdrießlich, vergaß aber nach und nach die Angelegenheit und wurde im Verlaufe der Zeit so artig, daß ich sie jetzt herauslassen darf, ohne Muthwillen befürchten zu müssen. Sie bleibt einfach auf der Thüre sitzen, und wenn ich ihr sage: ›geh wieder in dein Haus!‹ gehorcht sie sogleich. Von einem großen Wassertopfe macht sie fleißig Gebrauch, um sich zu baden. Hatte ich ihr denselben früher leer in den Käfig gestellt und nicht sogleich gefüllt, so wurde der Topf sofort entzweigeschlagen, wogegen dies andernfalls niemals geschah. Beim Schlafen saß sie selten auf der Stange, sondern hielt sich mit Schnabel und Füßen am Gitter fest; oft auch scharrte sie sich den Sand zusammen und legte sich platt auf den Boden nieder. Anfänglich glaubte ich, daß ihr etwas fehle. Sie wurde aber sehr aufgebracht, wenn ich versuchte, sie vom Boden wegzujagen und bewies mir dadurch, daß sie jede Störung übel vermerkte. Seitdem ließ ich sie gewähren. Ihre Behausung ist so gestellt, daß sie den ganzen Garten vor sich hat und alle Wege übersehen kann. Infolge dessen hat sie sich zum Wächter und Warner meiner ganzen Papageiengesellschaft aufgeschwungen. Wenn ein Hund oder eine Katze des Weges kommt, verfehlt sie nie, dies mit einem eigenthümlichen Aufschrei anzuzeigen. Ihre Nachbarn, Kakadus und Amazonen, wiederholen den Warnungsruf, und es tritt dann plötzlich eine so tiefe, minutenlange Stille ein, daß man nicht zweifeln kann, die Warnung sei von jedem anderen Vogel vollkommen verstanden worden.«
Araras lernen selten so gut sprechen wie andere Papageien, entbehren jedoch durchaus nicht aller Begabung hierzu. »Meine Arara«, schreibt Siedhof meinem Vater, »hat eine große Befähigung zum Sprechen entwickelt und zwar unter der alleinigen Leitung meiner zahmen Elster, welche sehr gut spricht. Mehr als vier Monate nach dem Empfange war die Arara bis auf das entsetzliche Schreien vollständig stumm. Da mußte ich sie einst an eine andere Stelle bringen, wo sie meiner unaufhörlich schwatzenden Elster gegenüber hing. Sie hatte dort gerade zehn Tage gehangen, als sie begann, der Elster alles nachzusprechen. Jetzt ruft sie meine Kinder mit Namen und lernt sogleich, was man ihr noch vorsagt; nur hat sie das eigene, daß sie regelmäßig bloß dann spricht, wenn sie allein ist.« Auch die vorstehend geschilderte Ararauna hat sprechen gelernt, ohne von ihrem Pfleger unterrichtet worden zu sein. Hierüber berichtet mir Linden: »›Guten Tag, Aras‹, ist jetzt das erste des Morgens, wenn der Vogel mich sieht. Früher kam es ihm nicht darauf an, zu jeder Tagesstunde so zu grüßen; gegenwärtig bringt er seinen Gruß mit der Zeit vollständig in Einklang. ›Jakob ist ein Kakadu, nein, ein Papagei, ein Spitzbub. Polly, guter Polly, komm zu mir.‹ Gebe ich ihm eine Feige, ein Stückchen Apfel, so verzehrt er es mit dem Ausspruche: ›Das ist gut, gelt Jakob‹. Bei einem Stückchen Zucker dagegen sagt er ›Das ist ganz gut‹ und bekräftigt den Ausspruch noch außerdem mit verschiedenen Kopfbewegungen. Für Darreichen seines gewöhnlichen Futters gibt es keinen Dank, im Gegentheile oft einen Hieb, wogegen er bei Leckereien solchen niemals austheilt. Das auf dem Boden seines großen Kastenkäfigs stehende Futtergeschirr wurde von ihm oft umgeworfen und hin- und hergeschleppt, was ich ihm mit den Worten ›Keine solche Dummheiten machen‹ verwies. Jetzt sagt er, wenn er in die alte Gewohnheit verfällt, selbst ›das sind Dummheiten‹, und wenn ich ihm das Geschirr wegnehme, tröstet er sich, indem er mit dem Schnabel im Sande hin- und herstreicht, und sagt dazu mitunter ›Gelt, Dummheiten‹. Dem oben erwähnten Amazonenpapagei, welcher sehr deutlich und mit vielem Ausdrucke spricht ›Laura, du hast ja Augen wie Perlen; mein Schätzchen, was willst du noch mehr‹ hat er dieses abgelauscht, verwechselt jedoch noch oft Worte und Satzstellung.«
Zweckmäßig gepflegte Araras erreichen in Gefangenschaft ein hohes Alter. Azara verbürgt ein Beispiel, daß eine vierundvierzig Jahre in einer und derselben Familie lebte, zuletzt aber altersschwach wurde und schließlich nur gekochten Mais zu verdauen vermochte. Einer Angabe Bourjots zufolge soll im Jahre 1818 ein Pärchen Araraunas, welches in Caen gefangen gehalten wurde, auch genistet haben.
Die Jagd der Araras wird von Eingeborenen und Weißen mit gleichem Eifer betrieben; auch der europäische Jäger schätzt sich glücklich, wenn ein wohlgezielter Schuß ihm den herrlichen rothen Vogel in die Hände liefert. »Vorsichtig«, sagt der Prinz, »und von dem dichten Gebüsche oder den Stämmen gedeckt, schleicht sich der Jäger an ihre Gesellschaften heran und erlegt dann zuweilen mehrere von ihnen auf einen Schuß. Ihre laute Stimme, welche, wie bemerkt, immer gehört wird, wenn sie fliegen oder beunruhigt sind, macht gewöhnlich den Jäger aufmerksam. Man erlegt sie mit schwerem Blei, da man meistens in die Wipfel der höchsten Waldbäume nach ihnen schießen muß. Verwundet klammert sich der Vogel mit seinem starken Schnabel und seinen Klauen oft fest an die Zweige an und bleibt noch eine Zeitlang in dieser Stellung. Erhält der Jäger aber die ersehnte Beute, so gibt sie ihm eine erwünschte Speise. Das Fleisch kocht gleich dem Rindfleische und ist an alten Vögeln hart, in der kalten Jahreszeit oft sehr fett, gibt aber, gekocht, eine kräftige Brühe. Die schönen Federn werden vielfältig benutzt; jeder Jäger, welcher eine Arara erlegte, wird seinen Hut mit schönen rothen und blauen Schwung- und Steuerfedern zieren. Die Brasilianer gebrauchen die Schwungfedern zum Schreiben, viele Stämme der Wilden alle übrigen zum Putze. Die bunten Schwungfedern nehmen sie am liebsten zur Befiederung ihrer Pfeile, und noch heutzutage schmücken sich viele von ihnen mit dem Prachtgefieder. Ehemals arbeiteten die jetzt wenigstens in einem gewissen Grade gebildeten Stämme der Lingoa geral mancherlei Putzgegenstände aus solchen Federn, welche sie in hohlen mit Wachs verklebten Büchsen bis zum jedesmaligen Gebrauche aufbewahrten. Die Tupinamben an der Ostküste, welche den von mir bereisten Strich bewohnten, begingen das Fest eines zu erschlagenden oder zu verzehrenden gefangenen feindlichen Kriegers auf feierliche Art. Der Todtschläger, welcher die Keule führte, war mit einem gewissen Gummi und darauf über und über mit kleinen Ararafedern beklebt. Auf dem Kopfe trug er eine Krone von den Schwanzfedern dieser schönen Vögel. Ararafedern waren bei diesen Wilden das Zeichen des Krieges. Heutzutage noch lieben die Völker jenen ebenso natürlichen als schönen Putz, von dessen Gebrauch die Jesuiten nur nach langen Anstrengungen die jetzt entwilderten Küstenstämme entwöhnten.«
Was der Nasenkakadu unter seinesgleichen, ist der Langschnabelsittich oder »Choroy« der Chilenen ( Henicognathus leptorrhynchus, Psittacara leptorrhyncha und rectirostris, Sittace, Enicognathus und Conurus leptorrhynchus, Psittacus, Conurus, Arara und Stylorhynchus erythrofrons, Leptorrhynchus ruficaudus), in seiner Familie: ein Erdvogel mit auffallend gestrecktem, langspitzigem Schnabel, welcher deshalb mit Fug und Recht zum Vertreter einer besonderen Sippe ( Henicognathus) erhoben worden ist. Im Baue seiner Fittige und des Schwanzes stimmt besagter Vogel fast vollständig mit den ihm am nächsten stehenden Keilschwanzsittichen überein, durch den Schnabel unterscheidet er sich von diesen und allen Papageien überhaupt. Dieser Schnabel ist mittelstark, schlank und viel länger, der Oberschnabel zweimal so lang als hoch, sehr wenig gebogen, seitlich abgeflacht, auf der Firste breit abgerundet und in eine lange, verschmälerte, fast wagerecht vorragende Spitze ausgezogen, an deren Grunde ein deutlicher Zahnausschnitt sich befindet, der Unterschnabel so hoch als der obere, seitlich abgeflacht, an der Dillenkante abgerundet, mit den Schneiderändern sanft in die Höhe gebogen. Die Füße und Zehen sind kräftig, letztere mit besonders stark gekrümmten Nägeln bewehrt. In dem langen, spitzigen Fittige überragt die zweite Schwinge die übrigen, in dem langen, spitzigen und keilförmig abgestuften Schwanze, dessen äußerste Feder noch nicht die halbe Länge der Mittelfeder erreicht, verschmälern sich alle Federn gleichmäßig gegen die Spitze hin. In dem harten Gefieder herrscht Dunkelolivengrasgrün, auf der Unterseite Olivengrün vor; der Stirnrand, die Befiederung der Wachshaut, die Zügel und ein schmaler Augenrand sind düster kupferpurpurroth, die mittleren Bauchfedern mit dieser Farbe überhaucht, wodurch ein undeutlicher rother Bauchfleck entsteht, die Federn des Oberkopfes durch breite schwarze Endsäume gezeichnet, die Handschwingen und ihre Deckfedern außen bläulichgrün, schwarz gerandet, am Ende schwärzlich umsäumt, die größten unteren Flügeldecken wie die Schwingen unterseits grauschwärzlich, am Rande der Innenfahne blaß olivengelblich verwaschen, die Steuerfedern oben und unten düster kupferpurpurroth. Das Auge hat goldgelbe Iris, Schnabel und Füße sind blaugrau. Beim Weibchen ist das Gefieder trüber und der röthliche Bauchfleck kleiner und blasser. Eine gelbe Spielart, von den Chilenen »Rey de Choroy« oder Choroykönig genannt, ist nicht selten. Die Länge beträgt achtunddreißig, die Fittiglänge zwanzig, die Schwanzlänge siebzehn Centimeter; der Vogel erreicht also ungefähr die Größe unserer Elster.
Der Langschnabelsittich, einer der drei Papageien, welche Chile bewohnen, verbreitet sich über das ganze Land und von hier aus nach Süden hin bis zur Magelhaensstraße hinauf, kommt auch auf Chiloe vor. Ueber sein Freileben ist noch wenig bekannt, genug jedoch, um zu erkennen, daß der Vogel seinen absonderlichen Schnabel entsprechend zu benutzen versteht. Hierüber danken wir Boeck, Gay und neuerdings Landbeck einige kurze Mittheilungen. Der Vogel ist sehr gemein und vereinigt sich oft zu Scharen von mehreren Hunderten und tausenden, deren Geschrei betäubend wirkt und Gay, wie er versichert, oft am Schlafen verhinderte, wenn er gezwungen war, im Freien zu nächtigen. Seine eigentlichen Wohnsitze sind die Buchenwälder. Von ihnen aus unternimmt er jedoch der Nahrung halber regelmäßige Streifzüge. In Valdivia trifft er anfangs Oktober ein und verweilt bis zum April in der Gegend. Während dieser Zeit erscheint er täglich morgens flugweise, von Norden her kommend, und begibt sich abends wieder dorthin zurück. Die Züge folgen, wie bei den meisten Papageien, einer bestimmten Straße, und jeder einzelne Trupp zieht genau in der Richtung der vorangegangenen dahin. Da der Choroy mehr Erd- als Baumvogel ist, sieht man ihn oft weite Strecken der Pampas, leider aber auch der Felder bedecken. Denn er ist der gefährlichste Feind der Weizen- oder Maissaaten, indem er mit seinem fast geraden Schnabel ebenso gut keimenden Weizen oder Mais wie Wurzeln von Gräsern, welche sein ursprüngliches Futter bilden, aus der Erde zieht. Zum Kummer des Landwirtes läßt er es nicht einmal bei solchen Räubereien bewenden, sondern fällt plündernd auch in den Obstgärten ein und zerstört hier, ausschließlich der Kerne halber, die Aepfel. Kein Wunder daher, daß er von den Bauern Chiles gehaßt und aufs eifrigste verfolgt wird. Durch Landbeck erfahren wir, daß er abweichend von einem anderen chilenischen Papagei, welcher sich bis drei Meter tiefe Nisthöhlen in die Erde gräbt, in hohen Pellinbäumen brütet, durch Boeck, daß die Jungen, welche man ohne besondere Mühe großziehen kann, vom Landvolke oft nach der Stadt gebracht werden. Das Fleisch ist hart und zähe.
Neuerdings gelangt auch dieser Sittich nicht allzuselten lebend auf den europäischen Thiermarkt. Ich selbst habe mehrere von ihnen gepflegt, absonderliche Gewohnheiten oder Eigenarten an ihnen nicht wahrgenommen, jedoch wohl nur deshalb, weil ich meine Gefangenen in einem großen Gesellschaftskäfige hielt, wo sie sich dem Verkehre mit mir entziehen konnten. Dagegen theilt mir Mützel das nachstehende mit: »Dem Choroy unseres zoologischen Gartens hatte ich bisher geringe Beachtung geschenkt. Sein Käfig ist unbequem aufgestellt, und ich sah in ihm nur einen Keilschwanzsittich wie die anderen. Dies aber änderte sich, als ich durch die Aufgabe, ihn für das ›Thierleben‹ zu zeichnen, angeregt wurde, genauer zu beobachten. Bei meiner Annäherung an seinen Käfig verließ er sogleich den Futternapf und schaute mich scharf und gleichsam fragend an. Ich näherte meine Hand dem Gebauer: er senkte den Hals herab, streckte den Kopf wagerecht vor, sträubte die Federn der Stirne, des Nackens und der Schultern, richtete die Augen nach vorn, öffnete den Schnabel, so daß der sehr gestreckte Obertheil desselben in gleiche Lage mit der Stirne kam, und stieß plötzlich wie ein Reiher nach meinem Finger, den ich selbstredend schleunigst zurückzog. In demselben Augenblicke hatte auch er den Kopf wieder in die vorige Lage gebracht und lauerte auf eine neue Gelegenheit zum Angriffe. Um das überraschende Gebaren weiter zu beobachten, brachte ich die Hand an die entgegengesetzte Seite des Käfigs: Sofort stürzte der Vogel mit gesträubtem Gefieder und großen Schritten dahin, und wiederum schnellte er mit wilder Bewegung den Kopf vor. Mit dem Bleistifte in der anderen Hand lenkte ich ihn auf die erste Seite, und blitzschnell drehte er sich jetzt nach dieser zurück. In jeder dieser Stellungen war er ein sprechendes Bild mächtiger Erregung. Geradezu grimmig sah er aus, wie er sich so bei den abwechselnden Reizungen zurücklegte und bald rechts, bald links, so zu sagen mit eingelegter Lanze, um sich stach. Sein Zorn steigerte sich zuletzt so, daß er mit den Füßen bis an das Gitter emporsprang, ohne die sonst den Papageien eigene Vorsicht in der Sicherung derselben zu üben; ja, in der Hitze des Gefechts fiel er sogar von der Stange herab. Bei diesen heftigen Bewegungen, welche ich nur mit dem Gebaren eines äußerst gereizten, wüthenden Hundes vergleichen kann, blieben die Flügel ruhig in ihrer Lage; nur ein lebhaftes, ruckweises Auf- und Abwippen, Drehen und Wenden des Schwanzes, wobei jede Bewegung mit Ausbreiten und Schlagen begleitet wurde, diente zur Erhaltung des Gleichgewichts.
»Da sich der Choroy über ein halbes Jahr im Besitze des zoologischen Gartens befindet, kann man seine Erregsamkeit wohl kaum auf allgemeine Wildheit oder Mangel an Erziehung zurückführen. Sie war auch nur ein schnell aufloderndes und schnell verlöschendes Strohfeuer. Durch keinerlei unmittelbare Beleidigung hatte ich ihn gereizt, ihn weder berührt, noch sonst behelligt, und doch zeigte er eine so außerordentliche Aufregung bei meinem Anblicke. Bald jedoch war letztere auch vergessen. Denn als ich ihm ruhig den Stift vorhielt, ergriff er diesen, anscheinend in der Absicht, sich auf das genaueste von dem Gegenstande zu überzeugen. Das zu diesem Zwecke ausgeführte Drehen und Wenden des Kopfes übersteigt alles mir bekannte und erinnert an die Beweglichkeit der Falken und Eulen. Die Drehungen folgten einander rechtsherum und linksherum mit bewunderungswürdigster Eile und ließen ihm kaum Zeit, die ihm doch höchst nothwendig erscheinenden Nageversuche auszuführen. Endlich hatte er die richtige Stelle gefunden, faßte, hielt und zog: da, ein Ruck meinerseits und der eben noch so ruhige Forscher wurde plötzlich wieder zum wilden Angreifer, welcher in herausfordernder Ruhe zu warten schien, um dem verwegenen Störenfriede offenen Schnabels die Spitze zu bieten.
»Der Choroy machte auf mich den Eindruck eines äußerst streitbaren, wirklichen Feinden gegenüber gefährlichen Thieres. Die Leichtigkeit und Gewandtheit seiner Bewegungen, die Schnelligkeit seiner Entschlüsse wie die Sicherheit in der Führung seiner Waffe rissen mich ebenso zur Bewunderung hin, als mich die völlige Grundlosigkeit seines Grimmes belustigte. An keinem anderen Papagei hatte ich bisher eine derartige Aeußerung ungerechtfertigtster Bosheit bemerkt, noch weniger aber eine derartige Angriffsweise beobachtet; denn keiner von allen, welche ich kennen lernte, sprang und stach auf seinen Gegner los.«
Die Keilschwanzsittiche ( Conurus) kennzeichnen sich durch starkgekrümmten, seitlich zusammengedrückten Schnabel, dessen Länge der Höhe ungefähr gleichkommt und dessen stumpf abgesetzte, schmale Firste eine seichte Rinne zeigt, kräftige Füße mit kurzen Läufen und mittellangen, durch derbe Nägel bewehrten Zehen, lange, spitzige Fittige, unter deren Schwingen die zweite und dritte die längsten sind, langen, keilförmigen, abgestuften, im wesentlichen wie bei dem Langschnabelsittich gebildeten Schwanz sowie endlich hartes Gefieder, von dessen vorwiegend grünem Grunde mannigfach verschiedene Zeichnungen und Farbenfelder sich abheben.
Die Sippe, an Arten reicher als jede andere, hat in Amerika ihre Heimat, verbreitet sich aber von der Magelhaensstraße bis zum zweiundvierzigsten Grade nördlicher Breite, obschon sie im Norden des Erdtheiles nur durch eine einzige Art vertreten wird. Die meisten Keilschwanzsittiche finden sich im mittleren Theile Südamerikas, insbesondere den feuchten Niederungen des Amazonenstromes und seiner Zuflüsse. Einzelne Arten verbreiten sich über weite Flächen, andere wiederum scheinen auf weniger ausgedehnte Landstrecken beschränkt zu sein. Ueber ihre Lebensweise haben wir, Dank den Beobachtungen des Prinzen von Wied, ein ziemlich ausführliches Bild. Ueberall beleben diese Vögel in Menge die Waldungen und namentlich diejenigen, welche von den Menschen noch wenig behelligt wurden; doch umschwärmen sie an der Seeküste die menschlichen Wohnungen ziemlich nahe. Sie vereinigen sich außer der Paarzeit stets in ziemlich starke Flüge, welche, aufgeschreckt, mit lauter Stimme pfeilschnell durch die hohen Baumkronen dahineilen und dann gemeinschaftlich auf einem Baume einfallen. Noch ist der Tag kaum angebrochen, so hört man schon ihr lautes, durchdringendes, aber etwas schnarrendes Geschrei. Unter lebhaftem Rufe fallen sie in die Gebüsche ein, sind still, sobald sie sitzen, jedoch nicht ruhig; denn in den Baumkronen klettern sie sehr behend und geschickt auf und nieder, wobei der Schnabel viel von ihnen beansprucht und der lange Schwanz sorgfältig vor der Berührung an den Zweigen behütet wird. Bei ihrer grünen Farbe ist es oft schwer für den Jäger, sie aufzufinden; wenn sie Gefahr vermuthen, halten sie sich unbeweglich und sind ganz still. Erst wenn sie wieder auffliegen, erheben sie laut und schnell wiederholt ihre Stimme. Sie tragen wesentlich zur Belebung der Waldungen bei, namentlich in den sogenannten einsamen Waldungen, wo ihre Stimme oft die einzige ist, welche man vernimmt. Wo Pflanzungen in der Nähe des Waldes sind, verursachen sie Schaden wie alle übrigen Papageien; sie sind aber dem Mais weniger gefährlich als dem Reis. Nach der Brutzeit erscheinen sie häufiger als sonst am Rande der Waldungen und zwar mit ihren Jungen, welche sie, obgleich dieselben schon vollkommen ausgewachsen sind, noch aus dem Kropfe füttern.
Das Nest wird in den Höhlungen alter Bäume erbaut und enthält zwei bis drei weiße Eier. Die Jungen wachsen ziemlich unbehelligt von den Menschen auf, weil man in Brasilien allgemein der Ansicht ist, daß die Keilschwänze ungelehrig sind, niemals sprechen lernen und auch in der Gefangenschaft nicht leicht ausdauern. Nur wenige Arten werden mit günstigeren Augen angesehen und häufig zahm gehalten, hauptsächlich ihres sanften Wesens halber. Einzelne Arten gehören, nach Schomburgk, zu den Lieblingen der Indianer, daher man denn gewöhnlich ganze Flüge von gezähmten in den Niederlassungen findet. Die Brasilianer setzen sie in der Regel auf einen Stock, welchen sie an der äußeren Seite ihrer Wohnung anbringen, indem sie das eine Ende desselben in der Lettenwand einstecken. Des Fleisches wegen werden sie nicht verfolgt; als Wild sind sie zu klein. Der Naturforscher, welcher andere Rücksichten zu befolgen hat, erlegt sie ohne sonderliche Mühe und oft viele von ihnen auf einen Schuß.
Nach Europa kommen mehrere Arten recht häufig, und hier finden auch sie ihre Liebhaber, obwohl diese schwerlich verkennen werden, daß die Brasilianer mit ihren Anschauungen über diese Papageien Recht haben.
Zu den Keilschwanzsittichen gehört der einzige Papagei, welcher in Nordamerika vorkommt und deswegen nach einem Theile seiner Heimat Karolinasittich genannt wurde ( Conurus carolinensis und ludovicianus, Psittacus carolinensis, ludovicianus, luteocapillus und thalassinus, Aratinga carolinensis und ludoviciana, Arara und Centurus carolinensis, Sittace ludoviciana). Seine Länge beträgt zweiunddreißig, die Breite fünfundfunfzig, die Fittiglänge achtzehn, die Schwanzlänge fünfzehn Centimeter. Hauptfärbung ist ein angenehmes dunkles Grasgrün, welches wie gewöhnlich auf dem Rücken dunkler, auf der Unterseite gelblicher ist; Stirn und Wangen sind röthlichorange, und dieselbe Farbe zeigt sich auch auf dem Hinterkopfe, den Schultern und Schwingen, wogegen der Nacken rein goldgelb ist. Die großen Flügeldeckfedern sind olivengrün mit gelblicher Spitze, die Schwingen dunkel grasgrün, innen tief purpurschwarz, die letzten Armschwingen und die Schulterfedern in der Endhälfte olivenbräunlichgrün, die Schwanzfedern dunkelgrün, in der Nähe des Schaftes blau, innen schwärzlich graugelb gesäumt, unterseits dunkel graugelb, außen schwärzlich. Der Augenstern ist graubraun, der Schnabel hornweißlich fahl, der Fuß gelblich fleischfarben. Der weibliche Vogel ist blasser gefärbt, und der junge bis auf den orangenen Vorderkopf einfarbig grün.
Der Karolinasittich kam vormals in Nordamerika bis zum zweiundvierzigsten Grade nördlicher Breite vor und schien das dort oft recht rauhe Wetter wohl zu vertragen. Wilson versichert, höchlich überrascht gewesen zu sein, während eines Schneesturmes des Februar einen Flug dieser Vögel laut schreiend längs der Ufer des Ohio dahinfliegen zu sehen. Dann und wann begegnet man einzelnen auch noch nördlicher, selbst in der Nähe Albanys. Diese Verhältnisse haben sich inzwischen sehr geändert. Schon Audubon bemerkt in seinem trefflichen Werke, welches im Jahre 1831 erschien, daß der Karolinasittich ungemein rasch abnehme und in einigen Gegenden, welche er fünfundzwanzig Jahre früher massenhaft bewohnte, kaum noch gefunden werde, ja daß man längs des Mississippi zur angegebenen Zeit kaum noch die Hälfte von denen beobachte, welche funfzehn Jahre früher dort gelebt hätten. Die Verminderung ist stetig weitergeschritten. »Hunderte dieser Prachtvögel«, klagt Allen, »werden in jedem Winter am oberen St. Johnsflusse von handwerksmäßigen Vogelstellern gefangen und nach den nördlichen Städten gesandt, tausende von anderen unnützer Weise von Jägern getödtet.« In Anbetracht dieser unnützen Schlächtereien fürchtet Boardman mit Recht, daß der Karolinasittich in kurzer Zeit gänzlich ausgerottet werden möge. Manche Jäger erlegen vierzig bis funfzig Stück mit wenigen Schüssen, einzig und allein zu ihrem Vergnügen, indem sie die treue Anhänglichkeit der Vögel mit ihrem Tode lohnen und einen nach dem anderen, von denen welche zu den gefallenen herbeifliegen, herabschießen, bis der ganze Flug vernichtet ist. Ihre räuberischen Einfälle in den Feldern ziehen ihnen außerdem die Verfolgung der Landwirte zu. So kann es niemand Wunder nehmen, daß der Karolinasittich aus weiten Strecken der Vereinigten Staaten verschwunden ist. Im Gegentheile, diese Thatsachen deuten nur zu verständlich auf das zukünftige Schicksal des Vogels, welches kein anderes sein wird als seine gänzliche Vernichtung. Glücklicherweise gibt es jedoch innerhalb des ausgedehnten Heimatgebietes unseres Sittichs immer noch Oertlichkeiten, wo er sich eines verhältnismäßig wenig angefochtenen Daseins erfreut.
Noch lebt er in Florida, Illinois, Arkansas, Kansas, Nebraska, Michigan und Missouri, und noch kommt er, wie die Forschungen Haydens ergeben haben, in den dichtbewaldeten Thälern des Missourigebietes, nach Norden hin bis zum Fort Leavenworth, möglicherweise bis zur Mündung des Platte unter dem einundvierzigsten Grade im Norden vor. In den Waldungen um die großen Ströme Indianas und des östlichen Texas begegnet man ihm noch häufig; im östlichen Kansas aber ist er neuerdings nicht mehr beobachtet worden. Bevorzugte Wohnplätze von ihm sind alle Gegenden, deren reicher Boden mit einem Unkraute, Runzelklette genannt, bewachsen ist, weil dessen Kapseln ihm ungeachtet der dichten Bewaffnung mit langen Stacheln nicht unangreifbar sind und eine gesuchte Nahrung liefern. Nebenbei fällt er freilich auch massenhaft in die Pflanzungen ein und thut hier oft großen Schaden, weil er weit mehr verwüstet, als er frißt.
Ueber Lebensweise und Betragen unserer Vögel haben wir durch Wilson, Audubon und Prinz von Wied ausführliche Berichte erhalten.
»Der Karolinasittich«, sagt Audubon, »begnügt sich keineswegs mit Runzelkletten, sondern frißt oder zerstört die verschiedensten Arten von Früchten und ist deswegen der unwillkommenste Besucher für den Pflanzer, den Bauer oder den Gärtner. Die Getreidefeimen in den Feldern werden oft von Flügen dieser Vögel besucht, welche dieselben so vollständig bedecken, daß die Haufen den gleichen Anblick gewähren, als wenn sie mit einem glänzend gefärbten Teppiche überdeckt wären. Sie hängen sich rund herum am Feimen auf, ziehen das Stroh heraus und zerstören zweimal so viel von den Körnern, als zur Stillung ihres Hungers genügen würden. Sie überfallen Birnen- und Apfelbäume, wenn die Frucht noch sehr klein und unreif ist, und zwar hauptsächlich der Samenkerne wegen. Ebenso, wie im Kornfelde, fallen sie haufenweise auf den Obstbäumen im Garten ein, pflücken eine Frucht, öffnen sie an einer Stelle, nehmen die Weichen und milchigen Kerne heraus, werfen sie zu Boden, pflücken eine andere und gehen so von Zweig zu Zweig, bis der Baum, welcher vorher so versprechend aussah, seiner Früchte völlig ledig ist. Den meisten übrigen Früchten bringen sie eben solchen Schaden; nur der Mais zieht niemals ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es versteht sich von selbst, daß diese Uebergriffe in die Gerechtsame des Pflanzers von diesem gerächt und den Papageien förmliche Schlachten geliefert werden. Oft fällt ein einziger Schuß ihrer zehn oder zwanzig; aber die überlebenden kehren doch immer und immer wieder zu demselben Orte zurück: so habe ich erfahren, daß mehrere Hunderte dieser Vögel in wenig Stunden erlegt wurden.«
»Der Karolinapapagei«, erzählt Wilson, »ist ein sehr geselliger Vogel, welcher seinesgleichen die treueste Anhänglichkeit in Freud und Leid beweist. Wenn man unter einen Flug von ihnen schießt und einen verwundet, kehrt die Gesellschaft augenblicklich zu diesem zurück, umschwärmt ihn unter lautem, ängstlichem Geschrei, in der Absicht, ihm Hülfe zu leisten, und läßt sich auch wohl auf dem nächsten Baume davon nieder. Auch die nachfolgenden Schüsse verändern dann ihr Betragen nicht; sie scheinen vielmehr die Aufopferung der anderen zu erhöhen, welche immer näher und rücksichtsloser die gefallenen klagend umfliegen. Ihre Geselligkeit und gegenseitige Freundschaft zeigt sich auch oft wie bei den Unzertrennlichen: der eine putzt und kratzt den anderen, und dieser erwidert dieselben Liebkosungen; das Pärchen sitzt immer dicht nebeneinander etc.
»Schwerlich kann es einen auffallenderen Gegensatz geben, als den raschen Flug der Karolinapapageien, verglichen mit ihrem lahmen, unbehülflichen Gange zwischen den Zweigen und noch mehr auf dem Boden. Im Fluge ähneln sie sehr den Tauben. Sie halten sich in geschlossenen Schwärmen und stürmen mit großer Schnelligkeit unter lautem und weitschallendem, spechtartigem Geschrei dahin, gewöhnlich in einer geraden Linie, gelegentlich aber auch in sehr anmuthig gewundenen Schlangenlinien, welche sie, wie es scheint, zu ihrem Vergnügen plötzlich und wiederholt verändern.
»Ihre Lieblingsbäume sind die großen Sykomoren und Platanen, in deren Höhlungen sie Herberge finden. Ihrer dreißig und vierzig und zuweilen, namentlich bei strenger Kälte, noch mehr, schlüpfen oft in dieselbe Höhle. Hier hängen sie sich an den Seitenwänden wie die Spechte an, indem sie sich mit den Klauen und dem Schnabel anklammern. Es scheint, daß sie viel schlafen; wenigstens ziehen sie sich oft bei Tage in ihre Höhlen zurück, um einen kurzen Mittagsschlummer zu halten.
»Eigenthümlich ist, daß sie gern Salz fressen. In der Nähe von Salinen sieht man sie immer in großer Anzahl, und hier bedecken sie ebensowohl den ganzen Grund als die benachbarten Bäume, manchmal in solcher Menge, daß man nichts anderes sieht als ihr glänzendes und schimmerndes Gefieder.«
In Anbetracht des regen Forschungseifers, welchen die nordamerikanischen Vogelkundigen bethätigen, erscheint es verwunderlich, daß wir über die Fortpflanzung des Karolinasittichs noch keineswegs genügend unterrichtet sind. Ridgway verweist in dieser Beziehung auf die Angaben Wilsons und Audubons und bemerkt ausdrücklich, daß kein anderer amerikanischer Schriftsteller besser unterrichtet sei als die beiden genannten. Nach Wilsons Erkundigungen brütet der Vogel, wie andere seinesgleichen, in Baumhöhlungen und zwar, wie unter Papageien üblich, ohne hier ein Nest zu errichten. Einige der Gewährsleute Wilsons bezeichnten die Eier als weiß, andere als getüpfelt. Ein Mann versicherte unserem Forscher, daß er in der Höhle eines gefällten Baumes Ueberbleibsel von mehr als zwanzig Papageieneiern und zwar in einem aus Zweigen hergestellten Neste gefunden habe. Aus allen diesen widersprechenden Angaben glaubte Wilson nur das eine feststellen zu können, daß mehrere Papageien gemeinschaftlich in einem Neste brüten. Diese offenbar falsche Ansicht wird von Audubon festgehalten. Seinen Forschungen zufolge benutzt der Karolinasittich dieselben Höhlungen, welche ihm als Schlafplätze dienen und legt seine zwei Eier einfach auf den Boden der Nisthöhle ab. Audubon glaubt ebenfalls an das gemeinschaftliche Legen mehrerer Papageienweibchen und klärt somit das Dunkel, welches über der Fortpflanzungsgeschichte des Vogels schwebt, noch keineswegs auf. Wie schwierig es für den nordamerikanischen Naturforscher sein muß, Eier des Karolinasittichs zu erhalten, geht wohl am besten daraus hervor, daß Nehrkorn von einem der bekanntesten Eierkundigen der Vereinigten Staaten befragt wurde, ob es nicht möglich sei, aus Deutschland in der Gefangenschaft gelegte Eier des Vogels zu verschaffen. Der Thiergarten in Hannover erwies sich als ergiebige Bezugsquelle und konnte die Wünsche des Amerikaners erfüllen. Aus den über das Brutgeschäft unseres Vogels in besagtem Thiergarten veröffentlichten Mittheilungen geht hervor, daß der Karolinasittich in einem passenden Nistkasten auf einer Unterlage von abgeklaubten Holzspänen im Juni zwei Eier legte. Der größte Durchmesser derselben beträgt zweiunddreißig, der kleinste dreißig Millimeter. Sie sind demgemäß fast kugelig, schneeweiß und ungemein stark glänzend, nach Versicherung kundiger Sammler wesentlich von denen anderer Papageien abweichend.
Ueber das Gefangenleben theilt Wilson folgendes mit: »Neugierig, zu erfahren, ob der Papagei sich leicht zähmen lasse oder nicht, beschloß ich, einen am Flügel leicht verwundeten in meine Pflege zu nehmen. Ich bereitete ihm eine Art von Bauer am Sterne meines Bootes und warf ihm hier Kletten vor, welche er sofort nach seiner Ankunft an Bord annahm. Während der ersten Tage theilte er seine Zeit ziemlich regelmäßig ein in Schlafen und Fressen. Dazwischen benagte er die Stäbe seines Käfigs. Als ich den Strom verließ und über Land reiste, führte ich ihn in einem seidenen Schnupftuche mit mir, ungeachtet aller Beschwerde, welche ein derartiges Beginnen nothwendigerweise mit sich brachte. Die Wege waren damals unter aller Beschreibung schlecht: es gab gefährliche Bäche und Flüsse zu durchschwimmen, ganze Meilen im Moraste oder im Dickichte zurückzulegen und andere Hindernisse zu besiegen. Sehr häufig entkam der Papagei aus meiner Tasche, zwang mich, vom Pferde abzusteigen und ihn in dem Dickichte oder Moraste wieder aufzusuchen. Bei solchen Gelegenheiten dachte ich oft daran, ihn im Stiche zu lassen; doch führte ich meinen Vorsatz niemals aus. Wenn wir nachts zusammen in den Wäldern lagerten, setzte ich ihn auf mein weniges Gepäck neben mich; am anderen Morgen nahm ich ihn wieder auf. Auf diese Weise habe ich ihn mehr als tausend Meilen mit mir geführt. Als ich in die Jagdgründe der Indianer kam, wurde ich regelmäßig von diesen Leuten umringt, von Männern, Frauen und Kindern, welche unter lautem Lachen und anscheinend verwundert meinen neuen Gefährten betrachteten. Die Chickasaws nannten ihn in ihrer Sprache »Kelinky«, änderten diesen Namen aber sofort um, als sie hörten, daß ich den Papagei »Polly« benamset hatte. Ja, Polly wurde später immer das Mittel zur Befreundung zwischen mir und diesem Volke. Nachdem ich bei meinem Freunde Dunbar angekommen war, verschaffte ich mir einen Käfig und setzte diesen unter den Vorbau des Hauses. Hier rief mein Gefangener sehr bald die vorübereilenden Flüge herbei, und tagtäglich sahen wir nunmehr zahlreiche Scharen um unser Haus herum, welche die lebhafteste Unterhaltung mit Polly begannen. Einen von ihnen, welcher ebenfalls leicht am Flügel verwundet worden war, steckte ich in Pollys Käfig, zum größten Vergnügen der bisher vereinsamten. Sie näherte sich ihm augenblicklich, flüsterte ihm ihre Theilnahme an seinem Unglücke zu, streichelte ihm mit dem Schnabel Haupt und Nacken und schloß sich ihm überhaupt aufs innigste an. Der Neuling starb, und Polly war mehrere Tage lang ruhelos und untröstlich. Ich brachte nun einen Spiegel neben den Platz, wo sie gewöhnlich saß; sie erschaute ihr Bild, und ihre frühere Glückseligkeit schien zurückzukehren: sie war wenigstens eine zeitlang außer sich vor Freude. Rührend war es, zu sehen, wie sie, wenn der Abend sich nahete, ihr Haupt hart an das Bild im Spiegel legte und dann ihre Befriedigung durch flüsternde Rufe ausdrückte. Nach kurzer Zeit kannte sie den ihr beigelegten Namen und antwortete, wenn sie angerufen wurde. Sie kletterte auch auf mir herum, setzte sich auf meine Schulter und nahm mir den Bissen aus dem Munde. Zweifellos würde ich ihre Erziehung ganz vollendet haben, hätte nicht ein unglücklicher Zufall sie um das Leben gebracht. Die arme Polly verließ eines Morgens, während ich noch schlief, ihren Käfig, flog über Bord und ertrank im Golfe von Mejiko.«
Der Prinz bestätigt im wesentlichen vorstehende Schilderung. Er fand die Vögel am Mississippi während der Frühjahrsmonate oft in ungeheueren Scharen, obwohl sie von ihren erbittertsten Feinden, den Pflanzern, arge Verfolgung erlitten. Am unteren Missouri wurden sie noch bemerkt, am oberen kamen sie nicht mehr vor. Indianer in der Nähe des Fort Union trugen Felle dieser Vögel als Zierath am Kopfe. Die Gefangenen, welche der Prinz hielt, nahmen sogleich Nahrung an und wurden auch bald zahm. Anfangs bissen sie allerdings denjenigen, welcher sie angriff; bald aber gewöhnten sie sich an den Menschen. Ein Gefangener des Prinzen endete ebenfalls auf traurige Weise. Er war in der kalten Jahreszeit gefangen worden und suchte im Zimmer sehnsüchtig die Wärme, anfänglich die Sonnenstrahlen, später die Nähe des Kamins. Aber das Feuer wurde ihm verderblich; denn die Hitze bewirkte eine Gehirnentzündung, an welcher er zu Grunde ging.
In den letzten Jahren wurden so viele Karolinasittiche lebend auf unseren Thiermarkt gebracht, daß ihr Preis in kurzer Zeit bis auf wenige Mark unseres Geldes herabsank. Seitdem sieht man gefangene Vögel dieser Art in allen Thiergärten und in den Käfigen vieler Liebhaber. Einer von diesen, welcher sehr viel, aber gehaltlos schreibt, bezeichnet den Karolinasittich als »unverbesserlich dummscheu« und beweist damit nur das eine, daß ihm jede Fähigkeit zum Beobachten abgeht. Rey sieht sich veranlaßt, einiges zur Ehrenrettung des Vogels mitzutheilen. »Schon seit längeren Jahren«, sagt er, »halte ich neben anderen Papageien auch Karolinasittiche, welche sich trotz ihres allerdings nicht gerade angenehmen Geschreies und trotz ihres unersättlichen Appetits auf Fensterkreuze meine Zuneigung durch andere, höchst liebenswürdige Eigenschaften in dem Grade erworben haben, daß ich mich niemals entschließen konnte, sie abzuschaffen. Schon nach kurzer Zeit hatten sich diese Vögel so an mich gewöhnt, daß sie mir beispielsweise ohne weiteres auf die Hand oder den Kopf flogen, wenn ich ihnen eine Wallnuß, welche sie besonders gern fressen, vorhielt. Nahm ich dabei die Nuß so, daß sie von der Hand völlig bedeckt wurde, so blieben die Vögel ruhig auf ihrem Beobachtungsposten. Zerbrach ich aber die Nuß in der Hand, ohne sie dabei sehen zu lassen, so rief sie das dadurch entstandene Knacken sofort herbei. Später als ich diese Papageien in ein Gebauer brachte, gaben sie mir noch mehr Gelegenheit, ihre hohe geistige Begabung näher kennen zu lernen. Eine ihrer gewöhnlichsten Untugenden bestand darin, das Wassergefäß, nachdem ihr Durst gestillt war, sofort um- oder zur Thüre des Bauers hinaus auf die Erde zu werfen, wobei sie auf die unzweideutigste Weise ihre Freude an den Tag legten, wenn ihre Schelmerei den gewünschten Erfolg hatte, d. h. wenn das Wassergefäß dabei zerbrach. Alle Versuche, letzteres zu befestigen oder die Thüre des Käfigs zuzuhalten, scheiterten an dem Scharfsinne der Vögel, so daß jede darauf bezügliche Vorrichtung sehr kurze Zeit ihrem Zwecke entsprach, weil die Papageien nur zu bald begriffen, wie der Widerstand zu beseitigen sei und so, Dank der unverdrossenen Bemühung, immer sehr schnell im Stande waren, ihr Vorhaben auszuführen. Da ich auf diese Weise nichts erreichte, schlug ich einen anderen Weg ein, indem ich die Vögel jedesmal, wenn ich sie bei solcher Ungezogenheit erwischte, mit Wasser bespritzte. Es gewährte einen unbeschreiblich komischen Anblick, wenn sie sich verstohlener Weise über die vorzunehmende Unthat zu verständigen suchten und gemeinschaftlich vorsichtig die Schiebethüre des Käfigs öffneten, indem der eine unten den Schnabel als Hebebaum einsetzt und der andere an der Decke des Käfigs hängt und die Thüre mit aller Anstrengung festhält, bis sein Gefährte dieselbe von unten wiederum ein neues Stück gehoben hat. Ist dann nach kurzer Zeit die entstandene Oeffnung groß genug, um den unten beschäftigten herauszulassen, so lugt er erst mit weit vorgestrecktem Halse hervor, bis er mich an meinem Schreibtische sitzen sieht. Hat er sich nun überzeugt, daß ich nichts bemerkte, so holt er ganz vorsichtig den Wassernapf herbei und dieser geht dann, wenn ich nicht schnell einschreite, demselben Schicksale entgegen wie so mancher seiner Vorgänger. Habe ich sie ruhig gewähren lassen, oder war ich während der Ausführung nicht zugegen, so bekunden sie durch ihr ganzes Wesen das deutliche Bewußtsein ihres begangenen Unrechtes, sobald ich mich zeige.
»Was mir jedoch vor allem anderen diese Papageien lieb und werth macht, ist der Umstand daß es mir geglückt ist, sie ohne Schwierigkeit an Aus- und Einfliegen zu gewöhnen. Sie treiben sich manchmal von morgens neun Uhr bis gegen Abend, wenn es anfängt zu dunkeln, im Freien umher und kommen nur dann und wann, um auszuruhen oder um Nahrung zu sich zu nehmen, in ein Fenster meines Arbeitszimmers, in welchem ich ihnen eine Sitzstange angebracht habe. An einzelnen Tagen fliegen sie wenig und halten besonders um die Mittagszeit einige Stunden Ruhe. Früh morgens unternehmen sie die weitesten Ausflüge, und des Abends, wenn sie schlafen wollen, kommen sie an ein anderes Fenster am entgegengesetzten Ende meiner Wohnung, in dessen Nähe ihr Käfig seit längerer Zeit steht. Finden sie dieses Fenster verschlossen, so erheben sie ein wahrhaft fürchterliches Geschrei oder suchen sich durch Klopfen an die Scheiben Einlaß zu verschaffen. Ist jedoch zufällig niemand in jenem Zimmer anwesend, so nehmen sie auch wohl ihren Weg durch das ersterwähnte Zimmer und durch mehrere andere, um an ihren Schlafplatz zu gelangen.
»Der Flug selbst ist leicht und schön. Oft stürzen sie sich fast senkrecht von ihrem Sitze im Fenster auf die Straße hinab und fliegen dicht über dem Fenster einher, oder sie erheben sich auch wohl über die höchsten Häuser, weite Kreise beschreibend. Fliegen sie nur kurze Strecken, so ist der Flug meist flatternd, bei größeren Ausflügen, welche oft zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten dauern, mehr schwebend und pfeilschnell. Wenn sie so mit rasender Schnelligkeit am Fenster vorbeifahren und blitzschnell hart um eine Hausecke biegen oder senkrecht an einer Wand herauf- und herabfliegen, wird man sehr deutlich an den Flug unserer Edelfalken erinnert. Werden sie von anderen Vögeln verfolgt, so wissen sie diese gewöhnlich durch raubvogelartige Stöße zu verscheuchen. Besonders mit den Thurmseglern waren sie fast immer in Neckereien verwickelt. Ein Sperling war einmal so verblüfft über die bunten Fremdlinge, daß er längere Zeit wie gebannt den einen Papagei verfolgte, sich neben ihn setzte und die seltene Erscheinung anstarrte, als dieser zum Fenster zurückgekehrt war, auch solches Spiel mehrmals wiederholte, ohne mich zu bemerken, der ich noch mit einem anderen Herrn am geöffneten Fenster stand.
»Selbstverständlich erregt jedoch das Umherfliegen von Papageien nicht nur die gerechte Verwunderung unserer Vögel, sondern lenkt auch die Aufmerksamkeit der menschlichen Bevölkerung auf sich. Obgleich, besonders in der ersten Zeit, die liebe Jugend die Straße vor meinem Hause förmlich belagerte, und es dabei natürlich nicht an dem üblichen Lärm fehlte, so ließen sich doch meine Vögel durchaus nicht stören, sondern setzten ihre Flugübungen fort, ohne sich um die tobende Menge zu bekümmern.
»Unter allen langschwänzigen Papageien, welche ich selbst gefangen hielt oder anderweitig in der Gefangenschaft beobachten konnte, stelle ich den Karolinasittich hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeit obenan. Meiner Ansicht nach übertrifft er hierin sogar viele der sonst hochbegabten Kurzschwänze. Zutraulich in der Weise wie die anderen Papageien, die Loris und Kakadus, wird er allerdings nie. Denn er bleibt immer ein mißtrauischer und vor allen Dingen ein sehr vorsichtiger Vogel. Die Bezeichnung ›dummscheu‹ aber will nun einmal für ihn unbedingt nicht passen.« Ich stimme hinsichtlich der Würdigung der geistigen Anlagen des Karolinasittichs mit Rey ziemlich überein. Ueber Vögel, welche, wie beschrieben, aus- und einflogen, vermag ich allerdings aus eigener Anschauung nicht zu urtheilen; in weiteren oder engeren Käfigen aber habe ich Karolinasittiche oft und viel beobachtet und immer gefunden, daß sie den klügsten und listigsten Papageien an die Seite gestellt werden dürfen. Daß solche Vögel mit der Zeit ebenso zahm werden wie andere ihrer Ordnung, kann für mich keinem Zweifel unterliegen. Es kommt in solchem Falle immer auf die rechte Behandlung an.
Zu den schönsten, anmuthigsten und zierlichsten aller Papageien zählen die Edelsittiche ( Palaeornis), eine aus sechzehn bekannten, drossel- bis dohlengroßen Arten bestehende, der Mehrzahl nach in Südasien und sonst noch in Afrika heimischen Sippe, welche sich durch folgende Merkmale kennzeichnet. Der verhältnismäßig sehr kräftige Schnabel ist ebenso lang als hoch, der Oberschnabel in der Wurzelhälfte kantig abgesetzt und hier mit einer seichten Längsrinne versehen, seitlich sanft gewölbt, mit der Spitze stark abwärts gekrümmt und überhängend, vor derselben durch einen schwachen Zahnausschnitt ausgekerbt, der Unterschnabel mit breiter, abgerundeter Dillenkante, längs welcher meist ein schwacher Leistenvorsprung verläuft, der Fuß kurz und kräftig, der Fittig, unter dessen Schwingen die zweite die anderen überragt, lang und spitzig, der im ganzen keilförmige, stark abgestufte Schwanz aus mäßig breiten, an der Spitze abgerundeten Federn zusammengesetzt und meist dadurch ausgezeichnet, daß die beiden mittleren Federn weit über die übrigen hervorstehen. In dem ziemlich harten Gefieder ist ein schönes Blattgrün die vorherrschende Färbung; von ihm aber hebt sich der lebhaft gefärbte Kopf, ein schwarzer Bartfleck und ein bunter Halsring meist ansprechend ab. Die Geschlechter unterscheiden sich nicht; die Jungen dagegen weichen stets von den Alten ab.
Wenig andere Papageisippen sind so übereinstimmend gebaut und gezeichnet wie die Edelsittiche. Sie erscheinen, um mich so auszudrücken, wie aus einem Gusse gestaltet, und die Verkeilung ihrer Farben, so verschieden dieselben auch sein mögen, steht hiermit vollständig im Einklange. Aber auch die Lebensweise entspricht dieser Einhelligkeit in so hohem Grade, daß man schwerlich zu viel behauptet, wenn man sagt, daß das Thun und Treiben des einzelnen in allen wesentlichen Stücken ein Bild der Sitten und Gewohnheiten der ganzen Sippe ist.
Das Verbreitungsgebiet der Edelsittiche ist nicht viel kleiner als das der Keilschwänze; denn die Ländergebiete, in denen erstere Hausen, umfassen den größeren Theil des heißeren Gürtels von Afrika und Asien oder, um genaueres zu sagen, alle zwischen dem sechsten und siebzehnten Grade der Breite gelegenen Länder Afrikas, von Senegambien an bis an das Rothe Meer und den größten Theil des südasiatischen Festlandes, vom Indus an bis Südchina und von Kaschmir und Ladak an bis Ceylon und den großen Sundainseln. Im südlichen Arabien, Persien und Beludschistan sind sie bis jetzt noch nicht beobachtet worden; dagegen hat Armand David neuerdings erwiesen, daß eine Art der Gruppe allsommerlich in China erscheint und in dem oberen Thale des Yantse bis zum dreißigsten Grade nach Norden hin vordringt. Drei Arten von ihnen kommen auf Madagaskar und den benachbarten Eilanden vor.
Zu ihrem Aufenthalte bevorzugen die Edelsittiche ebene oder hügelige Gegenden und Gebirge. In letzteren überschreiten sie, so viel bis jetzt bekannt, einen Gürtel von fünfzehnhundert Meter unbedingter Höhe wohl nur sehr ausnahmsweise. Von ihrem wie bei den meisten Ordnungsverwandten geregelten Tageslaufe gewinnt man eine Vorstellung, wenn man das Leben einer Art ins Auge faßt. Ich glaube ein durchschnittlich richtiges Bild zu geben, wenn ich die Mittheilungen hier folgen lasse, welche Bernstein über den Alexandersittich gegeben hat: »Ueber Tages durchstreift genannter Sittich paarweise oder in kleinen Trupps die Gärten und Gehölze seines Wohnortes; gegen Abend aber versammeln sich alle Vögel dieser Art, welche ein gewisses Gebiet bewohnen, auf einem bestimmten, großen, dicht belaubten Baume oder auch in dichten Bambusgebüschen und verbringen hier gemeinschaftlich die Nacht. Kennt man einen solchen Baum und stellt sich hier gegen Abend auf, so kann man ein anziehendes Schauspiel gewahren. Mit dem Sinken der Sonne kommen die Vögel allmählich von allen Seiten herbeigeflogen; sobald die ersten glücklich angelangt sind, erheben sie frohlockend ihre Stimme und beginnen ein Tonstück, in welches alle neuen Ankömmlinge einfallen, so daß es schließlich zu einem ohrbetäubenden Lärm anschwillt, welcher nicht früher endet, als bis der letzte Schein der Abendröthe am Himmel verschwunden ist. Dann tritt schnell allgemeine Ruhe ein, und sie wird nur zuweilen vorübergehend gestört, wenn einzelne, welche vielleicht ein minder bequemes Sitzplätzchen gefunden haben, aufflattern, um ein anderes zu suchen und dabei einen ihrer schon eingeschlafenen Genossen von dem seinigen vertreiben wollen. Unter solchen Umständen wird allgemeiner Unwille laut und der Ruhestörer mit einigen kräftigen Schnabelhieben zurechtgewiesen. So dauert es, bis völlige Dunkelheit eingetreten ist. Mit dem ersten Schein des anbrechenden Tages zertheilt sich der Schwarm, um am nächsten Abend auf demselben Baume oder Busche wieder zusammenzukommen und die Nacht gemeinschaftlich durchzubringen.
»Während der Brutzeit leben die Edelsittiche paarweise, und dann finden die erwähnten abendlichen Zusammenkünfte nicht statt. Ihr Nest legen sie in Baumhöhlen an, und ihr starker Schnabel kommt ihnen zu deren Erweiterung sehr zu statten.« Das Gelege besteht aus drei bis vier Eiern, welche wahrscheinlich von beiden Geschlechtern bebrütet werden. Die Jungen entwickeln sich langsam, werden nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang von ihren Eltern unterrichtet, betragen sich dann aber bald ganz wie die Alten. Für die Gefangenschaft eignen sich alle Arten der Sippe in besonderem Grade. Die Schönheit ihrer Färbung, ihre vorzüglichen Anlagen und ihre Zutraulichkeit vereinigen sich, um sie zu anziehenden und deshalb allgemein beliebten Käfigvögeln zu stempeln.
»Dieser Papagei«, sagt Plinius, »stammt aus Indien, woselbst er Sittace heißt. Er ahmt die menschliche Stimme nach und führt ordentliche Gespräche, begrüßt den Kaiser und spricht die Worte nach, welche er hört. Sein Kopf ist so hart wie sein Schnabel. Soll er sprechen lernen, so schlägt man ihm mit einem eisernen Stäbchen auf den Kopf, weil er sonst die Schläge nicht fühlt. Fliegt er nieder, so setzt er sich, statt auf die Füße, auf den Schnabel und stützt sich dann auch noch auf diesen, um sich leichter zu machen, weil seine Beine zu schwach sind.«
Anderweitige Mittheilungen desselben Naturforschers stellen außer Zweifel, daß mit diesen Worten der Halsbandsittich gemeint ist. Dieser war es, welcher schon im Alterthume die Zuneigung aller Thierfreunde sich erwarb, und welcher noch im Mittelalter vorzugsweise in Käfigen gehalten und als ein kostbarer Gegenstand betrachtet wurde. Ihn brachte Onesikrit, Feldherr Alexanders des Großen, von seinem Kriegszuge nach Indien mit nach Griechenland; ihn fanden die Römer später auch bei Tergedum, am mittleren Nile, wieder; seiner gedenkt Diodorus Siculus, wenn er von Papageien spricht, welche im äußersten Syrien gefunden werden.
Der Halsbandsittich ( Palaeornis torquatus und cubicularis, Psittacus torquatus, cubicularis, manillensis, docilis, inornatus, streptophorus, bitorquatus, parvirostris, rufirostris und sincialo, Conurus torquatus etc.), »Tiga« oder »Tia« der Bengalen, »Gallar, Leibar, Ragu und Kiru« anderer indischen Volksstämme, »Dura« und »Babaghân« der Araber, »Hersei« der Abessinier, ist ein ebenso anmuthig gebauter, als zarter und ansprechend gefärbter Vogel. Er gehört zu den mittelgroßen Arten seiner Abtheilung; die Gesammtlänge des Männchens beträgt fünfunddreißig bis vierzig Centimeter, wovon mehr als fünfundzwanzig Centimeter auf den Schwanz kommen, die Länge des Fittigs vom Buge bis zur Spitze dagegen nur funfzehn Centimeter. Die Färbung des Gefieders ist im allgemeinen ein sehr lebhaftes, leicht ins Gelbliche ziehendes Grasgrün, welches auf dem Scheitel am frischesten, auf der Unterseite am blassesten, auf den Schwingen aber am dunkelsten ist. Zu beiden Seiten des Halses und der Wangengegend geht diese Färbung in zartes Lila- oder Himmelblau über, welches durch einen dunklen, schwarzen Kehlstreifen und durch ein prächtiges rosenrothes Band von dem Grün des Halses getrennt wird. Die dunkelgrünen Schwingen sind an der Innenfahne schwärzlich gerandet und blaßgelb gesäumt, die beiden mittelsten und die Spitzen der übrigen, sonst grasgrünen, auf der Innenfahne lebhaft gelben Schwanzfedern sind blau, die Untertheile des Schwanzes aber wie die Untertheile der Schwingen, grüngelblich. Der Augenstern ist gelblichweiß, der schmale Augenring roth, der Schnabel mit Ausnahme der dunkleren Spitze des Oberschnabels lebhaft roth, der Fuß grau. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht durch die Färbung, die jungen Vögel vor der Mauser durch ihre blassere und gleichmäßigere lichtgrüne Färbung von den alten.
Unter allen Sippschaftsgenossen hat der Halsbandsittich das größte Verbreitungsgebiet; denn er kommt ebensowohl in Südasien wie in Afrika vor. Allerdings unterscheiden sich die afrikanischen Halsbandsittiche von den indischen durch etwas geringere Größe, eine mehr ins gelbgrüne ziehende Färbung, merklich breiteren Bartstreifen, das in der Mitte unterbrochene Nackenhalsband und den deutlicher blau angeflogenen Hinterkopf: alle diese Unterschiede scheinen jedoch zur Trennung in zwei verschiedene Arten nicht auszureichen, und die Vogelkundigen stimmen darin überein, daß indische und afrikanische Vögel als gleichartig betrachtet werden müssen. Wenn man letzteres auch zugesteht, darf man doch nicht unterlassen, hervorzuheben, daß die Lebensweise des Halsbandsittichs in Indien und Afrika eine so verschiedene ist, als sie unter Edelsittichen überhaupt sein kann. Die eigenthümlichen Verhältnisse beider Heimatsgebiete mögen diese Abweichungen begründen und geben uns vielleicht ein lehrreiches Beispiel für die Annahme, daß ein und derselbe Vogel unter veränderten Umständen auch eine andere Lebensweise führen kann.
In Asien bewohnt der Halsbandsittich die indische Halbinsel von Bengalen an bis Nepal und Kaschmir und vom Indus an bis Tenasserim oder Pegu, außerdem die Insel Ceylon. Die Angabe Chesney's, daß er auch in Syrien vorkomme und im Frühlinge dort gemein sei, stimmt zwar mit der Behauptung von Diodorus Siculus überein, fordert jedoch trotzdem zu Zweifeln heraus, da kein anderer Reisender eines Papageis gedenkt, welcher so weit nördlich vorkommen sollte. Wahrscheinlich bildet die Kette des Himalaya für unseren Sittich die nördliche Grenze. Auf den Andamaneneilanden hat Tytler Ende der sechziger Jahre mehrere Paare ausgesetzt, welche sich dort vielleicht einbürgern werden, ebensogut, als sich entflogene in der Umgegend der Kapstadt seßhaft gemacht haben und gegenwärtig dort brüten.
Innerhalb des indischen Verbreitungsgebietes gehört unser Sittich zu den häufigsten Vögeln des Landes, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, der Ebenen. Hier bevorzugt er, laut Blyth, bebaute Gegenden allen übrigen und ist dem entsprechend der einzige indische Papagei, welcher die Nachbarschaft des Menschen geradezu aufsucht. Denn nicht allein in Gärten und Baumpflanzungen oder auf den die Straßen und Wege beschattenden Bäumen, sondern auch in passenden Höhlungen größerer Gebäude, in Mauerlöchern und Ritzen, siedelt er sich an, um seine Jungen zu erziehen. Hier und da lebt er fern von allen Waldungen und begnügt sich dann mit den wenigen Bäumen, welche der Städter oder Dörfler der Früchte oder des Schattens halber anpflanzte. In vielen indischen Städten sieht man ihn, wie bei uns Dohlen, auf den Dachfirsten sitzen; in anderen beobachtet man, daß er einzelne Bäume, unbekümmert um das unter ihm wogende Marktgewühl, zu seinen Versammlungsorten erwählt und allabendlich zu ihnen zurückkehrt: Layards anmuthige Schilderung, welche ich oben gegeben habe, bezieht sich auf ihn. Unter solchen Umständen kann es nicht fehlen, daß er allerorten das Besitzthum des Menschen in empfindlichster Weise schädigt, und nur der Gutmüthigkeit und Thierfreundlichkeit der Indier insgemein dankt er, nicht ebenso rücksichtslos verfolgt zu werden wie der Karolinasittich. Plündernd fällt er in die Fruchtgärten, zerstörend in die Getreidefelder ein. Noch ehe die Frucht gereift, klammert er sich an die Aeste, um sie zu pflücken; noch ehe das Korn sich gehärtet, klaubt er es aus der Aehre; und wenn das Getreide eingeheimst ist, sucht er nach Art unserer Tauben auf dem Stoppelacker noch nach Körnern umher oder erscheint, wie der Karolinasittich, an den Feimen, um sich hier der ihm etwa noch erreichbaren Aehren zu bemächtigen. Zuweilen unternimmt er, zu großen Gesellschaften geschart, weite Raubzüge, und wenn ein solcher Schwarm einen in Frucht stehenden Baum entdeckt hat, zieht er gewiß nicht an ihm vorüber, sondern umfliegt ihn in weiten Kreisen und schwebt dann mit ausgebreiteten Schwingen und Steuerfedern auf ihn herab, und seine Früchte fallen in kürzester Frist der Vernichtung anheim. Hier und da vereinigt er sich wohl auch mit einem anderen Verwandten und streift in dessen Gesellschaft im Lande umher.
Anders verläuft, wie schon bemerkt, sein Leben in Afrika. Hier verbreitet er sich vom siebzehnten bis zum achten Grade nördlicher Breite über alle Länder des Inneren und bewohnt daher von der Westküste an bis zum Ostrande des abessinischen Gebirges jede günstig gelegene, ihm und seinem Treiben entsprechende Waldung. Er verlangt nicht immer den ausgedehnten, ununterbrochenen Urwald, welcher im Inneren Afrikas alle Niederungen bedeckt, sondern findet sich oft auch in beschränkteren Waldestheilen, vorausgesetzt, daß es hier einige immergrüne Bäume gibt, deren dicklaubige Kronen ihm zu jeder Jahreszeit gesicherte Ruheorte bieten. In Westafrika scheint er an der Küste des Meeres vorzukommen; in Nordafrika habe ich ihn südlich des fünfzehnten Grades der nördlichen Breite gefunden, in den von mir durchreisten Theilen des abessinischen Küstengebirges aber nicht bemerkt. Auffallend war mir, daß er immer nur da auftritt, wo auch Affen leben. Nach wiederholten Beobachtungen rechneten wir zuletzt mit aller Sicherheit darauf, in demselben Gebiete, in welchem wir Affen getroffen hatten, Papageien zu bemerken, und umgekehrt diesen da zu begegnen, wo jene beobachtet worden waren. Große zusammenhängende Waldungen in wasserreichen Thälern bieten freilich beiden Thierarten alle Erfordernisse zu behaglichem Leben und erwünschtem Gedeihen.
Es dürfte dem Reisenden in jenen Gegenden schwer werden, die Halsbandsittiche zu übersehen. Sie verkünden sich auch dem Naturunkundigen vernehmlich genug durch ihr kreischendes Geschrei, welches das Stimmengewirr der Wälder immer übertönt und um so bemerklicher wird, als auch die Sittiche regelmäßig in mehr oder minder zahlreichen Trupps leben. Eine solche Gesellschaft, welche oft mit anderen sich verbindet und dann zum Schwarme anwächst, hat sich einige Tamarinden oder andere dicht belaubte Bäume zum Wohnsitze auserkoren und durchstreift von hier aus tagtäglich ein größeres oder kleineres Gebiet. In den Morgenstunden sind die Vögel noch ziemlich ruhig; bald nach Sonnenaufgange aber ziehen sie schreiend und kreischend nach Nahrung aus, und man sieht dann die Schwärme eiligen Fluges über den Wald dahin streichen. Afrikas Wälder sind verhältnismäßig noch immer arm an Baumfrüchten; aber die unter dem Schatten der Bäume wuchernde Pflanzenwelt ist reich an Sämereien aller Art, und diese locken auch die Papageien auf den Boden herab. Nur wenn die kleinen rundlichen Früchte des Christusdorn reif oder wenn die zarten Schoten der Tamarinde genießbar geworden sind, kommen die Papageien wenig oder nicht zur Erde hernieder. Nicht unwahrscheinlich ist, daß sie auch thierische Nahrung zu sich nehmen; wenigstens habe ich sie oft in der Nähe von Ameisenhaufen oder Termitengebäuden sich beschäftigen sehen und an gefangenen eigenthümliche Gelüste nach Fleischnahrung beobachtet. In den Feldern, welche die Innerafrikaner am Waldesrande anlegen, sieht man sie selten, obgleich die gefangenen mit den hauptsächlichsten Getreidearten jener Gegenden, mit Kafferhirse und Durrah leicht erhalten werden können. Es scheint, daß ihnen die Früchte und Sämereien des Waldes besser munden als das Getreide. Bis gegen den Mittag hin beschäftigt sich der Schwarm mit Aufsuchen seiner Nahrung; dann fliegt er zur Tränke, und hierauf begibt er sich nach einer jener dichten Baumkronen, um hier einige Stunden zu vertreiben. Dabei wird viel geschwatzt und auch gekreischt; die Gesellschaft macht sich also bemerklich genug, ist aber demungeachtet schwer zu entdecken. Dasselbe, was Prinz von Wied über die südamerikanischen Papageien sagte, gilt auch für unsere Sittiche; man muß sich sehr anstrengen, wenn man die grünen Vögel in dem gleichfarbigen Gelaube wahrnehmen will. Dazu kommt, daß sie augenblicklich stillschweigen, wenn sie eine ihnen auffallende Erscheinung bemerken, oder sich leise und vorsichtig davon stehlen, wenn sie Verfolgung fürchten. Je länger man unter einem Baume verweilt, aus dessen Kronen herab man Hunderte von Stimmen erschallen hörte, um so stiller und ruhiger wird es, und schließlich ist kein einziger mehr oben: einer nach dem anderen ist lautlos einem ähnlichen Baume zugeflogen und verkündet nun von dorther mit freudigem Geschrei, daß er seine listig angelegte Flucht glücklich beendet.
Nach einigen Stunden der Ruhe fliegen die Sittiche zum zweiten Male nach Speise und Trank aus; dann sammeln sie sich gegen Abend wieder auf ihren Lieblingsbäumen und erheben womöglich ein noch lebhafteres Geschrei als vorher; denn jetzt handelt es sich nicht bloß um den besten Zweig zum Ausruhen, sondern vielmehr um den sichersten Schlafplatz. Während des Frühlings jener Länder, welcher den ganzen Urwald mit zauberhafter Pracht begabt, schlafen die Papageien regelmäßig in Baumhöhlen; in der trockenen Jahreszeit dagegen müssen sie oft mit dem Gelaube vorlieb nehmen, weil die wenigen Höhlungen der immergrünen Bäume bald besetzt sind, die in blätterlosen Bäumen befindlichen ihnen aber zu gefährlich scheinen: daher rührt das Geschrei und Gezänk, welches man während der trockenen Jahreszeit lauter vernimmt als sonst.
So geschickt und rasch die Papageien fliegen, so täppisch, langsam und unbeholfen bewegen sie sich auf dem flachen Boden, und auch ihr Klettern im Gezweige der Bäume ist sehr stümperhaft. Der Flug ist reißend schnell, scheint aber zu ermüden; wenigstens erfordert er viele schwirrende Flügelschläge und geht nur dann in ein leichtes Schweben über, wenn sich der Papagei eben niederlassen will. Aus reiner Lust zum Fliegen treibt sich der Halsbandsittich niemals in der Luft umher; er verbindet mit seinem Dahineilen immer einen ganz bestimmten Zweck und endet seinen Flug, sobald er glaubt, diesen erreichen zu können. Der Gang auf dem Boden ist kaum noch Gang zu nennen, sondern eher als ein Dahinwackeln zu bezeichnen: die Kletterfüße wollen zum Laufen keine rechten Dienste thun. Der Leib wird gleichsam fortgeschleppt, und der lange Schwanz muß beträchtlich erhoben werden, damit er nicht auf dem Boden nachschleift. Eine gehende Papageiengesellschaft reizt unwillkürlich zum Lachen, weil sie scheinbar einen überaus erheiternden Ernst an den Tag legt.
In Indien brütet, wie wir durch Jerdon erfahren, der Halsbandsittich in den Monaten Januar bis März; im Inneren Afrikas sind die Regenmonate, welche den Frühling über jene Länderstriche bringen, die Zeit der Fortpflanzung. Dort dienen, wie bemerkt, nicht allein Bäume, sondern auch allerlei andere Höhlungen, zumal solche in den verschiedensten Gebäuden zur Brutstätte; hier werden ausschließlich jene benutzt. Nach dem ersten Regen hat auch die riesenhafte Adansonie ihre gewaltige Krone in den dichtesten Blätterschmuck gehüllt, und alle die zahlreichen Höhlen in den Aesten sind in wünschenswerthester Weise verdeckt worden. Hier siedeln sich nun die Brutvögel an, nach den Mittheilungen, welche mir gemacht wurden, ebenfalls in Gesellschaften, deren Paare nach einigem Streite um die besten Höhlungen friedlich zusammenleben. Das Gelege besteht aus drei bis vier rein weißen, etwas glänzenden Eiern, deren größter Durchmesser achtundzwanzig und deren kleinster zweiundzwanzig Millimeter beträgt. In Afrika sieht man schon gegen Ende der Regenzeit die Alten mit ihren leicht kenntlichen Jungen, und diese Familien vereinigen sich nun wiederum bald zu größeren Schwärmen. Nach meinen an gefangenen gesammelten Beobachtungen brauchen die Jungen mindestens drei Jahre, bevor sie das Kleid, namentlich das bezeichnende rothe Halsband, ihrer Eltern erhalten.
Ungeachtet ihrer Wehrhaftigkeit haben die Halsbandsittiche von den größeren Raubvögeln viel zu leiden und sollen nach Versicherung indischer Beobachter selbst den ungeschickteren von diesen zur Beute fallen. Philipps bemerkt, daß der dortige Milan zuweilen unter sie stößt, wenn sie auf Bäumen sitzen und dann und wann einen von ihnen davonträgt, ebenso, daß sie oft von den größeren Eulen angegriffen werden; Anderson dagegen bezeichnet den Schahinfalken ( Falco peregrinator) als einen ihrer gefährlichsten Feinde. »Kleine Flüge von Edelsittichen«, so erzählt er, »zogen in schneller Folge eilig ihren Schlafplätzen zu, als zu meinem Vergnügen einer der genannten Falken in einen ihrer Flüge stieß und wenige Schritte von dem Kopfe meines Pferdes vorbeijagte. Dreimal wiederholte er seinen Angriff, und jedesmal drängten sich die Sittiche in größtem Schrecken und äußerster Verwirrung aneinander und fielen, als ob sie aus der Luft geschossen wären, in die Stoppeln, über welche ich ritt. Als sie sich wieder erhoben, verdoppelte der Falke seine Anstrengungen, fehlte aber wiederum und setzte sich endlich verdrießlich auf einen Baum, von welchem ich ihn herabschoß.« In Afrika habe ich derartige Angriffe nicht gesehen, zweifle aber nicht im geringsten, daß die dortigen Edelfalken ebenfalls auf Halsbandsittiche stoßen.
In den von mir bereisten Gegenden Mittelafrikas jagt nur der sammelnde Europäer die Halsbandsittiche mit dem Feuergewehre; der Eingeborene behelligt sie nicht mit der Waffe und fängt sie höchstens, wenn er Aussicht hat, die lebenden Papageien gut zu verwerthen. Ungeachtet der Häufigkeit dieser Vögel ist es nicht gerade leicht, sie zu erlegen; ihre Schlauheit täuscht auch den geübten Jäger und vereitelt dessen Anstrengungen. Ich habe ihr listiges Gebaren später mit großem Vortheile benutzt, um sie leicht und sicher zu erlegen. Wenn ich eine Gesellschaft im Walde aufgefunden hatte, spähte ich einfach nach dem nächsten dichten, grünen Baume, stellte mich in dessen Nähe an und ließ nun durch meine Jagdgehülfen den anderen Baum bedrohen. Die Folge davon war, daß die Papageien sich zurückzogen und dabei gewöhnlich mir zum Schusse kamen. Der Fang geschieht in Mittelafrika nicht planmäßig. Man hebt höchstens die jungen, fast flüggen Vögel aus oder überrascht einen oder den anderen der Alten nachts in den Baumhöhlen. Netze und Schlingen werden nicht zum Fange dieser Vögel benutzt, obgleich die Eingeborenen derartige Werkzeuge zu verwenden wissen. Am Senegal scheint man den Fang in ausgedehnterem Maße zu betreiben; von dorther kommen auch die meisten Halsbandsittiche, welche wir in der Gefangenschaft sehen. Sie müssen sehr billig zu erwerben sein; denn sie kosten bei uns nur wenige Mark.
Ich habe während meines Aufenthaltes in Afrika wiederholt Halsbandsittiche gefangen gehalten, mich aber nicht besonders mit ihnen befreunden können. Ein Mal besaß ich achtzehn Stück von ihnen zu gleicher Zeit lebendig. Ich gewährte ihnen möglichste Freiheit, ließ sie in einem großen Zimmer fliegen, fütterte sie gut und hoffte den ganzen Trupp zu erhalten. Meine Erwartungen wurden jedoch auf das schmachvollste getäuscht: die Papageien fielen mörderisch über einander her und die stärksten bissen die schwächeren todt. Gewöhnlich brachen sie den erlegten die Hirnschale auf und fraßen das Gehirn, ganz nach Art unserer Kohlmeise. Von ihrer besseren Seite lernte ich die Halsbandsittiche später kennen und damit auch lieben. So scheu und unfreundlich Junge sich zeigen, so zahm und liebenswürdig werden diejenigen, welche man einzeln im Gebauer pflegt. Auch sie entwöhnen sich ihres gellenden, durchdringenden Geschreies und lernen ohne besondere Schwierigkeiten sprechen, erfüllen somit alle Anforderungen, welche man an einen gefangenen Sittich stellen kann. Weit schöner als in Einzelhaft aber nehmen sie sich unter einer größeren Papageiengesellschaft aus. Hier paaren sich bald die Männchen den Weibchen an, und wenn solcher Liebesbund geschlossen ist, erwirbt sich das Pärchen jedwedes Zuneigung. Das Männchen überhäuft die Gattin mit allen Zärtlichkeiten, welche Papageien gegenseitig sich erweisen, schnäbelt und atzt sie, nestelt in ihrem Gefieder, umhalst sie förmlich, biegt sich darauf zurück, lüftet die Flügel und breitet den Schwanz, das Bild des Adlers im Wappen darstellend, weist eifersüchtig jede Annäherung eines anderen seines Geschlechtes oder eines Papageien zurück und hält scharfe Wacht, namentlich vor dem Eingange zu dem Nistkasten, welcher bald erwählt und entsprechend hergerichtet wird. Allerliebst sieht es aus, wenn die Gattin in diesem arbeitend verweilt und das Männchen durch Anklopfen mit dem Schnabel sie hervorruft, während sie mit dem Kopfe zum Schlupfloche herausschaut, einen Augenblick mit ihr kost und dann, nachdem sie sich von neuem zurückgezogen, wiederum seinen Wachtposten vor dem Käfige einnimmt. So viel mir bekannt, haben gefangene Halsbandsittiche nirgends genistet; es will dies jedoch wenig besagen, da es keinem Zweifel unterliegen kann, daß sie, wenn sie alle Bedingungen erfüllt sehen, zum Nisten schreiten werden.
Eine wenig zahlreiche, nur zehn Arten zählende Sippe bilden die Schmalschnabelsittiche ( Brotogerys), kleine Langschwanzpapageien von Staar- bis Dohlengröße mit schlankem, ziemlich langem, seitlich stark zusammengedrücktem, auf der Firste kantigem, in eine lange, dünne, stark herabgekrümmte Spitze ausgezogenem, vor derselben mit tiefem Ausschnitte versehenem Oberschnabel und entsprechend schmalem Unterschnabel, ziemlich schwachen, kurzläufigen Füßen, langen und spitzigen Flügeln, unter deren Schwingen die zweite die längste ist, mittellanger Flügelspitze, mäßig langem, keilförmigem Schwanze, in welchem die mittleren Federn etwas vorragen und die äußeren wenig verkürzt sind, sowie endlich weichem Gefieder von eintönig grüner Färbung, von welchem sich meist ein orangegelber Kinnfleck und die gelben Flügeldeckfedern abheben. Alle bis jetzt bekannten Arten der Sippe leben in Südamerika und verbreiten sich hier ziemlich gleichmäßig über den Osten und Westen wie über den Süden und Norden, von Paraguay an bis Honduras hinauf. Ihre Lebensweise scheint so übereinstimmend zu sein, daß es vollkommen genügt, eine Art zu schildern.
Die Tirika oder der blauflügelige Schmalschnabelsittich ( Brotogerys tirica, Psittacus tirica, viridissimus, Psittacula tiriacula, Conurus viridissimus, rufirostris und tiriacula, Sittace tirica, Aratinga acutirostris und viridissimus, Tirica tiriacula, brasiliensis und viridissima) zählt zu den größeren Arten und ist schön grasgrün, oberseits etwas dunkler, an Stirn, Backen und auf der Unterseite heller, auf den Unterflügeldecken fast gelb gefärbt, auch dadurch ausgezeichnet, daß ihr der orangefarbene Kinnfleck fehlt. Die Deckfedern der innen schwarz gerandeten, unterseits düster grünen, längs der Schaftmitte blauen Handschwingen sind schön dunkelblau. Das Auge ist graubraun, der Schnabel hell röthlichfleischfarben, die Wachshaut weißlich, der Fuß hell bräunlich. Das Weibchen unterscheidet sich durch etwas mattere, der junge Vogel durch mehr graulichgrüne Färbung und das Fehlen des durch die Deckfedern gebildeten blauen Flügelfleckes.
Die Tirika verbreitet sich über den größten Theil des östlichen Südamerika, bewohnt das ganze Küstenwaldgebiet Brasiliens und findet sich ebenso in den Waldungen Guayanas. Im östlichen Brasilien gehört sie zu den gewöhnlichsten Papageien überhaupt, lebt in sehr zahlreichen Schwärmen, zuweilen mit kleineren Keilschwanzpapageien gesellt, jedoch nicht vermischt, fliegt pfeilschnell von einem Waldestheile zum anderen oder auch auf die Felder hinaus und läßt dabei ihren kurzen, scharfen, hellen Schrei vernehmen, macht überhaupt von ihren Stimmmitteln umfassenden Gebrauch und verursacht bei ihren geselligen Vereinigungen mit anderen einen geradezu betäubenden Lärm. In den Reis- und Maispflanzungen zählt der kleine Vogel zu den unliebsamsten Gästen, schadet sehr und wird deshalb von den Landwirten unerbittlich verfolgt. Da er wenig scheu ist, büßt er seine Raubzüge sehr oft mit dem Tode durch Pulver und Blei, und da er anderen seiner Art die größte Anhänglichkeit bekundet, seine Treue nicht minder oft mit dem Verluste seiner Freiheit. Unzählige seiner Art werden mit Hülfe eines Lockvogels auf Leimruthen gefangen und im Käfige gehalten. Denn gerade die Schmalschnabelpapageien sind, ihres sanften Wesens und ihrer leichten Zähmbarkeit halber, bei den Brasilianern als gefangene Vögel sehr beliebt. Gewöhnlich hält man sie angekettet auf einem Stocke, welchen man an der äußeren Seite der Wohnung anbringt, indem man das eine Ende desselben in der Lattenwand befestigt.
Solche Gefangene gelangen regelmäßig auch auf unseren Thiermarkt und finden hier ebenso wie in Brasilien Liebhaber und Freunde, nach meinen Erfahrungen nicht mit Unrecht. Regsam, munter, klug, anmuthig und anspruchslos, vom frühen Morgen bis zum späten Abend in Thätigkeit, zutraulich und menschenfreundlich, vereinigen sie in der That eine Reihe trefflicher Eigenschaften in sich und schmücken namentlich einen Gesellschaftskäfig in hohem Grade. Ihre Bewegungen sind rasch und behend. Sie laufen mit kleinen, trippelnden Schritten, aber für Papageien auffallend schnell auf dem Boden dahin, klettern leicht und eilfertig und fliegen auch in engem Raume geschickt und gewandt. Mit anderen Vögeln der verschiedensten Art vertragen sie sich ausgezeichnet; das bissige, angriffslustige Wesen anderer Papageien scheint ihnen fremd zu sein. An die Nahrung stellen sie die geringsten Ansprüche, nehmen vielmehr mit allem vorlieb und halten auch in kühlen und selbst kalten Räumen ohne Nachtheil aus.
»Tirikas und überhaupt alle Schmalschnabelsittiche«, schreibt mir von Schlechtendal, »zeichnen sich in ihren Bewegungen durch eine gewisse Hast und Eilfertigkeit aus, lärmen dabei viel und thun namentlich jede Gemüthsaufregung durch lautes Zetergeschrei ihrer Umgebung kund und zu wissen. Mit derselben Eile, mit welcher sie auf den Sitzzweigen ihres Käfigs einherklettern, steigen sie auch am Gitter auf und nieder und mit demselben Gezeter, mit welchem sie untereinander einen Streit auskämpfen, um gleich darauf wieder sich zu versöhnen, begrüßen sie mich, wenn ich mit einem Büschel grünen Hafers dem Käfige mich nähere. Wer gegen Vogellärm empfindlich ist, dem kann ich kaum rathen, Schmalschnabelsittiche im Zimmer zu halten. Ist ihr Geschrei auch bei weitem nicht so durchtönend wie das der Zwergpapageien und mancher Keilschwanzsittiche, so lärmen die kleinen Burschen doch recht viel, namentlich wenn man ihrer mehrere zusammen hält. Auf der anderen Seite gewährt gerade eine Zwergpapageigesellschaft dieser Vögel in geräumigem Käfige weit mehr Vergnügen als ein einzelnes Pärchen, und kann man dieselben nach meinen bisherigen Erfahrungen auch recht gut mit den kleineren Arten der Keilschwanzsittiche zusammenhalten. Abgesehen von ihrem Lärmen haben die Vögel viele gute Eigenschaften. Ihre Genügsamkeit und Anspruchslosigkeit empfehlen sie auch dem unfertigen Pfleger. Hanf, gespelzter Hafer, Sonnenblumensamen, reifendes Getreide, namentlich Hafer, Hirse und Mais, Früchte und Beeren, insbesondere die der Eberesche, bilden die Nahrung, bei welcher man sie jahrelang bei bestem Wohlsein in Gefangenschaft erhalten kann. Anfänglich in der Regel etwas ängstlich und schreckhaft, jedenfalls nur infolge erlittener Unbilden, werden sie bei angemessener Behandlung bald zutraulich und zahm, verdienen daher wohl die Lobsprüche, welche von vielen Pflegern ihnen ertheilt werden.«
Durch den sehr kräftigen, dicken, kurzen, stark abgerundeten, auch seitlich erweiterten Oberschnabel, vor dessen kurzer, breiter und stumpfer Spitze ein seichter Zahnausschnitt bemerklich ist, den hohen, auf der Dillenkante breiten und abgerundeten, vor der abgestutzten Spitze sanft ausgebuchteten Unterschnabel, die kurzen, kräftigen Füße, die langen Fittige, unter deren am Ende zugespitzten Schwingen die drei ersten, unter sich fast gleichen, die anderen überragen, und den keilförmig abgestutzten Schwanz sowie das weiche, wenig lebhaft gefärbte Gefieder kennzeichnen sich die Dickschnabelsittiche ( Bolborhynchus), kleine Arten von Staar- bis Drosselgröße, welche vorzugsweise über die Länder des westlichen, südlichen und mittleren Theiles von Südamerika, insbesondere die Platastaaten, Uruguay, Paraguay, Bolivia und Peru sich verbreiten und in mehr als einer Beziehung, namentlich aber durch ihren eigenthümlichen Nestbau von allen übrigen Langschwanzsittichen, ja sogar von allen bekannten Papageien überhaupt erheblich abweichen.
Die bekannteste Art der Sippe ist der Mönchsittich oder Quäkerpapagei, »Cotorra« und »Calita« der Südamerikaner ( Bolborhynchus monachus, Psittacus monachus, murinus, cinereicollis, choraeus, Cotorra und Calita, Conurus monachus, murinus, canicollis, griseicollis und Calita, Sittace murina, canicollis, Myiopsitta murina, canicollis und Calita), ein Vogel von siebenundzwanzig Centimeter Länge, dessen Flügel fünfzehn und dessen Schwanz zwölf Centimeter mißt. Das Gefieder ist grasgrün, in der Mantelgegend blaß olivenbräunlich, grau verwaschen; Stirn, Vorderkopf, Zügel, Backen, Hals und Brust sind hellgrau, die Federn des Kropfes bräunlich, durch schmale, graulich fahle Endsäume, welche sich zu Wellenlinien ordnen, gezeichnet, Unterbrust und Bauch einfarbig hellgrau, Unterbauch, Schenkel, Aftergegend und untere Schwanzdecken gelbgrün, die Handschwingen wie der Eckflügel indigoblau, außen grün, innen breit schwärzlich gerandet, die Deckfedern der Handschwingen und die Armschwingen, mit Ausnahme der letzten grünen, dunkler indigoblau, alle Schwingen unterseits dunkel meerblau, grünlich verwaschen, die großen Unterflügeldecken gleich gefärbt, die kleinen aber grün, die Schwanzfedern endlich innen hellgrünlich, unterseits grünlich meerblau, innen gelbgrün gerandet. Die Iris ist braun, der Schnabel gelblich-, der Fuß bräunlichgrau. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht von einander, und auch die jungen Vögel tragen nach dem Ausschlüpfen im wesentlichen das Kleid der alten.
Das Verbreitungsgebiet des Mönchsittichs scheint in den Platastaaten seinen Brennpunkt zu haben und erstreckt sich über Paraguay, Uruguay, den Argentinischen Freistaat und Bolivia, vielleicht auch über den südwestlichen Theil Brasiliens, nach Westen hin bis Matto Grosso. Ueber das Freileben sind eingehende Berichte noch nicht veröffentlicht worden; nur über das Brutgeschäft wissen wir mehr als von vielen anderen Papageien der am besten durchforschten Gegenden Südamerikas. Aus den wenigen Angaben der Reisenden, insbesondere Renggers und Darwins, geht hervor, daß der Mönchsittich in Paraguay wie in der Banda Oriental zu den gemeinsten Vögeln zählt, außer der Brutzeit in Flügen von fünfzig bis zweihundert Stück im Lande umherstreift und dann den Getreide-, zumal den Maisfeldern äußerst nachtheilig wird, daher auch die rücksichtsloseste Verfolgung herausfordert. Rengger schildert diese Papageien als so zahlreich und zudringlich, daß es trotz eigener seinetwegen angestellter Wächter, welche während des ganzen Tages in den Feldern auf- und abgehen müssen, nicht möglich sei, sie gänzlich zu verscheuchen. Man gebraucht daher alle Mittel, um sich der gefräßigen Diebe zu erwehren, fängt sie in erstaunlicher Anzahl und zahlt dem Fänger für jedes Dutzend Köpfe eine gewisse Summe. Wie man Darwin erzählte, wurden in einem Jahre bei Colonia del Sacramiento am La Plata nicht weniger als dritthalbtausend Stück erbeutet.
Das Fortpflanzungsgeschäft des Mönchsittichs erscheint aus dem Grunde besonders beachtenswerth, weil er, soviel bis jetzt bekannt, der einzige Papagei ist, welcher große, freistehende Nester auf Bäumen errichtet. Die erste Mittheilung hierüber rührt von Azara her, welcher die Nester als sehr groß, oft über einen Meter im Durchmesser haltend, oben bedeckt, innen mit Gräsern ausgepolstert beschreibt und bemerkt, daß sich oft einige auf einem Baume befinden und eines von mehreren Weibchen gemeinsam benutzt wird. Die Angabe des gewissenhaften Reisenden war für einzelne Forscher so überraschend, daß diese sich für berechtigt hielten, sie zu bezweifeln. Andere Reisende bestätigen jedoch Azara's Bericht vollständig. Darwin fand auf einer Insel des Paraná viele Nester des Mönchsittichs und eine Anzahl von ihnen so dicht zusammen, daß sie eine große Masse von Reisern bildeten. Castelnau beobachtete wie Azara, daß mehrere Weibchen in einem und demselben Neste brüten, da er in den Sümpfen von Jarayas auf ein außerordentlich großes, aus kleinen Holzstücken erbautes und mit vier bis fünf Oeffnungen versehenes Nest stieß, welches von einem zahlreichen Fluge des in den Sümpfen häufigen und von den Bewohnern »Sumpfpapagei« genannten Sittichs bewohnt war. Auch Burmeister sah solche Nester. »In Ermangelung anderer nützlicher Beschäftigung«, sagt er in seiner Reise durch die La Platastaaten, »betrachtete ich einzelne hohe, blattleere Bäume, welche ich für abgestorben halten mußte, an denen große Ballen ineinander gefilzten Strauchwerkes, Stroh und Reiser hingen, und deren Ursprung und Bedeutung ich mir nicht recht erklären konnte. Denn für Vogelnester waren sie offenbar zu groß, auch zu freihängend angebracht. Aber meine Begleiter behaupteten, daß es dennoch Vogelnester seien und zwar die Bauten des grünen Papageies mit grauer Kehle, den man im Lande ›Calita‹ nennt. Der Vogel habe die Gewohnheit, sein Nest gesellig anzulegen, und darum erschienen die Gebäude so umfangreich. Bald sah ich auch die Vögel paarweise ab- und zufliegen.«
Wir haben in der neuesten Zeit Gelegenheit gehabt, in unseren Käfigen den eigenthümlichen Nestbau des Mönchsittichs zu beobachten. Schon Azara bemerkt, daß man letzteren in Südamerika gern im Gebauer halte und als einen sehr empfehlenswerthen Vogel bezeichnen müsse, welcher seines zierlichen und gefallsüchtigen Betragens halber den ihm beigelegten Namen »Junge Wittwe« verdiene, mit seinem angepaarten Genossen fortwährend in anmuthigster Weise kose und sich auch leicht zur Fortpflanzung im Gebauer entschließe. Alle diese Angaben sind richtig. In den letzten Jahren wurde der auf unserem Thiermarkte bis dahin spärlich anlangende Mönchsittich in größerer Menge eingeführt und hat sich trotz seines gellenden Geschreies manchen Liebhaber erworben. Schmidt war der erste, welcher über seine Fortpflanzung im Käfige berichten konnte. Der Mönchsittich gehörte zu denjenigen, welche von dem genannten Forscher zu seinen Versuchen, Papageien im Freien zu überwintern, erwählt wurden. Das Ergebnis dieser Versuche war im allgemeinen ein befriedigendes, beziehentlich des Mönchsittichs sogar ein außerordentlich günstiges. Als die wirkliche Winterkälte begann, sah Schmidt, daß die Mönchsittiche trefflich gegen dieselbe sich zu schützen verstanden, indem sie jedesmal gegen Abend denjenigen Nistkasten des freistehenden Fluggebauers zur Nachtruhe aufsuchten, dessen Flugloch von dem Winde abgewendet war, bei sehr kalten Tagen solchen Nistkasten auch nur auf kurze Zeit verließen, um die nöthige Nahrung einzunehmen. Beim Eintritte des Frühjahres prangten sie in überraschend schönem und vollständigem Gefieder, zum Beweise, daß ihnen das freiere Leben in der frischen Luft trefflich bekommen war. Im April begannen sie hier und da Zweige von den im Fluggebauer freistehenden Gebüschen abzupflücken und gegen Erwartung des Beobachters in das Innere des Nistkastens zu tragen. Letzteren bauten sie innen vollständig aus und in ihm erzogen sie ihre Brut, auf welche ich zurückkommen werde. Bei anderen Liebhabern verfuhren sie in gleicher Weise, und fast wollte es den Anschein gewinnen, als ob auch sie Höhlungen mit Vorliebe benutzten. Da erfuhr ich durch Paare, welche ich selbst pflegte, das Gegentheil, und neuerdings brütete ein anderes Pärchen im zoologischen Garten zu Berlin. Es ist dasselbe, welches Mützel sammt dem von ihm erbauten Neste gezeichnet und während seiner regelmäßigen Besuche im Thiergarten genau beobachtet hat. Hierüber berichtet er mir das nachstehende.
»Das Mönchsittichpaar bewohnt einen Gesellschaftskäfig zugleich mit afrikanischen und australischen Papageien, Steindrosseln und zwei jungen Schwarzspechten. In der frei in das Zimmer ragenden Ecke des Käfigs, offenbar der für seinen Zweck am geeignetsten Stelle, begann das Paar in ungefährer Höhe von drei Meter über dem Fußboden Besenreiser durch das Gitter zu flechten. Der aufmerksame Wärter kam, als er Nistgelüste erkannte, den Vögeln sofort zur Hülfe, indem er drei Holzknüppel querüber im Drahtnetze befestigte. Die Mönchsittiche erkannten dies dankbar an und benutzten sie sofort als Grundlage ihres zukünftigen Nestes. Der Bau wurde von jetzt an eifrig weitergeführt. Das Männchen schleppte eifrig Reiser herbei, und das Weibchen ordnete sie, zunächst um die Grundfläche zu bilden, welche möglichst glatt, rund und schüsselförmig hergestellt wurde. Hierauf wölbte es das Dach, und gleichzeitig damit wurde das Eingangsrohr angelegt, eine flach gedrückte, nach außen etwas gesenkte Röhre darstellend. Beides, Dach und Röhre, erschien anfänglich leicht gebaut und durchsichtig, gewann jedoch bald durch Ueberflechten an Haltbarkeit und Stärke. Je weiter der Bau vorschritt, um so mehr verschwand die erkennbare Form der Röhre, und das endlich fertige Nest bildete eine mächtige Stachelkugel von mehr als einem Meter Durchmesser, an welcher alle Reiser mit dem dicken Ende nach außen standen und nur eine wenig regelrechte Oeffnung die Röhre noch andeutete.
»Alle zum Nestbau erforderlichen Stoffe wurden von dem unermüdlichen Männchen herbeigetragen und zwar indem es das aus dem Vorrathe gewählte Reis mit dem Schnabel faßte und kletternd zur Baustelle trug. Das Weibchen dagegen war auf das emsigste beschäftigt, die ihm gebrachten Reiser an- und einzupassen, zu verflechten oder auch zu verwerfen.
»Man glaube nicht, daß diese rührige und freudvolle Thätigkeit des liebenden Paares in ungestörter Behaglichkeit vor sich gegangen wäre. Im Gegentheile: jeden Augenblick mußten die fleißigen und sorglichen Gatten den Bau unterbrechen, um ihn gegen die Käfiggenossen zu vertheidigen. Fortwährend störten die Kameraden das Werk. Die Neugier aller übrigen Papageien war mächtig erregt worden: sie wollten sehen und bewundern, näherten sich dabei jedoch zu sehr und in Besorgnis erregender Weise der Baustätte. Sofort ließ das Weibchen seine Arbeit liegen, wandte sich den dreisten und zudringlichen Gesellen zu und kreischte sie laut und heftig an. Augenblicklich ließ auf solches Zeichen hin das Männchen ein Reis, welches es bereits im Schnabel hatte, fallen, flog den Feind an, und dicht neben ihm am Gitter Fuß fassend, bearbeitete es denselben mit Schnabelhieben und Flügelschlägen derartig, daß man das äußerste befürchten konnte. Wüthendes Gekreisch war sein Kampfruf, eine oder die andere ausgerissene Feder des Kampfes Preis, schleunige Flucht des angstvoll schreienden Besiegten seines Kampfes Erfolg. Der um sein Nest besorgte Vogel biß und hackte mit dem Schnabel, wohin er traf, schlug auf die Flügel, den Kopf, den Rücken, packte mit dem Schnabel Schwingen und Steuerfedern. Ja einmal sah ich ihn, nachdem leichtere Mittel wirkungslos geblieben waren, in heller Wuth die gegnerische Rosella, welche sich in ihrer Bestürzung kaum vertheidigte, durch zehn- bis zwölfmaliges Reißen und Hin- und Herschleudern an den festgepackten Schwanzfedern so gründlich zausen, daß der bedrängte Vogel nur nach Verlust der Schwanzfedern sich zu retten vermochte. Die jungen Schwarzspechte machten sich durch ihre Tölpelei und Aengstlichkeit, welche sie verhinderten, rechtzeitig zu fliehen, dem Mönchsittichpaare sehr unbequem. Noch schülerhaft unbeholfen im Gebrauche ihrer Flügel, und Neulinge in der Gesellschaft, wußten sie sich nicht zu retten, trugen daher manchen wüthenden Biß der erregten Sittiche davon. Schließlich setzten sich die letzteren bei ihren Käfiggenossen jedoch derartig in Achtung, daß die Nähe des Nestes zur Zeit nur noch zufällig berührt wird. Das Männchen hält meistens auf einem, aus der Nestdachung hervorstehenden stärkeren Zweigende sitzend treue Wacht, begibt sich ab und zu in das Innere, um nach der brütenden Gattin zu sehen, oder holt eine Birkenruthe, um eine durch das Zusammentrocknen der Baustoffe locker gewordene Stelle nachzubessern. Das Weibchen sitzt fest im Inneren; doch sieht man seinen runden Kopf in der tiefen Dämmerung der Höhle sich bewegen, und manchmal, wenn der Gatte ihr zu lange Zeit auf dem Baue über ihrem Kopfe herumwirtschaftet, erscheint es auch wohl am Rande der Oeffnung, um nachzusehen, was vorgeht.«
Ueber das Brutgeschäft und die Erziehung der Jungen konnten bis zum Abschluß dieser Zeilen Beobachtungen nicht gesammelt werden; es liegen solche über beides aber auch bereits vor. »Im Anfange des Mai«, so beschreibt Schmidt die Thätigkeit des oben erwähnten Paares, »zog sich das Weibchen in das Nest zurück und wurde nunmehr von dem Männchen fleißig gefüttert. Es zeigte sich sehr wenig am Flugloche und kam ganz selten und dann stets nur auf einige Augenblicke heraus. Das Männchen saß den größten Theil des Tages vor dem Flugloche auf der Sitzstange und schien das Nest zu bewachen; denn es erhob, sobald es eine Störung befürchten mochte, ein rätschendes Geschrei. Am achtundzwanzigsten Mai lag unter dem Nistkasten am Boden des Fluggebauers die Hälfte einer Eischale, aus welcher offenbar ein junger Vogel ausgeschlüpft war; denn an der inneren Auskleidung derselben waren deutliche Gesäßbildungen sichtbar. Die Vögel verkehrten von da an sehr häufig in dem Neste; namentlich das Weibchen hielt sich viel in demselben auf, streckte aber meistens den Kopf aus dem Flugloche hervor. Von einer Beschäftigung, welche mit der Aufzucht eines jungen Vogels in irgend welcher Beziehung stand, war nichts zu bemerken. Doch glaubte ich, hierauf keinen besonderen Werth legen zu dürfen, da ich gesehen hatte, daß die Vögel ihr Thun und Treiben zu verbergen suchten, wenn sie sich beobachtet glaubten. Es kam aber auch nach Wochen keine Spur eines jungen Vogels zum Vorscheine, und ich mußte daher wohl annehmen, daß derselbe gestorben sei, und erwartete, daß die Eltern demnächst aufs neue brüten würden.
»Anfangs Juli vermißte ich einen grünen Kardinal, welcher mit den Papageien dasselbe Fluggebauer bewohnte, und da er trotz sorgfältigen Suchens nirgends zu entdecken war, vermuthete ich, daß er sich in einem der Nistkästen verkrochen haben könnte und dort gestorben sei. Der Wärter nahm daher am achten Juli einen Kasten nach dem anderen herab und fand zu seiner und meiner nicht geringen Ueberraschung in dem Neste der Papageien einen lebenden, offenbar noch nicht lange ausgeschlüpften jungen Vogel sowie vier weiße Eier. Der junge Papagei war etwa zwei Centimeter lang und mit dunkelgrauem Flaume besetzt, das Nest mit Gras sorgfältig ausgefüttert, das Reiserwerk der Unterlage ganz davon bedeckt. Natürlich wurden, um die Vögel ferner nicht zu stören, weitere Beobachtungen an dem Inhalte des Nestes nicht angestellt, sondern der Kasten möglichst schnell wieder an seine Stelle gebracht, und die Folge zeigte, daß die Bewegung desselben ohne Nachtheil für die Brut geblieben war.
»Höchst auffallend erschien hierbei, daß das Weibchen, welches allein und ohne unmittelbare Hülfe des Männchens das Brutgeschäft besorgte, nicht ruhiger und ununterbrochener auf den Eiern gesessen hatte, so daß wir trotz genauer Beobachtung diesen Vorgang ganz übersehen mußten. Ich vermuthete, daß der junge Vogel erst ganz kürzlich ausgeschlüpft sei, und daß von den Eiern doch wohl noch etwas zu erwarten stünde. Auch jetzt sah man die Vögel nicht füttern, da das Weibchen sich zu diesem Behufe, wenn beide sich nicht beobachtet wähnten, in das Innere des Kastens begab, während das Männchen auf der Sitzstange vor dem Flugloche Wache hielt. Bemerkten sie, daß man selbst aus größerer Entfernung nach ihnen blickte, so kam auf den Ruf des Männchens sofort das Weibchen aus dem Neste, und beide erhoben ein häßliches Geschrei, welches erst aufhörte, wenn der unliebsame Späher sich zurückzog. Sie hatten quer vor das Flugloch ein ziemlich kräftiges Stückchen biegsamen Holzes gespannt, welches das Weibchen jedesmal beim Verlassen des Nestes mehr gegen die Mitte der Oeffnung schob, als wolle es dadurch die Kleinen verhindern, das Nest zu verlassen, oder etwaigen Feinden den Eingang erschweren. Schalen von ausgeschlüpften Eiern wurden nicht herausbefördert; kein Ton verrieth die Anwesenheit eines jungen Vogels. Aber schon nach kurzer Zeit ließ sich aus der Menge der verwendeten Nahrung entnehmen, daß wohl mehrere tüchtige Fresser im Neste sein müßten. Die Alte fütterte anfänglich vorzugsweise Salat, von dem täglich zwei bis drei starke Köpfe verbraucht wurden; später nahm sie außerdem eingeweichtes Weißbrod und schließlich auch Hanfsamen.
»Am siebenten August sah ich zum ersten Male, daß die Mutter fütterte. Sie würgte unter nickender Bewegung des Kopfes, welche sich dem ganzen Körper mittheilte, Nahrung aus dem Kropfe, und obwohl sie sich mit dem größten Theile ihres Leibes in dem Nistkasten befand, glaubte ich doch wahrzunehmen, daß sie an mehreren Stellen Futter austheilte. Jedenfalls mußten die Jungen schon ziemlich groß sein, da das Weibchen ihre Schnäbel erreichen konnte, ohne in den Kasten hinabzusteigen. Am Nachmittage des zehnten August ließen sich die Köpfe von zwei jungen Papageien am Flugloche des Nistkastens blicken, und am folgenden Tage flog der erste derselben aus und lief munter am Boden umher. Nach ziemlich kurzer Zeit saß er jedoch trübselig mit gesträubtem Gefieder in einer Ecke, und da die Witterung überdies regnerisch zu werden versprach, ließ ich ihn trotz des heftigen Schreiens der Eltern in den Nistkasten zurückversetzen, an dessen Flugöffnung bei dieser Gelegenheit die Köpfe von zwei weiteren Jungen zum Vorscheine kamen. Erst am fünfzehnten August flog er abermals aus und diesmal in Gesellschaft eines seiner Geschwister. Man bemerkte sofort, welcher Vogel der ältere war, da er weit kräftiger und lebhafter schien als der andere, welcher nach kaum einer Stunde struppig wie frierend in einer Ecke hockte. Er wurde gegen Abend in das Nest zurückgesetzt, während der größere sich nach dem bedeckten Theile des Fluggebauers verfügte, wo er seitdem allnächtlich seinen Aufenthalt nahm. Am achtzehnten August flog ein Junger aus; doch vermag ich nicht zu sagen, ob es der zweite war, den wir in das Nest zurückgebracht hatten, oder der dritte Bruder, welcher seinen ersten Spaziergang wagte. Sein Zustand war vollkommen zufriedenstellend, so daß keine Sorge für ihn erforderlich wurde. Am zwanzigsten kam der letzte aus dem Nistkasten und zwar ebenfalls in augenscheinlich gesundem und kräftigem Zustande.
»Die jungen Vögel befanden sich, als sie ausgeflogen, in vollständigem Gefieder; nur hatten die Schwanz- und Steuerfedern noch nicht die Länge wie bei den Alten. Ihre Färbung war dieselbe wie bei diesen, nur das Grün weniger lebhaft, die Schwungfedern sahen mehr grün als blau aus, und die hellen Ränder der grauen Federn am Kopfe und der Brust traten weniger hervor, so daß sie viel matter und einfarbiger erschienen. Der Körper hatte annähernd die Größe wie beim ausgewachsenen Vogel, der Kopf war verhältnismäßig groß, der Schnabel weniger gekrümmt. Sie waren anfänglich nicht sehr lebhaft, hockten vielmehr den größten Theil des Tages über dem Boden auf einem Baumaste, welcher ihnen zu diesem Zwecke dorthin gelegt worden war. Wenn die Alten ihnen sich näherten, verlangten sie durch Nicken mit dem Kopfe und Schlagen mit den Flügeln nach Nahrung, welche ihnen in der Regel auch gereicht wurde. Die Eltern, welche beide diesem Geschäfte sich unterzogen, nahmen den Schnabel des Jungen, indem sie den Kopf seitwärts wendeten, so in den ihrigen, daß sie die Seite desselben faßten, worauf sie mit der geschilderten Bewegung das Futter einflößten. Die Kleinen legten dabei den Kopf in den Nacken und wiederholten die Geberden, mit denen sie ihr Verlangen nach Nahrung auszudrücken pflegen. Nach wenigen Tagen wußten sie indeß auch die Futterschüssel zu finden und selbständig zu fressen. Doch erhielten sie noch Ende August einen großen Theil ihrer Nahrung von den Eltern. Allmählich wurden sie beweglicher und bald kletterten sie an dem Gitter des Fluggebauers empor. Diese Stellung wurde von den Alten in der Regel benutzt, um das Gefieder der Kleinen in Ordnung zu bringen. Sie kletterten hinter diesen her und zogen eine Feder derselben nach der anderen durch den Schnabel, um sie zu reinigen und zu glätten, ganz wie sie es mit den eigenen thun.
»Die Dauer der Brutzeit hat sich bei dieser ersten Beobachtung noch nicht ermitteln lassen, dagegen darf wohl als gewiß angenommen werden, daß die Jungen etwa vierzig Tage brauchen, bis sie flügge sind.«
Unter allen Papageien, welche in unseren Käfigen gezüchtet werden, steht ein kleiner australischer Sittich unbedingt obenan. Schwerlich eignet sich auch ein Papagei in dem Maße zum Stubenvogel wie er. Andere Sittiche bestechen durch die Pracht ihrer Färbung, der Wellensittich, welchen ich meine, durch Anmuth und Liebenswürdigkeit, ich möchte sagen, durch seinen Liebreiz. Schönheit besitzt auch er im hohen Grade, aber seine Liebenswürdigkeit ist größer als die Pracht seines Gefieders. Er gereicht jedem Zimmer zur Zierde und erwirbt sich bald auch das sprödeste Herz.
Der Wellensittich ( Melopsittacus undulatus, Psittacus und Nanodes undulatus, Euphema und Euphemia undulata), bis jetzt der einzig bekannte Vertreter seiner Sippe, der Singsittiche ( Melopsittacus), gehört zu den kleineren Papageien; doch läßt ihn der lange Schwanz größer erscheinen, als er ist. Seine Länge beträgt zwanzig bis zweiundzwanzig, seine Breite sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge fast zehn Centimeter. Seine Gestalt ist höchst zierlich, der Leib schlank, der Schnabel höher als lang, seitlich und auf der Rückenfläche abgerundet, der Oberschnabel fast senkrecht herabgebogen und in eine weit überhängende Spitze ausgezogen, vor derselben tief ausgebuchtet, der Unterschnabel so hoch wieder obere und an der Dillenkante abgerundet, der Fuß dünn, schlank, verhältnismäßig hochläufig und mit langen Zehen und Nägeln ausgerüstet, der Fittig lang und spitzig, unter den Schwingen die zweite die längste, die Flügelspitze fast ebenso lang wie der.Oberflügel, der lange Schwanz, dessen beide Mittelfedern die anderen erheblich überragen, stufig, so daß das äußerste Paar nur ein Dritttheil der Länge des mittelsten besitzt, das Gefieder außerordentlich weich und höchst ansprechend gezeichnet, nach dem Geschlechte kaum, nach dem Alter wenig verschieden. Stirn, Oberkopf, Zügel und die Gegend um den Unterschnabel sind schwefelgelb, seitlich begrenzt und geschmückt durch je vier hochblaue, die Spitzen verlängerter Federn einnehmende Flecke, von denen der auf den Wangen stehende der größte ist, während die drei übrigen wie runde Tüpfel erscheinen; Ohrgegend, Hinterkopf, Hinterhals, Mantel, Schultern und der größte Theil der Flügeldecken haben grünlichgelbe Färbung, jede Feder aber wird durch vier feine, schwarze Ouerlinien, welche auf Schultern und Flügeldecken auf zwei sich verringern und verbreitern, gezeichnet; Hinterrücken, Bürzel und obere Schwanzdecken sowie die Unterseite vom Kinn an sind prachtvoll grasgrün, die Handschwingen und deren Deckfedern düster grün, außen schmal gelb, innen schwärzlich gesäumt, auf der Mitte mit breiten, keilförmigen, gelblichen Flecken gezeichnet, die Armschwingen außen grün, schmal gelblich gerandet, innen gelb, an der Wurzel schwärzlich, die letzten Armschwingen und die letzten Schulterfedern braunschwarz mit breiten, gelben Endsäumen, die beiden Spießfedern des Schwanzes düster dunkelblau, die übrigen Steuerfedern grünblau mit breitem, citrongelbem Mittelfleck, welcher sich über beide Fahnen erstreckt, und breiten schwarzen Säumen an der Wurzel der Innenfahne. Das Auge ist blaßgelb, der Schnabel horngelb, an der Wurzel grünlichgrau, die Wachshaut dunkelblau, der Fuß bläulichgrün. Das etwas kleinere Weibchen unterscheidet sich vom Männchen dadurch, daß die Bartflecken nicht ganz so groß sind und die Wachshaut in der Regel graugrün gefärbt ist; der junge Vogel läßt sich an seiner düsteren Färbung, verloschenen Zeichnung und der Ausdehnung der Wellenlinien über die ganze Oberseite sowie dem Fehlen der blauen Tropfenflecke erkennen; auch sind die Brustseiten dunkel quergewellt.
Shaw war der erste Naturforscher, welcher den Wellensittich kennen lernte und beschrieb, Gould der erste Reisende, welcher uns einiges über das Freileben mittheilte. Gegenwärtig wissen wir, daß der Vogel in ungeheueren Scharen das ganze innere Australien und zwar hauptsächlich die mit Gras bewachsenen Ebenen bewohnt und hier von den Samen der Gräser sich nährt. Alle Beobachter, welche ihn im Freien sahen, sind ebenso einstimmig in ihrem Lobe wie die Liebhaber, welche ihn nur im Käfige beobachten konnten.
Als Gould im Anfange des December die Ebenen des Inneren besuchte, sah er sich von Wellensittichen umgeben und beschloß, längere Zeit an einer und derselben Stelle zu verweilen, um ihre Sitten und Gewohnheiten zu beobachten. Sie erschienen in Flügen von zwanzig bis hundert Stück in der Nähe einer kleinen Lache, um sich zu tränken, und flogen von hier zu regelmäßigen Zeiten nach den Ebenen hinaus, um dort die Grassämereien, ihre ausschließliche Nahrung, aufzunehmen. Am häufigsten kamen sie frühmorgens und abends vor dem Dunkelwerden zum Wasser. Während der größten Tageshitze saßen sie bewegungslos unter den Blättern der Gummibäume, deren Höhlungen gerade jetzt von brütenden Paaren bewohnt wurden. So lange sie sich auf den Bäumen ruhig hielten, waren sie schwer zu entdecken; wenn sie aber zur Tränke gehen wollten, setzten sie sich frei und in Massen auf die abgestorbenen Zweige der Gummibäume oder auf die zum Wasser herniederhängenden Aeste.
Ihre Bewegungen sind wundervoll. Der Flug ist gerade und reißend schnell, falken- oder schwalbenartig, dem anderer Papageien kaum ähnelnd, der Gang auf dem Boden verhältnismäßig gut, ihr Klettern im Gezweige wenigstens nicht ungeschickt. Im Fluge lassen sie eine kreischende Stimme vernehmen; im Sitzen unterhalten sie sich mit kosendem Gezwitscher, welches man nur deswegen nicht Gesang nennen kann, weil die einzelnen Töne der lautgebenden Vögel mit denen unzähliger anderer sich vermischen und hierdurch ein Wirrwarr von Tönen entsteht.
Auch während der Brutzeit halten sich die Wellenpapageien in Gesellschaften zusammen, obwohl die einzelnen Paare unter diesen, ihres treuinnigen Zusammenhanges wegen, leicht zu erkennen sind. Das Nest steht in den Löchern und Spalten der Gummibäume und enthält im December vier bis sechs Eier von rein weißlicher Farbe und ziemlich rundlicher Gestalt. Ende December sind die Jungen gewöhnlich ausgeflogen und im Stande, sich selbst zu versorgen. Sie sammeln sich dann in großen Flügen, welche mit den ungepaarten Alten umherschweifen; denn diese schreiten, wenn man von dem Benehmen der Gefangenen schließen darf, zu einer zweiten und dritten Brut.
Nach Beendigung des Brutgeschäftes treten die Scharen ihre Wanderung an. Sie ziehen regelmäßig von Süden nach Norden und kehren erst dann wieder zu ihrem Brutorte zurück, wenn die Grassamen reif sind. In ganz Südaustralien erscheinen sie im Frühlinge, unserem Herbste also, mit gleicher Regelmäßigkeit wie unsere Zugvögel. Die Eingeborenen behaupten, daß sie zuweilen in Gegenden sich zeigen, in denen man sie früher nicht gesehen hatte, und dies ist bei ihrer Bewegungsfähigkeit recht wohl zu glauben.
Goulds Mittheilungen sind durch einen Bericht, welchen ich der Freundlichkeit Engelharts danke, wesentlich erweitert worden, und ich lasse denselben daher hier folgen, obgleich ich ihn bereits in den »Gefangenen Vögeln« veröffentlicht habe. »Zu den unstäten Gästen Südaustraliens gehört auch der hier wie überall so beliebte Muschel- oder Kanariensittich der Ansiedler, ihr Wellensittich. Einer der bevorzugten Brutplätze, welcher Gegenstand meiner unmittelbaren Beobachtung wurde, ist jedenfalls Malleeshrub, ein köstlicher Eukalyptenwald, welcher sich gleichlaufend mit dem Murray von dessen Mündung bis zur ersten großen Biegung des Flusses zieht. Fällt in dieser unwirtsamen Gegend nach einem nassen Winter auch noch im Frühlinge, d. h. Ende September und im Oktober, reichlich Regen, so wächst hier das Gras zu einer ungeahnten Dichtigkeit und Höhe auf. Ganze Geviertmeilen, welche sonst das unverkennbare Gepräge einer trostlosen Sandwüste an sich tragen, bedecken sich plötzlich mit dem schönsten Kängurugrase, welches unter dem Einflusse der warmen Sonne Südaustraliens freudig bis zu Meterhöhe emporschießt. Rasch entwickelt sich die Blüte, und in etwa fünf bis sechs Wochen trägt die Aehre bereits Samen. Doch schon lange vorher haben sich unzählbare Scharen des niedlichen Sittichs eingefunden und betreiben eifrig das Brutgeschäft. Der eigenthümliche Wuchs des Mallee, welcher aus einem Wurzelstocke etwa acht bis zwölf sechs Meter hohe weißrindige Stämme mit dürftigen Laubkronen emportreibt, in denen sich unzählbare Astlöcher befinden, begünstigt dieses Geschäft in hohem Grade. Jeder hohle Stamm, jedes Astloch, im Nothfalle sogar jeder geeignete Raum im Wurzelstocke, wird zum Nestbaue benutzt. In wenigen Wochen ist alles lebendig von Sittichen. Der reiche Grassamen dient als vortreffliche Atzung für die Jungen. Wer um diese Zeit zufällig in eine solche Gegend sich verirren sollte, könnte leicht Hunderte dieser letzteren mit den Händen fangen. In zahlreichen Scharen fliegen sie vor seinem Fußtritte von dem Rasen auf, setzen sich in langen Reihen auf die nackten Zweige, mit zwitscherndem Gesange sich unterhaltend, und sehen harmlos zu, wie der mordsüchtige Mensch seine Flinte nimmt, um ihnen eine Ladung zuzusenden, welche oft Dutzende auf einmal fällt. Endlich sind die Vorräthe an Sämereien aufgezehrt, vielleicht ist auch Wassermangel eingetreten, und der Wandertrieb regt sich in den prächtigen Vögeln und führt sie weiter. Ihr nächstes Ziel sind die Alexandrina- und Wellingtonseen, welche beide vom Murray durchströmt werden, ehe er in das Meer mündet. Ob hier die Sümpfe grasreichere Nahrung liefern, oder ob die Nähe des frischen Wassers sie lockt, mag unentschieden bleiben; jedenfalls ist dies der Platz, wohin alljährlich die Vogelfänger ziehen, um ihre Netze zu stellen, und wo sie viele tausende unserer Sittiche erbeuten.
»Diese Schilderung gilt, wie nochmals zu bemerken, nur für die Jahre, in denen es reichlich regnet. In anderen dagegen, in denen der Regenfall hinter dem jährlichen Durchschnitte zurückbleibt, scheinen die Wellensittiche gänzlich verschwunden zu sein. Ohne Zweifel sind sie dann dem fernen Norden zugezogen, weil hier oft im heißen Sommer heftige Gewitterregen fallen und in kurzer Zeit aus einer vollständigen Sandwüste eine grasreiche Steppe zaubern. Es ist, als ob alle wandernden Papageien dies im voraus wüßten. Denn da, wo ihnen die Natur den Tisch gedeckt hat, ja man möchte fast sagen, da wo sie ihnen den Tisch decken wird, stellen sie sich ein.«
Nach Mittheilung eines anderen Deutschen, welcher viele Jahre in Australien lebte, werden die Wellensittiche gegen Abend in großen Beutelnetzen zu hunderten und tausenden gefangen, in rohe Kistenkäfige gesperrt und so den Händlern übermittelt. Nach Melbourne bringt man sie in unglaublicher Menge. Wenn ihrer viele auf dem Markte sind, kauft man das Paar im einzelnen mit ungefähr 2,5 Mark unseres Geldes, während bei Massenkäufen höchstens 1,5 Mark für das Pärchen gezahlt wird. Nach der Fangzeit füllt man mit ihnen alle größeren lichtvollen Räume der Schiffe, und mancher Kapitän tritt während der Heimreise von Australien nach Europa den Vögeln seine Kajüte ab. Noch vor zwei Jahrzehnten waren sie seltene Erscheinungen auf unserem Thiermarkte; gegenwärtig treffen sie alljährlich annähernd zu derselben Zeit in größerer oder geringerer Menge ein, je nachdem drüben der Fang günstig ausfiel, und ebenso, je nachdem ein Schiffsführer Glück oder Unglück mit ihnen gehabt hatte. Aufmerksamere Vogelhändler setzen sie in Australien gesellschaftsweise in kleine Käfige, deren Sitzstangen wie Treppenstufen hinter- und übereinander liegen, damit auf möglichst wenig Raum die größtmöglichste Anzahl von Vögeln Platz finden kann. Ein solches Reisegebauer gewährt ein überaus liebliches Bild. Die ganze Gesellschaft sitzt auf den Stangen in Reih und Glied, und eine Reihe Gesichter schaut über die Köpfe der anderen herüber; aller Augen richten sich nach dem Beschauer, und jedes scheint um Erlösung aus der engen Haft zu bitten. Streit und Zank, wie er bei anderen Papageien so häufig vorkommt, werden bei dem Wellensittich wohl auch, aber doch immer nur ausnahmsweise beobachtet. Bis zur Brutzeit leben tausende äußerst verträglich unter einander, und zwar die gleichen Geschlechter ebensowohl wie die Pärchen. Ich habe in London das große Zimmer eines Vogelhändlers, welcher eben eine neue Sendung der Wellensittiche erhalten hatte, mit mehr als tausend Paaren und große Zuchträume mit mehreren Hunderten dieser Vögel erfüllt gesehen und auch hier dieselbe Eintracht bemerkt wie im Käfige.
Der Wellensittich gehört nicht zu denjenigen Papageien, welche aus Trauer über den Verlust ihres Gefährten oft dahinwelken und sterben, verlangt aber Gesellschaft und erklärlicherweise am liebsten die des entgegengesetzten Geschlechtes seiner eigenen Art. Im Nothfalle findet er auch in einem verschiedenartigen kleinen Papagei einen Ersatz; niemals jedoch behandelt er einen anderen Vogel mit jener liebenswürdigen Zärtlichkeit, welche er gegen seinesgleichen an den Tag legt. Es ist deshalb nothwendig, ihn immer paarweise zu halten; erst dann gibt er seine ganze Liebenswürdigkeit kund. Sollte einer der Gatten des Paares durch irgend welchen unglücklichen Zufall sein Leben verlieren, so ersetzt ein anderer Gefährte des betreffenden Geschlechtes den verlorenen rasch und vollständig wieder.
Ein wesentlicher Vorzug des Wellensittichs ist seine Genügsamkeit. Kein zweiter Stubenvogel verlangt so wenig Abwechslung in seinem Futter wie jener kleine Papagei. Ihm genügt ein und dieselbe Nahrung jahrelang. Wir ersetzen ihm die Grassämereien Australiens durch Hirse, Kanariensamen und Hanf: dabei befindet er sich wohl und zufrieden. Vielfache Versuche, ihn an andere Körner zu gewöhnen, haben keinen Erfolg gehabt. Dagegen nimmt er gern saftige Pflanzenblätter zu sich, vor allem Salat, Kohl, Kraut und ähnliches Grünzeug, Mäusegeschirr und dergleichen. Früchte, Zucker und andere Leckereien verschmäht er anfänglich gewiß, läßt sich jedoch nach und nach daran gewöhnen. Trotz seiner Liebhaberei für trockenes Futter trinkt er sehr wenig, zuweilen wochenlang nicht; demungeachtet darf man nicht versäumen, ihn fortwährend mit frischem Wasser zu versehen. Salz, Kalk und Sand gehören zu seinen unabweislichen Bedürfnissen. Es springt in die Augen, daß die Leichtigkeit der Erhaltung wesentlich dazu beiträgt, den Vogel beliebt zu machen.
Aber der Wellensittich versteht es auch noch in anderer Weise die Zuneigung des Menschen sich zu erwerben. An geistigen Begabungen steht er unzweifelhaft hinter den größeren Sittichen zurück, läßt jedoch diesen Mangel kaum merkbar werden. In seinen Bewegungen kommt er jedem seiner Ordnungsverwandten gleich. Sein Gang ist ein geschicktes, rennendes, trotz der kleinen Schritte förderndes Laufen, sein Klettern ein vollendetes Turnen, sein Flug ein köstliches, jeden Beobachter begeisterndes Durcheilen der Luft. Man muß gesehen haben, wie ein freigekommener und entfliehender Wellensittich dahinjagt, um seine volle Fluggewandtheit beurtheilen zu können. Er jagt mit einem Falken um die Wette, führt die zierlichsten Wendungen, Schwenkungen und Biegungen im Fluge aus, versteht es, die größten und geringsten Entfernungen abzumessen, und läßt sich mit einem Worte nur den vollendetsten Fliegern an die Seite stellen. Erwirbt schon diese Beweglichkeit dem Vogel unsere Zuneigung, so bewahrt er sich dieselbe dauernd durch seine Stimme. Die meisten anderen Papageien, selbst jene Arten, welche wahre Menschenvögel genannt werden können, werden, so liebenswürdig sie sonst sind, zuweilen unerträglich durch ihre Stimme. Diejenigen unter ihnen, welche sich in Worten mit ihren Pflegern unterhalten, können ihrem angeborenen Hange zum Lärmen oft nicht widerstehen, und zwischen den nachgeschwatzten Worten der menschlichen Sprache gellt das abscheuliche Kreischen hindurch. Es gibt wenige Menschen, welche diese Ungezogenheit der Papageien auf die Dauer ertragen können. Ganz anders ist es bei den Wellensittichen. Auch sie haben reiche Stimmmittel; aber sie verwenden diese niemals in lästiger, vielmehr in anmuthender Weise. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß der männliche Wellenpapagei den Singvögeln beigezählt werden muß; denn sein Geplauder ist mehr als ein Gezwitscher: es wird zu einem, wenn auch bescheidenen, so doch recht ansprechenden Liedchen. Für mich hat der Gesang dieses Prachtvogels etwas höchst angenehmes, und andere Thierzüchter sind nicht bloß derselben Meinung, sondern haben auch erfahren, daß der Wellensittich Lehre annimmt, die reichen Lieder anderer guter Sänger nämlich, welche er hört, bald täuschend nachahmt. Einzelne haben sogar gelernt, Worte nachzusprechen.
Der Thierzüchter, welcher Wellensittiche paarweise hält, sie entsprechend pflegt, möglichst wenig stört und ihnen passende Nisthöhlen schafft, wird fast ausnahmslos die Freude erleben, daß sich seine Gefangenen vermehren. Geschieht dies nicht, so liegt die Schuld in der Regel am Pfleger. Es handelt sich dabei keineswegs um geringe Versehen, sondern in den meisten Fällen um unverantwortlich grobe Fehler. Man läßt es dem Pfleglinge an dem nöthigsten fehlen und ist dann thöricht genug, ihm aufzubürden, was man selbst verschuldet. Am vortheilhaftesten ist es freilich, wenn man einen Schwarm dieser Vögel zusammenbringen und ihm einen größeren, womöglich freistehenden und luftigen Raum gewähren kann. Dann erregt ein Männchen das andere, die Eifersucht thut das ihrige und läßt die Liebe eher und stärker zum Durchbruche kommen. Ein kleines Zimmer, welches, ohne die Vögel zu stören, beliebig gelüftet und geheizt werden kann, dessen Fußboden mit Sand bestreut ist, und dessen Wände mit Nistkästen behangen sind, genügt allen Erfordernissen, welche die bescheidenen Wellensittiche an einen Aufenthaltsort stellen. Nicht gerade nöthig, aber doch sehr zu empfehlen ist, wenn der Nistbaum außerdem noch durch lebende und durchaus unschädliche Pflanzen geziert werden kann; denn diese bieten der munteren Schar geeignete Orte zum Ruhen und Versteckespielen. Eine dauernde Annehmlichkeit bietet man den Vögeln dadurch freilich nicht. Denn sie verwüsten, wie alle Papageien, grüne Zweige oder Gewächse in kürzester Frist. Allein solche sind ihrem Wohlbefinden entschieden förderlich, und man thut deshalb wohl, ihnen zu bieten, was man im Sommer leicht und ohne Schaden gewähren darf. Ein Bündel frisch abgeschnittener Weiden- oder sonstiger Baumzweige überhaupt wird mit ersichtlicher Befriedigung, um nicht zu sagen, dankbar angenommen und binnen kürzester Frist entblättert und entschält. Dabei fressen die Vögel Knospen, Blatt und Schalentheile und verschaffen sich so eine unbedingt zuträgliche Abwechselung in dem Einerlei ihrer täglichen Nahrung. Selbst im Winter kann man ihnen solche Annehmlichkeit verschaffen; denn auch entblätterte Zweige behagen ihnen sehr. Noch mehr lieben sie unreife Aehren unserer Getreidearten, vor allem Hafer, so lange die Körner noch milchig sind. Schneidet man ihnen davon ein Büschel ab, so stürzen sie sich mit wahrer Gier auf dasselbe und verlassen es nicht, bevor das letzte Korn ausgeklaubt und verzehrt worden ist. Zu den Nisthöhlen eignen sich am besten hohle Weidenbäume, deren inneren Raum man an mehreren Stellen durch Bretter abgetrennt hat, um das ganze Stück für mehrere Paare bewohnbar zu machen. Es genügt aber auch schon ein gewöhnlicher Nistkasten mit entsprechend engem Loche, welcher dem brütenden Weibchen erwünschte Sicherheit vortäuscht. Da sie nach Art der meisten Papageien überhaupt ihre Eier einfach auf den Boden legen, empfiehlt es sich, solchen seicht auszuhöhlen und mit grobem Sägemehle zu bestreuen. Sie sorgen dann selbst für Herstellung einer geeigneten Mulde, indem sie nach eigenem Belieben so viel von dem Sägemehle aus dem Kasten werfen, als ihnen erforderlich erscheint. Ein derartig ausgerüstetes Brutzimmer liefert die günstigsten Ergebnisse; doch genügt in den meisten Fällen auch schon ein mittelgroßer Bauer. Wer es über sich gewinnen kann, Wellensittiche im Zimmer frei umherfliegen zu lassen, kann einer besonderen Vogelstube gänzlich entbehren. »Ich kenne«, so schreibt mir Oberforstinspektor von Hinkeldey, »keinen Vogel, welcher sich so dazu eignet, in einem großen Wohnzimmer frei umherzufliegen wie der Wellensittich. Man hänge das Gebauer, in welchem man sie beherbergt, an einen beliebigen Ort im Zimmer, lasse nach wenigen Tagen die Käfigthüre offen, das Futter aber im Bauer stehen, und man wird bemerken, daß die Sittiche zwar sehr bald aus ihrem Gebauer heraus, aber nach einigen Rundflügen im Zimmer auch wieder in ihn zurückfliegen. Binnen wenigen Tagen gewöhnen sie sich, ihr Futter im Bauer zu nehmen, setzen sich niemals an einen anderen Ort, und die Folge davon ist, daß sie fast gar keinen Schmutz im Zimmer verursachen und durch ihren raschen Flug und ihre prächtigen Bewegungen dem Liebhaber neues Vergnügen gewähren. Noch nie flog ein Wellensittich bei mir gegen ein Fenster an oder zur offenen Stubenthüre hinaus. Unmittelbar an mein Wohnzimmer grenzt eine Schlafkammer, welche durch eine Doppelthüre getrennt ist. Diese ist stets offen und in der Kammer, ja sehr oft auch in der Stube, ein Fenster unverschlossen; es ist mir aber noch nie ein Wellensittich entflogen. In diesem Frühjahre ließ ich drei von ihnen, welche kürzlich zu Schiffe angekommen waren, in meinem Wohnzimmer fliegen, und sie gewöhnten sich sofort an die vorbeschriebene Lebensart. Die täglichen Geschäfte im Wohnzimmer beeinträchtigen die Vögel nicht im mindesten. Ihre Nistkästen hängen an der Wand.« Ich habe zu vorstehendem nur das eine zu bemerken, daß nicht alle Wellensittiche offen stehende Fenster so unbeachtet lassen wie die von Hinkeldey geschilderten; im übrigen glaube ich gern, daß sie unter den erwähnten Umständen noch mehr Vergnügen gewähren als sonst.
Man muß selbst die liebenswürdigen Thiere gepflegt und ihre Fortpflanzung beobachtet haben, um die Begeisterung verstehen zu können, mit welcher alle wahren Liebhaber von ihnen sprechen. Je länger man sie kennt, um so mehr gewinnt man sie lieb. Die Beobachtung ihres Treibens und Lebens, ihrer Sitten und Gewohnheiten ist eine unversiegliche Quelle von Vergnügen und Genuß. Während der Paarungszeit wird eigentlich ihre ganze Liebenswürdigkeit erst kund und offenbar. »Das Männchen«, sagt Devon, »ist ein Muster von einem Gatten, wie das Weibchen das Muster einer Mutter ist. Jenes beschäftigt sich ausschließlich mit seinem erwählten und nie mit einem anderen Weibchen, welches etwa zugleich in demselben Raume sein möge; es ist stets eifrig aufmerksam glühend, ja sogar sinnlich gegen sein Weibchen. Auf einem Zweige vor der Oeffnung des Nestes sitzend, singt er ihr seine schönsten Lieder vor, und während sie brütet, atzt er sie mit ebensoviel Eifer als Vergnügen. Er ist niemals traurig, still oder schläfrig, wie so viele andere Papageien, sondern immer heiter und liebenswürdig.« Wer selbst Wellensittiche gepflegt hat, wird diesen Worten beistimmen. Alles, was man von der Zierlichkeit und Anmuth, der Liebenswürdigkeit, gegenseitigen Anhänglichkeit und Hingebung der Zwergpapageien sagen kann, gilt, und wohl in noch reicherem Maße, auch für die Wellensittiche. Das gegenseitige Benehmen beider Gatten ist das anmuthigste, welches man sehen kann. Jeder beeifert sich in ersichtlicher Weise, dem anderen zu Gefallen zu leben; insbesondere das werbende Männchen zeigt sich dem selten versagenden Weibchen gegenüber äußerst liebenswürdig. »Immer begehrlich«, sagt ein Liebhaber, »erzwingt es doch niemals seinen Willen wie andere Vögel, durch Verfolgung des Weibchens bis zu dessen Ermattung. Den Abweisungen der Gattin fügt es sich achtungsvoll und harrt geduldig, bis sich dieses seinen Zärtlichkeiten und Wünschen aus freiem Antriebe ergibt. Die Begattung selbst erinnert in ihrer Innigkeit an das Märchen der Alten von Leda und dem Schwane. Das Weibchen, den Kopf nach dem Männchen zurückgebogen und von demselben Schnabel in Schnabel erfaßt und mit seinen langen Schwingen umschlungen, empfängt seinen Eindruck in nachhaltiger Lust. In der Fütterung des Weibchens und in seiner Zärtlichkeit gegen dasselbe, wenn es auf Augenblicke die Nisthöhle verläßt, ist es unerschöpflich; aber freilich kommt seiner Zärtlichkeit auch seine Eifersucht gleich.«
Der Ausbau des Nestes ist ausschließlich Sache des Weibchens. Es arbeitet mit dem Schnabel so lange an dem Eingangsloche, bis dieses seinen Wünschen entspricht, nagt dann im Inneren größere oder kleinere Spänchen los und legt auf sie in Zwischenräumen von zwei Tagen seine vier bis acht kleinen, rundlichen, glänzend weißen Eier, welche das Gelege bilden. Dann brütet es sehr eifrig sechzehn bis zwanzig Tage, und während der ganzen Zeit wird es von dem Männchen gefüttert, verläßt deshalb auch nur seine Nisthöhle, um den dringlichsten Bedürfnissen zu genügen. Die Jungen, welche etwa dreißig bis fünfunddreißig Tage im Neste verweilen, verlassen letzteres erst dann, wenn sie ganz befiedert sind. Während der ganzen Zeit ist das Weibchen eifrig bemüht, das Nest rein zu halten; es kehrt wie eine ordentliche Hausfrau jeden Morgen sein Zimmer aus und putzt und reinigt seine Kinder mit unvergleichlicher Sorgfalt. Sofort nach dem Ausfliegen gehen die Jungen ans Futter, und wenige Tage später benehmen sie sich ganz wie die Alten; doch muß man um die Zeit des Ausfliegens eine gewisse Vorsicht anwenden, namentlich wenn man nur ein Paar Brutvögel im Käfige hat; denn die erwähnte Eifersucht des Vaters macht sich dann oft in unbegreiflicher Weise geltend. Derselbe Vogel, welcher seine Brut mit hingebender Zärtlichkeit fütterte, fällt zuweilen über die flügge gewordenen Kinder wüthend her, greift sie mörderisch an und verletzt sie nicht selten so, daß sie infolge der jetzigen Lieblosigkeit zu Grunde gehen. Noch unfreundlicher als die Männchen zeigen sich einzelne Weibchen, allerdings nicht gegen ihre eigenen, so doch ihresgleichen Kinder. Solche dürfen selbstverständlich nicht unter der Gesellschaft geduldet, sondern müssen sobald als möglich herausgefangen und verbannt werden.
Sofort, nachdem die erste Brut selbständig geworden ist, schreiten die Alten zu einer zweiten, und wenn diese ausgeflogen, gewöhnlich zu einer dritten und vierten; ja, Franz Schlegel, Vorsteher des Thiergartens zu Breslau, hat beobachtet, daß ein Paar ein volles Jahr lang ununterbrochen brütete! Solche Fälle gehören zu den Ausnahmen: zwei Bruten nacheinander aber scheinen nach meinen Erfahrungen Regel zu sein. Die letzten Jungen aber kann man ohne Sorge mit den Alten zusammenlassen, und dann darf man auch in den Käfig wieder die ersten Jungen einbringen. Diese zeigen sich gleich von Anfang an ebenso liebenswürdig wie die Eltern. Sie haben eine wahre Sucht, ihre jüngeren Geschwister zu pflegen, und füttern diese trotz der Alten. Dabei äffen sie sich gegenseitig alles nach: was der eine thut, unternimmt auch der andere, im Klettern, Fliegen, Fressen und Schwatzen. Der Lärm in solchen Kinderzimmern wird oft betäubend, und manchmal selbst den Alten zu toll, welche sich dann bemühen, ihm aus dem Wege zu gehen; und wenn nun erst ein ganzer Schwarm zusammengehalten wird, wenn vielleicht zehn Elternpaare zu gleicher Zeit Junge ausbrüten und in die Welt schicken, geht es meist lustig und erregt im Raume her. Dann wird auch der Frieden selten gestört; denn die Vorsicht des Männchens kommt kaum oder nicht zur Geltung, wahrscheinlich weil sie sich nicht auf einen Gegenstand richten kann, sondern auf hunderte richten müßte.
Wie nothwendig es ist, Wellensittiche paarweise zusammen zu halten, sieht man erst dann, wenn man längere Zeit zwei desselben Geschlechtes gepflegt hat. Wird zu solchen ein Genosse des anderen Geschlechtes gebracht, so gibt es augenblicklich ein Pärchen und brennende Eifersucht. Neubert, welcher zwei Paar Wellenpapageien besaß, verlor beide Männchen und erhielt erst nach geraumer Zeit Ersatz für eines von ihnen. Die beiden Wittwen hatten sich recht hübsch zusammen gefunden; sie waren munter und lebten gemüthlich miteinander, als ob sie Männchen und Weibchen wären. Als aber das neue Männchen in den Bauer gebracht wurde, änderte sich dieses schöne Verhältnis augenblicklich. »Die beiden Weibchen«, erzählt er, »saßen in der Höhe des Käfigs dicht beisammen, als das Männchen hineinflog, und beobachteten dasselbe sehr aufmerksam. Nach wenigen Augenblicken sah es zu ihnen empor, rührte sich aber nicht von der Stelle und gab einen eigenthümlichen Lockton von sich, welcher von dem einen Weibchen beantwortet wurde. Als es den Lockton wiederholte, schoß das antwortende Weibchen herab, und es gab jetzt eine Scene wie nach lang erwarteter Heimkehr. Das andere Weibchen sah ganz ruhig zu; als aber das Liebespärchen nach oben und in die Nähe der Wittwe kam, da wurde diese fast rasend, fuhr auf die beglückte Braut los, hing sich ihr an den Schwanz und zerrte so lange daran, bis die Federn ausgingen. Nun war es Zeit einzuschreiten. Sie wurden auseinander getrieben, die Xantippe gefangen und von ihrem neuen Herren, welcher sie vermählen wollte, mitgenommen. Spätere Nachrichten sagten aber, daß sie sich mit dem ihrer harrenden Bräutigam gar nicht in gutes Vernehmen setzen wollte, sondern, als seltene Ausnahme, ein sehr mürrisches Leben mit ihm führte.«
Wollte ich alle von mir und anderen gesammelten Beobachtungen über das Fortpflanzungsgeschäft der Wellensittiche hier wiedergeben, ich müßte noch mehrere Seiten füllen. Wer sich des genaueren hierüber unterrichten will, möge auf meine »Gefangenen Vögel« verwiesen werden. Sie enthalten alle Mittheilungen, welche angehenden Züchtern erwünscht sein mögen, auch Winke und Belehrungen, für welche das »Thierleben« nicht der Ort ist. Dafür will ich noch eine Beobachtung mittheilen, welche ich selbst an meinen Papageien machte. Das erste Pärchen, welches ich besaß, liebte sich ebenfalls sehr zärtlich, dachte aber nicht an die Fortpflanzung, weil die rechte Zeit hierzu noch nicht gekommen war. Es bewohnte einen großen Bauer und schien sich in demselben sehr wohl zu fühlen: die goldene Sonne aber, welche oft freundlich durch das Fenster hereinlachte, mochte doch in ihm Sehnsucht nach der Freiheit erweckt haben. Eines Tages hatte sich das Weibchen geschickt einen Ausgang zu verschaffen gewußt, und ehe wir es uns versahen, war es durch das Fenster hinaus ins Freie entflohen. Ich lernte es jetzt von einer ganz anderen Seite kennen als bisher; denn ich hatte Gelegenheit, den prachtvollen Flug zu beobachten. Und ich muß gestehen, dieser Flug entzückte mich so, daß mein Aerger über den wahrscheinlichen Verlust des Vogels mit jedem Augenblicke mehr zu schwinden begann. Das entflohene Weibchen stieg hoch auf in die Luft und schwirrte und schwebte mit unvergleichlicher Schnelligkeit über den benachbarten Garten dahin. Bald hatte es sich meinen Blicken gänzlich entzogen: aber siehe da, nach einigen Minuten war es wieder im Garten erschienen, wahrscheinlich infolge des eifrigen Rufens seines Gatten; denn diesen hatte ich selbstverständlich sofort ans Fenster gebracht. Jetzt antwortete es dem Genossen im Käfige und ließ sich dicht unter dem Fenster auf einem Baume nieder, eifrig rufend, lockend und zwitschernd. Dies hatte noch etwas anderes zur Folge, woran ich nicht gedacht. Der Liebhaber, welcher Wellenpapageien gehalten hat, wird erfahren haben, daß deren Lockton zuweilen täuschend dem unserer Sperlinge gleicht. Ich hatte früher darauf wenig geachtet, mußte dies aber jetzt wohl thun, weil mich neben dem Papagei bald auch die Sperlinge beschäftigten. Es war gerade Hochsommer und alle Dächer umher bedeckt mit jungen Spatzen. Unter ihnen nun zeigte sich sofort, nachdem der schöne Fremdling erschienen war, lebhafte Bewegung. Der Wellensittich hatte sich auf einem Pflaumenbaume unter dem Fenster niedergelassen und unterhielt sich von dort aus mit seinem Gatten. Die jungen Spatzen aber mochten meinen, daß sein lockendes »Tschilp« wohl ihnen gelten könne, und kamen in Scharen herbei, ungeachtet des warnenden und bedenklichen »Zerrrr« der älteren Weisen ihres Geschlechtes. Diese schienen allerdings auch verwundert zu sein, ließen sich jedoch als erfahrene Vögel durchaus nicht täuschen, sondern sahen sich zunächst den grünen Australier vor sich an; die jungen Sperlinge hingegen umringten ihn bald in Menge. Er beachtete sie nicht im geringsten; sie aber ließen sich deshalb nicht zurückhalten, wurden förmlich zudringlich, hüpften dicht an ihn heran, beschauten ihn scheinbar höchst erfreut und erwiderten sein »Tschilp« nach Kräften. Wenn er, ärgerlich hierüber, sich erhob und einem anderen Baume zuflog, folgte die ganze Rotte, und nur, wenn er einige seiner prächtigen Flugbewegungen ausführte, blieben die schwerfälligen Spatzen verdutzt unten sitzen. Dieses Schauspiel mochte wohl eine halbe Stunde währen, und der Garten war schließlich förmlich erfüllt von allen Sperlingen weit und breit, bis die Sehnsucht nach dem Gatten den Wellensittich bewog, ins Zimmer zurückzufliegen. Hier wurde er eingefangen, wieder in den Käfig gesperrt, höchst zärtlich von seinem Männchen begrüßt, und damit löste sich von selbst die Volksversammlung draußen im Garten.
Zum Schlusse will ich noch anführen, daß Wellenpapageien sich auch bei uns im Freien erhalten können. Auf dem Gute eines bedeutenden Thierliebhabers in Belgien entflogen im Frühlings des Jahres 1861 zwei Paar Wellenpapageien aus einem Gebauer. Sie verloren sich alsbald in den Baumwipfeln einer großen Parkanlage und wurden längere Zeit gar nicht oder nur sehr flüchtig gesehen. Doch blieben sie in ihrem Gebiete wohnen, und wie sich später ergab, hatten sie hier sogar in Baumhöhlen genistet und eine Anzahl Junge erzogen. Der Besitzer überraschte im Herbste einen ganzen Flug von zehn bis zwölf Stück in einem Haferfelde, woselbst sie sich gütlich thaten. Von nun an wurden die Vögel durch vorsichtiges Füttern allgemach herbeigelockt und vor Eintritt des Winters zehn Stück von ihnen gefangen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Wellensittiche in unserem Klima vortrefflich gedeihen würden, und es erklärt sich daher, daß von dieser und jener Seite vorgeschlagen worden ist, ihre Einbürgerung bei uns zu Lande zu versuchen. Was aber würden wir damit gewinnen? Angenommen auch, daß die an das Wandern gewöhnten Vögel in einem ihnen sozusagen angewiesenen Gebiete während des Winters verbleiben und nicht, was wahrscheinlicher ist, davon und dem Süden zufliegen würden; angenommen ferner, daß die »erbärmlichen Flinten«, welche Buxtons Versuchen so hinderlich wurden, bei uns zu Lande nicht in Wirksamkeit treten sollten: würden wir in dem Wellensittiche einen zwar sehr schönen aber auch recht schädlichen Vogel uns erwerben und damit in noch höherem Grade als bisher das unverständige Geschrei unerfahrener Vielschreiber über schädliche und nützliche Vögel herausfordern.
An den Wellensittich schließt sich passend ein anderer australischer Papagei, der Erdsittich an, so viel wir bis jetzt wissen, mit einem einzigen Verwandten Vertreter einer gleichnamigen Sippe ( Pezoporus), welche sich durch kurzen, dicken, abgerundeten, in eine kurze überhängende, etwas stumpfe Spitze ausgezogenen Schnabel ohne Zahnausschnitt, kräftige, auffallend hochläufige und langzehige, mit schwachen, wenig gekrümmten Nägeln bewehrte Füße, lange, spitzige Fittige, unter deren Schwingen die zweite und dritte die längsten sind, und lange, abgestufte, gleichmäßig zugespitzte Federn kennzeichnet. Das weiche, vorherrschend grüne Gefieder wird durch eine eigenthümliche Querzeichnung auf der Unterseite und Flecken auf der Oberseite gezeichnet. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht durch die Färbung.
Der Erdsittich, »Sumpf- oder Grundpapagei« der Ansiedler Neuhollands ( Pezoporus formosus und terrestris, Psittacus formosus und terrestris, Euphema formosa), hat die Größe einer Drossel und ziemlich buntes Gefieder, obgleich nur wenige Farben miteinander abwechseln. Die Grundfärbung ist ein schönes Olivengrasgrün; die Federn des Oberkopfes werden in der Mitte durch schwarze Schaftstriche, die des Mantels, der Schultern, der Flügeldecken und des Hinterrückens, welche schwarz sind, durch zwei bis drei gelbe schmale Querlinien und einen breiten, grünen Rand gezeichnet. Letzterer verschmälert sich auf den oberen Schwanzdeckfedern und läßt sie deshalb schwärzer erscheinen. Die Backen-, Kinn-, Kehl- und Kropffedern sind bis auf den schwarzen Schaft einfarbig olivengrün, die der Brust, des Bauches und der Seiten sowie die unteren Schwanzdeckfedern olivengelb, mit drei schwarzen, breiten Querbinden gezeichnet und schmal grün umrandet. Ein schmaler Stirnrand endlich ist mennigroth. Die dunkel olivenbraunen Hand- und Armschwingen sind auf der Außenfahne grün und haben in der Mitte der Innenfahne von vorne nach hinten sich vergrößernde blaßgelbe Flecke, welche von der vierten Schwinge an eine breite, gelbe Querbinde bilden. Die Oberflügeldecken sind einfarbig grün, die kleinen unteren ebenso, die größeren wie die Unterseite der Schwingen grauschwarz, die vier mittelsten Schwanzfedern dunkelgrün, durch schmale, gelbe Querbinden gezeichnet, die übrigen olivengelb, an der Innenfahne mit schwarzen, an der Außenfahne mit breiteren grünen Querbinden. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarzbraun, der Fuß hornbraun.
Wie Gould in Erfahrung brachte, verbreitet sich der Erdsittich über alle Theile Südaustraliens mit Einschluß von Vandiemensland. In den nördlichen Breiten des Erdtheiles ist er noch nicht beobachtet worden; doch darf man annehmen, daß er auch hier nicht fehlt. Seine Lebensweise unterscheidet ihn von allen übrigen Papageien mit Ausnahme des Kakapo. Er bewohnt ständig ein gewisses Gebiet, aber fast ausschließlich den Boden; im Gezweige der Bäume sieht man ihn äußerst selten. Unfruchtbare sandige Gegenden, welche mit niedrigen Gräsern und Kräutern bestanden sind, oder mit Binsen bedeckter Moorboden bilden seine Aufenthaltsorte. Hier lebt er einzeln oder paarweise und sehr zurückgezogen, ist deshalb auch ohne Hunde schwer oder nicht zu finden. Er läuft mit großer Schnelligkeit und Ausdauer, nach Art einer Schnepfe, im Grase dahin, benutzt jedes passende Versteck geschickt und drückt sich gelegentlich, wie ein Huhn oder ein Sumpfvogel, fest auf den Boden nieder, in der Hoffnung übersehen zu werden. Nur wenn er plötzlich überrascht wird, erhebt er sich, wie Sumpfvögel oder Hühner thun, fliegt dann reißend schnell über den Boden hin, führt verschiedene Zickzackwendungen in der Luft aus, fällt schnell wieder ein und rennt eiligst weiter. Von den Hunden läßt er sich stellen; der Jäger, welcher seine oder andere Sumpfjagd betreibt, weiß nie, wenn sein Hund steht, ob er einen Erdsittich oder eine Schnepfe vor sich hat.
Die weißen Eier werden auf den nackten Boden gelegt und von beiden Alten bebrütet. Die Jungen erhalten frühzeitig das Gefieder ihrer Eltern und trennen sich sehr bald, nachdem sie selbständig geworden, von diesen.
Goulds Angaben sind neuerlich durch Beobachtungen Müllers, derzeitigen Vorstehers des Pflanzengartens in Melbourne, wesentlich erweitert worden. Gedachte Beobachtungen betreffen allerdings die zweite Art der Sippe, den Höhlensittich ( Pezoporus occidentalis); es erscheint mir jedoch sehr wahrscheinlich, daß sie auch auf den Erdsittich Gültigkeit haben. Jener ist ein Nachtvogel, welcher sich übertages in Höhlen aufhält und diese erst nach Sonnenuntergang verläßt, um seiner Nahrung nachzugehen. Ein gefangener, welcher lebend dem Thiergarten in Regents-Park zukam, hielt sich bei Tage still und ruhig auf der erwählten Schlafstelle, wurde mit Einbruch der Dämmerung lebendig und begann erst dann zu fressen. Zu seiner Nahrung wählte er nicht bloß Körner, sondern nagte, wie der Kakapo, gern Grasspitzen ab, weshalb man ihm, sobald man dies in Erfahrung gebracht hatte, frisch ausgestochene Rasenstücke zur Verfügung stellte. Niemals setzte er sich auf einen Ast, sondern immer verweilte er auf dem Boden, den er mit eiligen Schritten durchmaß. Seine Stimme war ein scharfes eintöniges Pfeifen; andere Laute vernahm man nicht.
Das Fleisch des Erdsittichs gilt im Gegensätze zu der allgemeinen Regel als vortrefflich, soll zarter als Schnepfenfleisch sein, im Geschmacke dem Wildprete der Wachtel ähneln, aber noch einen besonderen Beigeschmack haben, welcher es dem Jäger ziemlich gleichgültig erscheinen läßt, ob er von seinen Jagden einen dieser Papageien oder eine Schnepfe mit nach Hause bringt.
Wie die eben geschilderten Vögel verbringen auch die Grassittiche ( Euphema) einen großen Theil ihres Lebens auf dem Boden. Man begreift unter diesem Namen kleine, ungefähr finkengroße Sitticharten Neuhollands, sechs an der Zahl, welche sich kennzeichnen durch schwachen und kurzen, auf der Firste abgerundeten Schnabel, mit stark herabgebogener Spitze, ohne Zahnausschnitt, schwache, dünnläufige und höchstens mittellange Füße, spitzige Flügel, unter deren Schwingen die zweite und dritte die längsten sind, und sehr lange, an der Wurzel breite, gegen die stumpfe Spitze hin stark verschmälerte, nach außen stufig abgekürzte Schwanzfedern. In dem reichen Gefieder, welches die Vögel viel größer erscheinen läßt, als sie sind, und auch Zügel und Augenkreis bedeckt, bildet Olivengrün die vorherrschende Färbung; Stirn und Flügeldecken pflegen blau, Bauch und die äußeren Schwanzfedern gelb gefärbt zu sein.
Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Australien und Tasmanien oder Vandiemensland; jedoch scheinen Grassittiche im Nordosten des Festlandes zu fehlen.
Eine der häufigsten Arten ist der Schönsittich, »Türkisin« unserer Händler ( Euphema pulchella, Psittacus pulchellus und Edwardsii, Nanodes pulchellus, Lathamus azureus). Das ganze Gesicht bis zu den Augen und die Oberflügeldeckfedern mit Ausnahme eines kastanien-rothbraunen, durch die kleinsten Deckfedern längs des Unterarmes hervorgebrachten Fleckes sind himmelblau, die Schultern, der Rücken und die übrigen Obertheile grasgrün, die ganze Unterseite vom Kinn an bis zu den unteren Schwanzdecken hochgelb, an den Brust- und Bauchseiten grünlich angeflogen, die Schwingen schwarz, außen indigoblau, schmal grünlich umrandet, die beiden mittleren Schwanzfedern grasgrün, die äußersten fast ganz hochgelb, nur an der Wurzel grün und schwarz, welche Farben gegen die Mitte hin an Ausdehnung zunehmen. Die Iris ist braun, der Schnabel schwärzlich, der Fuß hell graubraun. Beim Weibchen sind Backen, Kinn, Kropf und Brust gelbgrün, und der rothbraune Fleck auf dem Unterarme tritt weniger hervor. Junge Vögel ähneln dem Weibchen; die Geschlechtsunterschiede zeigen sich jedoch schon bald nach dem Ausfliegen.
Ueber das Freileben der beschriebenen Art und aller Grassittiche überhaupt fehlen eingehende Berichte. Aus Goulds Mittheilungen geht hervor, daß die Vögel in größeren oder kleineren Gesellschaften die öderen Küstenstriche Australiens beleben, mit Beginn des Frühlings erscheinen, um zu brüten, und nach der Fortpflanzungszeit wieder verschwinden, um dem tieferen Inneren zuzuwandern. Unter besonders günstigen Bedingungen, namentlich wenn die Grassämereien gut gerathen sind, vereinigen sich solche Scharen zu Schwärmen von unzählbarer Anzahl, welche dann auf weithin die Graswaldungen erfüllen. Wie die meisten australischen Sittiche insgemein verbringen sie, mit Aufsuchen ihrer Nahrung beschäftigt, einen großen Theil des Tages auf dem Boden. Hier laufen sie mit der Behendigkeit kleiner Sumpfvögel umher, trippelnden Ganges zwar, aber doch ohne ersichtliche Beschwerde rasch sich fördernd und, Dank ihrer Kletterfertigkeit, jede Unebenheit des Bodens gewandt überwindend. Ihr Flug führt sie mit reißender Schnelligkeit unter schönen Schwenkungen in der Regel niedrig über dem Boden hinweg, zuweilen aber auch in hoher Luft dahin. Aufgescheucht, eilen sie selten einem Baume zu, lassen sich vielmehr auch da, wo solche sich finden, bald wieder auf den Boden herabfallen. Ihre Stimme besteht aus zwitschernden, scharf klingenden Lauten, welche nicht eben dazu beitragen, sie anziehend erscheinen zu lassen. Ihre höheren Fähigkeiten stellen sie mit dem kleinen Plattschweifsittich annähernd auf dieselbe Stufe, vielleicht etwas hinter den Wellensittich zurück. Der Schönsittich brütet, wie die meisten seiner Verwandten, in Baumhöhlungen; eine Art dagegen wählt Ritzen und Spalten in Felswänden zu ihrer Niststätte. Das Gelege besteht aus etwa acht Eiern. Nach den Beobachtungen Fiedlers brütet nur das Weibchen, und das Männchen hält sich sogar vom Nistkasten entfernt.
Mit den nächstverwandten Plattschweifsittichen theilen die Grassittiche auffallende Hinfälligkeit. Sie gehören zu denjenigen Arten, welche sich im Käfige am schwierigsten erhalten lassen. Alle bis jetzt angestellten Versuche, ihnen die nöthigen Lebensbedingungen zu gewähren, scheiterten. Man hat sie im geheizten Raume wie im Freien überwintert, ihnen die verschiedenste Nahrung gereicht, alle nur denkbaren Vorkehrungen getroffen, um ihnen Schutz gegen die verschiedensten Einflüsse zu gewähren, ihnen passenden Aufenthalt und geeignete Nahrung zu verschaffen: und bis jetzt nur das eine Ergebnis gewonnen, daß sie bei uns zu Lande nicht ausdauern. Ihre Schönheit und die Anmuth ihrer Bewegungen besticht jeden Liebhaber; ein jeder aber läßt, nachdem er böse Erfahrungen gesammelt, bald ab, mit ihnen sich zu beschäftigen.
Die artenreichste Papageisippe, welche in Neuholland und Oceanien überhaupt heimisch ist, umfaßt die Plattschweifsittiche ( Platycercus), mehr oder minder prachtvoll gefärbte Arten von Drossel- bis Krähengröße. Ihre Merkmale liegen in dem kurzen, kräftigen Schnabel, welcher fast immer höher als lang, oben, seitlich und auf der Firste abgerundet und vor der stark übergebogenen, aber meist sehr kurzen Spitze mit einem stumpfen Zahnausschnitte versehen ist, während der meist dem oberen gleich hohe Unterschnabel eine etwas breite, abgerundete, zuweilen durch einen schwachen Leistenvorsprung ausgezeichnete Dillenkante zeigt, den schwachen, aber verhältnismäßig hochläufigen Füßen, den spitzigen und langen Fittigen mit langer Flügelspitze, unter deren Schwingen die zweite bis vierte die längste ist, dem fast immer sehr langen, stufenförmigen Schwanze, welcher aus auffallend breiten, an der Spitze zugerundeten Federn besteht, sowie endlich dem weichen, in der Regel sehr bunten, ausnahmsweise auch nur grün und roth gefärbten Gefieder.
Die Plattschweifsittiche, etwa vierzig an der Zahl, vertreten in Australien und auf den übrigen zu ihrem Verbreitungsgebiete gehörigen Eilanden die Edelsittiche Indiens und Afrikas. Als bemerkenswerth hebt Finsch die Thatsache hervor, daß sie da fehlen, wo Edelsittiche vorkommen, und ihr Verbreitungsgebiet erst dort beginnt, wo das jener aufhört. Timor, Buru, Ceram, die östlichen Molukken, Neuguinea, Australien, Tasmanien, die Neuen Hebriden, Neukaledonien, Neuseeland mit den Norfolks- und Auklandsinseln und einige Gruppen der Südsee-Eilande, die Fidschi-, Freundschafts- und Gesellschaftsinseln, bilden den Kreis, über welchen die Gruppe sich ausbreitet. Dagegen fehlt sie auf dem Festlande Asiens, den Philippinen, ja merkwürdigerweise auch auf Celebes und der Timor und die großen Sundainseln verbindenden Gruppe Flores, Sumbawa, Bali und Lombok. Eine Art dringt bis auf die Maquariinseln oder bis zum vierundfunfzigsten Grade südlicher Breite und damit bis zum südlichsten Punkte des Papageienverbreitungsgebietes überhaupt vor.
Unsere Kenntnis des Freilebens der durch Farbenpracht und Anmuth bestechenden Plattschweifsittiche ist noch dürftig und mangelhaft. Goulds und anderer Forschungen haben uns insofern unterrichtet, als sie uns belehrt haben, daß die genannten Vögel wie die meisten ihrer in Neuholland lebenden Verwandten mehr auf dem Boden als auf Bäumen sich aufhalten. In Neuholland bilden jene weiten, parkartigen Ebenen, welche in einzelnen Jahren reiche Nahrung bieten, in anderen gänzlich verarmen, ihre Aufenthaltsorte und zwingen sie, wie Corellas, Wellen- und Grassittiche zu mehr oder minder ausgedehnten, unregelmäßigen Wanderungen. Sie zählen zu den besten Fliegern ihrer Ordnung, sind meist auch treffliche Läufer, stehen aber in der Fertigkeit zu klettern hinter anderen Verwandten merklich zurück. Ihre Stimme unterscheidet sie zu ihrem Vortheile von den meisten übrigen Papageien. Widerwärtig kreischende, gellende oder knarrende Laute vernimmt man selten von ihnen, häufiger klangvolles Pfeifen und nicht selten wohllautenden Gesang oder singendes Geschwätz. Ihre höheren Fähigkeiten sind nicht in dem Grade entwickelt als bei anderen Papageien. Sie stehen diesen wohl an Sinnesschärfe annähernd gleich, aber an Verstand bei weitem hinter ihnen zurück. Viele Arten leben im Freien wie auch in der Gefangenschaft gesellig und verträglich unter einander; andere bekunden jedoch zur Ueberraschung und zum Kummer des Liebhabers gerade die entgegengesetzten Eigenschaften, fallen zuweilen, ohne eigentlich erkennbaren Grund, über ihresgleichen oder Sippschaftsgenossen her und tödten sie durch hämisch versetzte Bisse in den Nacken, fressen die getödteten auch wohl theilweise auf. Bis zur Brutzeit hin leben sie in ihrer Heimat in kleinen Trupps und jede Art in gesonderten Flügen, obgleich ein Weidegebiet mehrere derselben vereinigen kann. Diese Flüge streifen ziemlich regellos im Lande umher, besuchen dabei auch die unmittelbare Nähe menschlicher Behausungen, kommen selbst bis in das Innere der Städte hinein, treiben sich in den Früh- und Abendstunden geschäftig auf dem Boden umher und nehmen währenddem ihre Nahrung ein, welche in allerhand Grassämereien besteht. Gegen die Brutzeit hin vereinzeln sich diese Trupps, je nachdem reichlichere oder spärlichere Baumhöhlungen dies erfordern. In einer solchen legt das Weibchen entweder auf dem losgebissenen Mulm am Boden der Höhlung oder nachdem es einige leichte Niststoffe herbeigetragen, vier bis acht, nach einzelnen Angaben sogar bis zwölf glänzend weiße Eier und bebrütet dieselben, wie es scheint ohne Hülfe des Männchens, mit treuester Hingebung. Beide Geschlechter vereinigen sich sodann, um die zahlreiche Brut groß zu ziehen und fliegen, wenn die Jungen so weit erwachsen sind, daß sie ihren Eltern folgen können, wiederum in das weite Land hinaus.
Seit etwa zehn bis zwölf Jahren führt jedes von Neuholland kommende Schiff, welches sich mit der Ueberführung lebender Vögel befaßt, auch Plattschweifsittiche auf unseren Thiermarkt. Die schönen, zum Theil prachtvollen Vögel verfehlten nicht, die Aufmerksamkeit der Liebhaber sich zuzuwenden. Diese aber erfuhren bald, daß es überaus schwer ist, Plattschweifsittiche im Käfige zu erhalten, richtiger vielleicht, daß wir bis heutigen Tages noch nicht ergründet haben, wie wir die Vögel pflegen müssen. Keine einzige Papageiengruppe ist hinfälliger als sie. Allerdings gibt es einzelne Ausnahmen, welche selbst bei offenbar mangelhafter Pflege jahrelang im Käfige ausdauern; die Regel aber ist, daß man diese Vögel, ohne erkennbare Ursache, nach kurzer Gefangenschaft verliert. »Für keine andere Papageigruppe«, bemerkt Linden durchaus im Einklange mit meinen eigenen Erfahrungen, »gilt das Sprichwort: ›heute roth, morgen todt‹, mehr als für die Plattschweifsittiche. Ein anscheinend ganz gesunder Vogel dieser Sippe liegt am Morgen todt am Boden oder steckt morgens den Kopf unter die Flügel und ist mittags nicht mehr am Leben. Man kann alles denkbare versuchen; das Ergebnis ist und bleibt mehr oder weniger dasselbe.« Die Vögel ertragen, wie Versuche erwiesen haben, unser Klima recht gut, halten sich sogar besser als sonst, wenn man sie im Freien überwintert; wer aber glaubt, dadurch ihr Dasein zu fristen, irrt sich ebenso wie derjenige, welcher einige von ihnen im geheizten Zimmer hielt und dadurch zu der Meinung verleitet wurde, daß sie eine derartige Behandlung verlangen möchten. Einige Arten haben sich in unseren Käfigen auch fortgepflanzt; im allgemeinen aber sind die Errungenschaften auch in dieser Beziehung als höchst geringfügig zu bezeichnen.
Einer der bekanntesten Vertreter der Sippe ist die Rosella der australischen Ansiedler, »Bundullock« der Eingeborenen von Neusüdwales ( Platycercus eximius und splendidus, Psittacus eximius, capitatus, omnicolor und Pennanti), ein Vogel von der Größe einer großen Drossel oder etwa zweiunddreißig Centimeter Länge. Kopf, Kehle und Brust sowie die unteren Schwanzdecken sind lebhaft scharlachroth, die Federn an der Wurzel gelb, die des Hinterhalses, der Halsseiten, des Mantels und der Schultern schwarz, breit blaßgelb umsäumt, die der Unterbrust hochgelb, der Brustseiten gelb mit schwarzem Mittelfleck, die des Bauches, der Schenkel, des Bürzels und die oberen Schwanzdecken schön hellgrün, gilblich verwaschen, die Schwingen schwarzbraun, außen dunkelblau, die Handschwingen prachtvoll lilablau, die letzten drei bis vier Armschwingen außen breit hellgrün gerandet, alle unterseits grauschwarz, die beiden mittelsten Schwanzfedern dunkel olivengrün, gegen die Spitze zu bläulichgrün, die übrigen in der Wurzelhälfte tiefblau, in der Endhälfte hell lilablau, an der Spitze weiß. Ein weißer Bartfleck zieht sich vom Oberschnabel bis zur Ohrgegend, ein großer schwarzer Fleck ziert die Unterarmgegend. Das Auge ist tiefbraun, der Schnabel wie der Fuß dunkelbraun. Das Weibchen unterscheidet sich nicht erheblich vom Männchen, der junge Vogel, welcher im allgemeinen mit den Alten übereinstimmt, durch minder lebhafte Farben, grüne Säume der Federn auf der Schultermitte, grüne Nackenfedern und grün umrandete Hinterhals-, Mantel- und Schulterfedern, minder lebhaft rothe Kehle und Brust und gelblichgrüne Unterbrust; auch ist der weiße Bartfleck schwach bläulich überlaufen.
Neusüdwales und Tasmanien sind die Heimat dieses lieblichen Sittichs. Hier ist er einer der gemeinsten Vögel, lebt jedoch in ganz bestimmten Gegenden, welche oft durch einen Bach, über welchen er kaum oder nicht hinausgeht, begrenzt sein können. Zahlreiche Schwärme bildet er nicht; dafür aber trifft man ihn familien- oder gesellschaftsweise überall. Lieblingsplätze von ihm sind offene Gegenden, die wellenförmigen, grasigen Hügel und Ebenen, welche hier und da mit hohen Bäumen oder Buschgruppen bestanden sind. Diese Bäume werden dann zu Mittelpunkten des Wohngebietes, von denen er nach den sandigen kleinen Ebenen oder den offenen Stellen in den Wäldern hinausfliegt, um Nahrung zu erbeuten. Auf den Straßen ist er ebenso regelmäßig zu finden wie unser Sperling, fliegt auch, aufgescheucht, nur auf den nächsten Baum am Wege und kehrt bald wieder auf den Boden zurück. Die Reisenden versichern, daß der Eindruck, welchen solcher Prachtvogel unter solchen Umständen auf den Nordländer macht, nicht zu schildern sei.
Die Rosella fliegt mit raschen Flügelschlägen in wellenförmigen Linien dahin, selten aber weit; denn, wie es scheint, ermüdet sie bald. Um so geschickter bewegt sie sich auf dem Boden, woselbst sie einem Finken wenig oder nichts an Gewandtheit nachgibt. Ihre Stimme ist wie bei den meisten Verwandten ein recht angenehmes Pfeifen, welches man fast Gesang nennen möchte. Die Nahrung besteht aus Samen der verschiedensten Art, namentlich aber Grassämereien; gelegentlich soll sie auch Kerbthiere fangen. Die Brutzeit fällt in die Monate Oktober und Januar, welche unserem Frühlinge entsprechen. Das Weibchen legt sieben bis zehn schöne, weiße, längliche Eier in die Asthöhle eines Gummi- oder eines ähnlichen Baumes.
Das Ei ist kurz, fast gleichhälftig, nach den Polen hin sanft, nach der Höhe etwas mehr abfallend, fünfundzwanzig Millimeter lang und einundzwanzig Millimeter breit, grau gelblichweiß von Farbe und inwendig grünlichweiß durchscheinend. Nach Calay's Bericht finden sich nur sechs Junge im Neste. Die Baumhöhle mag so tief in den Stamm hinabreichen, als sie will, benutzt wird sie doch, da der Vogel mit der Geschicklichkeit eines Opossums bis zum Boden derselben hinabsteigt.
Auf unserem Thiermarkte zählt die Rosella zu den häufigeren Arten ihrer Sippe, hat sich auch hier und da in Europa fortgepflanzt. Für ihr Gefangenleben gilt in jeder Beziehung das bereits mitgetheilte.
In der letzten Unterfamilie vereinigen wir die Loris oder Pinselzungenpapageien ( Trichoglossinae), eine besonders durch ihre bewimperte Zungenspitze ausgezeichnete Gruppe. Dem seitlich zusammengedrückten Schnabel, dessen Dillenkante schief aufsteigt, fehlen die für andere Papageien so bezeichnenden Feilkerben vor der Spitze des Oberschnabels.
Das Verbreitungsgebiet der Loris beschränkt sich auf Australien, die zu ihm gehörigen Eilande und das Indische Inselmeer mit Ausschluß der Sundainseln und Polynesien. Ueber ihr Freileben ist noch wenig bekannt; so viel aber wissen wir, daß alle Arten wenigstens zeitweilig von Blütensaft sich ernähren, daher mehr als andere Papageien an die Bäume gebunden sind.
Unter den drei Sippen, in welche Finsch die Unterfamilie zerfällt, stehen die Breitschwanzloris ( Domicella), schlank gebaute Papageien von Sperlings- bis Dohlengröße, obenan. Sie kennzeichnen sich durch meist kräftigen, ebenso hohen als langen, seitlich zusammengedrückten Schnabel mit abgerundeter Firste und stark herabgebogener, überhängender Spitze des Oberschnabels, welcher vor dem Ende der Spitze sanft ausgebuchtet ist, seitlich zusammengedrückten, an der Dillenkante geradlinig aufsteigenden Unterschnabel, dessen Schneiden keine Ausbuchtung zeigen, sehr kräftige Füße mit gestreckten Zehen und derben, stark gekrümmten Nägeln, lange, spitzige Flügel, welche zusammengelegt bis über das Ende der oberen Schwanzdecken hinabreichen, eine lange Flügelspitze haben, und unter deren Schwingen die zweite und dritte die längsten zu sein pflegen, abgerundeten, aus breiten, gleichmäßig zulaufenden, an der Spitze oft sogar verbreiterten, aber stets stumpf zugerundeten Federn bestehenden, gleichmäßig abgestuften Schwanz und ziemlich hartes Gefieder, welches besonders im Nacken, auf dem Halse und der Oberseite lang und haarig zerschlissen ist und auf dem Oberkopfe und Hinterhalse zuweilen durch die langen, schmalen und starren Schäfte sich auszeichnet, hier auch wohl einen ungeregelten Schopf bildet. Die Färbung ist sehr glänzend, vorwaltend roth mit blauer Zeichnung, zuweilen auch einfarbig schwarz oder blau, die des Schnabels entweder lebhaft orange oder schwarz, die der Füße stets dunkel.
Als Vertreter der Gruppe mag eine der uns am längsten bekannten Arten dienen, welche ich Erzlori genannt habe, »Kastorie« der Amboinesen, »Luri« oder »Ninrie« der Bewohner Cerams, »Kala-Sira-Lori« der Bengalen ( Domicella atricapilla, Psittacus domicella, raja, radhea und rex, Lorius domicella). Im Gefieder herrscht ein prachtvolles Scharlachroth vor; Stirn und Schulter sind tiefschwarz, gegen den Hinterkopf zu dunkel violett; ein breites Schild auf dem Kropfe, welches sich zuweilen bis zur Brust herabzieht, hat lebhaft hochgelbe Färbung. Der Flügelbug ist blau, jede Feder mit weißlichem Endsaume geziert; die Flügel sind dunkel grasgrün, in der Schultergegend olivengelbbräunlich verwaschen, die Handschwingen erster Ordnung innen schwefelgelb und nur im Spitzendrittheil schwarz, die Armschwingen, mit Ausnahme der zwei letzten grünen, innen ganz gelb, die kleinen Unterflügeldeckfedern wie die Befiederung des Unterschenkels kornblumenblau. Um den Stern zieht sich ein schmaler gelber Ring, die übrige Iris ist braun, der Schnabel hochorange, der Fuß grauschwarz. Beide Geschlechter gleichen sich in der Färbung; bei jüngeren Vögeln ist diese im allgemeinen düsterer. Die Federn des Oberrückens sind in der Wurzelhälfte grün, und der gelbe Brustschild fehlt. Laut Rosenberg kommen Farbenabweichungen nicht selten vor. So kann die Kopfplatte rosenroth und der Flügel gelb sein.
Ich verdanke der Güte des eben genannten Forschers die nachstehenden Angaben über das bis dahin gänzlich unbekannte Freileben des Erzlori: »Der schöne Vogel bewohnt ausschließlich Ceram und Amboina und wird ebensowenig wie ein anderer seines Geschlechtes auf Borneo oder auf dem Festlande gefunden. In seiner Heimat tritt er häufig auf. Er lebt ebensowohl in der Einsamkeit des Waldes wie in der Nähe der menschlichen Wohnungen; in den Gebirgen Cerams beobachtete ich ihn jedoch, meines Wissens, nie. In kleinen Familien raschen Fluges von Ort zu Ort schweifend, sah ich ihn öfters über die Stadt Amboina dahinstreichen, die zierlichsten Schwenkungen in der Luft beschreiben, wobei sein Geschrei und das prächtige, in der Sonne flimmernde Gefieder ihm zum Verräther wurden. Seine Nahrung besteht, außer Pflanzenhonig, in weichen Baumfrüchten, zumal denjenigen des Pisang. Das Nest steht in Baumhöhlen; die Eier sind, wie bei allen Papageien, glänzend weiß und etwas größer als die unserer Schwarzdrossel.
»Auf Amboina findet man keinen Vogel häufiger in der Gefangenschaft als gerade den Erzlori, und in der Stadt Amboina gibt es kaum ein Haus, kaum eine Hütte, in welcher er fehlt. Er ist der Lieblingsvogel der Amboinesen und verdient es auch zu sein, ebensowohl was seine Schönheit und Sanftmuth als seine Gelehrigkeit anlangt. Er lernt ziemlich rasch sprechen und ist dann der Stolz seines Pflegers. Unter dem Preise von acht bis zehn Gulden holländisch ist solch ein gelehrter Vogel, welcher außerdem für anderthalb bis zwei Gulden feilgeboten wird, nicht zu bekommen. Freilich gibt es auch störrische und heimtückische Erzloris. Man füttert sie mit rohem und gekochtem Reis, in Wasser geweichtem Sago und Pisangfrüchten, gibt ihnen auch täglich frisches Wasser, da sie viel trinken und zumal gern baden, wobei sie sich das Gefieder über und über bespritzen. Auch bei ihnen ist der Ruf ›Lori‹ ein angelernter.«
In unsere Käfige gelangt der Erzlori nicht allzu selten, und ich habe daher mehrfach Gelegenheit gehabt, ihn und andere seiner Sippe zu pflegen oder doch zu beobachten. Meine in der ersten Auflage des Werkes ausgesprochene Behauptung, daß sie still und langweilig seien, muß ich widerrufen: als ich jene Zeilen schrieb, kannte ich jene Vögel eben noch nicht. Die Loris machen ganz im Gegentheile den Eindruck munterer, lebhafter, geweckter und kluger Vögel. Sie sind rege vom Morgen bis zum Abende, lebendig und leiblich und geistig beweglich. Alles, was in ihrem Bereiche sich zuträgt, erregt ihre Aufmerksamkeit, und sie findet dann in heftigem Nicken mit dem Kopfe beredten Ausdruck. An Beweglichkeit und Kletterfertigkeit stehen sie hinter keinem anderen Papagei zurück. Ihre Bewegungen sind dabei ebenso rasch als gewandt und noch besonders dadurch ausgezeichnet, daß sie sich oft zu weiten Sprüngen entschließen. Bei guter Laune gefallen auch sie sich in förmlichen Tänzen, welche sie auf ihren Sitzstangen ausführen. Ihre natürliche Stimme ist sehr laut und oft in hohem Tone unangenehm kreischend. Sie lautet, wie Linden nach längerer Beobachtung feststellte, wie ein scharf ausgesprochenes »Wihe wihe wi wi« und wird mit Pfeifen, Schnurren und Schnalzen eigenthümlichster Art begleitet. Auch sie trägt dazu bei, die geistige Regsamkeit des Wesens zu bekunden; allein man bemerkt dieselbe ebenso bei jeder anderen Gelegenheit. Alle Kurzschweifloris, welche wir in Gefangenschaft beobachten konnten, sind nichts weniger als verträglich, vielmehr in hohem Grade streitlustig. Ein von mir gepflegter Erzlori begann, wie ich in den »Gefangenen Vögeln« ausführlicher geschildert habe, mit den verschiedenartigsten Genossen seines großen Käfigs Streit, versetzte dieselben durch eigenthümliche Kopfbeugungen, abwechselndes Ausbreiten und Zusammenziehen der Federn, Sträuben der Kopffedern und vorschnellende Bewegungen in die größte Aufregung oder den heftigsten Zorn, flog dann scheinbar befriedigt weg, um sich mit dem einen oder dem anderen Vogel zu beschäftigen, kehrte aber immer wieder zu dem einen ins Auge gefaßten Gegner zurück. Alle schwächeren Vögel hatte er binnen kurzer Frist unterjocht, bei seinem Hauptgegner, einem Nasenkakadu, aber durch sein herausforderndes Benehmen eine Feindschaft hervorgerufen, welche ihm das Leben kosten sollte. Denn als der Nasenkakadu, welcher in einem besonderen Käfige hauste, einmal diesem entschlüpfte, stürzte er sich nun seinerseits auf den verhaßten Gegner, und nur durch unser Dazwischentreten gelang es, den Lori zu retten. Seine Aufregung war jedoch eine so tiefgehende gewesen, daß er ihr am nächsten Tage erlag. Auch unter sich leben Loris nicht in Frieden; selbst die Paare streiten oft mit einander. Bei ihren Angriffen gehen sie anders zu Werke als ihre Ordnungsgenossen. Sie packen sich mit den Krallen, womöglich am Kopfe und am Schnabel und gebrauchen den letzteren nur gelegentlich, anscheinend bloß zur Abwehr. Ihrem Pfleger gegenüber bekunden sie Zu- oder Abneigung, je nachdem. Einzelne kommen schon als vollkommen gezähmte Vögel in unseren Besitz und sind dann die liebenswürdigsten Gesellen unter der Sonne, lassen sich berühren, streicheln, auf die Hand nehmen, im Zimmer umhertragen, ohne jemals ihren Schnabel zu gebrauchen; andere sind unliebenswürdig und bissig. Jedenfalls aber hat Linden vollständig Recht, wenn er sagt, daß sie insgemein in Bezug auf Verstand, Zähmbarkeit und Dauerhaftigkeit weit über ihren nächsten Verwandten, den Keilschwanzloris, stehen.
Bei geeigneter Pflege dauern die Breitschwanzloris recht gut im Käfige aus; es ist aber nicht allzuleicht, ihnen solche Pflege angedeihen zu lassen. Vor allem verlangen sie einen warmen Raum und sodann geeignetes Futter. Mit gekochtem Reis, Möhren und anderen Früchten, nebenbei auch verschiedenen Sämereien und Milchbrod, befriedigt man die Bedürfnisse einzelner, aber nicht aller, und ein kleiner Fehler, ein gut gemeinter Versuch, ihnen eine Leckerei zu bieten, kann für sie verhängnisvoll werden. So erfuhr Linden, daß seine gefangenen Loris schwarze Kirschen mit Behagen verzehrten und dabei gediehen, unmittelbar nach dem Genusse von Brombeeren aber starben. Eine Hauptbedingung ihres Wohlbefindens ist, ihnen jederzeit Gelegenheit zum Baden zu geben. Sie gehören zu den wasserbedürftigsten Arten ihrer ganzen Ordnung und baden sich wenn nicht täglich, so doch sicher einen Tag um den anderen. Hierbei legen sie sich jedoch nicht in das Wasser, wie andere Papageien zu thun pflegen, sondern setzen sich einfach in den Badenapf und nässen sich Rücken, Brust, Bauch, Flügel und Schwanz, nicht aber den Kopf durch Schlagen mit den Schwingen und Steuerfedern vollständig ein, trocknen sich hierauf ihr Gefieder und bekunden sodann durch erhöhte Beweglichkeit, wie behaglich sie sich fühlen. »Eigenthümlich ist«, schreibt mir Linden, »daß sie auf dem Boden des Käfigs schlafen und in einer Ecke sich ganz platt niederlegen. Ihr Schlaf ist sehr leise und wird, wie sie durch Pfeifen bekunden, durch das unbedeutendste Geräusch, selbst durch jeden Fußtritt außerhalb ihrer Behausung, unterbrochen.«
»Bei keiner anderen Papageiensippe«, bemerkt Linden ferner, »nahm ich die Vermauserung aus Federstoppeln so deutlich und auffallend wahr als bei den Breitschwanzloris. Die weißen Kiele kommen so stark hervor, daß sie sich wie Borsten anfühlen und namentlich den Kopf und Hals oft förmlich struppig erscheinen lassen.
»Ob Breitschwanzloris jemals in unseren Käfigen zum Nisten schreiten werden, ist sehr fraglich und dürfte bei den mangelnden Einrichtungen, welche man ihnen zu bieten vermag, verneint werden. Einen dichten Urwald können wir ihnen nicht herstellen, eine ihnen durchaus zuträgliche, auch für die Fütterung ihrer Jungen ausreichende Nahrung schwerlich reichen. Dazu sind sie auch viel zu neugierig und unruhig, als daß sie sich dem angepaarten Gatten ganz und voll hingeben sollten. Sie müssen die Ursache jedes Geräusches und Lautes ergründen und vergessen dabei regelmäßig ihren Genossen. Gleichwohl will ich nicht in Abrede stellen, daß auch bei ihnen ein glücklicher Zufall Schwierigkeiten aus dem Wege räumen kann, welche uns bis jetzt unüberwindlich scheinen.«
Die Keilschwanzloris ( Trichoglossus), welche die zweite Sippe bilden, sind schlank gebaute Arten von Sperlings- bis Taubengröße mit mittellangem, seitlich zusammengedrücktem Schnabel, dessen Firste kantig und dessen verschmälerte, dünne, stark herabgebogene, überhängende Spitze sanft, aber deutlich ausgebuchtet ist, während die geraden Schneiden des an der Dillenkante schief aufsteigenden Unterschnabels eine solche Ausbuchtung nicht zeigen, kurzen, kräftigen, dickzehigen, durch starke, gekrümmte Nägel bewehrten Füßen, spitzigen langen Flügeln, unter deren Schwingen eine der drei ersten die längste ist, langer Flügelspitze und keilförmigem Schwanze, dessen stark abgestufte, an der Wurzel ziemlich breite Federn gegen das Ende gleichmäßig sich verschmälern und an der Spitze zugerundet sind, sowie endlich mit ziemlich derbem, breitfederigem, glänzendem Gefieder, in welchem oberseits Grün, auf der Brust Roth vorherrscht, dort ein helleres Querband im Nacken, hier dunklere Querzeichnung vorhanden zu sein pflegt.
Das Verbreitungsgebiet der Keilschwanzloris fällt beinahe mit dem Wohnkreise der Plattschweifsittiche zusammen, erstreckt sich jedoch etwas weiter nach Westen hin. Das Festland Australiens bildet den Brennpunkt desselben; doch erreicht es bereits in Vandiemensland seine südliche Grenze, wogegen die nördliche auf den Mollukkeneilanden Halmahera und Morotai zu suchen ist. Unter den Südseeinseln werden nur Neukaledonien, die Neuen Hebriden und Salomonsinseln von Keilschwanzloris bevölkert; dagegen verbreiten sich diese in westlicher Richtung noch bis Sumbawa und Flores. Ueber ihr Freileben haben wir, Dank den Forschungen Goulds, ziemlich eingehende Kunde erhalten. Ein Hauptzug ihres Wesens ist der Trieb zur Geselligkeit. Die gleiche Lebensweise und die gleichartige Nahrung vereinigen sie mehr als andere Papageien, und so kann es geschehen, daß man auf einem und demselben Baume drei bis vier verschiedenste Arten in friedlichster Weise unter einander verkehren sieht. Wie die meisten australischen Papageien sind auch sie gezwungen zu wandern, und namentlich diejenigen Arten, welche im Süden brüten, kommen und gehen alljährlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Während ihrer Wanderungen vereinigen sie sich oft zu unzählbaren Schwärmen, welche so dicht geschart sind, daß sie einer Wolke ähneln, gleichzeitig auch verschiedene Schwenkungen ausführen und durch das in der Nähe geradezu betäubende Geschrei schon von ferne die Aufmerksamkeit des Beobachters sich zulenken. Ihr Flug ist kraftvoll, gewandt und pfeilschnell; namentlich bei dem Auffliegen erheben sie sich mit reißender Geschwindigkeit unter lautem, gleichmäßigem Schreien in die Höhe und stürmen dann durch die Luft dahin. Auf den Bäumen klettern sie mit ziemlicher Gewandtheit in allen erdenklichen Stellungen umher, doch mehr meisen-, als papageienartig. Nach Sonnenaufgang sind sie so eifrig mit der Aufsaugung des Honigs beschäftigt, daß sie von den Bäumen, auf denen sie sich niedergelassen haben, kaum verscheucht werden können. Der Schuß eines Gewehrs hat dann keinen anderen Erfolg, als daß die Vögel schreiend von dem beschossenen Zweige auf einen anderen fliegen, wo sie dann sofort wieder die Blüten untersuchen. Sie sind so geschickt im Aufsaugen des Honigs, daß dieser den erlegten klar aus dem Schnabel strömt, wenn man sie an den Beinen emporhält.
Ueber das Brutgeschäft haben die Reisenden noch wenig Beobachtungen sammeln können. Es scheint, daß die Schwärme auch während der Fortpflanzungszeit vereinigt bleiben, daß mindestens so viele Paare, als auf einem Baume Unterkommen finden, gesellig nisten. Baumhöhlungen bilden auch für sie die Bruträume. Das Gelege besteht, wie man sagt, aus zwei bis vier, bei einzelnen Arten wahrscheinlich mehr, weißlichen, länglichrunden Eiern.
Die Pracht des Gefieders unserer Vögel besticht selbst die für die Schönheiten der Natur und ihrer Erzeugnisse anscheinend so gleichgültigen Eingeborenen Australiens; wenigstens beobachtet man, daß sie hier und da sorgfältig die Köpfe aller von ihnen erlegten Keilschwanzloris aufbewahren und daraus kettenartige Gehänge anfertigen, mit denen sie sich schmücken. Die Ansiedler europäischer Abkunft stellen den gedachten Loris einzig und allein aus dem Grunde nach, um sie für den Käfig zu gewinnen. Ihr Fleisch ist hart und zähe und außerdem noch mit unangenehmem Geruche behaftet, welcher sie wenigstens vor den Verfolgungen des nach eßbarem Wilde strebenden Jägers schützt. Im Käfige halten sich gerade diese Papageien besser, als man zu erwarten berechtigt war. Wenn auch die Reisenden angeben, daß sie vorzugsweise von Pflanzenhonig sich nähren und Sämereien vermeiden, gewöhnen sie sich doch leicht an letztere und dauern deshalb viel länger bei uns aus als Plattschweifsittiche und manche andere Papageien, welche uns als Körnerfresser bezeichnet werden. Eine Art hat sich, so viel mir bekannt, bei uns zu Lande sogar fortgepflanzt; mehrere andere haben wenigstens Eier gelegt. Inwiefern vorstehendes allgemeine Gültigkeit hat, vermag ich nicht zu sagen, weil von den sechsundzwanzig unterschiedenen Arten der Gruppe noch nicht einmal die Hälfte lebend zu uns herübergebracht wurde.
Am häufigsten sieht man in unseren Käfigen wohl den Allfarblori oder »Pflaumkopfsittich« der Händler, »Warie« der Eingeborenen von Neusüdwales, »Guril« derer von Botanybai, »Jatbagnu« der Bengalen ( Trichoglossus Novae-Hollandiae, haematodus, multicolor, haematopus und Swainsonii, Psittacus Novae-Hollandiae, haematodus, haematopus, cyanogaster, multicolor und semicolaris, Australasia Novae-Hollandiae), eine der größten Arten der Sippe, welche dem Karolinasittich ungefähr gleichkommt. Kopf, Backen und Kehle sind lilablau, Hinterhals, Mantel, Bürzel und Schwanz dunkel grasgrün, die Federn des Oberrückens in der Mitte gelb, an der Wurzel roth, die des Nackens, welche ein verwaschenes Halsband bilden, gelbgrün, Kropf, Brust und untere Flügeldecken schön zinnoberroth, unregelmäßig und breit dunkler und lichter quergewellt, die Brustseiten hochgelb, die Bauchfedern dunkelblau, an der Wurzel roth, die der Bauchseiten roth mit blauem Endflecke, Schenkel, Schienbein, Aftergegend und untere Schwanzdeckfedern grasgrün, die Federn an der Wurzel roth, hierauf gelb und endlich an der Spitze grün, die Schwingen innen schwarz, in der Mitte durch einen breiten, gelben Fleck gezeichnet, die Schwanzfedern innen citrongelb, gegen die Wurzel hin etwas ins Rothe spielend. Die Iris ist orangeroth, der Schnabel blutroth, die Wachshaut dunkelbraun, der Fuß braunfahl.
Obgleich Gould nur Südaustralien als Heimat des Allfarbloris angibt, verbreitet sich derselbe doch, wie neuerdings erwiesen worden ist, über ganz Australien und kommt ebenso auf Vandiemensland vor. Hier lebt der prachtvolle Vogel in Menge, weil die Blüten der gedachten Bäume ihm überflüssige Nahrung bieten. Er ist aber auch so ausschließlich auf die Gummiwälder beschränkt, daß er in anderen gar nicht gesehen wird. Diejenigen Bäume, welche erst kürzlich ihre Blüten geöffnet haben, werden allen anderen vorgezogen, weil sie an Honig und Blütenstaub am reichsten find. Der Anblick eines Waldes dieser blütenbedeckten Gummibäume, auf denen sich außerdem noch mehrere Arten der gedachten Papageien und Honigvögel umhertreiben, ist nicht mit Worten zu beschreiben. Oft sieht man drei bis vier Arten der Sippe auf einem und demselben Baume beschäftigt und manchmal gemeinschaftlich die Blüten eines und desselben Zweiges berauben. Noch weniger ist es möglich, die tausendstimmig lärmenden Töne und die Schreie mitten durch zu beschreiben, wenn etwa ein Flug sich mit einem Male von einem Baume erhebt, um in einen anderen Theil des Waldes überzugehen. Solche Schwärme muß man selbst gesehen und gehört haben, wenn man sich eine klare Vorstellung machen will.
Bei einem seiner Morgenspaziergänge in den Buschwaldungen am Hunter kam Gould an einen ungeheueren Gummibaum von ungefähr sechzig Meter Höhe, welcher gerade in vollster Blüte stand. Hunderte von Vögeln waren durch diese Blüten angelockt worden, und die verschiedensten Arten der Papageien und Honigfresser nährten sich einträchtig von dem Nektar derselben. Gould erlegte von einem einzigen Zweige die vier Keilschwanzloris, welche die Gegend bewohnen.
Ueber das Fortpflanzungsgeschäft vermochte Gould eigene Beobachtungen nicht zu sammeln, erfuhr jedoch durch die Eingeborenen, daß der Allfarblori zwei Eier in Höhlungen der höchsten Gummibäume lege und vom Juli bis September brüte. Daß diese Angabe schwerlich begründet sein dürfte, lassen gefangene Vögel derselben Art, welche sechs Eier legten, glaublich erscheinen.
Calay glaubt, daß der Allfarblori ausschließlich vom Blumensafte sich ernähre, auch in Gefangenschaft niemals Sämereien verzehre und deshalb schwierig zu erhalten sei. Diese Angabe ist unbedingt falsch; denn neuerdings gelangt, wie bereits bemerkt, gerade dieser Keilschwanzlori häufiger als jeder andere und in immer steigender Anzahl in unsere Käfige. Noch vor zehn Jahren fehlte er unserem Thiermarkte gänzlich, bis demselben plötzlich eine erhebliche Anzahl zugeführt und unter den verschiedensten Namen zum Verkaufe ansgeboten wurde. »Ich erhielt«, schreibt mir Linden, »eines der ersten Paare mit der Weisung zugeschickt, nur Glanz und Wasser zu füttern. Ich befolgte dies anfänglich auch. Als ich aber sah, daß das Futter kaum berührt wurde, gab ich noch Früchte, welche begierig genommen wurden; die Folge war jedoch, daß wenige Tage später beide Vögel unter furchtbaren Krämpfen zu Grunde gingen. Ein zweites Paar, welches ich erwarb und hauptsächlich mit in Milch eingeweichtem Weißbrode fütterte, hielt länger aus, starb aber unter gleichen Erscheinungen. Die Zergliederung ergab weder in dem ersten noch in dem zweiten Falle irgend welchen Anhaltspunkt für Aufklärung der Todesursache. Andere pflegte ich mit wechselndem Glücke, muß mich im allgemeinen aber dahin entscheiden, daß die Vögel zu denjenigen gehören, welche schwer zu halten sind. Allerdings habe ich auch das Gegentheil vernommen. Es ist mir versichert worden, daß man Junge erzielt habe, und man hat mir sogar das Paar, von welchem letztere abstammten, zugesandt; beim Tode der Vögel aber ergab sich, daß beide Weibchen waren. In dieser Weise werden nur zu häufig Angaben veröffentlicht und geglaubt.« Nach meinen allerdings nicht weit reichenden Erfahrungen muß ich Linden darin beistimmen, daß sich im allgemeinen die Keilschwanzloris nicht gut halten; doch gibt es Ausnahmen. So schreibt mir Staatsminister Geßler, daß er einen Allfarblori fünf Jahre lang bei bestem Wohlsein erhalten habe, was letzterer unter anderem dadurch bethätigte, daß er sechs Eier legte. Gefüttert wurde dieser Vogel mit Glanz, geriebenem magerem Ochsenfleische, geriebenen Möhren und Zucker, alles in gleichen Theilen unter einander gemischt, und die Lust, mit welcher der Allfarblori stets auf das in dieser Weise zusammengesetzte Futter losstürzte und bis zum letzten Bröcklein auffraß, bewies, daß er dasselbe seinen Neigungen entsprechend fand. Kerbthiere, welche ihm wiederholt geboten wurden, verschmähte er beharrlich und warf sie weg, wenn man sie in den Schnabel brachte.
»Das Wesen des Allfarbloris«, bemerkt Linden ferner, »ist ein viel lebhafteres als das der Breitschwanzloris: man kann es geradezu als stürmisch bezeichnen. Meine Vögel befanden sich stets in einer gewissen Aufgeregtheit und durften deshalb nicht in einer sogenannten Vogel- oder Papageienstube gehalten werden, weil es ihnen hier viel zu laut hergeht, sie zu leicht erschrecken, dann blindlings umherfliegen und häufig das Opfer ihrer Aufgeregtheit werden. Der Flug ist reißend schnell und wird stets mit lautem Gekrächze begleitet. Zum Boden herab kommen sie nur, wenn sie das Bedürfnis fühlen, sich zu baden. Ihre Stimmlaute lassen sich schwer beschreiben; denn sie sind ein Mittelding zwischen Pfeifen und Krächzen, aber gellend und durchdringend.«
Das an eigenartigen Vögeln so reiche Neuseeland beherbergt außer dem Kakapo noch eine in hohem Grade bemerkenswerthe Vogelsippe, die der Stumpfschwanzloris oder Nestorpapageien ( Nestor). Von den fünf Arten, welche man kennt, sind bereits zwei gänzlich ausgerottet worden, der eine wohl schon im Anfange unseres Jahrhunderts, der zweite kaum vor Ablauf der ersten Hälfte desselben; die drei übrigen beleben jedoch die Waldungen beider Hauptinseln noch in so erfreulicher Menge, daß ihr Fortbestand auf viele Jahrzehnte hinaus gesichert erscheint.
Die Stumpfschwanzloris, sehr kräftig und gedrungen gebaute Papageien von Dohlen- bis Rabengröße, kennzeichnen sich durch ihren starken, langen, seitlich zusammengedrückten Schnabel, dessen oberer Theil auf der schmalen, abgerundeten Firste eine seichte, bis gegen das Spitzendrittheil hin verlaufende Längsrinne und an der Seite einen sanft gerundeten Leistenvorsprung zeigt, mit der Spitze in flachem Bogen nach unten gekrümmt, in eine lange, weit vorragende Spitze ausgezogen und vor derselben mit schwachem Zahnvorsprunge ausgerüstet ist, dagegen der Feilkerben ermangelt, und dessen unterer Theil eine breitflächige, ebene Dillenkante und glatte Schneiden ohne Ausbuchtung besitzt, ferner durch kräftige, ziemlich langläufige und langzehige, mit derben, stark gekrümmten Nägeln bewehrte Füße, lange und spitzige, zusammengelegt weit über die oberen Schwanzdecken herabreichende Fittige mit mäßig langer Flügelspitze, unter deren Schwingen die dritte und vierte die längsten sind, mittellangen, geraden, nur am Ende etwas verkürzten, aus breiten, an der Spitze klammerförmigen Federn zusammengesetzten Schwanz und reiches, breitfederiges, düster olivenbraun oder grün, im Nacken und am Bauche lebhafter gefärbtes Federkleid, welches nach dem Geschlechte nicht verschieden ist. Die Zunge, auf deren Bau die Zusammengehörigkeit der Nestorpapageien und übrigen Loris sich begründet, ist, laut Potts, dick, auf der Oberseite abgeflacht, auf der Unterseite gerundet und hier mit einer Reihe kurzer, steifer, bürstenartiger Warzen versehen, welche zur Zunge eine ähnliche Stellung einnehmen, wie der Rand des Nagels zum menschlichen Finger; sie weicht also nicht unerheblich von der anderer Loris ab, stimmt aber mit derselben doch immerhin mehr überein als mit jeder anderen Papageienzunge.
Während die beiden untergegangenen Nestorarten kleine Inseln bewohnten und hier mit der Besiedelung derselben durch Europäer ihrem Schicksale anheimfielen, hausen die übrigen noch lebenden in den großen Waldungen des Inneren, insbesondere in den schwer zugänglichen Gebirgen, und zwar, je nach den Arten, in den Waldungen des mittleren Gürtels und in denen, welche die obere Holzgrenze bilden, bevölkern somit die verschiedensten Höhengürtel der Eilande vom Meeresspiegel an bis zu reichlich zweitausend Meter unbedingter Höhe empor. Bis in die neueste Zeit waren wir über die Lebensweise keiner einzigen Art unterrichtet; gegenwärtig liegen treffliche, größtentheils erst in unserem Jahrzehnte, anfangs und um die Mitte der siebziger Jahre, veröffentlichte Beobachtungen vor, unter denen die von Potts und Buller herrührenden an erster Stelle genannt zu werden verdienen, so daß wir uns jetzt rühmen dürfen, besagte Papageien genauer zu kennen als so viele andere seit Jahrhunderten gezähmte.
Als der am besten bekannte Vertreter der Sippe darf der Kaka der Maoris ( Nestor meridionalis, australis, Novae-Zealandiae und hypopolius, Psittacus meridionalis, Nestor, australis und hypopolius, Centrourus australis) angesehen werden. Seine Länge beträgt siebenundvierzig, die Breite dreiundachtzig, die Fittiglänge achtundzwanzig, die Schwanzlänge achtzehn Zentimeter. Das außerordentlich abändernde Gefieder ist in der Regel auf Stirn, Ober- und Hinterkopf nebst den Flügeln weißlich grau, auf den Kopf- und Halsseiten, dem Nacken, am Kinne, der Kehle, dem Kropfe und der Oberbrust dunkel umberbraun, in der Ohrgegend ockergelb, auf den unteren Backen und an der Kehle, woselbst die Federn sich zuspitzen, düster purpurrothbraun, am Hinterhalse, dessen Federn ein weißes Querband bilden, am Bürzel, den oberen Schwanzdecken und den noch nicht erwähnten Untertheilen dunkel purpurrothbraun, jede Feder an der Wurzel braun, am Ende deutlich purpurroth, die Federn des Hinterhalses schmal orange-bräunlich gesäumt. Rücken, Mantel und obere Flügeldeckfedern haben olivenbraune, ins Grüne scheinende Färbung und sind am Ende deutlich schwarz, die mittelsten Flügeldecken aber purpurbraun gesäumt; die dunkelbraunen, in der Wurzelhälfte der Außenfahne grün scheinenden Handschwingen zeigen auf der Innenfahne fünf bis sechs spitz zulaufende, blaß zinnoberrothe Randflecken, ihre Deckfedern und die Armschwingen sind heller olivenbraun, letztere innen ebenfalls mit fünf rothen Randflecken gezeichnet, ihre Deckfedern dunkelbraun, außen deutlich dunkelgrün, die Achselfedern und die kleinen Unterflügeldeckfedern düster zinnoberroth mit verwaschenen braunen Querstreifen, die mittleren Unterflügeldeckfedern matt braun, mit breiten blaßrothen Randflecken, die Schwanzfedern dunkel olivenbraun, gegen das Ende zu schwarz, unterseits, in der Wurzelhälfte, auf der Innenfahne und an einem schwarzen Endrande glänzend röthlichbraun, mit sechs zinnoberrothen Randflecken in der Wurzelhälfte der Innenfahne. Die Iris ist dunkelbraun, der Schnabel dunkel bläulichgrau, der Unterschnabel an der Wurzel zuweilen gelblichbraun, der Fuß blaugrau. Männchen und Weibchen tragen dasselbe Kleid, junge Vögel ein den Alten sehr ähnliches, nur minder lebhaftes, weil die schwarzen Endsäume der Federn sehr undeutlich und die rothen Randflecken auf der Innenfahne der Schwanzfedern klein und rundlich sind. Auf die verschiedenen Spielarten will ich nicht eingehen.
Der Kea der Eingeborenen oder »Gebirgspapagei« der Ansiedler ( Nestor notabilis) ist größer als der beschriebene Verwandte, volle fünfzig Zentimeter lang; der Fittig mißt zweiunddreißig, der Schwanz zwanzig Zentimeter. Im Gefieder herrscht Olivengrün vor. Jede Feder zeigt an der Spitze einen halbmondförmigen braunen Fleck und einen schmalen braunen Schaftstrich; die Federn des Hinterrückens und die oberen Schwanzdecken sind am Ende schön scharlachroth verwaschen, die Handschwingen und deren Deckfedern braun, an der Wurzel außen grünlichblau gerandet, sie und die Armschwingen immer mit breiten, sägezahnförmigen, lebhaft gelben, namentlich unten ersichtlichen Flecken gezeichnet, welche von unten an gesehen drei und beziehentlich zwei Bänder bilden, die Schwanzfedern matt grün, die seitlichen an der Innenfahne braun und mit orangegelben, sägezahnförmigen Flecken gezeichnet, welche drei deutlich hervortretende Bänder herstellen, die Achsel- und Unterflügeldeckfedern scharlachroth mit brauner Endspitze. Die Iris ist dunkelbraun, der Schnäbel gelblichbraun, der Fuß gelblichölfarben.
Das Wohngebiet des Kakanestors erstreckt sich über einen großen Theil der westlichen Alpen, von dem Fuße des Gebirges an bis zur Grenze der hochstämmigen Waldungen hinauf; das des Keanestors dagegen beschränkt sich auf einen zwischen anderthalb bis zweitausend Meter unbedingter Höhe gelegenen Gürtel der südlichen Alpen, von wo er nur während strenger Winter in die Tiefe hinabgetrieben wird. Jener hat sich da, wo der Ansiedler vordringt, bereits in die wenig betretenen Wälder zurückgezogen und ist in vielen Gegenden, woselbst er vormals sehr häufig war, schon recht selten geworden, erscheint aber auch hier noch oft in zahlreichen Schwärmen und tritt im Inneren der Waldungen noch ebenso häufig auf als je; das Leben des Keanestors hat der Mensch bis jetzt noch nicht beeinflussen können. Sein Wohngebiet liegt in einem Höhengürtel, welcher nur von einzelnen goldgrabenden Abenteurern und jagenden Forschern besucht wird. Wilde Gebirge, wasserreiche, tiefe, schnell fließende und rauschende Flüsse hemmen hier den Fuß des Wanderers und gewähren dem Vogel noch vollste Sicherheit, zerrissene Felsen mit unersteiglichen Wänden voller Höhlen und Spalten geeignete Ruhe- und Nistplätze und die reichen Matten, deren zwerghafte Pflanzenwelt allsommerlich in reichstem Blütenschmuck prangt, Nahrung in Hülle und Fülle. Vielleicht theilt einzig und allein der neuseeländische Edelfalke ( Falco Novae-Zealandiae) mit ihm das wilde Gebiet, welches seinen Lebensbedürfnissen so vollständig entspricht und außer dem eben genannten Feinde nur noch einem zweiten, vielleicht aber dem schlimmsten, einem strengen Winter, Einlaß gewährt. Unter solchen Umständen freilich, wenn der ganze Kamm des Gebirges bis tief hinab unter Schnee begraben liegt und kaum wieder zu erkennen ist, sieht er sich genöthigt, seine sicheren Felsen zu verlassen und in die Tiefe hinabzusteigen, um hier in den Waldungen Nahrung zu finden.
Wie der Keanestor unternimmt auch der Kaka zu bestimmten Zeiten des Jahres mehr oder minder regelmäßige Wanderungen. Die Ursachen werden dieselben sein, obgleich die Nothwendigkeit des Wanderns bei diesem Vogel nicht so klar vorliegt wie bei jenem. Vielleicht gelangt auch Wanderlust im eigentlichen Sinne des Wortes bei ihm zur Geltung. Während des Sommers fesselt ihn seine Brut und deren Erziehung an einen bestimmten Ort; sobald aber die Jungen selbständig geworden sind und der elterlichen Führung und Leitung nicht mehr bedürfen, macht er sich auf, um das Land auf weithin zu durchstreifen. Dann sieht man ihn zuweilen in den Waldungen in sehr zahlreichen Gesellschaften, welche, durch reichliche Nahrung angelockt, allgemach sich zusammengefunden haben. Denn die Wanderer selbst reisen nicht in Gesellschaften von erheblicher Stärke, sondern, nach Potts' Beobachtungen, einzeln, zu zweien oder dreien, höchstens zu sechs oder acht. Sie versäumen aber nie, ihren Lockruf von Zeit zu Zeit hören zu lassen, offenbar um sich zu vergewissern, ob schon andere ihrer Art desselben Weges gezogen sind oder an einer Stelle sich versammelt haben. Wird ihnen Antwort, so senken sie sich aus der Höhe herab, welche sie bis dahin inne hielten, indem sie gemessenen, langsamen, anscheinend mühseligen Fluges ihres Weges dahinzogen und von Zeit zu Zeit, gleichsam ermüdet, auf den dürren Aesten eines weite Umschau gewährenden Baumes sich niederließen. Wer die Vögel nur auf ihrem Zuge beobachtet, bekommt schwerlich eine Vorstellung von der Leichtigkeit und Gewandtheit, welche sie sonst bekunden. Oft, zumal bei hellem Sonnenscheine, sieht man, laut Potts, in den Waldungen, wo sie ihren Sommeraufenthalt genommen haben, Gesellschaften von ihnen unter lautem Schreien und Schwatzen sich erheben, emporschweben, weite Kreise beschreiben und durch allerhand Flugkünste sich unterhalten; denn daß diese Flugübungen zur gegenseitigen Unterhaltung geschehen, erfährt man, wenn man wahrnimmt, wie einer, vielleicht der heiterste der Vögel, plötzlich mit eingezogenen Schwingen fast senkrecht hinunterstürzt und die übrigen seinen Fall mit lauten Rufen begleiten. Der Kakanestor ist ein vollendeter Baum-, der Keanestor ein ebenso entschiedener Erdvogel. Jener bewegt sich auf dem Grunde so schwerfällig wie die meisten übrigen Papageien, nach Art der Raben, jedoch viel tölpelhafter hüpfend, ist dagegen in den Bäumen vollständig zu Hause, klettert mit bewunderungswürdiger Gewandtheit auf- und abwärts und tänzelt mit überraschender Fertigkeit längs der Zweige auf und nieder; der Kea hingegen läuft mit der Schnelligkeit der australischen Grassittiche oder Nasenkakadus auf dem Boden umher und kann kaum noch ein Baumvogel genannt werden.
Mit den meisten Papageien theilen die beiden Nestorarten einen ausgesprochenen Hang zur Geselligkeit. Nicht allein die Gatten eines Paares, sondern auch die Artgenossen halten auf das treueste zusammen. Der Jäger, welcher die Waldungen durchstreift und nur hin und wieder einen einzelnen Kaka zu Gesicht bekommt, erfährt zu seiner nicht geringen Ueberraschung, daß sie von allen Seiten herbeieilen, wenn er einen von ihnen verwundet und dieser einen Angstschrei ausstößt. Der bis dahin stille Wald hallt jetzt plötzlich wieder von dem vereinigten Schreien der zur Stelle kommenden Vögel, und das lebhafteste Geberdenspiel verräth, welch innigen Antheil sie an dem Schicksale ihres Gefährten nehmen. Abgesehen von derartigen Veranlassungen ist während des Sommers ihr Thun und Treiben wenig auffallend. Während der heißen Stunden des Tages halten sie sich verborgen und still, und erst mit Beginn der Kühle kommen sie aus ihren Schlupfwinkeln hervor, ebenso wie sie am Morgen mit dem ersten Tagesgrauen ihre Stimme vernehmen lassen und bei Mondlicht, oft längere Zeit nach Sonnenuntergang noch, in Bewegung und Thätigkeit gesehen werden. So still sie waren, während sie ruhten, so laut gellt jetzt ihr eigenthümlicher Schrei, ein Klangbild ihrer einheimischen Namen, durch den Wald. Man sieht sie nunmehr in vollster Beschäftigung frei auf den höchsten Zweigen sitzen, an dünneren oder an Ranken umherklettern und ihren kräftigen Schnabel hier und dort einsetzen, um ein Stück Rinde loszuschälen, ein Loch zu erweitern, Mulm zu durchwühlen, Beeren zu pflücken oder sonstige Arbeiten zu Gunsten des verlangenden Magens oder aus Lust am Arbeiten und Zerstören auszuführen. Die Aufnahme des Futters beansprucht ihre Thätigkeit in vollstem Maße. Sie sind Allesfresser im ausgedehntesten Sinne des Wortes. Während der Brutzeit nähren sie sich, dem Baue ihrer Zunge entsprechend, allerdings vorwiegend von Pflanzenhonig; außerdem aber genießen sie fast alle Beeren und Früchte, welche in den Waldungen wachsen, überfallen selbst größere Thiere und gehen im ärgsten Nothfalle sogar Aas an. Ihr sehr kräftiger Schnabel erleichtert ihnen die Arbeiten im morschen Holze, und wenn sie hier einmal Jagdbeute gewittert haben, lassen sie es sich nicht verdrießen, tiefe Löcher in die Baumstämme zu nagen. Potts hebt den Nutzen ihrer Thätigkeit für die Waldungen Neuseelands, denen Spechte bekanntlich fehlen, vielleicht mehr als gebührend hervor und scheint geneigt zu sein, sie den Waldhütern beizuzählen, bemerkt auch, daß sie durch ihre Liebhaberei für Pflanzenhonig insofern noch anderweitigen Nutzen stiften, als sie zur Befruchtung der Blüten beitragen helfen. In That und Wahrheit dürften ihre Verdienste wohl nicht so hoch angeschlagen werden, als dies nach vorstehendem scheinen will. Auch wissen andere Beobachter von mancherlei Unthaten zu erzählen, welche sie sich zu Schulden kommen lasten. Potts bezweifelt, daß sie jemals einen in Blüte stehenden, gesunden Baum angreifen sollten, während Buchanan einen Kaka ertappte, als er die Rinde von einem in vollem Safte stehenden Baume abschälte, in der Absicht, den ausfließenden Saft aufzusaugen.
Noch schlimmeres berichtet man vom Keanestor. Dieser soll einen Herrn Campbell in arger Weise geschädigt haben. Man bemerkte, daß die Schafherden des genannten Ansiedlers ohne erklärliche Ursache von einer eigenthümlichen, bis dahin unbekannten Krankheit heimgesucht wurden, indem auf verschiedenen Stellen ihres Felles handgroße Wunden entstanden, welche bis auf die Muskellage in die Tiefe reichten, durch das ausfließende Blut die Wolle verdarben und nicht selten den Tod im Gefolge hatten. Zuletzt beobachtete ein Schäfer, daß diese Wunden durch die Gebirgspapageien verursacht wurden. Einer der Vögel setzte sich auf das erkorene Schaf und fraß ihm, ohne daß das dumme Thier von seinem Peiniger sich befreien konnte, ein Loch in den Leib. Nachdem die Hirten auf den Uebelthäter aufmerksam geworden waren, wurden sie, wenn sie im hohen Gebirge weideten, wiederholt Zeugen derartiger Angriffe. Einzeln oder in Trupps erschienen die Keapapageien, setzten sich auf den Rücken eines Schafes, rupften die Wolle aus, brachten dem Thiere eine Wunde bei und ängstigten es so lange, bis es die Herde verließ. Nunmehr verfolgten und quälten sie es durch fortwährende Angriffe, bis es zuletzt vollständig verdummte. Wenn es sich endlich, gänzlich erschöpft, niederlegte und seinen Rücken so viel als möglich vor den Vögeln zu schützen suchte, fraßen diese ihm auf der Seite andere Löcher in den Leib und führten so oft den Tod herbei. Bemerkt wird noch, daß solche Angriffe nur in einem zwischen sechzehn- bis achtzehnhundert Meter unbedingter Höhe gelegenen Gürtel des Gebirges und immer während des Winters geschahen, auch bloß von einzelnen Uebelthätern ausgeführt wurden, wogegen an anderen, ebenso hoch gelegenen Stellen des Gebirges, wo der Keanestor häufig ist, ähnliches nicht vorkam. So wenig glaublich vorstehende Mittheilung auch scheinen will, so müssen doch alle Zweifel verstummen, wenn man andere Erfahrungen berücksichtigt, welche die neuseeländischen Forscher über die ausgesprochenen Raubthiergelüste des Gebirgsnestors gesammelt haben. In den letzten Jahren hat dieser Vogel, wie Potts an einer anderen Stelle bemerkt, glücklich ausgekundschaftet, daß in der Nähe der Ansiedelungen auch eine zugängliche Fleischniederlage sich zu befinden pflegt. In gerechter Würdigung einer so vorzüglichen Einrichtung, welche im Nothfalle ausgezeichnete Gelegenheit bietet, mit Fleisch sich zu versorgen, beeifert sich jetzt der Keanestor, diese Speicher auszunutzen. Aus diesem Grunde erscheint er ebenso regelmäßig in der Nähe der Schafschlächtereien, um dort den Abfall, insbesondere die Köpfe der geschlachteten Schafe aufzufressen, so weit er dies im Stande ist. Die Vorräthe von Rind- und Schaffleisch mindern sich, Dank der Gefräßigkeit des Vogels, in gleicher Weise, und nicht einmal die trocknenden Schaffelle bleiben verschont. Für gewöhnlich muß er allerdings mit Aas sich begnügen. In der Regel erscheinen die Diebe während der Nacht, und gewöhnlich unternehmen sie gemeinschaftliche Raubzüge; wenigstens ist es nichts seltenes, eine Schar der lärmenden Gesellen gleichzeitig auf dem Giebel einer Hütte zu sehen.
Haast bezeichnet den Keanestor als einen höchst neugierigen Vogel, welcher nicht unterlassen kann, jeden ihm in den Weg kommenden Gegenstand auf das genaueste zu untersuchen. Bei einem seiner Forschergänge im Gebirge hatte er mit schwerer Mühe ein Bündel werthvoller Alpenpflanzen gesammelt und einstweilen auf einem Felsenvorsprunge niedergelegt. Während seiner kurzen Abwesenheit hatte ein Keanestor dieses Pflanzenbündel ausgekundschaftet und seine Theilnahme für die Pflanzenkunde insofern bethätigt, als er das ganze Bündel auf Nimmerwiedersehen über den Felsen hinab zu werfen bestrebt gewesen war. Bei einer anderen Gelegenheit wurde ein Schäfer nicht wenig überrascht, als er nach zweitägiger Abwesenheit in seine wohlverschlossene Hütte zurückkehrte und in ihr absonderlichen Lärm vernahm. Dieser rührte von einem Keanestor her, welcher durch den Schornstein Eingang gefunden und in Abwesenheit des rechtmäßigen Besitzers sich damit beschäftigt hatte, seinen kräftigen Schnabel an allen Gegenständen des Inneren zu erproben. Kleider, Betten, Tücher und was sonst noch diesem Schnabel nicht widerstand, war zerrissen und zerfetzt, Pfannen, Töpfe und Teller umgeworfen, überhaupt jeder nicht niet- und nagelfeste Gegenstand verrückt oder zerbrochen, selbst der Fensterrahmen nicht verschont geblieben.
Gegen die Brutzeit hin bekunden die Nestorpapageien die übliche Zärtlichkeit und gegenseitige Hingebung. Das Paar, welches sich vereinigte, bleibt stets zusammen, und wenn der eine von einem Baume zum anderen fliegt, folgt ihm der aufmerksame Gatte sofort nach. Nunmehr handelt es sich darum, eine passende Niststelle auszufinden oder eine solche zu bereiten. Beide untersuchen die Bäume, deren Inneres hohl, vermorscht und vermulmt ist und wenigstens an einer Stelle durch eine kleinere oder größere Oeffnung mit der Außenwelt in Verbindung steht. Diese Eingangsröhre wird zunächst erweitert oder geglättet, und man sieht das Paar mit dieser Arbeit eifrigst beschäftigt. Doch bemerkt man auch, daß es sehr wählerisch verfährt und nicht selten eine bereits fast vollendete Nisthöhle wieder verläßt, um eine noch geeigneter scheinende anzunehmen und auszuarbeiten. Eine Nisthöhle, in welcher Buller am dreiundzwanzigsten December zwei, ungefähr zehn Tage alte Junge entdeckte, befand sich nur einen Meter über dem Grunde und bestand aus einem Eingangsloche von sechzig Centimeter Länge und fünfunddreißig Centimeter Durchmesser, welches in einen Brutraum von etwa vierzig Centimeter Durchmesser führte. Die Wände desselben waren geglättet und der Boden mit einer dicken Lage von Mulm und einigen Rindenbruchstücken bedeckt, welche letztere von den Vögeln offenbar in das Innere gebracht sein mußten. Ebenso werden aber auch Höhlungen zwischen dem Gewurzel eines Baumes oder geeignete Ritzen im Gefelse von dem Kakanestor als Bruthöhlen benutzt. Die vier rein weißen Eier, deren größter Durchmesser vier, und deren kleinster drei Centimeter beträgt, werden Anfang November gelegt, mit Hingebung bebrütet und die Jungen, welche man um Weihnachten findet, von beiden Eltern aufgefüttert. Als ein Beispiel der selbstvergessenden Zärtlichkeit der Alten ihren Jungen gegenüber erwähnt Potts, daß er nach einem Waldbrande einen der alten Vögel todt im Eingange der Nesthöhlung fand, offenbar weil er sich nicht hatte entschließen können, die im Inneren des Baumes liegenden, hülflosen Jungen zu verlassen. Die Eingeborenen, welche letztere oft aus dem Neste nehmen, versichern, daß zuweilen zwei Weibchen einem Männchen sich anpaaren, und die Thatsache, daß man während der Brutzeit nicht selten drei Vögel gesellt findet, scheint diese Angabe einigermaßen zu bestätigen.
Mit der Brut und Aufzucht der Jungen vergeht fast der ganze Sommer, und erst gegen den Herbst, unser Frühjahr, hin gestaltet sich das Leben des Vogels sorgenlos. Infolge reichlicher Nahrung wird er bald ungemein fett und gilt dann mit Recht als leckeres Wild, erfährt daher auch eifrige Nachstellungen. Um so schlimmer ergeht es ihm im Winter, welcher als sein schlimmster Feind angesehen werden muß. Der so schöne und reiche Wald liegt unter schneeiger Decke begraben; die Nahrung ist kärglicher oder mit Schnee überschüttet worden, und der Vogel, welcher jetzt um seinen Lebensunterhalt besorgt sein muß, sitzt mit gesträubten Federn verdrossen und fast schweigsam hier und da auf einer und derselben Stelle, ein Bild des düstersten Trübsinnes. Nunmehr sind ihm, welcher im Sommer wählerisch sein durfte, alle Nahrungsstoffe recht, und selbst die härtesten und bittersten Samen werden jetzt gern von ihm gefressen, auch wohl die Gärten besucht und die Knospen sorgfältig zusammengelesen. So verbringt er den Winter, und erst wenn der Frühling im Lande einzieht, kehren Frohsinn und Lebensfreudigkeit wieder.
Ein grausamerer Feind noch als der Winter ist der Mensch, welcher alle Nestorarten eifrig verfolgt, sei es, um das Fleisch zu genießen, sei es, um die Jungen zu erziehen. Kaka- und Keanestor lassen sich außerordentlich leicht fangen, erstere in Schlingen und Netzen verschiedenster Art, letztere in einer Weise, welche an die Erbeutung lebender Zeisige oder Leinfinken mittels der an einer Stange befestigten Leimruthe erinnert. Namentlich der Keanestor ist so sorglos und vertrauensselig, daß man ihm, wenn er die Hütten besucht, ohne besondere Vorsichtsmaßregeln eine Schlinge über den Leib streifen kann. Der gefangene Vogel benimmt sich ausfallend gelassen, tobt und flattert nicht und verhält sich so lange ruhig, bis man die Schlinge wieder entfernt hat. Demungeachtet denkt er anfänglich an seine Befreiung und weiß dieselbe leichter zu erlangen, als der Fänger gewöhnlich annimmt. Ihn in einen Holzkäfig sperren zu wollen, wäre vergebliches Bemühen; denn er zerstört solchen in kürzester Frist. Aber er weiß sich auch in schwierigeren Lagen zu helfen. Einer, welchen man in Ermangelung eines passenden Gebauers unter einem umgestürzten Eimer aufbewahrt hatte, fand sehr bald heraus, daß dieser auf einer Seite, des Henkels halber, mit den Rändern nicht fest auflag, stemmte seinen Schnabel zwischen Boden und Rand des Gesäßes, stürzte dasselbe um und entflog. An das Futter geht der Gefangene übrigens ohne weitere Umstände, und bei guter Behandlung erweist er sich so dankbar, daß er binnen wenigen Wochen zu einem ungemein zahmen Hausthiere wird. Noch leichter als altgefangene gewöhnen sich selbstverständlich jung aus dem Neste gehobene Nestorpapageien an den Verlust ihrer Freiheit, und sie sind es deshalb auch, welche am häufigsten von Eingeborenen und Europäern für die Gefangenschaft gewählt werden. Erstere nahen sich einem erkundeten Kakaneste stets mit größter Vorsicht, um die mißtrauischen Alten nicht gänzlich zu verscheuchen, hüten sich sogar, im Anfange der Brutzeit die Höhle mit ihren Händen zu berühren oder in das Innere zu hauchen, weil sie glauben, daß schon dies hinreiche, um die Alten zum Verlassen des Nestes zu bewegen. Die jungen, bereits einigermaßen herangewachsenen Nestvögel können leicht aufgefüttert werden, da sie alles genießen, was der Mensch auf seinen Tisch bringt. »Wer noch daran zweifelt, daß sie Allesfresser sind«, bemerkt Potts, »braucht einen Gefangenen bloß im Milchkeller freizulassen; er wird hier sehen, wie geschickt der Vogel den Rahm von den Schüsseln abzuschöpfen weiß.« Solche Junge lassen sich leicht zum Ein- und Ausfliegen gewöhnen, dauern auch trefflich in der Gefangenschaft aus, um so besser natürlich, je größere Freiheit sie genießen. Für den Europäer ist es nicht rathsam, ihnen solche zu gewähren; denn aus dem Schoßthiere im Käfige wird regelmäßig ein Thunichtgut, dessen lose, oft mit ersichtlicher Bedachtsamkeit ausgeführte Streiche jeder Nachsicht spotten. Für einen zahmen Nestor, welcher aus- und einfliegen kann, gibt es weder im Hause noch im Garten irgend einen Gegenstand, an welchem er nicht seine Kräfte und seine Lust am Zerstören bethätigen sollte. Buller versichert, einen Kaka gekannt zu haben, welcher in einem einzigen Tage tausende von Birnenblüten abpflückte und ebenso über Reben und andere Pflanzen herfiel. Läßt man solchen zerstörungslustigen Gesellen aber im Zimmer frei, so verfallen alle Einrichtungsgegenstände unrettbar seinem gewaltigen Schnabel. Die Eingeborenen, welche derartige Rücksichten nicht zu nehmen brauchen, schätzen den gefangenen Kakanestor weit höher als einen anderen Haus- oder Stubenvogel. Seine ausgezeichnete Nachahmungsgabe befähigt ihn, Worte und Sätze der Maorisprache zu lernen, seine Klugheit, sich als Lockvogel für andere seiner Art gebrauchen zu lassen. Ein sprechender Nestorpapagei steht hoch im Preise; ein Kaka, welcher seine freilebenden Artgenossen in das Netz des Fängers zu locken versteht, ist seinem Besitzer selbst um hohe Summen nicht feil. Der zahme sprechende Kaka dient dazu, das junge Volk eines Maoridorfes zu unterhalten, der Lockvogel wird für seinen Besitzer zu einer Quelle der Nahrung und des Gewinnes, und da seine Fähigkeiten mit den Jahren wachsen, darf man sich nicht wundern, wenn ein eingeborener Vogelsteller solche abgerichtete Sirenen nicht einmal für die Summe von zweihundert Mark unseres Geldes verkauft.
Nach vorstehendem erscheint es auffallend, daß gefangene Nestorpapageien so selten auf unseren Thiermarkt gelangen. Erst in der neuesten Zeit sind einige der absonderlichen Vögel eingeführt worden. Finsch sah einen Kaka lebend im Thiergarten zu Regents-Park. »Er unterschied sich«, sagt er, »in seinem Betragen ziemlich von allen übrigen Papageien, da er meist auf dem Boden des Käfigs sehr schnell trabend umherlief. Dabei hielt er den Körper ziemlich aufrecht und besonders den Hals lang in die Höhe, so daß er in der Haltung an einen Falken erinnerte. Indessen sah ich ihn auch geschickt nach Art anderer Papageien mit Hülfe des Schnabels an den Sprossen emporklettern. Eine Stimme bekam ich nicht zu hören.« Später wurden dem Londoner Thiergarten andere Gefangene derselben Art übermittelt, und neuerdings erhielt solche auch der Thiergarten zu Amsterdam. Eingehende Berichte über die einen wie die anderen sind meines Wissens nicht veröffentlicht worden.