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11. Familie: Eisvögel ( Alcedinidae)

Einem der Prachtvollsten, durch Sagen und Märchen vielfach verherrlichten Vogel unseres Erdtheiles zu Liebe hat eine zahlreiche, etwa hundertfünfundzwanzig Arten zählende Familie den sehr unpassenden Namen Eisvögel erhalten; denn die bei weitem größte Anzahl der hierher zu zählenden Leichtschnäbler lebt in dem warmen Gürtel der Erde und weiß nichts von Eis und Winter. Die Eisvögel ( Alcedinidae) kennzeichnen sich durch kräftigen Leib, kurzen Hals, großen Kopf, kurze oder mittellange Flügel, kurzen oder höchstens mittellangen Schwanz, langen, starken, geraden, winkeligen, spitzigen Schnabel, sehr kleine, drei- oder vierzehige Füße und glattes, meist in prächtigen Farben prangendes Gefieder, welches sich nach dem Geschlechte kaum, nach dem Alter wenig unterscheidet.

Hinsichtlich des inneren Baues der Eisvögel hat Nitzsch Nachuntersuchungen der europäischen Art als auffallend das folgende hervorgehoben. »Das Kopfgerüst hat im ganzen eine zwar oberflächliche, aber unverkennbare Ähnlichkeit mit dem der Reiher. Schnabelrücken und Stirn liegen fast in einer geraden Linie. Die Wirbelsäule besteht aus elf Hals-, acht Rücken- und sieben Schwanzwirbeln. Von den Rippenpaaren haben nur die fünf letzten Rippenknochen. Das Brustbein gleicht dem der Spechte. An den Hintergliedern ist die Kürze des Laufes besonders merklich. Die Zunge steht wegen ihrer geringen Größe in einem ungewöhnlichen Mißverhältnisse zum Schnabel. Sie ist wenig länger als breit, beinahe dreieckig, jedoch an den Seitenrändern auswärts, am Hinterrande einwärts gebogen. Das Zungengerüste ist merkwürdig wegen der Kleinheit des Zungenkerns und der Breite des Zungenbeinkörpers. Der Schlund ist weit, aber nicht zu einem Kropfe ausgebaucht, der Vormagen sehr kurz, der Magen häutig und ausdehnbar. Blinddärme sind nicht vorhanden.«

Die Eisvögel sind Weltbürger und ziemlich gleichmäßig vertheilt, obgleich die Familie, wie zu erwarten, erst innerhalb des warmen Gürtels in ihrer vollen Reichhaltigkeit sich zeigt. Alle Arten der Familie bevorzugen die Nachbarschaft kleinerer oder größerer Gewässer, aber nicht alle sind an das Wasser gebunden, nicht wenige, vielleicht sogar die meisten, im Gegentheile zu Waldvögeln im eigentlichsten Sinne geworden, deren Lebensweise dann mit jener wasserliebenden Verwandten kaum noch Ähnlichkeit hat. Da nun selbstverständlich die abweichende Lebensweise mit gewissen Veränderungen im Baue und in der Beschaffenheit des Gefieders in engstem Einklange steht, hat man die Familie mit vollstem Rechte in zwei Unterabtheilungen zerfällt, deren eine die stoßtauchenden Wasser- und deren andere die Landeisvögel oder Lieste umfaßt.

Die erste Unterabtheilung der Wassereisvögel ( Alcedinidae) kennzeichnet sich vornehmlich durch den langen, geraden und schlanken, auf der Firste geradlinigen, seitlich sehr zusammengedrückten Schnabel und das stets sehr glatte, eng anliegende fettige Gefieder. Alle Arten siedeln sich in der Nähe von Gewässern an und folgen diesen bis hoch ins Gebirge hinauf, soweit es Fische gibt, und bis zum Meeresgestade hinab. Längs der Gewässer leben sie einzeln oder höchstens paarweise; wie alle Fischer sind auch sie stille, grämliche, neidische Gesellen, welche Umgang mit ihresgleichen oder mit anderen Vögeln überhaupt möglichst vermeiden und in jedem lebenden Wesen, wenn auch nicht einen Beeinträchtiger, so doch einen Störer ihres Gewerbes erblicken. Nur so lange die Sorge um die Brut sie an ein bestimmtes Gebiet fesselt, verweilen sie an einer und derselben Stelle; übrigens schweifen sie fischend umher, dem Laufe der Gewässer folgend, und einzelne Arten durchwandern bei dieser Gelegenheit ziemlich bedeutende Strecken.

Ihre Begabungen sind eigenthümlicher Art. Zu gehen vermögen sie kaum, im Fliegen sind sie ebenfalls ungeschickt, und nur das Wasser beherrschen sie in einem gewissen Grade: sie tauchen in absonderlicher Weise und verstehen auch ein wenig zu schwimmen. Unter ihren Sinnen steht das Gesicht obenan; ziemlich gleich hoch entwickelt scheint das Gehör zu sein; über die übrigen Sinne haben wir kein Urtheil. Das geistige Wesen stellt die Eisvögel tief. Die hervorragendste Eigenschaft scheint unbegrenztes Mißtrauen zu sein. Eigentlich klug kann man sie nicht nennen. Doch sind auch sie nicht alles guten bar; denn sie bekunden wenigstens ungemein große Anhänglichkeit an ihre Brut.

Fische, Kerbthiere, Krebse und dergleichen bilden ihre Nahrung; an Lurchen, Kriech- und anderen Wirbelthieren, welche den verwandten Liesten sehr häufig zum Opfer fallen, vergreifen sie sich wohl niemals. Ruhig und still auf einem günstigen Zweige über dem Wasser sitzend, oder nach Art fischender Seeschwalben und Möven über demselben auf- und niederstreichend, sehen sie in die Tiefe hinab und stürzen sich plötzlich mit mehr oder minder großer Kraft auf den erschöpften Fisch, verschwinden hierbei gewöhnlich unter der Oberfläche des Wassers, arbeiten sich durch kräftige Flügelschläge wieder empor und kehren zum alten oder einem ähnlichen Sitze zurück, warten bis der von ihnen erfaßte Fisch erstickt ist, führen seinen Tod auch wohl dadurch herbei, daß sie ihn mit dem Kopfe gegen den Ast schlagen, schlingen ihn hierauf, den Kopf voran, ganz wie er ist, hinunter und verfahren genau wie vorher.

Die Vermehrung der Eisvögel ist ziemlich bedeutend; denn alle Arten ziehen eine zahlreiche Brut heran. Zum Nisten wählen sie sich steile Erdwälle, in denen sie eine tiefe Höhle ausgraben, deren hinteres Ende zur eigentlichen Nestkammer erweitert wird. Ein Nest bauen sie nicht, häufen aber nach und nach so viele, hauptsächlich aus Fischgräten bestehende Gewölle in ihrer Nestkammer an, daß im Verlaufe der Zeit doch eine Unterlage entsteht.

Dem menschlichen Haushalte bringen die Eisvögel keinen Nutzen, aber auch eigentlich keinen Schaden. In fischreichen Gegenden fällt die Masse der Nahrung, welche sie bedürfen, nicht ins Gewicht, und die bei uns lebende Art ist so klein, daß von einer durch sie bewirkten Beeinträchtigung des Menschen kaum gesprochen werden kann.


»Der Alcyon ist ein Meervogel, obwohl er auch in den Flüssen wohnet. Vnd wirt also bey den Griechen genennt, daß er in dem Meer gebiert. Daß er von wenigen erkennt wirt, ist kein wunder, dieweil man ihn gar selten, vnd allein im Aprillen oder in des Winters Sonnen wenden sihet. Und sobald er am Land nur ein Schiff umbflogen hat, fähret er von stund an hinweg, also daß man jn nicht mehr sehen kann. Cerylus vnd Ceyx wirt das Männlein auß diesem Vogel geheissen. Plutarchus sagt, daß dieser Alcyon der weiseste vnd fürnemste sey auß allen Meerthieren. Dann er spricht: welche Nachtigall wollen wir seinem Gesang, welche Schwalbe seiner Willfertigkeit, welche Taube seiner Lieb, so er gegen seinem Ehemann trägt, welche Bienlein wollen wir seinem Fleiß vergleichen? Dann, was Weisheit und Kunst sie an ihrem Nesten zu machen brauchen, ist nur ein Wunder zu sagen. Dann der Alcyon macht mit keinem andern Werckzeug dann allein mit seinem schnabel sein Nest, ja er zimmert diß als ein Schiff, dieweil es ein Werk ist, das von den Wellen nicht vmbgekehret, noch ertrenckt mag werden, dann er flechtet kleine Fischgrät als ein Wüpp in einander, also, daß er etliche, gleich als den Zettel, gerad leget, vnd die andern als die Wäfel, in die mitten dadurch zeucht, diese krümmet er dann zu einer kugel, vnd gestaltet es lang, gleich als ein Jagdschifflin. Vnd so er diß also außgemacht, hefftet ers zu eusserst an das Gestad, vnd so die Wällen darwider schlagen, dieses bewegen, oder darein schlagen, büttzet vnd hefftet er das noch steiffer, also, daß man es weder mit Steinen noch Eisen leichtlich zerbrechen oder hinwegreissen mag. In welchem das Türlein gantz wunderbar ist, also formieret vnd gestaltet, dz er allein darein mag kommen, den andern aber ists gantz vnsichtbar vnd vnbekannt, es mag auch sonst gar nichts darein kommen, auch kein wasser, darumb dz dieser eingang auß einer schwellenden Materi, als einem Schwamm, gemacht ist. Diese beschleust mit seinem aufschwellen den Weg, daß nichts darein kommen mag, welche materi doch vom Vogel so er hineinschlieffen wil, niedergetruckt wirt, also, daß das Wasser darauß getruckt, jm einen sichern Zugang gibt. Aristoteles sagt, diß Nest sey gleich einer Meerballen, so von Blumen vnd mancherley Aglen zusammen gesamlet werden, lichtrot, als ein Vintauß, oder Schrepffhörnlein mit einem langen Halß gestaltet. Sein das gröste Nest ist grösser dann der gröste Badschwamm, vermacht vnd verbleibt allenthalben, darzu hin vnd her als ein Schwam, an einem ort voll, am andern leer, das ersetzt sich auch einem scharpffen Wehr, also, daß man es kaum mag zerhawen. Es stehet im Zweifel, worauß doch dieses Nest gemacht werde: man vermeint aber es werde auß spitze fischgräten gemacht, dieweil sie der Fische gelebe. Nachdem er sein Nest also außgemacht, legt er denn seine Eyer darein, wiewol etliche sagen, er leg diese zu eusserst in den Meersand vnd brüte sie daselbst auß, fast mitten im Winter. Sie legen fünff Eyer, machen auch jhr Nest in den siben ersten Tagen, vnd in den siben nachgehenden legen sie, brüten sie auß, vnd erziehen jhre jungen. Dieser vogel gebieret sein lebenlang, vnd säht an so er vier Monat alt worden ist. Das Weiblin liebet seinen Mann also, daß es jm nit nur eine zeit im Jar, als andere Vögel, anhangt, sondern sich bloß zu ihm vnd zu sonst keinem andern gesellet, aus Freundschaft, ehelicher Pflicht und Liebe. So aber der Mann jetzt von Alter vnvermöglich worden, vnd kaum herzukommen mag, nimpt es den alten auff, vnd ernehret, vnd erhältet jn, also, daß es denselbigen niemals hinder jhm läßt, dieweil es den auf den Rücken gelegt, mit sich tregt, stehet auch dem bey, vnd ist jhm behülfflich biß in den Todt. So der Mann gestorben, so essen vnd trincken die Weiblin gar nichts mehr, sondern sie tragen Leid eine lange Zeit, darnach verderben sie sich selbst, doch singen sie vor jhrem Todt, so sie jetzt auffhören wöllen zu singen, ein kläglichen Gesang, Ceyx, Ceyx. Dieses wiederholen sie offt vnd dick, hören denn auff. Doch wolt ich nicht daß ich oder andere Leut diese Stimm solten hören, dieweil diese viel Sorg, Vnglück vnd den Tod selbst bedeute. Der Eyßvogel mit sampt seinen jungen hat einen lieblichen Geruch, gar nahe als der wohlgeschmackte Bisem. Sein Fleisch, ob er gleich todt, faulet nicht. Man glaubt, daß er sich sein Haut abgezogen, oder allein das Eingeweyd darauß genommen vnd auffgehencket, alle Jar, als ob er noch bey leben mausse. Die Kauffleut so wüllin Tuch verkauffen, die haben die Haut von diesem Vogel bey dem Tuch, als ob diese die Kraft habe, die Schaben auszutreiben. Dieses sol sie thun, so sie allein in dem Gaden oder Gemachen ist darinn das Tuch dann ligt, vnd diß haben etliche mir gesagt, so diß erfahren haben, wiewol ich das kaum glaub. Es sagen etliche, die Straal schlage nicht in das Hauß darinn diß Nest gefunden werde. Item so man zu den Schätzen legt, sol er dieselbigen mehren, vnd also alle Armuth hinwegtreiben.«

Also berichtet gläubig der alte Geßner, die wunderbaren und unbegreiflichen Angaben der Alten zusammenstellend. Und das wunderbarste ist, daß sich diese Märlein bis in die neuere Zeit erhalten haben und wenigstens theilweise geglaubt werden; denn heutigen Tages noch erzählen manche Völkerschaften fast dieselben Geschichten. Sowie unsere Vorfahren glaubten, daß der Wundervogel noch im todten Zustande den Blitz abwehre, verborgene Schätze vermehre, jedem, der ihn bei sich trage, Anmuth und Schönheit verleihe, Frieden in das Haus und Windstille auf das Meer bringe, die Fische an sich locke und deshalb den Fischfang verbessere, so laufen selbst heutzutage noch bei einigen asiatischen Völkerschaften, bei Tataren und Ostjaken, wundersame Geschichten von Mund zu Munde. Die genannten Stämme schreiben den Federn unseres Vogels Liebeszauber und seinem Schnabel heilsame Kräfte zu. Alle diese Mären gelten in unseren Augen nichts mehr; der Vogel aber, den sie verherrlichten, ist darum nicht minder der allgemeinen Beachtung werth.

siehe Bildunterschrift

Eisvogel ( Alcedo ispida). 2/3 natürl. Größe.

Unser Eisvogel oder Königsfischer, der Ufer-, Wasser- oder Seespecht, Eisengart und Martinsvogel ( Alcedo ispida, subispida, advena und Pallasii), kennzeichnet sich durch folgende Merkmale: Der Schnabel ist lang, dünn, gerade, von der starken Wurzel an nach und nach zugespitzt, an der Spitze keilförmig oder etwas zusammengedrückt, an den scharfen Schneiden ein wenig eingezogen. Die Füße sind sehr klein und kurz; die mittlere der drei Vorderzehen ist mit der fast ebenso langen äußeren bis zum zweiten, mit der kürzeren inneren bis zum ersten Gelenke verwachsen, die Hinterzehe sehr klein. In dem kurzen und ziemlich stumpfen Flügel überragt die dritte Schwinge die anderen. Der Schwanz besteht aus zwölf kleinen, kurzen Federn. Das Gefieder ist reich, aber glatt anliegend, zerschlissen, jedoch derb, prachtvoll gefärbt, oben metallisch, unten seidig glänzend. Die Federn des Hinterkopfes sind zu einer kleinen Holle verlängert. Mit einem anderen europäischen Vogel läßt sich der Königsfischer nicht verwechseln, mit ausländischen Arten seiner Familie aber wohl. Oberkopf und Hinterhals sind auf düster grünschwarzem Grunde mit schmalen, dicht stehenden, meerblauen Querbinden gezeichnet, Schultern, Flügeldecken und die Außenfahne der braunschwarzen Schwingen dunkel meergrün, die Flügeldeckfedern mit rundlichen, meerblauen Spitzenflecken geziert, die mittleren Theile der Oberseite schön türkisblau, ein Streifen über den dunkleren Zügeln und ein Längsfleck am unteren Augenrande bis hinter die Ohrgegend sowie die ganze Unterseite und die unteren Schwanz- und Flügeldecken lebhaft zimmetrostroth, Kinn und Kehle rostgelblichweiß, ein breiter Streifen, welcher sich von der Schnabelwurzel und unter dem Zimmetroth der Ohrgegend hinabzieht, die Enden der oberen Brustseitenfedern, die seitlichen Schwanzdecken und die Schwanzfedern endlich dunkel meerblau. Die Iris ist tief braun, der Schnabel schwarz, die Wurzel der unteren Hälfte roth, der kleine Fuß lackroth. Die Länge beträgt siebzehn, die Breite siebenundzwanzig bis achtundzwanzig, die Fittiglänge sieben, die Schwanzlänge vier Centimeter.

Ganz Europa, von Jütland, Dänemark, Livland und Esthland an nach Süden hin, sowie der westliche Theil Mittelasiens sind die Heimat des Eisvogels. In Spanien, Griechenland und auf den griechischen Inseln ist er noch häufig, am Jordan nach Tristrams Beobachtungen gemein, auf Malta schon ziemlich selten. In Ostasien wird er durch eine nahe verwandte Art vertreten, welche einzelne Naturforscher als Spielart ansehen. In Nordwestafrika dürfte er auch als Brutvogel vorkommen; Nordostafrika besucht er regelmäßig während des Winters, ohne jedoch daselbst zu brüten. Dasselbe gilt, so viel bis jetzt festgestellt, für die Kanarischen Inseln. Ja nicht einmal in Griechenland hat man bis jetzt Nest und Eier von ihm gefunden, so häufig man dem Vogel auch in den Wintermonaten begegnet. Aus diesem zeitweiligen Auftreten im Süden seines Verbreitungsgebietes geht hervor, daß ein beträchtlicher, wahrscheinlich der größte Theil der nordischen Eisvögel wandert, vielleicht sogar regelmäßig zieht. Auf Korfu erscheint er bereits gegen Ende August, treibt sich während des Winters in Menge an der Seeküste umher, verschwindet zu Anfange des April und fehlt während des Sommers gänzlich. In Egypten dürfte es nicht anders sein; in Spanien dagegen findet er sich bestimmt jahraus jahrein.

Bei uns zu Lande sieht man den prachtvollen Vogel überall, immer aber nur einzeln. Er fällt wegen seines schönen Gefieders ebenso auf als wegen seiner sonderbaren Lebensweise und ist deshalb wohl bekannt, obgleich seinerseits bemüht, den Blicken des Menschen möglichst sich zu entziehen. Am liebsten bewohnt er kleine Flüsse und Bäche mit klarem Wasser, und ihnen zu Liebe steigt er auch hoch im Gebirge empor, in den Alpen, laut Tschudi, bis zu eintausendachthundert Meter unbedingter Höhe. An trüben Gewässern fehlt er meist, wenn auch nicht immer. Flüsse oder Bäche, welche durch Wälder fließen oder wenigstens an beiden Ufern mit Weidicht bestanden sind, bieten ihm Aufenthaltsorte, wie er sie vor allen anderen leiden mag, und wenn sie so viel Fall haben, daß sie im Winter wenigstens nicht überall zufrieren, verweilt er an ihnen auch in dieser schweren Zeit. Sind die Verhältnisse nicht so günstig, so muß er sich wohl oder übel zum Wandern bequemen, und gelegentlich dieser Wanderungen eben fliegt er bis nach Nordafrika hinüber.

Gewöhnlich sieht man ihn nur, während er pfeilschnell über den Wasserspiegel dahineilt; denn der, welcher ihn im Sitzen auffinden will, muß schon ein Kundiger sein. Namentlich in der Nähe bewohnter Ortschaften oder überhaupt in der Nähe regen Verkehres wählt er sich zu seinen Ruhesitzen stets möglichst versteckte Plätzchen und Winkel aus, beweist darin ein großes Geschick, scheint sich auch sehr zu bemühen, bis er den rechten Ort gefunden hat. Daß der schließlich gewählte Platz der rechte ist, erkennt man bald, weil alle Eisvögel, welche einen Fluß besuchen, stets auch dieselben Sitzplätze sich erküren. »Solcher allgemeinen Lieblingsplätzchen«, sagt Naumann, »gibt es in einer Gegend immer mehrere, aber oft in ziemlicher Entfernung von einander. Sie liegen allemal tief unten, selten mehr als sechzig Centimeter über dem Wasserspiegel und stets an etwas abgelegenen Orten. In einsameren, von menschlichen Wohnungen weit entfernten Gegenden wählt er sich zwar auch oft freiere Sitze, auf welchen man ihn dann schon von weitem bemerken kann. Ganz auf höhere, freie Zweige oder gar auf die Wipfel höherer Bäume fliegt er nur, wenn er sich paaren will.« Die Nacht verbringt er unter einer überhängenden Uferstelle oder selbst im Innern einer Höhlung. Jeder einzelne Eisvogel, oder wenigstens jedes Paar, behauptet übrigens ein gewisses Gebiet und vertheidigt dasselbe mit Hartnäckigkeit: es duldet höchstens den Wasserschwätzer und die Bachstelze als Genossen.

Wenn irgend ein Vogel »Sitzfüßler« genannt werden darf, so ist es der Eisvogel. Er sitzt buchstäblich halbe Tage lang regungslos auf einer und derselben Stelle, immer still, den Blick auf das Wasser gekehrt, mit Ruhe einer Beute harrend, »kühl bis ans Herz hinan«, so recht nach Fischer Art. »Seine kleinen Füßchen«, sagt Naumann, »scheinen nur zum Sitzen, nicht zum Gehen geeignet; denn er geht äußerst selten und dann nur auf einige Schrittchen, etwa auf der kleinen Fläche eines Steines oder Pfahles, aber nie auf flachem Erdboden.« Ungestört wechselt er seinen Sitz bloß dann, wenn er verzweifelt, von ihm aus etwas zu erbeuten. Ist das Glück ihm günstig, so bringt er weitaus den größten Theil des Tages auf derselben Stelle zu. Wenn man ihn geduldig beobachtet, sieht man ihn plötzlich den Hals ausstrecken, sich nach vorn überbeugen, so daß der Schnabel fast senkrecht nach unten gerichtet ist, und plötzlich wie ein Frosch oder richtiger wie ein Pfeil in das Wasser stürzen, ohne daß er dabei die Flügel gebraucht. Gewöhnlich verschwindet er vollkommen unter dem Wasser, arbeitet sich aber durch einige Flügelschläge bald wieder zur Oberfläche empor, schwingt sich von neuem zu seinem Sitze empor, schüttelt das Wasser vom Gefieder ab, putzt dieses vielleicht auch ein wenig und nimmt die vorige Stellung ein. Hat er sich mehreremal vergeblich bemüht, Beute zu gewinnen, oder gar keinen Fisch gesehen, so entschließt er sich endlich, seinen Platz zu wechseln. Das Fliegen erfordert, wie es scheinen will, alle Kraft und Anstrengung des Vogels; denn die kurzen Schwingen können den schweren Rumpf kaum fortschleppen und müssen so rasch bewegt werden, daß man die einzelnen Bewegungen nicht mehr unterscheiden kann. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb ist der Flug reißend schnell, aber auch sehr einförmig. Der Eisvogel schießt, so lange er kann, in einer geraden Linie dahin, immer gleich hoch über dem Wasser hinweg, und dreht und wendet sich nur mit dem Gewässer, entschließt sich wenigstens höchst ungern, den Fluß oder Bach zu verlassen. Weiter als fünf- oder sechshundert Schritte dehnt er einen solchen Flug nicht leicht aus: ungestört fliegt er nie weiter, als bis zu dem nächsten Sitzplatze. Doch treibt ihn der Hunger oder die Noth überhaupt zuweilen auch zu Flugkünsten, welche man ihm nicht zutrauen möchte. Manchmal sieht man ihn sich über das Gewässer erheben, plötzlich, flatternd oder rüttelnd, sich still halten, sorgsam nach unten schauen und mit einemmale von dieser Höhe aus in die Tiefe stürzen. Derartige Künste, welche bei anderen Gliedern seiner Familie üblich sind, betreibt er insbesondere über breiten Gewässern, deren Ufer ihm geeignete Warten nicht gewähren, zumal wenn es sich darum handelt, die zahlreiche Brut zu ernähren; sie scheinen also gewissermaßen das letzte Mittel zu sein, welches er anwendet, um Beute zu erringen. Wenn sich die Liebe in ihm regt, macht er von seiner Flugbegabung noch umfassenderen Gebrauch.

Die Nahrung besteht vorzugsweise aus kleinen Fischen und Krebsen, nebenbei aber auch aus Kerbthieren, mit denen namentlich die Brut groß gefüttert wird. Er ist gefräßig und bedarf zu seiner Sättigung mehr, als man anzunehmen pflegt. Zehn bis zwölf fingerlange Fischchen müssen ihm tagtäglich zum Opfer fallen, wenn den Erfordernissen seines Magens Genüge geschehen soll. Hinsichtlich der Art der Fische zeigt er sich nicht wählerisch, fängt vielmehr jeden, dessen er habhaft werden kann, und weiß selbst eine ziemlich große Beute zu bewältigen. Auf diese lauert er, nach Naumanns Ausdruck, wie die Katze auf die Maus. Er fängt nur mit dem Schnabel, stößt deshalb oft fehl und muß sich zuweilen sehr anstrengen, ehe ihm eine Beute wird. Die Art und Weise seines Fanges erfordert Umsicht in der Wahl seiner Plätze; denn das Wasser, in welchem er fischt, darf nicht zu seicht sein, weil er sich sonst leicht durch die Heftigkeit seines Stoßes beschädigen könnte, darf aber auch nicht zu tief sein, weil er sonst seine Beute oft fehlt. »Bei Hirschberg an der oberen Saale«, schreibt mir Liebe, »halten sich die Eisvögel gern auf, wenn sie dort auch wenig günstige Brutgelegenheit haben. Die Saale ist vielfach von steilen, hohen Felswänden eingefaßt, welche einen Fußpfad am Ufer entlang unmöglich machen. Sie fließt rasch und breit über eine Menge Steine und zwischen Felsblöcken hindurch und ist gerade hier sehr reich an kleinen Fischen. Dort halten die Vögel statt auf einem Aste von einem Steine aus ihre lauernde Rundschau, und auf gewissen Steinen kann man immer Gewölle finden. Hier habe ich auch gesehen, daß sie sehr gern Krebse verzehren. Obgleich kleine Fische, wie bemerkt, in Menge vorhanden sind, holen die Eisvögel doch oft kleine Krebse heraus, tragen sie auf den Felsblock und machen sie daselbst zum Verschlingen zurecht, indem sie dieselben öfter hart gegen den Stein stoßen, nicht aber mit einer Seitenbewegung des Kopfes gegen denselben schlagen. Die Krebse scheinen hier so zur Lieblingsnahrung geworden zu sein, daß die Gewölle oft nur aus Ueberresten derselben bestehen.« Anhaltender Regen, welcher das Gewässer trübt, bringt dem Eisvogel Noth, ja selbst den Untergang, und ebenso wird ihm der Winter nicht selten zum Verderben; denn seine Jagd endet, sobald er die Fische nicht mehr sehen kann. Im Winter muß er sich mit den wenigen offenen Stellen begnügen, welche die Eisdecke eines Gewässers enthält; aber er ist dann dem Ungemach ausgesetzt, unter das Eis zu gerathen und die Oeffnung nicht wieder zu finden. Auf diese Weise verliert mancher Eisvogel sein Leben. Zuweilen wird ihm auch ein glücklicher Fang verderblich: er versucht einen zu großen Fisch hinabzuwürgen und erstickt dabei. Fischgräten, Schuppen und andere harte Theile seiner Nahrung speit er in Gewöllen wieder von sich.

Während der Paarzeit zeigt sich auch der Eisvogel sehr erregt. Er läßt dann seine Stimme ein hohes, schneidendes, oft und schnell wiederholtes »Tit tit« oder »Si si«, welches man sonst selten, meist von dem erzürnten Vogel vernimmt, häufig ertönen und fügt den gewöhnlichen Lauten noch besondere zu, beträgt sich auch in ganz eigenthümlicher Weise. »Das Männchen«, sagt mein Vater, »setzt sich dann auf einen Strauch oder Baum, oft sehr hoch, und stößt einen starken, pfeifenden, von dem gewöhnlichen Rufe verschiedenen Ton aus. Auf diesen kommt das Weibchen herbei, neckt das Männchen und fliegt weiter. Das Männchen verfolgt es, setzt sich auf einen anderen Baum und schreit von neuem, bis das Weibchen abermals sich nähert. Bei diesem Jagen, welches ich nur des Vormittags bemerkt habe, entfernen sich beide zwei- bis dreihundert Schritte vom Wasser und sitzen mit hoch aufgerichtetem Körper auf den Feldbäumen, was sie sonst nie thun.«

Das Brutgeschäft des Eisvogels ist erst durch die Beobachtungen Leislers und meines Vaters bekannt geworden; Bechstein war hierüber noch nicht unterrichtet. »Sobald sich der Eisvogel zu Ende März oder im Anfange des April gepaart hat«, fährt mein Vater fort, »sucht er sich einen Platz für das Nest aus. Dieser ist allemal ein trockenes, schroffes, vom Grase ganz entblößtes Ufer, an welchem keine Wasserratte, kein Wiesel und kein anderes Raubthier hinauf klettern kann. In dieses, einer senkrechten Wand ähnelnde Ufer hacken die Eisvögel dreißig bis sechzig Centimeter vom oberen Rande ein rundes Loch, welches gewöhnlich fünf Centimeter im Durchmesser hat, einen halben bis einen Meter tief ist, etwas aufwärts steigt und am Ausgange unten zwei Furchen zeigt. Am hinteren Ende erweitert sich dieses Loch zu einer rundlichen, backofenähnlichen Höhle, welche acht bis zehn Centimeter in der Höhe und zehn bis dreizehn Centimeter in der Breite hat. Diese Höhlung ist unten mit Fischgräten ausgelegt, wie gepflastert, wenig vertieft, trocken und oben glatt wie an ihrem Ausgange. Auf den Fischgräten liegen die sechs bis sieben, sehr großen, fast rundlichen, glänzend weißen, wegen des durchschimmernden Dotters rothgelb aussehenden Eier. Sie sind die schönsten unter allen, welche ich kenne, von einer Glätte, von einem Glanze und, ausgeblasen, von einer Weiße wie die schönste Emaille. An Größe kommen sie fast einem Singdrosselei gleich, so daß es mir unbegreiflich ist, wie sie der Eisvogel mit seinen kurzen und harten Federn alle bedecken und erwärmen kann.

»Wenn der Eisvogel beim Aushacken des Loches, wozu er zwei bis drei Wochen braucht, auf Steine trifft, sucht er sie herauszuarbeiten. Gelingt dies nicht, so läßt er sie stehen und arbeitet um sie herum, so daß sie zuweilen halb in die Röhre vorragen. Der Steinchen wegen ist der Eingang zum Neste oft krumm. Häufen sie sich aber zu sehr, so verläßt der Vogel die Stelle und hackt sich nicht weit davon ein anderes Loch. In Hinsicht des Nestbaues zeigt sich der Eisvogel ganz als Specht, nur mit dem Unterschiede, daß dieser in morschen Bäumen, jener aber in der trockenen Erde sein Nest anbringt. Ein solches Loch bewohnt der Eisvogel mehrere Jahre, wenn er ungestört bleibt; wird aber der Eingang zum Neste erweitert, so legt er nie wieder seine Eier hinein. Daß ein Nest mehreremal gebraucht sei, erkennt man leicht an einer Menge von Libellenköpfen und Libellenflügeln, welche unter die Gräten gemischt sind, und an einer ungewöhnlichen Menge von Fischgräten, welche in einem frischen Neste weit sparsamer liegen und, so lange die Jungen noch nicht ausgekrochen, mit Libellenüberbleibseln nicht vermengt sind. Um zu erfahren, ob ein Eisvogelloch, welches von den Höhlen der Wasserratte und anderer Säugethiere auf den ersten Blick zu unterscheiden ist, bewohnt sei oder nicht, braucht man nur hinein zu riechen: nimmt man einen Fischgeruch wahr, so kann man fest überzeugt sein, daß man ein frisches Nest vor sich habe.

»Merkwürdig ist es, wie fest ein brütender Eisvogel auf seinen Eiern oder seinen nackten Jungen sitzt. Man kann am Ufer pochen, wie man will, er kommt nicht heraus; ja, er bleibt noch ruhig, wenn man anfängt das Loch zu erweitern, und verläßt seine Brut erst dann, wenn man ihm ganz nahe auf den Leib kommt.

»Ich fand die Eier in der Mitte des Mai und zu Anfang des Junius.

»Das Männchen hat ziemlich fern, hundert bis dreihundert Schritte von dem Neste, seinen Ruheplatz, auf welchem es die Nacht und auch einen Theil des Tages zubringt.«

Naumann gibt an, daß man in einzelnen Nestern bis elf Eier findet, und berichtet noch einiges über das Jugendleben der Vögel. »Das Weibchen«, sagt er, »brütet allein, und das Männchen bringt ihm, während jenes fast unausgesetzt vierzehn bis sechzehn Tage lang über den Eiern sitzt, nicht nur Fische zur Nahrung, sondern trägt auch beiläufig dessen Unrath aus dem Neste weg, was beide Gatten nachher auch mit dem der Jungen thun. Die unlängst aus den Eiern geschlüpften Jungen sind häßliche Geschöpfe. Sie sind ganz nackt, mehrere Tage blind und von so ungleicher Größe, daß ich sogenannte Nestküchlein gefunden habe, welche kaum halb so groß als die anderen waren. Ihr Kopf ist groß, der Schnabel aber noch sehr kurz und der Unterschnabel meistens zwei Linien länger als der Oberkiefer. Sie sind höchst unbehülflich, zittern öfters mit den Köpfen, sperren zuweilen den weiten Rachen auf, wispern leise, wenn sie hungrig sind oder wenn sie gefüttert werden und kriechen durch einander wie Gewürme. Zu dieser Zeit werden sie von den Alten mit Kerbthierlarven, und vorzüglich mit Libellen, denen diese zuvor Kopf und Flügel abstoßen, gefüttert. Später bekommen sie auch kleine Fische, und wenn ihnen nach und nach die Federn wachsen, so scheinen sie überall mit blauschwarzen Stacheln bekleidet zu sein, weil die Federn in sehr langen Scheiden stecken, und diese nicht so bald aufplatzen. Sie sitzen überhaupt lange im Neste, ehe sie zum Ausfliegen fähig werden, und ihre Ernährung verursacht den Alten viele Mühe, weshalb sie sich denn auch in dieser Zeit ungemein lebhaft und thätig zeigen. Die ausgeflogenen Jungen werden in die ruhigsten Winkel der Ufer, besonders in Gesträuch, Flechtwerk oder zwischen die ausgewaschenen Wurzeln am Ufer stehender Bäume geführt, so daß ein kleiner Umkreis die ganze Familie beherbergt, jeder einzelne also unweit des anderen einen solchen Sitz hat, wo er wenigstens von der Uferseite her nicht so leicht gesehen werden kann. Die Alten verrathen sie, wenn man sich zufällig naht, durch ängstliches Hin- und Herfliegen in kurzen Räumen und durch klägliches Schreien, während die Jungen sich ganz still und ruhig verhalten. Stößt man sie aus ihrem Schlupfwinkel, so flattert das eine da-, das andere dorthin, und die Alten folgen bald diesem, bald jenem unter kläglichem Schreien. Es währt lange, ehe sie sich Fische fangen lernen.«

Wie zärtlich die Alten ihre Brut lieben, geht aus einer Beobachtung Naumanns hervor. Er ging ernstlich darauf aus, ein Nest mit Jungen aufzusuchen, begab sich deshalb an eine Stelle, wo er ein solches wußte, überzeugte sich durch den Geruch von der Anwesenheit der Jungen und begann nun, am Ausbrechen der Höhle zu arbeiten. »Ich war nicht allein, und wir hatten nicht nur viel gesprochen, sondern auch tüchtig mit den Füßen oben über dem Neste auf den Rasen gestampft. Ich erstaunte daher nicht wenig, als ich mit einer dünnen Ruthe im Loche störte und mir der alte Eisvogel, welcher nunmehr die Jungen verließ, beinahe ins Gesicht flog. Der Untergang der Familie war einmal beschlossen, und so sollte denn auch ein Alter mit darauf gehen; da wir aber heute kein passendes Werkzeug zur Hand hatten, so wurde dies auf morgen verschoben und der Eingang mit Schlingen bestellt. Alle diese gewaltsamen Störungen hatten nicht vermocht, die unglückliche Mutter abzuhalten, einen Versuch zu wagen, zu ihren geliebten Kindern zu kommen, und sie hing am anderen Morgen todt in der Schlinge vor ihrem Neste, während das Männchen, als wir nun die Jungen ausgruben, mehrmals schreiend dicht an uns vorbeiflog.«

Die seit der Veröffentlichung der Mittheilungen meines Vaters und Naumanns gesammelten Beobachtungen haben ergeben, daß die Brutzeit des Eisvogels sich nicht auf die genannten Monate beschränkt. So erhielt Walter einmal schon am sechsten April, ein anderes Mal in der Mitte dieses Monats vollzählige Gelege. Ebenso können verschiedene Umstände das Fortpflanzungsgeschäft verzögern. Wenn das Frühjahr spät eintritt, wenn die Flüsse oder Bäche längere Zeit Hochwasser haben, wenn die Brut geraubt oder die Nesthöhle zerstört wurde etc., muß der Eisvogel bessere Zeiten abwarten, und so kann es geschehen, daß man noch im September unerwachsene Junge in den Nesthöhlen findet. Nach den eingehenden Beobachtungen Kutters, welcher binnen drei Jahren nicht weniger als dreißig fast durchgängig besetzte Bruthöhlen untersuchen konnte, ist letzteres nur dann der Fall, wenn die erste Brut vernichtet wurde. Denn ungestört brütet der Eisvogel bloß einmal im Jahre. Die Wahrheit dieser Angabe konnte Kutter überzeugend beweisen, da er die Eisvögel, welche er aus dem Neste fing, mittels eingefeilter Striche am Schnabel zeichnete und somit späterhin wieder erkannte. Aus seinen sorgsam niedergeschriebenen Beobachtungen nun geht nachstehendes hervor. Die Brutröhre wird stets in einer senkrecht abfallenden oder überhängenden glatten Uferwand eingegraben; doch braucht die Wand nicht immer unmittelbar vom Wasser bespült zu werden. Die Höhe, in welcher die Röhre über dem Wasserspiegel angebracht wird, ändert mit der jeder Uferwand ab und wird bloß an solchen Stellen so nahe als oben angegeben unter dem Uferrande angelegt, wo dies die Beschaffenheit des Brutplatzes erfordert. An hohen Wänden findet man sie ebenso häufig in der Mitte der Wand oder etwas unter derselben. Erst mit Beginn des Eierlegens fängt der Vogel an, die Höhlung mit den als Gewölle ausgespieenen Gräten und Schuppen der verzehrten Fische auszupolstern. Fertige, neu gearbeitete Kessel ohne Eier enthalten nicht eine Spur dieser Niststoffe, welche im Verlaufe des Eierlegens und Brütens allmählich angesammelt werden und schließlich eine sehr gleichmäßig vertheilte fast centimeterhohe Schicht bilden. Die bebrüteten Eier findet man niemals auf bloßer Erde, sondern stets auf besagten Niststoffen, welche als schlechte Wärmeleiter die Eier vor schädlicher Abkühlung schützen. Die durchschnittliche Anzahl der Eier aller von Kutter gefundenen vollen Gelege betrug sieben, niemals mehr, in seltenen Fällen weniger. Siedelartiges Beisammensein verschiedener Eisvögel hat Kutter nie beobachtet. Wo mehrere Brutröhren in unmittelbarer Nachbarschaft angebracht sind, ist stets nur eine wirklich besetzt, und die geringste Entfernung zwischen zwei bewohnten Röhren beträgt etwa fünfzig Schritte. Das Ausgraben der Röhre wird, eine so ungeheuere Arbeit für den kleinen Vogel es zu sein scheint, in verhältnismäßig kurzer Zeit vollendet. In einzelnen Fällen konnte Kutter nachweisen, daß ein Zeitraum von kaum einer Woche dazu genügte. Ein so eifriges Hacken und Graben zum Theil in rauhem Kiessande greift den Schnabel merklich an; insbesondere der Oberschnabel, auf welchem die Last der Arbeit ruht, zeigt sich nicht selten um einen halben Centimeter verkürzt.

Zur weiteren Vervollständigung des gesagten mag eine Mittheilnng, welche ich der Freundlichkeit Liebe's verdanke, hier Platz finden. »Eisvögel haben einige Jahre hintereinander in der Lehmwand eines Erdfalles genistet und dort mir treffliche Gelegenheit zum Beobachten gegeben. Dieser Erdfall, ein Wasserloch mit tiefem, kaltem Wasser, welches keine Fische und nur wenig Kerbthiere beherbergt, liegt, von etwas Gebüsch umgeben, in größter Nähe eines sehr besuchten Spazierganges und gegen tausend Schritte von der Elster entfernt, die hier allerdings von dichtem Gebüsche eingefaßt und ziemlich einsam ist. Die Vögel mußten tausend Schritte weit über Wiesen und Felder fliegen, um ihren Jungen Nahrung zu holen und wurden oft durch Vorübergehende und Feldarbeiter gestört. Dennoch suchten sie jene Lehmwand öfter wieder auf, um dort zu schlafen und zu nisten. Es glückte mir einmal, ein Weibchen zu belauschen, welches das Loch einer ausgefaulten Baumwurzel zur Wohnstätte erkiest hatte. Ich hörte beständig kleine Gegenstände in das Wasser fallen und entdeckte endlich, daß es Erdklümpchen waren, welche in immer größerer Anzahl aus jenem engen Loche herabfielen. Zuletzt kam scharrend und unter schwer zu erkennenden, wunderlichen Bewegungen der Vogel rückwärts heraus und beförderte dabei eine ganze Menge Erde in das Wasser. Sobald er mich erblickt hatte, strich er ab, war aber nach einer Viertelstunde wieder in der Röhre und kroch in derselben Weise rückwärts heraus. Später, als wohl der Zugang hinlänglich erweitert und hinten der kleine Kessel ausgeweitet war, habe ich die Thiere nie anders als mit dem Kopfe voran herauskommen sehen.«

Es ist nicht bekannt, daß irgend ein Raubthier dem Eisvogel nachstellt. Der erwachsene, entgeht durch seine Lebensweise vielen Verfolgungen, denen andere Vögel ausgesetzt sind, und die Nesthöhle ist in seltenen Fallen so angelegt, daß ein Wiesel oder eine Wasserratte zu ihr gelangen kann. Auch der Mensch behelligt unseren Fischer im ganzen wenig, nicht etwa aus Gutmüthigkeit oder Thierfreundlichkeit, sondern weil sich der scheue Gesell vor jedermann in Acht nimmt und seine Jagd den Sonntagsschützen zu schwer fällt. Der Kundige, welcher seine Gewohnheiten kennt, erlegt ihn ohne sonderliche Mühe und weiß sich auch des lebenden Vogels zu bemächtigen. Nicht immer gelingt es, das schöne Geschöpf an die Gefangenschaft zu gewöhnen. Jung aus dem Neste genommene Eisvögel lassen sich mit Fleisch und Fischen groß füttern und dann auch längere Zeit am Leben erhalten; alt eingefangene sind ungestüm und ängstlich, verschmähen oft das Futter und flattern sich bald zu Tode. Doch fehlt es auch bei ihnen nicht an Ausnahmen. Mir wenigstens ist es mehr als einmal gelungen, alt eingefangene Vögel einzugewöhnen und lange Zeit am Leben zu erhalten. Ja, ich habe dieselben immer nur durch Unglücksfälle verloren. Ohne alle Umstände gehen alte Eisvögel an das Futter, wenn man sie gleichzeitig mit den Jungen einfängt. Aus Liebe zu diesen vergessen sie den Verlust der Freiheit, fischen von der ersten Stunde an eifrig und gewöhnen sich und ihre Jungen an den Käfig und die ihnen gereichte Kost. An solchen gefangenen nimmt man mit Erstaunen wahr, wie gefräßig sie sind. Hat man sie endlich gezähmt und kann man ihnen einen passenden Aufenthalt gewähren, so sind sie wirklich reizend. Im Thiergarten zu London sind für die Königsfischer und andere Wasservögel besondere Vorkehrungen getroffen worden. Man hat hier einen großen Käfig errichtet, dessen Boden theilweise ein tiefes Wasserbecken ist, und dessen Wandungen alle Bequemlichkeiten bieten, wie Fischer sie verlangen. In dem Becken wimmelt es von kleinen Fischen, über demselben sind bequeme Warten: kurz, das ganze ist so behaglich eingerichtet wie nur möglich. In diesem Käfige befinden sich die dort lebenden Eisvögel vortrefflich. Sie können es hier beinahe wie an ihren Bächen treiben, führen ihre Fischerei wenigstens ganz in derselben Weise aus wie in der Freiheit. Ich darf wohl behaupten, daß mich dieser deutsche Vogel, den ich vor Jahren hier zum erstenmale in der Gefangenschaft sah, damals ebenso angezogen hat wie irgend ein anderes Thier der so außerordentlich reichhaltigen Sammlung.


Die Stoßfischer ( Ceryle) unterscheiden sich von den Königsfischern hauptsächlich durch den Bau der Flügel und des Schwanzes. Erstere, in deren Fittige die zweite Schwinge der dritten an Länge fast gleich kommt, sind bedeutend länger und spitzer als bei den Königsfischern, letzterer ist ziemlich lang und verhältnismäßig breit: die Flugwerkzeuge sind also weit mehr entwickelt als bei jenen. Der Schnabel ist lang, gerade, spitzig und seitlich zusammengedrückt. Das Gefieder ist noch dicht und glatt anliegend, aber nicht mehr prächtig gefärbt, ja fast glanzlos, und je nach dem Geschlechte mehr oder weniger verschieden. Die Sippe wird namentlich in Amerika zahlreich vertreten, fehlt aber auch in Afrika und Asien nicht; ein Glied derselben ist wiederholt in Europa vorgekommen und hat deshalb hier Bürgerrecht erlangt. Sie umfaßt die stärksten, gewandtesten und demzufolge auch die raubgierigsten Mitglieder der Familie: die » Fischtiger«, wie wenigstens einige von ihnen Cabanis genannt hat.

 

Das Mitglied, welches uns zunächst angeht, ist der Graufischer ( Ceryle rudis, varia, bicincta und leucomelanura, Alcedo rudis, Ispida rudis, bitorquata, und bicincta), derselbe, welcher sich von Egypten und Syrien aus wiederholt nach Europa verflogen hat. Seine Färbung ist eine sehr bescheidene, das Gefieder der Oberseite schwarz und weiß gescheckt, das der unteren Seite bis auf ein oder zwei schwarze Brustbänder und einige dunkle Flecke auf dem Schnabel reinweiß. Die schwarzen Federn des Ober- und Hinterkopfes zeigen schmale weiße Seitensäume, die des Mantels, der Schultern, des Bürzels und der Flügeldecken breite weiße Endränder. Das Weiß der Kopf- und Halsseiten wird durch einen breiten, am Mundwinkel beginnenden, über die Ohrgegend verlaufenden und an den Halsseiten sich herabziehenden schwarzen Streifen unterbrochen. Die Handschwingen und deren Deckfedern sind schwarz, in der Wurzelhälfte weiß, an der Spitze die ersten vier auch am Rande ebenso gesäumt, die Armschwingen dagegen weiß und am Ende der Außenfahne schwarz, aber durch einen weißen Mittelfleck gezeichnet, die Schwanzfedern endlich weiß, von dem Endrande durch eine breite schwarze Querbinde und diese wiederum auf der Innenfahne durch einen weißen Randfleck geziert. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß braun. Die Länge beträgt sechsundzwanzig, die Breite siebenundvierzig, die Fittiglänge dreizehn, die Schwanzlänge acht Centimeter. Das Weibchen unterscheidet sich dadurch untrüglich vom Männchen, daß es nur ein schwarzes Brustband besitzt, während jenes deren zwei zeigt. Diese Verschiedenheit veranlaßte Swainson, die beiden Geschlechter als zwei verschiedene Arten zu beschreiben.

Der Graufischer ist weit verbreitet. Er findet sich in fast allen Ländern Afrikas, in Syrien, Palästina, Persien und ebenso in Indien und Südasien überhaupt. In Europa wurde er, wie bemerkt, wiederholt, so viel ich weiß aber nur in Griechenland und in Dalmatien, beobachtet. Wahrscheinlich kommt er viel öfter hier vor, als man bis jetzt angenommen hat. In den Nilländern ist er gemein und deshalb mir durch eigene Anschauung bekannt geworden.

Ich erinnere mich noch recht wohl der Ueberraschung, welche mir der Graufischer bereitete, als ich kaum den Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt hatte. Schon auf dem Mahmudiehkanal, welcher Alexandrien mit dem Nile verbindet, hatte ich wiederholt einen großen Vogel, nach Art des Thurmfalken rüttelnd, in der Luft schweben oder auf den Stangen der Schöpfeimer sitzen sehen, ohne mir erklären zu können, welcher Art derselbe angehören möge. Ein glücklicher Schuß belehrte mich hierüber, und mit wahrem Frohlocken betrachtete ich den erbeuteten Graufischer, welcher damals in meinen Augen eine große Seltenheit war. Diese Ansicht änderte sich sehr bald; denn die nächstfolgenden Tage schon überzeugten mich, daß der Graufischer, wenn auch nicht zu den häufigsten Vögeln des Landes, so doch zu denen gehört, welche man überall und zu jeder Zeit zu sehen bekommt und ohne Mühe in beliebiger Anzahl erlegen kann.

Gewöhnlich sieht man diesen Eisvogel auf den erwähnten Stangen der Schöpfeimer sitzen, seine weiße Brust dem Strome zugekehrt. Steht eine Palme oder Mimose unmittelbar am Nilufer, und ist einer ihrer Zweige zum Aufsitzen geeignet, so nimmt er auch hier seinen Stand, und ebenso gern läßt er sich auf dem Holzwerke der Schöpfräder nieder, welche durch Ochsen bewegt werden und die allen Reisenden wohlbekannte, von allen verwünschte »Nilmusik« hervorbringen. Der Graufischer theilt die Scheu seines zierlichen Vetters nicht. Er fühlt sich sicher in seiner Heimat; denn er weiß, daß er dem Egypter trauen darf und von ihm nichts zu befürchten hat. Der Vogel bethätigt manche Eigenthümlichkeit, welche den Neuling überrascht; das überraschendste aber ist doch seine Vertrautheit mit dem Wesen des Menschen. Unmittelbar über dem Knaben, welcher die das Schöpfrad bewegenden Rinder mit der Peitsche antreibt, und buchstäblich im Bereiche der Geisel, sitzt er so ruhig, als ob er von dem gedachten Knaben gezähmt und abgerichtet wäre und in ihm seinen Gebieter und Beschützer zu erblicken habe; neben und über den wasserschöpfenden Weibern fliegt er so dicht vorbei, daß es aussieht, als wolle er diese vom Strome vertreiben. Gegen die Gewohnheit unseres Eisvogels ist er ein umgänglicher, verträglicher Vogel, das heißt wenig futterneidisch, vielmehr sehr gesellig. Das Pärchen hält treuinnig zusammen, und wo der eine sitzt, pflegt auch der andere zu rasten. Gewöhnlich sieht man die beiden Gatten dicht nebeneinander, auf einem und demselben Aste, auf einem und demselben Baumstamme lauernd: hätte Swainson Egypten bereist, er würde zu seiner Ueberraschung erfahren haben, daß seine Ceryle bicincta der Ceryle rudis alle die Liebesdienste erweist, welche ein Gatte seiner rechtmäßigen Gattin überhaupt erweisen kann; denn er hätte ohne Schwierigkeit so nahe an die Vögel herangehen können, daß ihm die Merkmale beider unterscheidbar gewesen wären.

siehe Bildunterschrift

Graufischer.

Seinen Fischfang betreibt unser Vogel regelmäßig so wie der Königsfischer, wenn dessen gewöhnliche Künste nicht mehr ausreichen wollen, mit anderen Worten, nicht vom hohen Sitze aus, sondern indem er sich rüttelnd über dem Wasser erhält und aus solcher Höhe in dasselbe sich hinabstürzt. Der Flug ist von dem des Eisvogels gänzlich verschieden. Die Flügel werden zwar auch noch rasch, aber doch nicht »schnurrend« bewegt, und man kann die einzelnen Schläge noch sehr wohl unterscheiden. Demgemäß ist der Flug zwar nicht so reißend wie beim Königsfischer, aber viel gewandter, d. h. größerer Abwechselung fähig. Der Eisvogel schießt dahin wie ein abgeschossener Bolzen, der Graufischer fliegt fast wie ein Falk, schwenkt und wendet sich nach Belieben, hält sich rüttelnd minutenlang fest, zieht eine Strecke weiter, wenn er während seines Stillstehens keine Beute bemerkte, und beginnt dort von neuem zu rütteln. Beim Angriff auf die Beute legt er die Flügel knapp an den Leib und stürzt nun in etwas schiefer Richtung pfeilschnell ins Wasser, verschwindet unter den Wellen und arbeitet sich nach einiger Zeit mit kräftigen Flügelschlägen wieder empor. Pearson sagt von dem indischen, daß er so lange unter Wasser bliebe, bis die unter seinem Sturze erregten Wasserringe sich geglättet hätten; Jerdon bezweifelt diese Angabe, und ich muß Jerdon vollständig Recht geben: denn ich glaube nicht, daß der Stoßfischer jemals länger als fünfzehn bis zwanzig Sekunden unter dem Wasser verweilt. Gar nicht selten schießt dieser übrigens auch während seines Fluges, also unter einem sehr geringen Winkel, ins Wasser und erhebt sich dann so schnell wieder, daß es aussieht, als ob er von dem Spiegel abgeprallt wäre. Jerdon behauptet, daß er niemals einen gesehen habe, welcher ohne Beute aus dem Wasser gekommen sei; ich meinestheils darf versichern, daß dies doch sehr oft geschieht. Es ist wahrscheinlich und auch sehr erklärlich, daß der Graufischer geschickter ist als unser Eisvogel; demungeachtet fehlt er oft: denn auch er täuscht sich über die Tiefe, in welcher ein von ihm gesehener Fisch dahinschwimmt. War er im Fange glücklich, so fliegt er sofort seinem gewöhnlichen Sitzorte zu und verschlingt hier die gemachte Beute, oft erst nachdem er sie wiederholt gegen den Ast geschlagen, wie dies andere seiner Verwandtschaft zu thun pflegen. Wenn er nicht zum Jagen ausfliegt, streicht er mit gleichmäßigem Flügelschlage ziemlich niedrig über dem Wasser weg, möglichst in gerader Linie einem zweiten Sitzorte zu, in dessen Nähe er sich plötzlich aufschwingt. Uebertages ist er gewöhnlich still, gegen Abend wird er lebendiger, zeigt sogar eine gewisse Spiellust, und dann vernimmt man auch oft seine Stimme, einen lauten, schrillenden, oft wiederholten Schrei, den ich mit Buchstaben nicht ausdrücken kann.

Bei hohem Nilstande sieht sich der Stoßfischer genöthigt, seinen geliebten Strom zu verlassen; denn das Wasser desselben pflegt dann so trübe zu sein, daß er keinen Fisch mehr wahrnehmen kann. Die vielen Kanäle Egyptens gewahren ihm übrigens unter solchen Umständen genügenden Ersatz. In ihnen ist das Wasser schon einigermaßen geklärt und der Fischzug demgemäß so ergiebig wie sonst irgendwo. Hieraus erkläre ich mir auch, daß der Vogel in dem kanalreichen Delta viel häufiger ist als in Oberegypten oder in Nubien, wo er sich mehr oder weniger auf den Strom beschränken muß. Durch Tristram erfahren wir, daß der Graufischer auch an den Seeküsten gesehen wird und zwar zu Dutzenden »etwa ein hundert Meter vom Lande über dem Wasser rüttelnd«. In den Monaten November und December sah ihn genannter Forscher in »unschätzbarer Anzahl« längs der Küste Palästinas, bald fischend, bald auf den Felsen sitzend.

Die Brutzeit beginnt in Egypten, wenn der Nil annähernd seinen tiefsten Stand erreicht hat, also im März oder im April. Adams hat Nester im December gefunden, wahrscheinlich an einer Oertlichkeit, auf welche der Nilstand wenig Einfluß üben konnte. Ich habe nur einmal ein Ei erhalten, welches mir als das unseres Vogels bezeichnet wurde, bezweifle jetzt aber, nachdem ich Tristrams Mittheilungen gelesen habe, die Echtheit desselben. Letztgenannter Forscher beobachtete, daß der Graufischer in Palästina förmliche Brutansiedelungen bildet. Eine dieser Siedelungen befand sich in einer steilen Erdwand an der Mündung des Mudawarahbaches in den See Genezareth. Die Eingänge zu den Höhlen waren nur etwa zehn Centimeter über dem Wasserspiegel eingegraben und konnten bloß schwimmend erreicht werden. Jede Röhre führte etwa einen Meter in die Tiefe und erweiterte sich seitlich zu einer einfachen Höhlung. In keiner einzigen fanden sich Fischgräten zwischen den Eiern, wohl aber bemerkte man, wenn das Nest Junge enthielt, einen verwesenden Haufen von Fischknochen und Unrath in ihm. Ein aus Gras und Unkraut bestehender Haufen diente als Nestunterlage. Bartlett nahm am achtundzwanzigsten April vier und bezüglich sechs Eier aus zwei Nestern; Tristram fand, als er am zweiundzwanzigsten Mai dieselbe Siedelung besuchte, eine große Anzahl ausgeflogener Jungen, viele noch nicht ausgewachsene in den Höhlen, aber auch noch fünf Nester mit frischen Eiern, darunter eines in einer Höhle, aus welcher Bartlett schon ein Gelege entnommen hatte. Die Form der Eier ist verschieden: die meisten sind eirund, viele aber sehr länglich. Ueber die Farbe sagt Tristram nichts, und ich muß deshalb wohl annehmen, daß sie ein reines Weiß ist, obgleich ich mich erinnere, daß das eine, welches mir als Graufischerei bezeichnet wurde, auf lichtem Grunde dunkler gewölkt war.

Aus einer Höhle, welche Tristram untersuchte, kam eine Ratte mit sechs Jungen hervorgestürzt.

Die Alten saßen während des ihnen unerwünschten Besuches auf den Oleanderbüschen am Ufer oder flogen ängstlich auf und nieder und schrieen kläglich.

Welche Feinde der Graufischer außer dem reisenden und womöglich jedes Thier vernichtenden Engländer hat, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe nie gesehen, daß ein Raubvogel einen Angriff auf ihn versucht hätte, und kenne kein anderes Raubthier, welches ihm gefährlich werden könnte.


Die Lieste ( Halcyoninae) unterscheiden sich von den Eisvögeln durch die mehr entwickelten, bei einzelnen sogar sehr ausgebildeten Flugwerkzeuge. Auch ist der Schnabel, welcher dem der Eisvögel im ganzen ähnelt, regelmäßig viel breiter als bei jenem, und ebenso pflegen die Füße stärker und hochläufiger zu sein. Das Gefieder ist lockerer und besitzt nicht die fette Glätte wie das der Eisvögel, prangt übrigens ebenfalls in lebhaften Farben: einzelne Arten gehören zu den prächtigsten aller Vögel.

Afrika, Südasien und Australien nebst den zwischen diesen beiden Erdtheilen gelegenen Eilanden sind die Heimat der zahl- und gestaltenreichen Gruppe. In Amerika und Europa fehlen sie gänzlich. Sie sind mehr oder weniger Waldvögel, und nur die wenigsten bekunden eine Vorliebe für das Wasser. Einzelne sollen zwar mehr oder weniger nach Art der Eisvögel fischen; die Mehrzahl aber kommt hinsichtlich der Lebensweise eher mit den Bartvögeln überein. Viele Arten haben sich vom Wasser gänzlich unabhängig gemacht und beleben die trockensten Gegenden, vorausgesetzt, daß sie nicht baumlos sind; denn Bäume scheinen zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig zu sein.

Entsprechend den wohl entwickelten Flugwerkzeugen sind die Lieste viel bewegungsfähigere Geschöpfe als die Eisvögel; sie übertreffen selbst die flugbegabtesten unter diesen durch die Leichtigkeit, Zierlichkeit und Gewandtheit ihres Fluges, welcher an den der Bienenfresser erinnert. Von einem erhabenen Sitzpunkte aus überschauen sie die Umgebung mit aufmerksamen Blicken, fliegen, sobald sie eine Beute erspähen, auf diese zu oder ihr nach und kehren wieder zu dem alten Sitzorte zurück. Auf dem Boden sind sie fremd. In der Fertigkeit, das Wasser anszubeuten, stehen sie den Eisvögeln weit nach: mir ist es sogar wahrscheinlich, daß bloß einzelne und auch diese nur ausnahmsweise Fische oder andere Wasserthiere aus dem Wasser selbst herausholen. Die Stimme ist laut und eigenthümlich, das Wie läßt sich schwer mit Worten ausdrücken. Ueber die geistigen Fähigkeiten wage ich ein allgemeines Urtheil nicht zu fällen. Diejenigen Arten, welche ich im Leben beobachten konnte, schienen mir in dieser Hinsicht wenig begabt zu sein: sie bekundeten Vertrauensseligkeit und Schwerfälligkeit, welche nicht auf große Verstandeskräfte schließen ließen; ich muß dem jedoch hinzufügen, daß ich auch Ausnahmen kennen gelernt habe.

Die Nahrung der Gesammtheit besteht aus Kerbthieren aller Art, vorzugsweise aus Heuschrecken und großen Käfern; die stärkeren Arten der Familie vergreifen sich aber auch an Krabben und kleinen Wirbelthieren aller Klassen. Einzelne sind geachtet wegen ihrer Verfolgung der Schlangen; andere stehen in dem Rufe, arge Nestplünderer zu sein. An Raublust kommen sie den Eisvögeln vollständig gleich.

Das Fortpflanzungsgeschäft unterscheidet die Lieste ebenfalls von ihren Verwandten. Die meisten Arten brüten in Baumhöhlen, einzelne in natürlichen Erd- oder Steinhöhlen, und alle bauen ein mehr oder weniger vollkommenes Nest. Das Gelege scheint nicht besonders zahlreich zu sein. Die Eier sind reinweiß und glänzend wie die der Eisvögel.

Die Lieste ertragen die Gefangenschaft leicht und dauernd, weil sie sich bald an ein passendes Ersatzfutter gewöhnen lassen. Man kann sagen, daß sie mehr auffallend als anziehend sind, darf dann aber nicht vergessen, daß auch sie eine innige Freundschaft mit den Menschen eingehen und dahin gebracht werden können, ihrem Gebieter mit größter Liebenswürdigkeit entgegenzukommen und warme Zärtlichkeit für ihn an den Tag zu legen.


Baumlieste ( Halcyon) nennen wir die Arten mit langem, geradem und breitem Schnabel, welcher sich bei einigen etwas aufwärts biegt, kurzen, aber nicht allzu schwächlichen Füßen, mittellangen, abgerundeten Flügeln, in denen die dritte Schwinge die längste ist, die vierte und fünfte aber nur wenig überragt, und verhältnismäßig kurzem, gerundetem Schwanze.

Der Baumliest ( Halcyon semicoerulea, erythrogaster, Swainsonii und rufiventris, Alcedo semicoerulea, senegalensis und cancrophaga, Dacelo Actaeon und jagoensis) steht dem Graufischer an Größe wenig nach: seine Länge beträgt 22, die Fittiglänge 10, die Schwanzlänge 6,5 Centimeter. Das Gefieder bleibt zwar an Pracht und Schönheit hinter dem mehrerer Verwandten zurück, ist aber immerhin lebhaft und schön gefärbt. Ober- und Hinterkopf sind blaßbräunlich, Nacken und Hinterhals heller, die Halsseiten und Vordertheile bis zur Brust hinab weiß, die übrigen Untertheile tief zimmetrothbraun, Mantel, Schultern und Deckfedern sowie die Schwingen schwarz, letztere an der Außenfahne, die Handdecken und Eckflügel, Bürzel und Schwanz glänzend smalteblau. Das Auge ist braun, der Schnabel und die Füße sind roth. Baumlieste von den Inseln des Grünen Vorgebirges unterscheiden sich von denen des Festlandes dadurch, daß der Oberkopf fast ebenso weiß ist wie der Hinterhals, werden daher auch von einzelnen Forschern als besondere Art betrachtet.

Man hat diesen Vogel in Westafrika entdeckt, später aber auch auf den Inseln des Grünen Vorgebirges und durch ganz Mittelafrika bis nach Abessinien hin aufgefunden. Heuglin gibt in den von uns durchreisten Gegenden das Gestade des Rothen Meeres, das Hochland von Habesch bis zu zweitausend Meter unbedingter Höhe und den Blauen und Weißen Nil westwärts bis zum Djur als Wohngebiet des Baumliestes an; ich bin ihm oft in den Waldungen des Blauen und Weißen Flusses, aber weder an der Küste des Rothen Meeres noch auch im Bogoslande begegnet.

Soviel ich mich erinnere, habe ich den sonderbaren Gesellen immer nur einzeln gesehen, zuweilen jedoch häufig auch innerhalb eines Umkreises von geringem Durchmesser. In der Regel war er in den Flußniederungen zahlreicher als in den ärmeren Wäldern der Steppe; während der Regenzeit aber konnte man ihn auch hier überall bemerken. Zu gewissen Zeiten sah ich keinen einzigen, und deshalb darf ich annehmen, daß er Strichvogel ist, welcher möglicherweise gar nicht im Sudân brütet, sondern hier nur zeitweilig erscheint, bei reichlicher Nahrung mausert und dann wieder seines Weges zieht. Mitte September waren alle, welche ich erlegte, in voller Mauser.

siehe Bildunterschrift

Baumliest ( Halcyon semicoerulea). 3/5 natürl. Größe.

Im Betragen gleicht der Baumliest den Bienenfressern und Fliegenfängern. Er fliegt während des ganzen Tages von einem Aste ab und so lange auf ihn wieder zurück, als er von dieser Warte aus Beute gewinnt und nicht gestört wird. Doch begründet sich diese Beharrlichkeit durchaus nicht auf Unfähigkeit, sondern nur auf Trägheit und Gleichgültigkeit. Vor dem Menschen zeigt er nicht die geringste Scheu. Er betrachtet den Europäer, welcher den meisten übrigen Vögeln sehr auffällt, mit der größten Seelenruhe und kann deshalb ohne jegliche Anstrengung vom Baume herabgeschossen werden. Selbst wenn er gefehlt wurde, ändert er sein Betragen nicht, sondern fliegt dann höchstens auf den nächsten Baum und setzt sich dort wieder fest. Die Nahrung scheint fast ausschließlich aus Heuschrecken zu bestehen; zu gewissen Zeiten wenigstens bilden diese Kerfe sicherlich seine alleinige Nahrung. Doch achtet er auch der Käfer, welche die blühenden Mimosen umschwirren, und versucht sich zuweilen ebenso an Schmetterlingen, welche an ihm vorübergaukeln. Heuglin sagt, daß er mehr Fischfresser als Liebhaber von Heuschrecken und Käfern sei; ich muß bemerken, daß ich ihn niemals beim Fischfange oder auch nur in der Nähe eines Fische führenden Gewässers beobachtet habe. Bolle fand in dem Kropfe eines Verwandten ein Stück von einer Eidechse, und es läßt sich daher annehmen, daß auch unser Vogel derartiges Wild jagt.

Ueber das Brutgeschäft theilt Verreaux einiges mit. Seine Beobachtungen beziehen sich zwar ebenfalls auf einen Verwandten; ähnliches wird aber auch wohl für unsere Art Gültigkeit haben. Die Brutzeit fällt in den Oktober und November. Das Nest steht in Baumlöchern und enthält drei kugelrunde, glänzend weiße Eier. Beide Geschlechter brüten abwechselnd; wenn aber die Jungen ausgekrochen sind, scheint das Männchen allein für Ernährung der Familie zu sorgen.


Die Riesenlieste ( Paralcyon) kennzeichnen sich nicht bloß durch ihre bedeutende Größe, sondern auch durch den großen, langen und dicken Schnabel, welcher an der Wurzel breit und flach gedrückt, längs der Firste gerade, an der Spitze seitlich zusammengedrückt und schwachhakig über den Unterkiefer herabgebogen ist, die kurzläufigen, aber verhältnismäßig starken Füße, mit langen und ziemlich dicken Zehen, die mittellangen und stumpfspitzigen Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste, die zweite aber nur wenig kürzer als diese ist, und den mittellangen und breiten Schwanz. Das Gefieder ist reich, locker anliegend und seine Färbung eine ziemlich unscheinbare.

 

Unter den Mitgliedern dieser Sippe, welche ausschließlich dem Festlande Neuhollands angehört, ist der Jägerliest oder Riesenfischer ( Paralcyon gigas, Alcedo gigas, gigantea, fusca und undulata, Dacelo gigas und undulatus) das bekannteste; denn dieser Vogel stellt sich nicht bloß jedem Europäer, welcher Australien betritt, persönlich vor, sondern ist auch und namentlich in der neueren Zeit so oft nach Europa gekommen, daß er gegenwärtig keiner größeren Thiersammlung fehlt. Kopf, Hals und alle Untertheile sind weiß, schmutzig rostfahl verwaschen, Stirne und Vorderkopf schmal dunkelbraun, die Schenkelseiten sehr undeutlich und verwaschen quer gebändert, Zügel und ein breiter Streifen über die Ohrgegend, ein breiter Mittelfleck auf Scheitel und Hinterkopf, Mantel, Schultern und Flügeldecken braun, letztere, wenigstens die mittelsten von ihnen, am Ende zart beryllblau gesäumt, der Bürzel, die Oberbürzelgegend auf schmutzigweißem Grunde mit verloschenen dunklen Querlinien, die rothbraunen oberen Schwanzdecken und Schwanzfedern mit breiten schwarzen Querbinden, die röthlichen Steuerfedern mit breiten weißen Endsäumen geziert. Die Iris ist tiefbraun, der Oberschnabel schwarz, der untere blaßgelb, der Fuß dunkelbraun. Beim Weibchen sind die Farben minder lebhaft und weniger hervorstechend, auch das Braun der Scheitelmitte und der Zügel blässer. Die Länge beträgt fünfundvierzig bis siebenundvierzig, die Breite fünfundsechzig, die Fittiglänge einundzwanzig, die Schwanzlänge sechzehn Centimeter.

Der Jägerliest ist schon den ersten Reisenden und Forschern, welche Australien berührten, aufgefallen, aber erst durch neuere Forschungen und namentlich durch Goulds Beobachtungen bekannt geworden. »Er ist ein Vogel«, sagt Gould, »welchen jeder Bewohner oder Reisende in Neusüdwales kennen lernen muß, da nicht bloß seine Größe auffällt, sondern auch seine außergewöhnliche Stimme die Aufmerksamkeit ihm zulenkt. Dazu kommt, daß er den Menschen durchaus nicht scheut, im Gegentheile, wenn etwas seine Neugierde reizt, herbeikommt, um es zu untersuchen. So erscheint er oft auf dem dürren Zweige des nächsten Baumes, unter welchem sich Reisende gelagert, und beobachtet mit der regsten Aufmerksamkeit das Anzünden des Feuers oder die Bereitung des Mahles. Gleichwohl entdeckt man seine Anwesenheit selten früher, als bis er sein gurgelndes Gelächter aufschlägt, welches jederzeit bei den Hörern den Ausruf veranlaßt: ›Ah, sieh da, da ist ja unser alter Freund, der lachende Hans‹«. Die Töne, welche er ausstößt, sind so bemerkenswerth, daß jeder Schriftsteller über Südwales ihrer gedenkt. Caley sagt, daß man sein lautes Geschrei und Lachen in beträchtlicher Entfernung höre, und er wahrscheinlich davon seinen Spitznamen erhalten habe. Das Geschrei dieses Vogels, versichert Capitän Sturt, klingt wie ein Chor wilder Geister und muß den Reisenden erschrecken, welcher sich in Gefahr glaubt, während das Unglück bereits hohnlachend seiner spottet. Jenes sonderbar kolkende Gelächter, bestätigt Bennett, leise beginnend und zu einem hohen und lauten Tone sich verstärkend, wird oft in allen Theilen der Ansiedelung gehört. Man vernimmt es in der Dämmerung und gegen Sonnenuntergang, wenn die Sonne im Westen niedersinkt, gleichsam als eine gute Nacht für alle, welche es hören wollen. Ausführlicher spricht sich »ein alter Buschmann« in seinen »Waldgängen eines Naturforschers« aus. »Eine Stunde vor Tagesanbruch wird der Jäger aufgeweckt durch wilde Laute, welche klingen, als ob eine Heerschaar des bösen Geistes kreischend, schreiend und lachend ihn umtobe. Die Laute sind der Morgengesang des ›lachenden Hans‹, welcher seinen gefiederten Genossen den Anbruch des Tages verkündet. Zur Mittagszeit hört man dasselbe wilde Gelächter, und wenn die Sonne im Westen niedergeht, tönt es wiederum durch den Wald. Ich werde niemals die erste Nacht vergessen, welche ich in Australien im offenen Busche verbrachte. Nach unruhigem Schlafe erwachte ich mit Tagesanbruche; aber ich bedurfte Zeit, um mich zu besinnen, wo ich mich befand, so überwältigend war der Eindruck, welchen die ungewohnten Töne auf mich übten. Das höllische Gelächter des Jägerliests vereinigte sich mit dem kleineren flötenähnlichen Ton der ›Elster‹, dem heiseren Gackern der Großfußhühner, dem Kreischen tausender von Papageien und verschiedenen Stimmen anderer Vögel zu einem so wunderbaren Ganzen, wie ich es nie vernommen. Ich habe es seitdem hundertmal gehört, aber nie mit denselben Gefühlen wie damals. Der ›lachende Hans‹ ist des Buschmanns Uhr. Nichts weniger als scheu, im Gegentheile gesellschaftsliebend, wird er gewissermaßen zum Genossen des Zeltes und ist deshalb, noch mehr aber wegen seiner Feindschaft gegen die Schlangen, in den Augen der Buschleute ein geheiligter Vogel.«

siehe Bildunterschrift

Jägerliest ( Paralcyon gigas). 2/5 natürl. Größe.

Der Jägerliest findet sich, nach Gould, nicht in Vandiemensland oder in Westaustralien, sondern scheint allein dem Südosten Neuhollands, den Landstrichen zwischen dem Spensergolf und der Moretonbucht anzugehören. Er bindet sich keineswegs an eine bestimmte Oertlichkeit, sondern besucht eine jede: jene üppigen Büsche längs der Küste wie den dünn bestandenen Wald der Höhe. Aber nirgends ist er häufig zu nennen. Er findet sich überall, allerorten jedoch nur einzeln. Seine Nahrung ist gemischter Art, allein immer dem Thierreiche entlehnt. Kriech- und Kerbthiere sowie Krabben scheinen bevorzugt zu werden. Er stürzt sich mit Hast auf Eidechsen, und gar nicht selten sieht man ihn mit einer Schlange im Schnabel seinem Sitzplatze zufliegen. »Einmal«, sagt der »alte Buschmann«, »sah ich ein Paar lachende Hänse auf dem abgestorbenen Aste eines alten, grauen Baumes sitzen und von hier aus von Zeit zu Zeit nach dem Boden herabstoßen. Sie hatten, wie sich bei genauerer Untersuchung ergab, eine Teppichschlange getödtet und bewiesen durch ihr Geschwätz und Gelächter lebhafte Freude darüber. Ob sie übrigens Schlangen fressen, vermag ich nicht zu sagen; denn die einzigen Kriechthiere, welche ich je in ihrem Magen gefunden habe, waren kleine Eidechsen.« Uebrigens raubt er auch kleine Säugethiere: Gould schoß einst einen Vogel dieser Art, bloß um zu sehen, was er im Schnabel trüge, und fand, daß er eine seltene Beutelratte erjagt hatte. Daß er junge Vögel nicht verschont und namentlich den Nestern gefährlich werden mag, läßt sich erwarten. Wasser scheint nicht zu den Bedürfnissen des Jägerliests zu gehören. Den freilebenden Vogel findet man, wie bemerkt, selbst in den trockensten Waldungen, und auch die gefangenen zeigen weder des Trinkens noch des Badens halber besonderes Verlangen nach diesem Elemente.

Die Brutzeit fällt in die Monate August und September. Das Paar sucht sich dann eine passende Höhlung in einem großen Gummibaume aus und legt hier seine wundervollen perlweißen Eier auf den Mulm in der Tiefe dieser Höhle. Wenn die Jungen ausgeschlüpft sind, vertheidigen die Alten den Brutplatz muthig und furchtlos, und den, welcher die Brut rauben will, greifen sie sogar thätlich an und versetzen ihm nicht ungefährliche Bisse.

»Das erste, was mir bei meiner Landung in London in die Augen fiel«, schließt der »alte Buschmann«, »war ein ›lachender Hans‹, welcher eingepfercht in einem engen Käfige saß. Niemals habe ich ein erbärmlicheres, beklagenswertheres Wesen gesehen als meinen armen, alten Freund, welcher die Freiheit seiner luftigen Wälder mit dem dicken Nebel des neuzeitlichen Babels vertauschen mußte.« Der »alte Buschmann« mag Recht behalten mit seiner Klage; denn allerdings kommen die gefangenen Vögel aus Neuholland in sehr traurigem Zustande bei uns an: so schlimm aber, als er gedacht haben mag, ist ihr späteres Loos denn doch nicht. Dies beweisen die gefangenen selbst überzeugend genug. Sie gehören allerdings nicht zu den anspruchsvollen Thieren, begnügen sich vielmehr mit sehr einfacher Nahrung, mit grob geschnittenen Fleischstückchen, Mäusen und Fischen nämlich, und verschmerzen vielleicht schon deshalb den Verlust ihrer Freiheit. Gibt man ihnen einen geräumigen Käfig, so gewinnen sie bald ihre ganze Heiterkeit wieder und betragen sich genau ebenso wie in ihrem heimatlichen Lande. Gewöhnlich sitzen sie ruhig auf dem passendsten Platze, wenn sie paarweise gehalten werden, dicht neben einander. Der Hals wird dabei so eingezogen, daß der Kopf unmittelbar auf den Schultern liegt, das Gefieder lässig getragen. Zur Abwechselung sträubt einer oder der andere das Kopfgefieder so, daß der Kopf fast noch einmal so groß erscheint als sonst und einen sehr ernsthaften Ausdruck gewinnt; zuweilen wird auch mit dem Schwanze gewippt. Dieser Bewegungen ungeachtet erscheint der Riesenfischer träge, verdrossen und schläfrig: aber er erscheint auch nur so. Wer wissen will, weß Geistes Kind er vor sich hat, muß das unruhig sich bewegende, listig blitzende Auge beobachten: er wird dann wenigstens zu der Ueberzeugung gelangen, daß der Vogel seine Umgebung fortwährend beachtet und alles, was vorgeht, bemerkt.

Auch im Käfige zeigt der Riesenfischer dieselbe Zeitkunde wie im australischen Buschwalde: er schreit in der Regel wirklich nur zu den oben angegebenen Zeiten. Doch trägt er besonderen Ereignissen Rechnung, läßt sich z. B. herbei, eine ihm gebrachte und ihm verständliche Begrüßung durch Geschrei zu erwidern. Hat er sich einmal mit seinem Pfleger enger befreundet, so begrüßt er diesen, auch ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Die zahmsten Riesenfischer, welche ich gesehen habe, lebten im Thiergarten zu Dresden. Sie beweisen, daß ihr Pfleger, mein werther Freund Schöpff, gründlich versteht, mit Thieren umzugehen. Das Erscheinen des Gebieters ist für die in Rede stehenden Riesenfischer ein Ereignis. Die träumerische Ruhe, in welcher sie sich gefielen, weicht augenblicklich der lebhaftesten Erregung. »Sobald ich mich sehen lasse«, erzählte mir Schöpff, »begrüßen mich die Vögel mit lautem Geschrei; gehe ich in den Käfig, so fliegen sie mir auf Schulter und Hand, und ich muß sie mit Gewalt entfernen, wenn ich sie los werden will; denn freiwillig haben sie mich noch nie verlassen. Schon wenn ich am Käfig auf und ab gehe, fliegen sie mir nach, auch wenn ich mich scheinbar nicht um sie kümmere.« Zum Beweise der Wahrheit seiner Erzählung führte mich Schöpff zu dem betreffenden Käfige, und ich hatte nun selbst Gelegenheit, die Zahmheit der Thiere zu bewundern. Die gedachten Riesenfischer leben mit Silber- und Nachtreihern, Purpurhühnern und Ibissen im besten Einvernehmen, scheinen sich aber wenig um ihre Genossen zu kümmern, sich vielmehr nur mit sich selbst zu beschäftigen. Mit Kleingeflügel aber würden sie sich schwerlich vertragen; denn ihre Mordlust ist sehr ausgeprägt. So friedlich die Gatten eines Paares dieser Vögel sind, so zänkisch zeigen sie sich, wenn ihre Raubsucht rege wird. Dann will jeder der erste sein. Eine lebende Maus wird wüthend angefallen, gepackt und rasch nach einander einige Male gegen den Ast geschlagen, eine bereits getödtete in derselben Weise behandelt. Dann fassen beide das Schlachtopfer und zerren es heftig hin und her, sträuben die Kopffedern und werfen sich bitterböse Blicke zu, bis endlich einer in den unbestreitbaren Besitz des Beutestückes gelangt, das heißt, es im Inneren seines Schlundes gegen fernere Nachstellungen des anderen sichert.

Wie sehr die Jägerlieste nach Thieren mit Haut, Federn, Schuppen oder Haaren verlangen, erkennt man, sobald man ihnen solche, wenn auch nur von fern zeigt. Anscheinend ohne Widerstreben begnügen sie sich mit den ihnen sonst gereichten Fleischbrocken und lassen äußerlich keinen Mangel erkennen; sobald sie aber eines der bezeichnten Thiere erblicken, verändert sich ihr ganzes Wesen. Das Kopfgefieder sträubt sich, die Augen leuchten heller, und der Schwanz wird mehrmals nacheinander kräftig gewippt; dann stürzt sich der Riesenliest eiligst auf die willkommene Beute und gibt, sobald er sie gepackt hat, durch lautes Schreien, in welches der Genosse regelmäßig einzustimmen pflegt, seiner Freude Ausdruck. Erheiternd in hohem Grade ist das Schauspiel, welches man sich bereiten kann, wenn man den Vögeln eine größere lebende Schlange bietet. Ohne Besinnen überfällt der Riesenfischer auch diese; mit derselben Gier wie die Maus packt er sie, und ebenso wie mit jener verfährt er, um sie zu tödten. Doch die Zählebigkeit des Opfers bereitet ihm Schwierigkeiten, und das jubelnde Gelächter wird jetzt gleichsam zum Schlachtgesange. Früher oder später überwältigt er sein Opfer aber dennoch und verzehrt es, wenn nicht im ganzen, so doch stückweise. Obgleich ich nicht im Stande bin, dafür den Beweis zu führen, zweifle ich doch nicht im geringsten, daß er mit kleineren giftigen Schlangen ebensowenig Umstände machen wird wie mit giftlosen. Als beachtenswerth erwähne ich noch, daß der Vogel Fische in der Regel gänzlich verschmäht. Er ist ein Jäger des Waldes, nicht aber ein Fischer wie seine wasserkundigen Familienverwandten.

Erwähnenswerth ist, daß der Riesenfischer im Käfige auch zur Fortpflanzung schreitet. Gefangene des Berliner Thiergartens haben wiederholt Eier gelegt und dieselben sehr eifrig bebrütet, die Jungen jedoch nicht großgezogen.


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