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Die Ordnung der Spechte zerfallt in zwei Familien, von denen die eine ungefähr dreihundertundzwanzig, die andere dagegen nur fünf Arten zählt. Elftere, welche die Spechte ( Picidae) umfaßt, wird von den Vogelkundigen der Neuzeit in verschiedene Gruppen zerfällt und diesen der Rang von Unterfamilien zugesprochen; die Uebereinstimmung der Gesammtheit ist jedoch eine so große, daß man streng genommen nur zwei Unterfamilien annehmen darf. Ich will im nachstehenden der üblichen Auffassung Rechnung tragen und die sogenannten Unterfamilien hervorheben.
Die erste Gruppe umfaßt die Schwarzspechte ( Dryocopinae), die größten und kräftigsten Arten der Ordnung, ausgezeichnet durch ihre vorherrschende schwarze Färbung und ihr oft zu einer Haube verlängertes Kopfgefieder. Ihre wahre Heimat scheint Amerika zu fein. Hier sind sie durch alle Gürtel verbreitet, während sie in der Alten Welt nur durch ein in Europa vorkommendes Mitglied und einige, aber schon abweichende indische Arten vertreten werden.
Unser Schwarzspecht, Krähen-, Berg- oder Luderspecht, Holz-, Holl-, Hohl oder Lochkrähe, Holzgüggel, Waldhahn, Tannenhuhn und Tannenroller etc. ( Picus martius, Dryocopus martius, pinetorum und alpinus, Dendrocopus martius und niger, Dryopicus, Dryotomus und Carbonarius martius), ist einfarbig mattschwarz, am Oberkopfe aber hochkarminroth, und zwar nimmt diese Farbe beim Männchen den ganzen Oberkopf ein, wogegen sie beim Weibchen auf eine Stelle des Hinterkopfes sich beschränkt. Das Auge ist matt schwefelgelb, der Schnabel perlfarbig, an der Spitze blaß schieferblau, der Fuß bleigrau. Die Jungen unterscheiden sich wenig von den Alten. Die Länge beträgt siebenundvierzig bis funfzig, die Breite zweiundsiebzig bis fünfundsiebzig, die Schwanzlänge achtzehn Centimeter.
Als Kennzeichen der Untersippe der Baumspechte ( Dryocopus) gelten folgende Merkmale: Der mehr als kopflange Schnabel ist stark, breiter als hoch, auf der Firste gerade und scharf gekielt. Der Flügel, in welchem die fünfte Schwinge die längste ist, reicht, zufammengelegt, ungefähr bis zu zwei Drittheilen des ziemlich langen Schwanzes hinab. Der Lauf des Fußes ist großenteils von Federn bedeckt und länger als die Mittel- oder äußere Vorderzehe mit Nagel.
Europa soweit es bewaldet ist und Asien bis zur Nordseite des Himalaya sind die Heimat des Schwarzspechtes. In Deutschland lebt er zur Zeit auf den Alpen und allen Mittelgebirgen, namentlich dem Böhmer Walde, Riesen-, Erz- und Fichtelgebirge, Franken- und Thüringer Walde, der Rhön, dem Harze, Spessart, Taunus, Schwarzwalde und den Vogesen, ebenso aber auch in allen ausgedehnten Waldungen der norddeutschen Ebene. Borggreve bezeichnet die Elbe als westliche Grenze seines Verbreitungsgebietes in Norddeutschland; diese Angabe ist jedoch unrichtig. Ich selbst habe lebende Junge aus der Umgegend von Celle und glaubwürdige Nachrichten von dem Vorkommen des Schwarzspechtes im südlichen Oldenburg, also noch jenseit der Weser erhalten. Thüringen, welches der genannte Schriftsteller ausdrücklich in die Grenzen seines Forschungsgebietes einschließt, erwähnt er sonderbarer Weise nur nebenbei, scheint also vollständig übersehen zu haben, daß die eingehendsten Beobachtungen über die Lebensweise des Schwarzspechtes gerade hier gesammelt worden und die Schwarzspechte noch keineswegs ausgerottet sind. Sehen wir von einem so engen Grenzgebiete ab, so ergeben sich ganz andere Verhältnisse, als die Angaben Borggreve's vermuthen lassen. Im Südwesten unseres Vaterlandes wie im Osten fehlt der Schwarzspecht keiner einzigen größeren Waldung. Um bestimmte Angaben zu machen, will ich erwähnen, daß er, laut Schalow, noch gegenwärtig wenn auch nur einzeln, so doch überall in den größeren Waldungen der Mark, auch in nächster Nähe Berlins, laut von Meyerinck, in der Letzlinger Heide, dem Rheinhardtswalde und in allen Kieferwaldungen Westpommerns, laut Eugen von Homeyer in den Waldungen Hinterpommerns, laut Wiese in allen geeigneten Waldungen West- und Ostpreußens, laut Alexander von Homeyer im Görlitzer Stadtforste, laut Liebe in den großen Waldungen des Altenburger Ostkreises, nach meinen eigenen Beobachtungen auch in den herrschaftlichen Forsten des Altenburger Westkreises und unter ähnlichen Umständen einzeln überall in ganz Thüringen vorkommt. In Holland soll er meines Wissens bis jetzt noch nicht beobachtet worden sein, in Großbritannien fehlt er bestimmt, und auch im nördlichen Frankreich wird er schwerlich passende Aufenthaltsorte finden. Dagegen mangelt er dem Süden und Osten des letztgenannten Landes ebensowenig wie den drei südlichen Halbinseln Europas. Nach Süden hin wird er allerdings seltener, tritt jedoch auch am Südabhange der Alpen noch überall auf: so, laut Lessona und Salvadori, vorzugsweise in den von der Schweiz und Tirol nach Italien ausstrahlenden Gebirgszügen, demgemäß noch häufig im südlichen Tirol und in der Südschweiz. Ebenso lebt er in den Pyrenäen und auf der Iberischen Halbinsel wenigstens bis zu der Sierra Guadamara im Norden Madrids, nicht minder auch in Griechenland, nach Krüper in den hoch gelegenen Gebirgswaldungen am Parnaß, Veluchi und Olymp sogar nicht selten. Er bewohnt ferner alle Waldungen des Balkan, die Karpathen und die transsylvanischen Alpen und verbreitet sich von hier aus nach Osten hin über ganz Rußland, Sibirien und Nordchina, wird sogar noch auf der Insel Sachalin und in Japan gefunden. Nach Norden hin bildet in Europa der Polarkreis, in Asien der zweiundsechzigste Grad die Grenze seines Wohngebietes; nach Süden hin erstreckt sich dieselbe schwerlich weiter als im vorstehenden angegeben. Ob er im Kaukasus lebt, vermag ich nicht zu sagen. Die Angabe älterer Vogelknndigen endlich, daß er unter die Vögel Persiens gezählt werden dürfe, scheint nach den Forschungen Blandfords und St. Johns nicht begründet zu sein.
Der Schwarzspecht verlangt große, zusammenhängende, möglichst wenig vom Menschen beunruhigte Waldungen, in denen mindestens einzelne, genügend starke Hochbäume stehen. Seiner Lieblingsnahrung, der Roßameise, halber zieht er Schwarzholzwälder den Laubwaldungen vor, ohne jedoch in letzteren, insbesondere in Buchenwaldungen, zu fehlen. Je verwilderter der Wald, umsomehr sagt derselbe ihm zu, je geordneter ein Forst, um so unlieber siedelt er sich in ihm an, obgleich auch diese Regel keineswegs ohne Ausnahme ist. Die Hochwälder in den Alpen, welche regelmäßige Bewirtschaftung wenn auch nicht unmöglich machen, so doch sehr erschweren, und die großen, zusammenhängenden Waldungen Skandinaviens, Rußlands und Sibiriens, in denen Stürme und Feuer größere Verwüstungen anrichten als der Mensch, bilden seine beliebtesten Wohnorte.
Den Menschen und sein Treiben meidet er auch im Süden wie im Norden unseres heimatlichen Erdtheiles, und deshalb zeigt er sich nur ausnahmsweise in der Nähe der Ortschaften. Doch erkennt auch er ihm werdenden Schutz dankbar an und tritt nach Umständen sogar in ein überraschend freundliches Verhältnis mit ihm wohlwollenden Menschen. Wie Liebe mir mittheilt, werden die Schwarzspechte auf Befehl des regierenden Fürsten in dem reußischen Frankenwalde nicht nur geschont, sondern auch insofern gepflegt, als hier und da ältere Bäume, namentlich Ahorne und Tannen, stehen bleiben. »Dort lebte auf dem einsamen Jagdschlosse Jägersruh mitten im prächtigen alten Walde, ein Forstläufer, welcher mit täuschend nachgeahmtem Pfiffe die Hohlkrähen herbeizulocken verstand und sie dann auf dem Breterdache eines Schuppens mit Mehlwürmern, Holzmaden und dergleichen fütterte.« Wer den Schwarzspecht kennt, wird ermessen, was diese auffallende Zutraulichkeit zu besagen hat. Derselbe Vogel, welcher sonst fast überall vor dem Menschen scheu entflieht, treibt im Bewußtsein des ihm gewährten Schutzes in unmittelbarer Nähe bewohnter Gebäude sein Wesen.
Mehr als jeder andere leidet der Schwarzspecht an Wohnungsnoth. Bäume von solcher Stärke, wie er sie zum Schlafen und Nisten bedarf, sind selten geworden in unseren Tagen, und deshalb ist der Vogel aus vielen Gegenden, in denen er früher keineswegs spärlich auftrat, gänzlich verbannt worden. Noch vor achtzehn Jahren brütete er, wie Liebe bemerkt, in den größeren Forsten in der Nähe von Gera; gegenwärtig hat er diese Waldungen verlassen. Ein einziger hohler Baum vermag ihn an ein bestimmtes Gebiet zu fesseln, und er wandert aus, wenn dieser eine Baum der Axt verfallen ist. Aber er wandert auch wieder ein, wenn die Bäume inzwischen so erstarkt sind, daß er sich eine geeignete Wohnung zimmern kann. In der Nähe Renthendorfs, meines Geburtsortes, verschwand der Schwarzspecht aus einem mir von der Knabenzeit an wohlbekannten Walde schon Ende der dreißiger Jahre, und fast vierzig Jahre lang wurde, außer der Strichzeit, kein einziger seiner Art dort mehr gesehen. Seit ungefähr fünf Jahren aber hat er sich zu meiner lebhaften Freude wieder in demselben Walde angesiedelt, in welchem mein Vater seine unübertroffenen Beobachtungen über ihn sammelte: die forstlich gehegten Bäume haben inzwischen ein Alter erreicht, wie sie es haben müssen, wenn es ihm zwischen ihnen behagen soll.
In allen Waldungen, in denen der Schwarzspecht brütet, verweilt er Jahr aus Jahr ein in demselben eng begrenzten Gebiete. Sechs Geviertkilometer genügen seinen Ansprüchen vollständig. Innerhalb des von einem Paare behaupteten Wohnkreises duldet dasselbe kein anderes und vertreibt, nach Spechtesart, auch die eigenen Jungen aus demselben. Sie sind es, welche gezwungen wandern, mindestens streichen, und ihnen verdanken wir die Wiederansiedelung derjenigen Waldungen, in welchen die Art ausgerottet worden war. Macht sich ein solches Pärchen von neuem in einem Walde seßhaft, so streift es anfänglich ziemlich weit umher, beschränkt sich mit der Zeit jedoch mehr und mehr und läßt sich unter Umständen mit einem Wohngebiete von hundert bis hundertundfunfzig Hektar Flächeninhalt genügen.
Das Betragen des Schwarzfpechtes, welchen die Sage mit der zauberkräftigen Springwurzel in Verbindung bringt, hat mein Vater zuerst eingehend beschrieben, und seine Schilderung ist es, welche innerhalb der seitdem verflossenen sechzig Jahre kaum eine wesentliche Bereicherung erfahren hat. Sie lege ich dem nachfolgenden zu Grunde.
Unser Schwarzspecht ist ein äußerst munterer, flüchtiger, scheuer, gewandter und starker Vogel. Bald ist er da, bald dort, und so durchstreicht er seinen Bezirk oft in sehr kurzer Zeit. Dies kann man recht deutlich an seinem Geschrei bemerken, welches man im Verlaufe weniger Minuten an sehr verschiedenen Orten hört. Er läßt besonders drei Töne vernehmen, zwei im Fluge und einen im Sitzen. Die ersteren klingen wie »Kirr kirr« und »Klük klük«, der letztere wie »Klüh«, einsilbig, lang gezogen und sehr durchdringend, oder wie »Klihä klihä kliee«. Beim Neste stößt er aber noch andere Laute aus. Sein Flug ist von dem seiner Verwandten sehr verschieden. Er fliegt nicht in dem Grade ruckweise oder in auf- und absteigender Linie wie andere Spechte, sondern wellenförmig, fast in gerader Richtung vorwärts, wobei er die Flügel sehr weit ausbreitet und stark schlägt, so daß es aussieht, als ob sich die Schwingenspitzen biegen, nicht unähnlich dem Eichelheher. Der Flug ist sanfter und scheint nicht so anzustrengen als der anderer Spechte, deshalb vernimmt man auch nicht ein Schnurren der Flügel wie bei diesen, sondern ein eigenes Wuchteln, welches, nach Naumann, bei trüber, feuchter Witterung besonders hörbar wird. Obgleich er ungern weit fliegt, legt er doch zuweilen Strecken von zwei Kilometer und mehr in einem Striche zurück. Prachtvoll nimmt sich der fliegende Schwarzspecht aus, wenn er von der Höhe des Gebirges aus in eines der tiefen Thäler sich herabsenkt. Bei dieser Gelegenheit bethätigt er die volle Kraft seines Fluges, und unterbricht das sausende Herabstürzen nur dann und wann durch einige leichte Flügelschläge, welche mehr dazu bestimmt zu sein scheinen, ihn in wagerechter Richtung von den Wipfeln der Bäume wegzuführen als wiederum auf die Höhe eines der Bogen zu bringen, welche auch er beim Fliegen beschreibt. Als meine Kärntner Freunde mich in die Karawanken geleiteten, und wir hoch oben im Gebirge von einem Jagdhäuschen aus die herrliche Landschaft unter uns überblickten, waren es zwei Schwarzspechte, welche unter förmlich jauchzenden Rufen auf- und niederflogen und dabei Flugkünste entfalteten, welche ich dem Vogel nimmermehr zugetraut haben würde. Auf dem Boden hüpft er ziemlich ungeschickt umher; demungeachtet kommt er nicht selten, hauptsächlich den Ameisenhaufen zu Gefallen, auf ihn herab. Im Klettern und Meiseln ist er der geschickteste unter allen europäischen Spechten. Wenn er klettert, setzt er immer beide Füße zu gleicher Zeit fort, wie alle seine Verwandten. Er hüpft also eigentlich an den Bäumen hinauf und zwar mit großer Kraft, so daß man es deutlich hört, wenn er die Nägel einschlägt. An Stauden klettert er zwar auch, aber doch seltener, und niemals meiselt er hier wie in den brüchigen Bäumen, in denen er die Larven der Riesenwespe oder Roßameisen wittert. Beim Klettern hält er die Brust weit vom Baumstamme ab und biegt den Hals nach hinten zurück.
Die großen Roßameisen und ihre Puppen sowie alle Arten von Holzwürmern, also namentlich die Larven der holzzerstörenden Käfer, welche sich in Nadelbäumen aufhalten, auch die Käfer selbst, bilden die Nahrung des Schwarzspechtes. »Ich habe«, sagt mein Vater, »mehrere geöffnet, deren Magen mit Roßameisen angefüllt waren. Vorzüglich aber liebt er die Larven der großen Holzwespe. Ich habe einige untersucht, welche nichts als diese Larven und ihre noch unverdauten harten Köpfe im Magen hatten. Auch habe ich Mehlwürmer, desgleichen den schädlichen Borken- und Fichtenkäfer, die rothe Ameise nebst ihren Puppen in unglaublicher Menge in ihrem Magen gefunden.« Den Baschkiren soll der Schwarzspecht unangenehm werden, weil er gleich ihnen den wilden Bienen nachstrebt und Höhlungen, welche diese bevölkern, durch seine Arbeiten zerstört. Bechstein behauptet, daß er auch Nadelholzsamen, Nüsse und Beeren fresse; spätere Beobachter haben diese Angabe jedoch nicht bestätigt. Um zu den Larven oder Holzwespen und zu den Holzkäfern zu gelangen, meiselt er große Stücke aus den Bäumen und Stöcken heraus, wogegen er sich der Ameisen ganz nach Art der Ameisenfresser bemächtigt, indem er sie an seine kleberige Zunge anleimt.
Die Paarungszeit fällt, je nachdem die Witterung günstig oder ungünstig ist, in die erste oder zweite Hälfte des März. »Das Männchen«, so fährt mein Vater fort, »fliegt dann dem Weibchen mit lautem Geschrei Viertelstunden weit nach, und wenn es dasselbe betreten hat oder des Nachfliegens müde ist, setzt es sich an einen oben dürren Baum und fängt an zu schnurren. Er wählt an einem solchen Baume diejenige Stelle, an welchem das Pochen recht schallt, setzt sich daran, stemmt den Schwanz auf und klopft so schnell mit dem Schnabel an den Baum, daß es in einem fort wie ›Errrrr‹ klingt und die schnelle Bewegung seines rothen Kopfes fast aussieht, als wenn man mit einem Span, an welchem vorn eine glühende Kohle ist, schnell hin- und herfährt. Bei diesem Schnurren ist der Schwarzspecht weit weniger scheu als außerdem, und ich habe mich mehrmals unter den Baum geschlichen, auf welchem er dieses Geräusch hervorbrachte, um ihn ganz genau zu beobachten. Das Weibchen kommt auf das Schnurren, welches ich selbst eine Viertelstunde weit gehört habe, herbei, antwortet auch zuweilen durch ›Klük klük klük‹. Das Männchen schnurrt noch, wenn das Weibchen schon brütet.«
Anfangs April treffen die Schwarzspechte Anstalten zum Baue ihres Nestes. »Sie legen dieses in einem kernfaulen Baume an, da, wo sich ein Astloch oder abgebrochener, inwendig morscher Ast befindet. Hier fängt das Weibchen seine Arbeit an. Es öffnet oder erweitert zuerst den Eingang von außen, bis dieser zum Ein- und Auskriechen geräumig genug ist. Alsdann wird das Aushöhlen des inneren Baumes begonnen und zwar mit besonderer Geschicklichkeit und Emsigkeit. Dieses Aushöhlen hält um deswillen sehr schwer, weil der Schwarzspecht bei seinen Schlägen nicht gehörigen Raum hat. Ich habe ihn hierbei sehr oft beobachtet. Er hat manchmal so wenig Platz, daß er nur zwei Centimeter weit ausholen kann. Dann klingen die Schläge dumpf, und die Späne, welche er herauswirft, sind sehr klein. Hat er aber inwendig erst etwas Raum gewonnen, dann arbeitet er viel größere Späne ab. Bei einer wenig morschen Kiefer, in welcher ein Schwarzspecht sein Nest anlegte, waren die größten Späne, welche er herausarbeitete, fünfzehn Centimeter lang und drei Centimeter breit, nicht aber dreißig Centimeter lang und zwei Centimeter breit, wie Bechstein sagt. Es gehört schon eine ungeheuere Kraft dazu, um jene Späne abzuspalten: wie groß und stark müßte der Schwarzspecht sein, wenn er solche Späne herausarbeiten wollte!
»Das Weibchen arbeitet nur in den Vormittagsstunden an dem Neste; nachmittags geht es seiner Nahrung nach. Ist endlich nach vieler Mühe und zehn- bis vierzehntägiger Arbeit die Höhlung inwendig fertig, so hat sie, von der Unterseite des Einganges gemessen, gegen vierzig Centimeter Tiefe und funfzehn Centimeter im Durchmesser, bisweilen einige Centimeter mehr, bisweilen weniger. Inwendig ist sie so glatt gearbeitet, daß nirgends ein Span vorsteht. Der Boden bildet einen Abschnitt von einer Kugel, keine Halbkugel, und ist mit seinen Holzspänen bedeckt. Auf diesen liegen dann, regelmäßig um die Mitte des April, drei bis vier, seltener fünf und noch seltener sechs verhältnismäßig kleine Eier. Sie sind sechsunddreißig bis vierzig Millimeter lang und dreißig bis zweiunddreißig Millimeter breit, sehr länglich, oben stark zugerundet, in der Mitte bauchig, unten stumpfspitzig, sehr glattschalig, inwendig reinweiß und auswendig schön glänzendweiß wie Emaille.
»Kann der Schwarzspecht sein Nest hoch anlegen, so thut er es gern. Ich habe es funfzehn bis fünfundzwanzig, einmal auch nur sieben Meter hoch gesehen. Alle, welche ich fand, waren in glattstämmigen Buchen und Kiefern, nie in anderen Bäumen angelegt. Ein solches Nest wird mehrere Jahre gebraucht, wenn man auch die Brut zerstört, ja selbst eines von den Alten schießt. Es wird aber jedesmal etwas ausgebessert, das heißt der Koth der Jungen wird herausgeworfen, und einige Späne werden wieder abgearbeitet. Es macht dem Schwarzspechte zu viele Mühe, ein neues Nest zurecht zu machen; auch findet er zu wenig passende Bäume, als daß er alle Jahre seine Eier in einen anderen Baum legen sollte. Ein frisches Nest kann man schon von weitem an den drei Geviertmeter weit verbreiteten Spänen erkennen. Mit ihnen ist der Boden dicht bestreut, und selbst beim erneuerten liegen einige Späne unten.
»Dies gilt von allen Spechten. Wer also ihre Nester suchen will, braucht nur auf dem Boden nach diesen Spänen sich umzusehen. Bechstein räth, da, wo man im März ein Pärchen stark schreien höre, in dem hohlen Baume nachzusuchen, und sagt, man würde dann das Nest gewiß bald finden. Es dürfte dies aber oft sehr fruchtlos sein; denn ich habe die Spechte bei der Paarung eine halbe Wegstunde weit von ihrem Neste schreien hören, und nie eher ein Nest gefunden, als bis ich auf die Späne unter dem Baume aufmerksam geworden war.« Tschusi, welcher den Schwarzspecht in Niederösterreich beobachtete, bestätigt im wesentlichen diese Mittheilungen, bemerkt jedoch, daß er auch Nester in Höhe von kaum zwei Meter über dem Boden gefunden habe und vier bis fünf Meter als die regelmäßige Höhe ansehen müsse. Da der genannte Beobachter mehrere Bäume kennen lernte, in denen sich fünf und mehr Nistlöcher befanden, gelangte er zu dem schwerlich richtigen Schlüsse, daß der Schwarzspecht in den Brutbaum fast in jedem Frühjahre ein neues Loch meisele. Ich meinerseits will ergänzend bemerken, daß Buchen und Kiefern überall in Deutschland zwar die bevorzugten, aber doch nicht die einzigen Nistbäume sind, welche der Schwarzspecht erwählt. Von Meyerinck fand auch ein Nest in einer Eiche, und Dybowski erwähnt, daß der Vogel in Sibirien in Lärchenbäumen niste. Das Flugloch ist für den großen Specht auffallend eng, so daß man schwer begreift, wie er ein- und ausfliegen kann, ohne sein Gefieder zu beschädigen.
Das Männchen löst das Weibchen regelmäßig im Brüten ab, die Zeit aber, in welcher dies geschieht, ist nicht genau bestimmt. Mein Vater hat um acht Uhr Morgens das Männchen und um neun Uhr noch das Weibchen angetroffen. Gewiß ist nur, daß das Männchen in den Mittags- und Nachmittagsstunden, das Weibchen aber während der ganzen Nacht und in den Morgen- und Abendstunden auf den Eiern oder Jungen sitzt. Wie außerordentlich eifrig letzteres brütet, geht aus einer beachtenswerthen Mittheilung Tschusi's hervor. »Vor einigen Jahren sollte in den Waldungen Niederösterreichs eine alte Buche gefällt werden, in welcher ein Schwarzspecht auf Eiern saß. Die Holzhauer vermochten ihn trotz starken Klopfens nicht heraus zu treiben. Erst als der Baum fiel, flog derselbe unverletzt heraus.« Daß man den Vogel auf den Eiern ergreifen kann, ist eine ziemlich bekannte Thatsache. Raubt man ihm das erste Gelege, so brütet er doch wieder in demselben Neste, vorausgesetzt, daß man den Eingang nicht erweiterte, und man kann, wie Päßler erfuhr, schon nach vierzehn Tagen wieder Eier in derselben Höhlung finden. Die eben ausgekrochenen Jungen sehen höchst unförmlich aus. Sie sind nur auf dem Oberkörper und zwar ganz sparsam mit schwarzgrauen Dunen bekleidet, ihr Kopf erscheint sehr groß und ihr Schnabel unverhältnismäßig dick. »Jagt man das sie erwärmende alte Männchen oder Weibchen von ihnen, so geben sie einen ganz eigenen, schwirrenden Ton von sich, welcher mit keinem anderen Vogellaute Aehnlichkeit hat und nicht genau beschrieben werden kann. Sind sie etwas größer, so hört man dieses Schwirren nicht mehr von ihnen.« Die Alten geberden sich sehr besorgt, wenn man der Brut naht und stoßen eigenthümlich klagende Töne aus. Sie sind, wie fast alle Vögel, in der Nähe des Nestes weit weniger scheu als sonst und setzen, der Brut zu Liebe, ihre eigene Sicherheit aus den Augen, was sie zu anderen Zeiten niemals thun. Die Jungen werden, nach meines Vaters Beobachtungen, mit den Puppen der Roß- und braunrothen Ameise von beiden Eltern und zwar aus dem Kropfe gefüttert. »Ich habe alte, beim Neste geschossene Schwarzspechte untersucht, welche den ganzen Schlund bis in den Schnabel voll solcher Ameisenpuppen hatten. Stört man die Jungen nicht, so bleiben sie im Neste, bis sie völlig fliegen können, klettern aber innen an den Wänden der Höhle auf und nieder und gucken oft mit dem Kopfe zum Nestloche heraus. Das Weibchen übernachtet mit ihnen, das Männchen in der vorjährigen Bruthöhle.«
Bei geeigneter Pflege gelingt es, jung aus dem Neste genommene Schwarzspechte längere Zeit am Leben zu erhalten und bis zu einem gewissen Grade zu zähmen. Ich erhielt vor nunmehr zwölf Jahren drei dieser immer seltener werdenden Vögel, welche schon fast ausgefiedert waren. Der eine von ihnen starb kurz nach seiner Ankunft, noch ehe er gelernt hatte, selbständig zu fressen; die beiden anderen wurden anfänglich gestopft, gingen aber dann selbst an das Futter. Um sie zu gewöhnen, wurden ihnen Ameisenpuppen auf ein dünnes Drahtnetz gelegt, welches die Decke ihres einstweiligen Käfigs bildete. Sie lernten bald, diese Puppen anzuspießen, und man konnte dabei die wunderbare Beweglichkeit ihrer Zunge genau beobachten. Wenn sie eine Stelle von Nahrung gesäubert hatten, tasteten sie mit diesem überaus biegsamen Werkzeuge nach allen Seiten hin auf dem Drahtnetze umher und bewegten dabei die Zunge so rasch und in so mannigfachen Windungen, daß man unwillkürlich an die Krümmungen eines beweglichen Wurmes erinnert wurde. Hatten sie eine Ameisenpuppe entdeckt, so krümmten sie die Zunge, richteten die Spitze gegen die Puppe, streckten die Zunge aus und hatten regelmäßig die Beute fest angespießt.
Nachdem meine Gefangenen ordentlich fressen gelernt hatten, wurden sie in einen großen, eigens für Spechte hergerichteten Käfig gebracht. In diesem befanden sich bereits Gold- und Buntspechte, und ich war ihrerthalber nicht ganz ohne Sorgen. Die Schwarzspechte zeigten sich jedoch höchst verträglich. Sie suchten keine Freundschaft mit ihren Verwandten anzuknüpfen, mißhandelten oder belästigten sie aber auch nicht, sondern betrachteten sie höchstens gleichgültig. Jeder der Vögel ging seinen eigenen Weg und schien sich um den anderen nicht zu kümmern. Der einzige Uebergriff, welchen die Schwarzspechte sich erlaubten, bestand darin, daß sie den Schlafkasten, welchen die Goldspechte bis dahin unbestritten inne gehabt hatten, in ihren Besitz nahmen und fortan behaupteten. Der Eingang zu diesem Kasten war für sie zu eng; dies aber verursachte ihnen durchaus keinen Kummer; denn sie arbeiteten sich binnen wenigen Tagen die Höhlung so zurecht, daß sie eben für sie passend war. Gegen Abend schlüpften sie regelmäßig in das Innere, wie vorher der Goldspecht es gethan, und jeder von ihnen hing sich an einer der senkrechten Wände des Kastens zum Schlafen auf. Ich hatte früher beobachtet, daß die Spechte niemals in anderer Stellung schlafen und deshalb die Wände des Kastens mit Borke benageln lassen; somit waren sie ihnen ganz bequem, und sie schienen dies auch dankbar anzuerkennen; denn während sie im übrigen alles Holzwerk zerstörten, die an die Außenwände des Käfigs angenagelte Borke rücksichtslos abschälten, fortwährend an den ihnen zur Unterhaltung gegebenen Weidenstämmen hämmerten und selbst das Balkenwerk des Käfigs bearbeiteten, so daß es geschützt werden mußte, ließen sie das Innere ihres Schlafraumes unversehrt.
Im Anfange ihrer Gefangenschaft waren sie still; gegen den Herbst hin aber vernahm man sehr oft ihre wohlklingende, weit schallende Stimme. Leider entsprach der Käsig doch nicht allen Anforderungen. Er lag nicht geschützt genug, und so waren die Vögel dem Zuge zu sehr ausgesetzt. Sie erkalteten sich, bekamen Krämpfe, fielen vom Stamme herab znm Boden, lagen minutenlang starr und regungslos unten und verschieden endlich unter derartigen Anfällen. Der zuletzt verendende war sieben Monate in der Gefangenschaft gewesen.
Die größten Mitglieder der Ordnung und Familie ( Campephilus), welche wir Riesenspechte nennen wollen, kennzeichnen sich durch sehr kräftigen Leib und Kopf, aber langen und dünnen Hals, langen und geraden starken Schnabel, sehr kräftige, kurzläufige Füße, unter deren Zehen die äußere hinterste die längste ist, lange und zugespitzte Fittige, unter deren Schwingen die dritte, vierte und fünfte unter sich mehr oder weniger gleich langen die anderen überragen, und sehr langen, stark abgestuften Schwanz, dessen mittlere Federn ungefähr dreimal so lang sind als die äußeren.
Die größte Art ist der Kaiserspecht ( Picus imperialis), ein wirklich riesiger Vogel, die bekannteste der Herrenspecht oder Elfenbeinschnabel der Nordamerikaner ( Picus principalis, Campephilus, Dendroscopus, Dryotomus und Megapicus principalis, Picus und Campephilus Bairdi). Auch er ist noch bedeutend größer als unser Schwarzspecht: seine Länge beträgt fünfundfunfzig, die Breite achtzig, die Fittiglänge achtundzwanzig, die Schwanzlänge neunzehn Centimeter. Das Gefieder ist glänzend schwarz, einige Federchen über den Nasenlöchern und ein schmaler Streifen, welcher auf der Backenmitte beginnt und, sich merklich verbreiternd, an den Hals- und Schulterseiten herabzieht sowie die hintersten Hand- und Armschwingen dagegen sind weiß, die Schläfe und die spitzige, lange Hinterhauptshaube nebst Nacken brennend scharlachroth. Die Iris hat gelbe, der Schnabel hornweiße, der Fuß dunkel bleigraue Färbung. Das Weibchen unterscheidet sich durch die schwarze Haube vom Männchen.
Der auf Cuba lebende Herrenspecht wird unter dem Namen Picus Bairdi von einzelnen Vogelkundigen von dem nordamerikanischen getrennt, scheint jedoch artlich nicht verschieden zu sein.
Das Verbreitungsgebiet des Herrenspechtes beschränkt sich auf die südlichen Vereinigten Staaten und die Insel Cuba. In Nordamerika bewohnt er Nord- und Süd-Karolina, Georgia, das nördliche Florida, Alabama, Louisiana und Mississippi, ebenso auch die Waldungen am Arkansasflusse und das östliche Texas, auf Cuba, laut Gundlach, den Süden, Westen und Osten, insbesondere die großen, an die Steppe stoßenden Waldungen; hier wie dort aber wird der Vogel von Jahr zu Jahr seltener, weil ihn ebensowohl das Lichten der großen Waldungen als die ungerechtfertigte Verfolgung, welche er von den Jägern erleidet, verdrängen.
Dank den Forschungen amerikanischer Vogelkundigen, insbesondere Audubons, sind wir über das Freileben, Dank Wilson auch über das Gefangenleben des Kaiserspechtes trefflich unterrichtet. »Ich habe mir immer eingebildet«, sagt der erstgenannte, »daß in dem Gefieder des prachtvollen Elfenbeinschnabels etwas ist, was an Stil und Farbengebung Van Dycks erinnert. Das dunkle Schwarz des Leibes, der große und wohl umschriebene weiße Fleck auf den Flügeln und Nacken, der elfenbeinerne Schnabel, das reiche Karminroth der Holle und das glänzende Gelb des Auges hat mir stets eine oder die andere jener kühnen und großartigen Schöpfungen des Pinsels dieses unnachahmlichen Künstlers vor mein geistiges Auge zurückgeführt, und meine Ansicht hat sich so tief in mir befestigt, daß ich stets, so oft ich einen Elfenbeinschnabel von einem Baume zum anderen fliegen sah, zu mir sagte: dort geht ein Van Dyck.
»Wohl möchte ich wünschen, daß ich fähig wäre, die bevorzugten Aufenthaltsorte des Elfenbeinschnabels zu beschreiben. Ich wollte, daß ich zu schildern vermöchte die Ausdehnung jener tiefen Moräste, überschattet von Millionen riesenhafter, dunkler Cypressen, welche ihre starren, moosbedeckten Zweige ausstrecken, als ob sie den sich Nahenden mahnen wollten, still zu halten und im voraus die Schwierigkeiten zu bedenken, welche er zu überwinden haben wird, wenn er tiefer in die meist unnahbaren Heimlichkeiten eindringt, jener Sümpfe, welche sich meilenweit vor ihm ausdehnen, in denen der Weg unterbrochen wird durch vorgestreckte riesige Zweige, durch zu Boden gestürzte Baumstämme und tausende von kletternden und sich verschlingenden Pflanzen der verschiedensten Art; ich wollte, daß ich verständlich machen könnte die Natur dieses gefährlichen Grundes: seine sumpfige und schlammige Beschaffenheit, die Schönheit des verrätherischen Teppichs, welcher aus den reichsten Mosen, Schwert- und Wasserlilien zusammengewebt ist, aber, so bald er den Druck des Fußes erleidet, nach dem Leben des Abenteurers verlangt, und die hier und da sich findenden Lichtungen, welche gewöhnlich von einem See dunklen, schlammigen Wassers ausgefüllt sind; ich wollte, daß ich Worte fände, meinen Lesern einen Begriff zu geben von der schwülen, pestigen Luft, welche, zumal in unseren Hundstagen, den Eindringling fast zu ersticken droht: aber jeder Versuch, das Bild dieser glänzenden und entsetzlichen Moräste zu zeichnen, ist ein verfehlter; nur eigene Anschauung vermag sie kennen zu lernen. Und ich will zurückkehren zur Beschreibung des berühmten Spechtes mit dem elfenbeinernen Schnabel.
»Der Flug dieses Vogels ist äußerst anmuthig, obgleich er selten mehr als auf wenige hundert Meter ausgedehnt wird, es sei denn, daß der Herrenspecht einen breiten Fluß zu überfliegen habe. Dann streicht er in tiefen Wellenlinien dahin, indem er die Schwingen bald voll ausbreitet, bald wieder flatternd bewegt, um sich von neuem weiter zu treiben. Der Uebergang von einem Baume zum anderen, selbst wenn die Entfernung mehrere hundert Meter betragen sollte, wird vermöge eines einzigen Schwunges ausgeführt, während welches der von der höchsten Spitze herabkommende Vogel eine zierliche Bogenlinie beschreibt. In diesem Augenblicke entfaltet er die volle Schönheit seines Gefieders und erfüllt jeden Beschauer mit Vergnügen. Niemals stößt er einen Laut aus, so lange er fliegt, es sei denn, daß die Zeit seiner Liebe gekommen; sobald er sich aber an den Untertheil des Stammes angehängt hat, und während er zu den oberen Theilen emporsteigt, vernimmt man seine bemerkenswerthe, klare, laute und angenehme Stimme und zwar auf beträchtliche Entfernung, ungefähr eine halbe englische Meile weit. Diese Stimme oder der Lockton, welcher durch die Silbe ›Pät‹ ausgedrückt werden kann, wird gewöhnlich dreimal wiederholt; aber der Vogel läßt sie so oft vernehmen, daß man sagen kann, er schreit während des ganzen Tages und nur wenige Minuten nicht. Leider begünstigt solche Eigenheit seine Verfolgung ungemein, und zu dieser gibt die irrige Meinung, daß er ein Zerstörer des Waldes sei, nur zu viel Veranlassung. Dazu kommt, daß seine schönen Haubenfedern einen beliebten Kriegsschmuck der Indianer bilden, und daß er deshalb auch von den Rothhäuten eifrig verfolgt wird. Die Reisenden aller Völker sind erpicht auf diesen Schmuck und kaufen von den Jägern zur Erinnerung die Köpfe des prächtigen Vogels. Ich traf Häuptlinge der Indianer, deren ganzer Gürtel dicht mit den Schnäbeln und Hauben des Elfenbeinschnäbels bedeckt war.
»Wie andere seiner Familie lebt auch dieser Specht gewöhnlich paarweise, und wahrscheinlich währt seine Ehe die ganze Lebenszeit. Man sieht beide Gatten stets zusammen. Das Weibchen erkennt man daran, daß es schreilustiger und vorsichtiger als das Männchen ist. Die Fortpflanzung beginnt früher als bei anderen Spechten, schon im März. Das Nest wird, wie ich glaube, immer in dem Stamme eines lebenden Baumes angelegt, am liebsten in einer Esche, regelmäßig in bedeutender Höhe. Die Vögel sind sehr vorsichtig in der Wahl des Baumes und des Anlagepunktes der Höhle, weil sie Zurückgezogenheit lieben und ihre Nester vor dem Regen geschützt wissen wollen. Deshalb ist der Eingang gewöhnlich unmittelbar unter der Verbindungsstelle eines starken Astes in den Stamm gemeiselt, die Höhlung, je nach den Umständen, mehr oder weniger tief, manchmal nicht tiefer als fünfundzwanzig Centimeter, zuweilen aber auch bis einen Meter und mehr. Der Durchmesser der Nesthöhle, welche ich untersuchte, betrug etwa funfzehn Centimeter; das Eingangsloch ist jedoch nie größer, als daß der Vogel gerade einschlüpfen kann. Beide Gatten des Paares arbeiten an der Aushöhlung und lösen sich wechselseitig ab. Während der eine meiselt, wartet der andere außen und feuert ihn an. Ich habe mich an Bäume herangeschlichen, während die Spechte gerade mit dem Baue ihres Nestes beschäftigt waren, und wenn ich mein Ohr gegen die Rinde legte, konnte ich deutlich jeden Schlag, welchen sie ausführten, vernehmen. Zweimal habe ich beobachtet, daß die Elfenbeinschnäbel, nachdem sie mich am Fuße des Baumes gesehen hatten, das Nest verließen. In Kentucky und Indiana brüten sie selten mehr als einmal im Jahre, in den südlichen Staaten zweimal. Das erste Gelege besteht gewöhnlich aus sechs Eiern von reinweißer Färbung, welche auf einige Späne am Grunde der Höhle gelegt werden. Die Jungen sieht man schon vierzehn Tage vor ihrem Ausstiegen zum Eingangsloche herausschauen. Ihr Jugendkleid ähnelt dem des Weibchens, doch fehlt ihnen noch die Holle; diese aber wächst rasch heran, und gegen den Herbst hin gleichen sie ihrer Mutter schon sehr. Die Männchen erhalten die Schönheit ihres Gefieders erst im nächsten Frühjahre.
»Die Nahrung besteht hauptsächlich in Käfern, Larven und großen Würmern; sobald aber die Beeren in den Wäldern reifen, frißt der Vogel gierig von diesen. Ich habe gesehen, daß er sich in derselben Stellung wie unsere Meisen mit den Nägeln an die Weinreben hängt. Auch Persimonpflaumen sucht er sich zusammen, wenn diese Frucht gereift ist; niemals aber geht er Korn oder Gartenfrüchte an, obgleich man ihn zuweilen auf den in den Getreidefeldern stehenden Bäumen arbeiten sieht. Seine Kraft ist so groß, daß er Rindenstückchen von funfzehn bis achtzehn Centimeter Länge mit einem einzigen Schlage des mächtigen Schnabels abspalten kann, und wenn er einmal bei einem dürren Baume begonnen hat, schält er oft die Rinde auf sechs bis zehn Meter Fläche in wenigen Stunden ab.
»Wenn er verwundet wird und zum Boden fällt, sucht er so schnell als möglich einen nahestehenden Baum zu erreichen und steigt an ihm mit der größten Schnelligkeit bis zu den Wipfelzweigen empor, duckt sich nieder und versteckt sich hier. Während er aufsteigt, bewegt er sich in Schraubenlinien rund um den Baum und stößt fast bei jedem Sprunge sein ›Pät, pät, pät‹ aus, schweigt aber, sobald er einen sicheren Platz erreicht. Tödtlich verwundet, krallt er sich oft so fest iu die Rinde, daß er noch mehrere Stunden nach seinem Tode hängen bleibt. Wenn man ihn mit der Hand faßt, so lange er noch lebt, verwundet er heftig mit dem Schnabel und den Klauen, stößt aber dabei traurige und klägliche Schreie aus.«
Wilson versuchte einen Elfenbeinschnabel in Gefangenschaft zu halten, fand aber, daß dies seine Schwierigkeiten hat. Der in Rede stehende Specht war ein alter Vogel, welcher erst verwundet und dann ergriffen wurde. Er schrie in der bereits angegebenen Weise wie ein kleines Kind und erschreckte dadurch das Pferd Wilsons so, daß es seinen Reiter in Lebensgefahr brachte. Als dieser mit seinem schreienden Vogel durch die Straßen von Wilmington ritt, rannten alle Weiber ängstlich an Thür und Fenster, um sich über den entsetzlichen Lärm zu unterrichten, und vor dem Wirtshause mußte unser Forscher ein wahres Kreuzfeuer von Fragen aushalten. Schließlich brachte er den Elfenbeinschnabel auf seinem Zimmer unter und verließ dasselbe, um für sein Roß Sorge zu tragen. Als er nach etwa einer Stunde zurückkehrte, fand er, daß der gewaltige Vogel sich beinahe schon befreit hatte. Er war an den Gewänden des Fensters emporgeklettert und hatte die Zimmerwände fast durchbrochen. Da Wilson ihn zeichnen wollte, verzieh er ihm den Fluchtversuch und band ihn, um einen ferneren zu verhüten, mit einer Kette an das dicke Bein eines Mahagonitisches. Hierauf verließ er das Zimmer abermals, um für seinen Pflegling Futter zu suchen. Beim Zurückkommen vernahm er schon auf der Treppe, daß der Specht wieder arbeitete, und als er in das Zimmer trat, sah er zu seinem Entsetzen den Tisch anstatt auf vier, nur noch auf drei Beinen stehen. Während er zeichnete, brachte ihm der unwillige Vogel mehrere Wunden bei und bekundete überhaupt einen so edeln und freiheitsliebenden Sinn, daß der Forscher mehr als einmal daran dachte, ihn in seine Wälder zurückzubringen. Das ihm dargereichte Futter verschmähte er gänzlich und so erlag er schon am dritten Tage den Leiden der Gefangenschaft.
Die Heherspechte ( Melanerpes) zeichnen sich weniger durch die Größe als durch die Farbenpracht ihres Gefieders aus. Sie sind kräftig gebaut, großköpfig und kurzhalsig. Der Schnabel ist gerade, am Grunde breiter als hoch, auf der Firste gewölbt, an den Rändern stark eingezogen, auffallend wegen vier gleichlaufenden Leistchen, welche oberhalb und unterhalb der Nasenlöcher entspringen, sich bis gegen die Mitte des Schnabels hinziehen und zwischen sich Hohlkehlen bilden. Der Lauf ist so lang wie die Wendezehe mit Nagel. Im Fittige sind die vierte und fünfte Schwinge unter sich gleich lang und die längsten. Der Schwanz ist sehr gerundet. Schwarz mit Roth oder Roth mit Weiß bilden die vorherrschenden Farben. Die hierher zu zählenden Arten gehören dem Norden und Süden Amerikas an.
Der bekannteste aller Heherspechte ist der Rothkopfspecht ( Picus erythrocephalus und obscurus, Melanerpes erythrocephalus). Kopf und Hals sind hochroth, Mantel, Schwingen und Schwanz rabenschwarz, Hinterschwingen, Bürzel und Unterseite reinweiß, die beiden äußersten Schwanzfedernpaare am Ende schmal weiß gesäumt. Das Auge ist nußbraun, der Schnabel und die Füße sind bläulichschwarz. Das Weibchen ist etwas kleiner und minder lebhaft gefärbt als das Männchen. Bei den Jungen sind Kopf, Hals, Mantel und Brust erdbraun, durch schwarzbraune Mondflecke gezeichnet, die Vorderschwingen schwarzbraun, die Hinterschwingen röthlichweiß, gegen die Spitze hin schwarzbraun gebändert, die Steuerfedern dunkel braunschwarz. Die Länge beträgt vierundzwanzig, die Breite vierundvierzig, die Fittiglänge zwölf, die Schwanzlänge sechs Centimeter.
»Es gibt vielleicht keinen Vogel in Nordamerika«, behauptet Wilson, »welcher bekannter wäre als der Rothkopf. Er ist so häufig, sein dreifarbiges Gefieder so bezeichnend und seine räuberischen Sitten sind so sehr zu allgemeiner Kunde gelangt, daß jedes Kind von ihm zu erzählen weiß.« Der Rothkopf verbreitet sich über den ganzen Norden Amerikas. Man sieht ihn, nach Versicherung des Prinzen von Wied, an allen Zäunen sitzen, an den Spitzen oder an den Stämmen eines Baumes hängen oder am Gewurzel umherklettern und nach Kerbthieren suchen. »Man darf ihn«, sagt Audubon, »als einen Standvogel der Vereinigten Staaten betrachten, da er in den südlichen Theilen derselben während des ganzen Winters gefunden wird und dort auch im Sommer brütet. Die große Mehrzahl seiner Art aber wandert im September von uns weg und zwar des Nachts. Sie fliegen dann sehr hoch über den Bäumen dahin, gesellschaftlich und doch jeder für sich, einem zersprengten Heere vergleichbar, und stoßen einen besonderen, scharfen Laut aus, welchen man sonst nicht vernimmt, gleichsam in der Absicht, sich gegenseitig aufzumuntern. Mit Tagesgrauen läßt sich die Gesellschaft auf den Wipfeln der abgestorbenen Bäume um die Pflanzungen nieder und verweilt hier, Futter suchend, bis zu Sonnenuntergang. Dann steigt einer nach dem anderen wieder empor und setzt seine Reise fort.
»Mit Ausnahme der Spottdrossel kenne ich keinen so heiteren und fröhlichen Vogel, wie diesen Specht. Sein ganzes Leben ist Freude. Er findet überall Nahrung in Menge und allerorten passende Nistplätze. Die geringe Arbeit, welche er verrichten muß, wird für ihn zu einer neuen Quelle von Vergnügen; denn er arbeitet nur, um sich entweder die zartesten Leckereien zu erwerben, oder um eine Wohnung zu zimmern für sich, für seine Eier oder seine Familie. Den Menschen fürchtet er, wie es scheint, durchaus nicht, obgleich er keinen schlimmeren Feind hat als gerade ihn. Wenn er auf einem Zaunpfahle am Wege oder im Felde sitzt und jemand ihm sich nähert, dreht er sich langsam auf die andere Seite des Pfahles, verbirgt sich und schaut ab und zu vorsichtig hervor, als wolle er die Absicht des Menschen erspähen. Geht dieser ruhig vorüber, so hüpft er auf die Spitze des Pfahles und trommelt, als wolle er sich beglückwünschen über den Erfolg seiner List. Nähert man sich ihm, so fliegt er zu dem nächsten oder zweitnächsten Pfahle, hängt sich dort an, trommelt wieder und scheint so seinen Gegner förmlich herauszufordern. Gar nicht selten erscheint er bei uns auf den Häusern, klettert an ihnen umher, klopft auf die Schindeln, stößt einen Schrei aus und senkt sich dann nach dem Garten hinab, um dort die besten Beeren zu plündern, welche er entdecken kann.
»Ich wollte niemand rathen, dem Rothkopfe irgend einen Obstgarten preiszugeben; denn er nährt sich nicht bloß von allen Arten der Früchte, sondern zerstört nebenbei noch eine große Menge derselben. Die Kirschen sind kaum geröthet, so sind auch schon diese Vögel da: sie kommen von allen Seiten meilenweit herbei und leeren einen Baum auf das gründlichste ab. Wenn einmal einer erschienen ist und die erste Kirsche aufgespürt hat, stößt er einen Lockton aus, wippt mit dem Schwanze, nickt mit dem Kopfe und hat sich ihrer im nächsten Augenblicke bemächtigt. Ist er gesättigt, so beladet er seinen Schnabel noch mit einer oder zweien und fliegt dem Neste zu, um seinen Jungen auch etwas zu bringen.
»Es ist geradezu unmöglich, die Anzahl der Rothkopfspechte, welche man in einem Sommer sieht, zu schätzen: so viel kann ich aber bestimmt versichern, daß ihrer hundert an einem Tage von einem einzigen Kirschbaume herunter geschossen wurden. Nach den Kirschen werden Birnen, Pfirsiche, Aepfel, Feigen, Maulbeeren und selbst Erbsen angegangen, und von den Verwüstungen, welche die Vögel in dem Korne anrichten, will ich gar nicht reden, aus Furcht, Thiere, welche zwar in dieser Hinsicht schuldig sind, anderseits aber auch überaus gute Eigenschaften besitzen, noch mehr anzuklagen. Die Aepfel, welche sie verzehren, pflegen sie in einer sonderbaren Weise wegzutragen. Sie stoßen nämlich ihren geöffneten Schnabel mit aller Gewalt in die Frucht, reißen sie ab, fliegen dann mit ihr auf einen Zaunpfahl oder Baum und zerstückeln sie dort mit Muße. Auch noch eine andere schlechte Sitte haben sie: sie saugen die Eier kleiner Vögel aus. Zu diesem Zwecke besuchen sie sehr fleißig die Nistkästen, welche zu Gunsten der Purpurschwalben und Blauvögel aufgehängt werden, auch wohl die Taubenhäuser, und selten thun sie es ohne Erfolg.
»Aber was sie auch thun mögen, heiter sind sie stets. Kaum haben sie ihren Hunger gestillt, so vereinigen sie sich zu kleinen Gesellschaften auf der Spitze und den Zweigen eines abgestorbenen Baumes und beginnen von hier aus eine sonderbare Jagd auf vorüberfliegende Kerbthiere, indem sie sich acht oder zwölf Meter weit auf sie herabstürzen, zuweilen die kühnsten Schwenkungen ausführen und, nachdem sie ihre Beute gefaßt, wieder zum Baume zurückkehren und einen freudigen Schrei ausstoßen. Zuweilen jagt einer spielend den anderen in höchst anziehender Weise; denn während sie die weiten, schön geschwungenen Bogen beschreiben, entfalten sie die volle Pracht ihres Gefieders und gewähren dadurch ein überaus angenehmes Schauspiel. Wenn sie von einem Baume zum anderen fliegen, ist ihre Bewegung gleichsam nur ein einziger Schwung. Sie öffnen die Flügel, senken sich herab und heben sich, in der Nähe des Stammes angelangt, langsam wieder empor. Kletternd bewegen sie sich aufwärts, seitwärts und rückwärts, anscheinend ohne jegliche Schwierigkeit, aber selten (?) mit dem Kopfe nach unten gerichtet, wie Kleiber und manche andere Spechte (?) zu thun pflegen. Ihre Schwingungen von einem Baume zum anderen geschehen, wie man meinen möchte, häufig in der Absicht, einen anderen ihrer Art anzugreifen. Dieser aber weiß seinen Gegner, Dank seiner unendlichen Gewandtheit, immer zu foppen, indem er mit erstaunlicher Schnelligkeit rund um den Baum klettert.
»Selten findet man ein neu angelegtes Nest; gewöhnlich begnügt sich das Paar, wenn es brüten will, mit einem alten, welches ein wenig ausgebessert und etwas tiefer ausgehauen wird. Ihre Nesthöhlen findet man in jedem abgestorbenen Baume, oft zehn oder zwölf in einem einzigen Stamme, einige eben angefangen, einige tiefer ausgemeiselt und andere vollendet. Grüne oder lebende Bäume werden so selten benutzt, daß ich mich keines erinnern kann, welcher ein Nistloch dieser Spechtart gehabt hätte. In Louisiana und Kentucky brütet der Rothkopfspecht zweimal im Laufe des Jahres, in den mittleren Staaten gewöhnlich nur einmal. Das Weibchen legt zwei bis sechs reinweiße und durchscheinende Eier, zuweilen in Höhlen, welche nur zwei Meter über dem Boden eingemeiselt wurden, zuweilen in solchen, welche so hoch angebracht wurden, als möglich.« Nach Wilsons Versicherung hat die Brut des Rothkopfes in der Schwarznatter ( Coryphodon constrictor) eine furchtbare Feindin. Diese Schlange windet sich häufig an den höchsten Baumstämmen empor, dringt in das friedliche Kinderzimmer des Spechtes, verschlingt hier die Eier oder die hülflosen Jungen, angesichts der ängstlich schreienden und umherflatternden Eltern, und legt sich dann, wenn der Raum groß genug ist, zusammengeringelt in das Nest, um die Verdauung abzuwarten. Der Schulbube, welcher seinen Hals wagte, um ein Nest dieses Spechtes auszuheben, findet sich oft nicht wenig enttäuscht, wenn er seine Hand in die Höhle steckt und anstatt der Jungen die entsetzliche Schlange packt. Er hat dann gewöhnlich nichts eiligeres zu thun, als ohne alle Rücksicht auf Glieder und Beinkleider am Stamme herunterzurutschen, und verläßt schreckerfüllt so schnell als möglich den Baum.
Es trägt zur Vervollständigung unserer Kenntnis der Heherspechte bei, wenn ich hier noch einer anderen Art der Gruppe Erwähnung thue. In Kalifornien und Mejiko wird der Rothkopf durch einen Verwandten ( Picus formicivorus und melanopogon, Melanerpes formicivorus und angustifrons) vertreten, welchen wir Sammelspecht nennen wollen. Der Vogel kommt unserem Buntspechte an Größe gleich: seine Länge beträgt fünfundzwanzig, die Fittiglänge sechzehn, die Schwanzlänge zehn Centimeter. Stirnrand, Zügel, Kinn und Obertheile, ein schmaler Augenrand, Schläfen, Ohrgegend und ein breiter Streifen an den Halsseiten sowie die ganze Oberseite sind schwarz; der Vorderkopf hat weiße, gelblich getrübte Färbung, Scheitel und Hinterkopf sind wie üblich scharlachroth, die Backen bis unter die Ohrgegend und die Halsseiten nebst der Unterkehle weiß, letztere strohgelb überflogen, Kropf und Brust schwarz durch weiße Längsflecke gezeichnet, die übrigen Untertheile weiß, an den Seiten und auf den unteren Schwanzdecken mit schmalen schwarzen Schaftstrichen gezeichnet, Bürzel und obere Schwanzdecken und die Handschwingen von der zweiten an an der Wurzel ebenfalls weiß. Das Auge ist braun, der Schnabel hornschwarz, der Fuß graugelblich. Beim Weibchen zeigt der Hinterkopf nur eine breite scharlachrothe Querbinde.
Das Verbreitungsgebiet des Sammelspechtes sind die Küstenstaaten des stillen Weltmeeres, von Kalifornien über Mejiko bis Mittelamerika herab. »Der Sammelspecht«, sagt Heermann, »ist der häufigste und lärmendste aller Spechte Kaliforniens. Vom höchsten Zweige eines Baumes aus, auf dem er zu sitzen pflegt, schwingt er sich plötzlich nach unten herab, ein Kerbthier verfolgend, kehrt, nachdem er es ergriffen, zu seinem früheren Platze zurück und beginnt wenige Augenblicke später ähnliche Jagd. Im Herbste aber beschäftigt er sich sehr eifrig damit, kleine Löcher in die Rinde der Eichen und Fichten zu bohren und in ihnen Eicheln aufzuspeichern. In jedes Loch kommt eine Eichel, und sie wird so fest eingezwängt, daß sie nur mit Mühe herausgezogen werden kann. Zuweilen gewinnt die Rinde eines riesigen Nadelbaumes den Anschein, als sei sie dicht mit Bronzenägeln beschlagen. Diese Eicheln werden in sehr großer Menge aufgespeichert und ernähren während des Winters nicht nur den Specht, sondern auch Eichhörnchen, Mäuse, Heher etc., welche diese Vorräthe sehr stark mitnehmen.«
Kelly vervollständigt diese Angaben. »Beim Abschälen der Rinde eines Baumes«, sagt er, »bemerkte ich, daß sie gänzlich durchlöchert war. Die Löcher waren größer als die, welche eine Büchsenkugel hervorbringt, und so regelmäßig, als hätte man sie mit Hülfe von Lineal und Zirkel eingebohrt. Viele von ihnen waren auf die netteste Weise mit Eicheln angefüllt. Ich hatte schon früher dergleichen Löcher in den meisten weicheren Bäumen wahrgenommen, jedoch geglaubt, daß sie von Kerbthieren herrührten und mir nicht die Mühe gegeben, sie genauer zu untersuchen. Da ich sie nun aber mit fest darin steckenden Eicheln, welche der Wind nicht hatte hineinwehen können, wie beschlagen fand, so suchte ich den Ursprung zu erforschen. Die Erklärung wurde mir von einem Freunde gegeben, welcher auf einen Flug von Spechten, der mit dem Einbringen seiner Wintervorräthe emsig beschäftigt war, hinwies. Ich folgerte nunmehr, daß der kluge Vogel nicht immer zwecklos arbeitet, sondern den Sommer damit hinbringt, die Löcher zu bohren, in denen er Speisevorräthe für den Winter sammelt. Dort kann das Wetter diesen weder etwas anhaben, noch sie dem Spechte unzugänglich machen. Oft habe ich die Vögel in der Nähe belauscht, wie sie mit Eicheln im Schnabel, halb sich anklammernd, halb fliegend, einen Baum umkreisten, und ich habe die Geschicklichkeit bewundert, mit der sie versuchten, ihre Eicheln in ein Loch nach dem anderen einzuklemmen, bis sie eines von passendem Umfange gefunden hatten. Sie steckten die Eichel mit dem spitzen Ende zuerst hinein und klopften sie dann kunstgerecht mit dem Schnabel fest. Hierauf flogen sie weg, um eine andere zu holen. Aber das Geschäft dieses Vogels erscheint noch merkwürdiger, wenn man berücksichtigt, daß er nur solche Eicheln wählt, welche gesund und vollkernig sind. Derjenige, welcher solche Früchte zum Rösten sammelt, liest immer eine bedeutende Menge hohler und untauglicher mit auf, weil die glattesten und schönsten häufig eine in ihnen erzeugte große Made enthalten; sogar der pfiffigste Indianer täuscht sich bei der Auswahl, all seiner Schlauheit und Erfahrung ungeachtet, wogegen unter denjenigen, welche wir aus der Rinde unseres Bauholzes hervorzogen, auch nicht eine war, die irgend welchen Keim der Zerstörung in sich getragen hätte. Es wird für eine sichere Vorbedeutung eines baldigen Schneefalles erachtet, wenn man diese Spechte mit dem Einheimsen der Eicheln beschäftigt sieht. So lange noch kein Schnee liegt, gehen sie ihre gesammelten Vorräthe nicht an; dies thun sie erst, wenn die auf dem Boden liegenden Nüsse vom Schnee bedeckt sind. Dann begeben sie sich zu ihren Vorrathskammern und picken sie von ihrem Inhalte leer, ohne die Nußschale aus der Oeffnung hervorzuziehen. Die Rinde des Fichtenbaumes wird ihrer Dicke und geringen Widerstandsfähigkeit halber am liebsten zum Speicher benutzt.«
Es konnte nicht fehlen, daß man die auffallende Fürsorge des Spechtes sehr verschiedenartig beurtheilte, um so mehr, als man wohl in den südlicheren Theilen seines Verbreitungsgebietes, nicht aber im Norden die Nothwendigkeit erkannte, für kommende Tage des Mangels sich zu sichern. Ich übergehe selbstredend die Annahmen, welche man sich ausgeklügelt hat, und bemerke nur noch, daß ein Zurückkehren unseres Spechtes zu seinen Vorrathsspeichern und Aufzehren der Vorräthe, wenn auch noch nicht mit aller Sicherheit fest-, so doch als höchst wahrscheinlich hingestellt wurde.
Die Buntspechte ( Picus) gelten als die vollendetsten Mitglieder der Gesammtheit, weil sie fast ausschließlich stammlebig sind und nur ausnahmsweise zum Boden herabkommen. Sie gehören zu den mittelgroßen und kleinen Arten und sind verhältnismäßig gedrungen gebaut. Der Schnabel ist etwa kopflang, gerade, am Grunde ebenso hoch als breit, auf der Firste scharfkantig, der Fuß kurzzehig, der Fittig mittellang, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz lang und keilförmig, das Gefieder endlich regelmäßig auf schwarzem Grunde weiß gezeichnet und an gewissen Stellen durch Roth oder Gelb geziert. Die hierher gehörigen Arten bewohnen fast alle Verbreitungsgebiete der Spechte überhaupt, ausschließlich Mittel- und Südafrika.
Unser Bunt-, Band-, Roth- oder Schildspecht ( Picus major, cissa, pinctorum, pitiopicus, frontium, montanus, pipra, alpsetris, mesospilus, brevirostris, sordidus, lucorum und baskirensis, Dendrocopus und Dryobates major) darf als das bekannteste Mitglied dieser Gruppe betrachtet werden. Er entspricht seinem Namen; denn sein Gefieder ist wirklich außerordentlich bunt. Oberkopf und Oberseite sowie ein schmaler Zügelstreifen, welcher sich vom Schnabelspalte nach hinten zieht und an den Halsseiten, gegen die Brust hin sich erweiternd, verläuft, aber nicht mit dem jener Seite verschmilzt, sind schwarz, Zügel- und Kopfseiten bis auf die Schläfe, ein länglicher Querfleck auf den Halsseiten hinter den eben genannten Theilen sowie ein breites Längsfeld auf den Schultern weiß, die Untertheile ebenso, meist jedoch durch Schmutz getrübt, ein breiter Hinterhauptsfleck, die Aftergegend und unteren Schwanzdecken hoch scharlachroth, die Handschwingen gezeichnet mit fünf, die Armschwingen mit drei weißen Querflecken, welche bei zusammengelegtem Flügel fünf Querbinden bilden, die äußeren beiden Schwanzfedern in der weißen Endhälfte mit zwei schwarzen Querbinden, wogegen die dritte jederseits nur einen schwarzen Querfleck zeigt. Dem Weibchen fehlt das Roth des Hinterkopfes. Bei den Jungen ist der Oberkopf karminroth. Das Auge ist braunroth, der Schnabel licht bleifarben, der Fuß grünlichgrau. Die Länge beträgt 23 bis 25, die Breite 46 bis 48, die Fittiglänge 16, die Schwanzlänge 8,5 Centimeter.
In Nordwestafrika wird unser Buntspecht durch den Maurenspecht, in Syrien und Palästina, Persien, China und am Himalaya durch andere Verwandte vertreten, welche die verschiedenen Forscher bald als selbständige Arten, bald nur als Abarten erklären. Der Maurenspecht ( Picus numidicus, numidus, mauritanicus, lunatus, Jughurta und Jaballa, Leuconotopicus und Dendrocopus numidicus) verdient aus dem Grunde Erwähnung, weil er nach eigenem Befunde in Spanien und ein ihm wenigstens sehr nahe stehender Vogel, nach Altum, einmal im Münsterlande vorgekommen ist. Er unterscheidet sich vom Buntspechte durch beträchtlich geringere Größe und außerdem dadurch, daß die schwarzen Streifen der Halsseiten weniger entwickelt sind, dafür aber beide durch ein quer über die Unterkehle ziehendes, prächtig hochrothes, bei alten Vögeln schwarz gesäumtes, bei jüngeren durch schwarze Flecke getüpfeltes Querband vereinigt werden.
Ganz Europa und Sibirien bis Kamtschatka sowie Japan sind die Heimat des allbekannten Buntspechtes. Er darf als der gemeinste unserer europäischen und ebenso als der häufigste der sibirischen Arten bezeichnet werden. Ich habe ihn in allen Ländern unseres heimatlichen Erdtheiles, welche ich bereiste, gefunden und zwar, mit alleiniger Ausnahme der Alpen, soweit die Waldungen reichen. Er bewohnt Lappland spärlich, das südliche Skandinavien und Finnland bereits ziemlich häufig und ist im ganzen übrigen Europa wenigstens keine Seltenheit, obwohl er in Spanien, entsprechend der Baumarmut des Landes, viel einzelner auftritt als bei uns. Dasselbe gilt für Griechenland, nicht aber für Italien. Hier begegnet man ihm ebenso häufig wie in Deutschland und zwar in den verschiedensten Waldungen. In der Türkei und in ganz Rußland, einschließlich des Kaukasus, ist er gemein, in Sibirien wenigstens in allen Waldgegenden, ja nicht selten sogar in den waldlosen Hochsteppen zu finden, obwohl ihm hier nur die Zäune oder die hölzernen Gebäude Gelegenheit zum Klettern geben. Wird in der Steppe eine Baumpflanzung angelegt, so ist er, laut Radde, der erste, welcher in das ihm sonst unwirtliche Gebiet übersiedelt und sich seßhaft macht. Wie weit er in Asien nach Süden hin sich verbreitet, konnte zur Zeit mit Bestimmtheit noch nicht ermittelt werden; vom Südosten und Süden unseres Vaterlandes dagegen wissen wir, daß er die Grenzen Europas überschreitet, so beispielsweise in Kleinasien und wahrscheinlich auch in den Spanien gegenüber liegenden Theilen Marokkos vorkommt. Seine Lebensweise ist zuerst von meinem Vater und sodann von Naumann so ausführlich beschrieben worden, daß seither kaum noch etwas hinzugefügt werden konnte. Getreu meinem Grundsatze, das Erstlingsrecht der Beobachter stets zu wahren, lege ich dem nachfolgenden beider Schilderung zu Grunde.
Der Buntspecht liebt Vorhölzer und tiefe Waldungen, kommt aber auch in Feldhölzern vor und erscheint im Herbste und Winter in den Gärten. Er bevorzugt Kiefer-, Pappel- und Weidenwaldungen. Während des Sommers bewohnt er ein nicht eben ausgedehntes Gebiet; im Herbste und Winter streicht er in einem größeren Bezirke umher und lebt dann gewöhnlich in Gesellschaft von Kleibern, Baumläufern, Meisen und Goldhähnchen. Im Sommer duldet er innerhalb seines Gebietes keinen seinesgleichen. Bei seinen Streifereien folgt er den Bäumen und meidet es, über das freie Feld zu fliegen. Freilich kennt er auch keine Umwege, da seine Streifereien eben nur den einen Zweck haben, sich reichlichere Nahrung zu suchen als er sie an seinem eigentliche Standorte findet und sich dabei zugleich ein wenig in der Welt umzusehen.
Der Buntspecht ist, wie Naumann sagt, ein kräftiger, munterer, gewandter, kecker und dabei schöner Vogel, dessen abstechende Farben in ihrer bunten Abwechselung ihn auch in der Ferne, und besonders wenn er fliegt, im hohen Grade zieren. »Es sieht herrlich aus, wenn bei heiterem Wetter diese Buntspechte sich von Baum zu Baum jagen, im Sonnenscheine schnell an den Aesten hinauflaufen oder auch an den oberen Spitzen hoher Bäume sich sonnen oder auf einem dürren Zacken, von der Sonne beschienen, ihr sonderbares Schnurren hervorbringen. Sie sind fast immer in Bewegung, dabei sehr hurtig und beleben den Wald, besonders die düsteren Nadelwaldungen, auf eine angenehme Weise.« Der Flug geschieht ruckweise, ist ziemlich schnell und schnurrend, geht aber gewöhnlich nicht weit in einer Strecke fort. Auf dem Boden hüpft der Buntspecht noch ziemlich geschickt umher, kommt jedoch selten zu ihm herab. Sehr gern setzt er sich auf die höchsten Wipfel der Bäume und läßt dabei sein »Pick pick« oder »Kik kik« wiederholt vernehmen. Nachtruhe hält er, wie die übrigen Spechte, in hohlen Bäumen; solche Schlupfwinkel sucht er auch auf, wenn er verwundet ist. Gegen seinesgleichen zeigt er sich keineswegs liebenswürdig; man kann auch ihn, trotz seiner Streifereien mit dem Kleingeflügel, nicht gesellig nennen. Gegen Meisen, Goldhähnchen, Baumläufer und Kleiber benimmt er sich ebensowenig freundschaftlich. Er scheint zwar ihr Anführer zu sein, bekümmert sich aber nicht um sie, sondern überläßt es dem Kleingesindel, ihm nachzuleben. Da er in Sibirien jedoch auch in Gesellschaft der wandernden Drosseln gefunden wird, und letztere sicherlich nicht ihm zu Gefallen im Walde umherstreifen, muß man annehmen, daß ihm derartige Gesellschafter ungeachtet seiner scheinbaren Gleichgültigkeit doch recht gut behagen. Anders benimmt er sich einem zweiten Buntspechte gegenüber, ob aus Eifersucht oder Futterneid, will ich unentschieden lassen. Er ist einer von den Spechten, welche sich durch nachgeahmtes Pochen regelmäßig anlocken lassen. Im Frühlinge verfehlt er gewiß nie, sich einzustellen, sobald er ein Klopfen nach Art seines Trommelns oder Hämmerns vernimmt: denn dann kommt noch die Eifersucht ins Spiel; aber auch im Sommer und Herbste erscheint er dicht vor dem Jäger, welcher ihn foppte, und klettert auf allen Zweigen umher, um den vermeintlichen Nebenbuhler oder Beeinträchtiger zu erspähen. Und nicht bloß das Männchen fliegt herbei, sondern auch das Weibchen: ein deutlicher Beweis, daß nicht allein die Eifersucht, sondern auch der Futterneid Ursache dieses Betragens ist. Auch gegen andersartige Spechte zeigt er sich nicht eben freundlich; doch sah Schacht einmal alle drei heimischen Arten, Bunt-, Mittel- und Kleinspecht zu gleicher Zeit auf einem und demselben Baume.
Mancherlei Kerbthiere und deren Eier, Larven, Puppen, aber auch Nüsse und Beeren bilden die Nahrung des Buntspechtes. Mein Vater und nach ihm Naumann versichern, auf ihre Beobachtungen gestützt, daß er keine Ameisen fresse und ebensowenig seine Jungen mit den Puppen derselben füttere; Gloger hingegen erfuhr, daß ein Buntspecht, welchen er bei starkem Froste geschossen hatte, seinen Magen »lediglich und beinahe vollständig« mit großen Waldameisen gefüllt hatte. Nach meines Vaters Beobachtungen ist er der Hauptfeind des Borkenkäfers, seiner Larven und Eier. Um zu diesen zu gelangen, spaltet er die Schalenstücke der Fichten ordentlich ab. »Ich habe dies oft mit Vergnügen beobachtet. Er läuft an den Stämmen, deren Rinde zersprungen und locker aufsitzt, herum, steckt den Schnabel und die Zunge unter die Schale und spaltet diese ab, wenn er nicht zu den Kerbthieren gelangen kann. Ich habe die heruntergefallenen Stücke untersucht und immer gefunden, daß sie von Borken- und Fichtenkäfern unterwühlt waren. Auch frißt er allerlei Räupchen, welche für die Waldbäume nachtheilig sind, und füttert damit seine Jungen groß. Er ist ein wahrer Erhalter der Wälder und sollte auf alle Weise geschont werden.« Hierin stimmen fast alle Beobachter überein. »Wenn er an schwachen Aesten hackt«, fügt Naumann hinzu, »bemerkt man, daß er oft plötzlich auf die andere Seite derselben läuft und nachsieht, um auch die durch das Pochen hier aufgescheuchten und entfliehenden Kerbthiere wegfangen zu können; denn diese machen es gerade wie die Regenwürmer, wenn der Maulwurf die Erde aufwühlt. Sie kennen die Annäherung ihres Todfeindes so gut wie jene.« Ausnahmsweise geschieht es übrigens doch, daß sich der nützliche Vogel kleine Sünden zu Schulden kommen läßt. So wurde nach Wiese's Versicherung im Jahre 1844 ein Buntspecht geschossen, um festzustellen, was er in seinem Schnabel zu seinen Jungen tragen wollte, und man fand bei ihm eine junge, noch ganz nackte Meise, auf welche er wahrscheinlich zufällig bei seiner Kerbthierjagd gestoßen war. Doch geschehen derartige Uebelthaten gewiß sehr selten. Viel häufiger nährt er sich von Sämereien und zumal von Haselnüssen und Kiefersamen. Erstere bricht er ab, trägt sie in den Spalt eines Baumes, den er dazu vorgerichtet hat, und hackt sie auf. An Fichtenzapfen sieht man ihn oft hängen und arbeiten; häufiger noch beißt er sie ab, schleppt sie auf einen Ast und frißt den Samen heraus. Während der Samenreife unserer Nadelbäume verzehrt er mit Vorliebe Kiefersamen, obgleich es ihm nicht leicht wird, zu diesem zu gelangen. »Wenn er Kiefersamen fressen will«, berichtet mein Vater, »hackt er erst auf der oberen Seite eines gespalteten oder dürren Astes ein Loch, so daß ein Kieferzapfen zur Hälfte hinein geht. Einmal habe ich ein solches Loch auch in der dicken Rinde einer Kiefer nahe am Boden gesehen; es wurde aber wenig benutzt. Ist das Loch fertig, so fliegt der Buntspecht nach der Krone des Baumes und von Ast zu Ast, um es bequem zu haben, läuft auch auf einem Zweige vor, faßt ein Zäpfchen mit dem Schnabel am Stiele und beißt es ab, aber so, daß er es mit dem Schnabel noch halten kann, trägt es nun zu dem beschriebenen Loche und legt es so in dasselbe, daß die Spitze nach oben zu stehen kommt. Jetzt faßt er es mit den inneren Vorderzehen und hackt so lange auf die Spitze, bis die Deckelchen zerspalten und der Samen herausgeklaubt werden kann. Ist er mit einem Zapfen fertig, was drei bis vier Minuten Zeit kostet, so holt er einen anderen auf dieselbe Art, wirft aber den vorigen nie eher herab, als bis er den zweiten in das Loch legen kann. Es scheint mir dies um deswillen zu geschehen, damit er den alten noch einmal durchsuchen könne, wenn er keinen neuen fände; denn rein ausgefressen, wie von den Kreuzschnäbeln, werden die Zapfen nie. Dies Geschäft setzt er oft den größten Theil des Tages fort und zwar auf einem und demselben Baume. Ich habe in meinem Walde eine Kiefer, auf welcher ein und derselbe Specht oft viele Wochen lang sein Wesen treibt. Schon Mitte August beginnt er Kiefersamen zu fressen, ob dieser gleich noch nicht vollkörnig, geschweige reif ist, und während des Winters nährt er sich fast lediglich von ihm. Von den Kieferzapfen ist sein Schnabel zum Theile mit Harz bedeckt, während man an den Schnäbeln anderer Spechte oft Erde findet.«
So geschickt der Buntspecht im Aufhacken der Kieferzapfen ist, so wenig Ausdauer beweist er beim Anlegen seines Nestes. Er beginnt viele Höhlungen auszuarbeiten, bevor er eine einzige vollendet, und wenn irgend möglich, sucht er eine solche wieder auf, in welcher er oder einer seiner Anverwandten früher schon brütete. Wenn er weiche Baumarten zur Verfügung hat, wie dies beispielsweise in den russischen und sibirischen Wäldern fast überall der Fall ist, bevorzugt er diese den hartholzigen so entschieden, daß man fast mit Bestimmtheit darauf rechnen kann, in jeder zwischen Kiefern und Fichten eingesprengten Espe, Pappel oder Weide seine Nesthöhle zu bemerken. Diese befindet sich fast stets in beträchtlicher Höhe, in der Regel zehn Meter und höher, seltener niedriger über dem Boden. Das Eingangsloch zum Neste ist so klein, daß der Vogel eben hinein- und herauskriechen kann, die innere Höhlung, von der unteren Seite des Einganges gemessen, gewöhnlich dreißig Centimeter tief bei fünfzehn Centimeter im Durchmesser, ungefähr; die Nestkammer inwendig ebenso glatt ausgearbeitet wie die anderer Spechte und unten ebenfalls mit feinen Spänen belegt. Vor der Paarung geht es sehr lebhaft zu; denn gewöhnlich werben zwei oder mehrere Männchen um ein Weibchen. »Sie schwirren«, erzählt mein Vater, »hoch über den Bäumen weg und fliegen oft im Kreise herum. Hat eines das Fliegen satt, so setzt es sich auf einen dürren Ast und schnurrt jenem zum Possen. Dies bemerkt man deutlich daran, daß, sobald ein Männchen aufgehört hat, das andere anfängt. So währt das Spiel stundenlang fort. Erblickt ein Buntspecht während dieser Zeit das Weibchen, welches sich immer in der Nähe aufhält, so verläßt er seinen Platz sogleich und fliegt ihm nach. Beide jagen sich dann herum und schreien sehr stark ›Käck käck käck‹ und ›Kick kick‹. Hört das der andere Specht, so kommt auch er herbei, und dann wird das Geschrei noch ärger; beide verfolgen das Weibchen oder beißen einander. Dieses Spiel dauert bis sieben, höchstens bis acht Uhr Morgens und wird so lange getrieben, bis ein Männchen den Sieg errungen und das andere vollkommen vertrieben hat.« Das Gelege besteht aus vier bis fünf, selten sechs, kleinen, länglich gestalteten Eiern, welche sehr zartschalig, feinkörnig und glänzendweiß von Farbe sind. Beide Gatten brüten abwechselnd, zeitigen die Eier in vierzehn bis sechzehn Tagen und füttern die anfangs höchst unbehülflichen, häßlichen, weil unförmlichen Jungen mit Aufopferung groß. Sie lieben ihre Brut ungemein, schreien ängstlich, wenn sie bedroht wird, und weichen nicht vom Neste. Auch nach dem Ausfliegen führen und füttern sie ihre Kinder lange Zeit, bis diese wirklich selbständig geworden und im Stande sind, ohne jegliche Anleitung ihre Nahrung sich zu erwerben.
Gefangene Buntspechte sind höchst unterhaltend. Es ist nicht schwer, sie an ein Ersatzfutter zu gewöhnen. Ich habe sie bei gewöhnlichem Drosselfutter monatelang erhalten. Sie vertragen sich sehr gut mit dem verschiedensten Kleingeflügel, welches man zu ihnen bringt, nicht aber mit anderen ihrer Art. Denn ihre Unverträglichkeit, ihre Zank- und Raufsucht bekunden sich schon in frühester Jugend. »Geschwister«, so schreibt mir Liebe, »welche Tages zuvor aus der Nesthöhle genommen sind und noch nicht ordentlich fliegen können, fallen, wenn sie zugleich an den Kleidern ihres Pflegers hängen, schon mit solcher Wuth über einander her, daß man sie kaum schnell genug trennen kann, um schlimme Verwundungen, namentlich am Kopfe oder an der Zunge, zu verhüten. Abgesehen von dieser Zanksucht erfreuen sie jeden ihrer wohlwollenden Pfleger durch die Anmuth und Rastlosigkeit ihrer Bewegung, durch ihre muntere, helle Stimme und ihr schmuckes Aussehen.«
Liebe hat mir seiner Zeit zu Gunsten meiner »Gefangenen Vögel« eine so köstliche Schilderung des Gefangenlebens unseres Spechtes entworfen, daß ich mir nicht versagen kann, dieselbe an dieser Stelle zu wiederholen. »Der Rothspecht ist ein prächtiger Geselle, welcher sich dem Menschen ebenso anschließt wie die höher stehenden Singvögel. Hatte doch mein Großvater einen frei lebenden allmählich bei Gelegenheit der Meisenfütterung so an sein Fenster gewöhnt, daß er herbeiflog, wenn dasselbe geöffnet wurde, um Nüsse und dergleichen, wenn auch nicht aus der Hand, so doch aus einem vorgehaltenen Löffel wegzunehmen. Seinen Herren lernt der jung aufgezogene Buntspecht schnell kennen, ja, er erkennt ihn an seinem Tritte: mir ruft der, welchen ich gerade jetzt besitze, schon, wenn ich die Treppe zu meinem Zimmer emporsteige, ein wiederholtes, frohes ›Kick‹ zu und kommt mir dann noch vor dem Eintritte entgegen, so weit dies der Käfig gestattet, indem er dabei seine prächtig gefärbten Theile an das Gitter drückt und, sobald ich näher trete, einen leisen, kichernden Ton vernehmen läßt. Groß ist die Freude, wenn ich ihm eine an der Spitze mit dem Messer etwas aufgeschnittene Haselnuß bringe. Ich halte letztere mit den Fingern fest, und er meiselt sie, ohne irgend dem Finger wehe zu thun, mit wenigen Schlägen auf, und verarbeitet den Kern zu Kleie. Komme ich ihm aber dabei mit meinem Gebisse zu Hülfe, so drückt er seine Dankbarkeit öfter dadurch aus, daß er auf dem Blechkasten unten im Käfige einige schnurrige Strophen abtrommelt. Sein Betragen dabei beweist, daß er mir damit besonders gefallen will. Ueberhaupt sind die Buntspechte kluge Thiere, deren glänzende Augen und deren ganzes Benehmen Ueberlegung und Neugierde, Muthwillen und Leckerhaftigkeit auf das bestimmteste ausdrücken. Ihr Wesen hat dabei etwas anziehend drolliges. Sie hüpfen zwar auch sehr ungeschickt, aber nicht bäuerisch plump wie die Sperlinge, sondern sie benehmen sich dabei wie zierliche, vornehme Mädchen, welche in Holzschuhen gehen und deshalb verlegen bei ihrem ungeschickten Gange lachen müssen. Die eigenthümlich zuckende, kurze Bewegung und das Gebaren, die Munterkeit, einmal Neugier und doch auch wieder scheue Vorsicht bekundende Bewegung des Kopfes stehen ihnen außerordentlich gut. Sogar wenn man sie vorsichtig im Schlafe stört, zeigen sie sich nicht unliebenswürdig, sondern klettern im Lampenscheine herbei, um zu sehen, was es gibt. Sie müssen alles genau untersuchen und zwar zunächst mit der Zunge und dann mit immer stärker werdenden Schnabelhieben. Dies ist insofern eine willkommene Eigenschaft, als sie dadurch zur rechten Zeit noch auf ihre zuletzt schmerzhaft werdende Untersuchungsweise aufmerksam machen, wenn man dem Käfige mit dem Gesichte oder der Hand zu nahe kommt. Man hält nun beide in der rechten Entfernung und belustigt sich an der Art, wie sie mit der langen Zunge die Nasenspitze befühlen oder den Bart durchstöbern. In die Stube frei gelassen, machen sie sich durch ihre Neugierde in unbewachten Augenblicken freilich recht überflüssig; ihre Possen gewähren aber auch wieder viel Vergnügen. Sehr komisch sieht es aus, wenn sie ein aufgeschlagenes Buch erwischen, zuerst mit der Zunge einige Blätter vorsichtig umwenden und dann, als wenn der Inhalt nicht nach ihrem Geschmacke wäre, mit einigen Schnabelhieben das Buch auf die Seite schieben. Wie gescheit die Thiere trotz der ungeheuerlichen Gehirnerschütterung sind, geht aus folgender Beobachtung hervor. In den engen Windungen des Drahtes, mit welchem die groben Drähte des Netzes gehalten werden, bleiben sie zwar nicht häufig, aber doch bisweilen mit einer Zehe hängen. Sie flattern dann nicht ängstlich oder kopflos mit tollem Ungestüme, sondern sehen sich die betreffende Stelle ganz bedächtig an und ziehen mit Beihülfe des Schnabels die Klaue vorsichtig heraus.
»Bei allen anziehenden Eigenschaften des Rothspechtes darf ich doch nicht verschweigen, daß er auch unangenehme haben kann. Läßt man ihn aus dem Käfige heraus, um seine Neugier und Beweglichkeit in ihrer ganzen Größe zu bewundern, so fliegt er einem oft genug an die Beine und klettert an diesen empor, ohne danach zu fragen, ob seine Fänge wehe thun, und wenn man mit ihm spielt, muß man immer vorsichtig sein, da er nicht weiß, wie sehr seine Schnabelhiebe schmerzen können. Wenn er letztere seinem Herren zu Theil werden läßt, so ist dies sicherlich nur Spielerei, etwa derart, wie solche zahme Raubvögel und zumal dann ausüben, wenn sie die Fingerläufe mit dem Schnabel beknabbern, aber durchaus nicht Zorn oder Aerger; denn diese sind der Gemüthsart meines Freundes fremd. Setzt sich ein anderer Vogel auf seinen Käfig, so äußert er nur Freude, daß er sich einmal mit einem anderen Gegenstande unterhalten kann, aber sicher nicht Neid oder Aerger. Er ist überhaupt sehr unterhaltungsbedürftig, so wenig er dies auf die erste Vermuthung zu sein scheint, wenn man die frei lebenden einsam durch Wald und Garten streifen sieht. Er ist sichtlich dankbar, wenn man sich mit ihm unterhält, und er trägt sein Verlangen nach Unterhaltung seinem Pfleger auf das unzweideutigste zur Schau.«
Wie anhänglich Buntspechte werden können, mag aus nachstehender Mittheilung Girtanners hervorgehen, welche zwar ebenfalls bereits in den »Gefangenen Vögeln« veröffentlicht wurde, aber zu bezeichnend für die Spechte ist, als daß ich sie hier weglassen könnte. »Einem meiner Pfleglinge, welcher durchaus selbständig geworden war und auch Würmer, Maden, Spinnen und dergleichen suchen gelernt hatte, wollte ich die Freiheit schenken, trug ihn tief in den Hochwald und ließ ihn fliegen. Sofort rutschte er vergnügt an einer Tanne empor und schien guter Dinge zu sein, sah sich aber beständig nach mir um. Als ich mich entfernen wollte, begann er zu locken, flog mir nach und hängte sich an mich. So oft und so weit als möglich ich ihn auch fortwarf, immer wußte er mich wiederzufinden, und so blieb mir zuletzt nichts anderes übrig, als ihn wieder mit nach Hause zu nehmen. Ein anderer wurde so außerordentlich zahm, daß er nach Belieben aus- und einfliegen durfte und, weil er niemals ans Entfliehen dachte, auf den Bäumen der städtischen Spaziergänge öfter als zu Hause zu sehen war. Auf einen Pfiff von mir antwortete er stets, kam herbeigeflogen und erhielt sodann zur Belohnung Maikäferlarven. Wußte er, daß in der von mir geführten Blechbüchse solche noch vorräthig waren, so ließ er sich nicht vertreiben. In einem unweit meines Hauses gelegenen öffentlichen Garten verstand er, mich auch aufzufinden, suchte mich zuletzt hier regelmäßig auf, erbettelte sich irgend welche Leckerei, Käfer, Nüsse, Früchte und dergleichen, flog damit zum nächsten Baume, klemmte sie in eine vorgerichtete Spalte, zerhackte sie hier und zehrte sie auf.«
Die Buntspechte werden von dem Hühnerhabichte und Sperber zuweilen gefangen, entgehen diesen furchtbaren Feinden im Walde aber oft durch die Gewandtheit, mit welcher sie Bäume zu umkreisen oder sich in Schlupfwinkel zu bergen wissen. Ihre Brut wird von Wieseln und Eichhörnchen zerstört. Den letzteren sind sie, wie Naumann versichert, sehr abhold und verfolgen sie mit ängstlichem Geschrei, wenn sie in die Nähe ihres Nestes kommen.
In Laubwaldungen der Ebene gesellt sich zum Buntspecht der etwas kleinere und schönere Mittelspecht, Halbroth-, Weißbuntspecht, Kleiner Schild-, Elster-, Hacke- oder Aegastspecht ( Picus medius, cynaedus, quercorum, roseiventris und meridionalis, Pipripicus und Dendrocoptes medius, Bild S. 474), ein Vogel von einundzwanzig Centimeter Länge, vierzig Centimeter Breite, dreizehn Centimeter Fittig-, acht Centimeter Schwanzlänge und sehr ansprechender Färbung und Zeichnung. Stirn und Vorderkopf sind schwach rostweißlich, Scheitel und Hinterkopf scharlachroth, Nacken, Hinterhals und übrige Obertheile schwarz, Kopf- und Halsseiten, Schläfen und Unterseite bis zum Bauche weiß, auf der Brustmitte schwach rostgelb verwaschen, Bauch, After und untere Schwanzdecken licht scharlachroth, Bauch und Schenkelseiten rosenroth und wie die Brustseiten mit schmalen, schwarzen Schaftstrichen gezeichnet. Unter dem Ohre steht ein schwarzer Längsfleck, welcher sich mit einem schmäleren Streifen verbindet und bis zur Brust herabzieht; die weißen Schulterflecke bilden ein großes Feld. Die schwarzen Handschwingen zeigen fünf, die Armschwingen drei breite weiße Querflecke, die Armdecken weiße Spitzen, und es entstehen dadurch am zusammengelegten Flügel sechs weiße Querbinden. Die äußeren beiden Schwanzfederpaare sind in der Endhälfte weiß, mit zwei dunklen Querbinden, welche auf der Innenfahne der zweiten Steuerfeder bis auf eine sich verringern, gezeichnet. Das Auge ist roth, der Schnabel bläulich hornschwarz, der Fuß grauschwärzlich. Das Weibchen ähnelt dem Männchen, doch ist das Roth des Oberkopfes und Unterleibes heller und der Kopf wie die Brust deutlicher rostgelb verwaschen. Den jungen Vogel erkennt man an seinem schmutzigroth verwaschenen Oberkopfe und den blaßrothen Unterschwanzfedern.
Der Mittelspecht gehört zu den wenigen Vögeln, welche die Grenzen unseres heimischen Erdtheiles nur an einzelnen Stellen überschreiten. Sein Verbreitungsgebiet reicht nach Norden hin bis ins mittlere Schweden, nach Südosten bis Kleinasien, nach Osten bis Bessarabien, nach Süden bis Griechenland, Italien und Spanien, nach Westen hin bis zur Küste des Atlantischen Meeres. In Deutschland und Frankreich tritt er keineswegs überall, sondern immer nur an einzelnen Stellen und zwar vorzugsweise in Laubwaldungen auf. Nach Schalows Beobachtungen ist er ein ziemlich häufiger Bewohner der Mark, brütet beispielsweise in der nächsten Umgegend von Berlin, im Thiergarten, und streift während seiner Strichzeit vereinzelt bis in die Berliner Gärten hinein; nach Naumann ist er in Anhalt fast ebenso gemein wie der Roth- oder Buntspecht, in Laubwaldungen oft noch häufiger als dieser; nach Angaben anderer Beobachter, beispielsweise Borggreve's, soll er in ganz Norddeutschland überall einzeln vorkommen, was jedoch nach meinen Erfahrungen nur insoweit richtig ist, als auch dieser Specht ziemlich weit umherstreift und dabei Gegenden besucht, welche er sonst nicht bewohnt. Altum fand ihn in allen Eichenwaldungen ganz Deutschlands, und diese Angabe dürfte wohl am meisten der Thatsächlichkeit entsprechen, vorausgesetzt, daß man größere Waldungen ins Auge fäßt. In Thüringen vermißt man ihn auf weite Strecken hin, und es scheint somit, daß er reine Schwarzwaldungen meidet. In den Laubwaldungen Dänemarks ist er häufig, in Großbritannien dagegen fehlt er gänzlich; in Holland bemerkt man ihn dann und wann in der Nähe der deutschen Grenze, in Belgien nur in den Eichenwaldungen der Ardennen; in Frankreich tritt er häufiger im Süden als im Norden auf, kommt auch hier an einzelnen Stellen in großer Anzahl vor und fehlt an anderen vollständig; in Spanien soll er nach Angabe dortiger Vogelkundigen hier und da häufiger Vorkommen als der Buntspecht, in Portugal zu den gemeinen Vögeln des Landes zählen, in Italien dagegen ebenso selten sein wie in Griechenland, woselbst ihn Krüper im Taygetos- und Veluchigebirge und während des Winters in den Olivenwäldern Arkananiens beobachtete. Häufig ist er wiederum in Makedonien und Bulgarien, selten in Bessarabien und der Krim; im übrigen Rußland kommt er, laut Pallas, nur in den westlichen Gouvernements vor.
Wir verdanken Naumann, welcher vielfache Gelegenheit hatte, den Vogel zu beobachten, die eingehendste Schilderung seines Lebens und Treibens, und diese ist es, welche ich dem nachfolgenden zu Grunde lege. Wie die meisten verwandten Stand- und Strichvögel, verläßt der Mittelspecht schon im August oder doch im September sein Wohngebiet, wandert von einem Gehölze zum anderen und kehrt im März wieder nach demselben zurück. In der Zwischenzeit, besonders aber im Oktober, findet man ihn dann überall in Gehölzen, in denen er nicht brütet. Viele bleiben während des ganzen Winters in Deutschland, manche auch in unmittelbarer Nähe ihres Nistbezirkes, andere mögen südlichere Gegenden zu ihrem Winteraufenthalte wählen. Sie reisen einzeln, die Jungen anfänglich vielleicht mit den Eltern, jedoch niemals ihrer mehr als drei zusammen, selbstverständlich nur bei Tage, vorzüglich in der Morgendämmerung, folgen dabei in der Regel dem Zuge der Wälder und selbst einzelnen, diese verbindenden Baumreihen, scheuen sich jedoch nicht, auch weit über freies Feld zu fliegen. Treffen sie auf ihren Streifereien längere Zeit nicht auf Laubwald, so verweilen sie zeitweilig wohl auch im Schwarzwalde, bevorzugen aber unter allen Umständen den reinen Laubholzwald oder verlangen wenigstens gemischte Holzungen, wenn es ihnen gefallen soll. Die Anwaldungen an der Elbe, welche zwar vorzugsweise aus Eichen bestehen, jedoch auch viele Ulmen, Espen, Weißbuchen, Ellern und andere Holzarten enthalten, auch mit Wiesen und Viehtriften abwechseln, beherbergen ihn im Sommer und Winter in Menge, und von hier aus streicht er dann, zumal im Herbste, nach kleineren Gehölzen, Kopfweidenpflanzungen, besucht ebenso Baum- und Obstgärten und läßt sich unter Umständen wochenlang hier fesseln. Man sieht ihn an den Stämmen, bald nahe über dem Boden, bald hoch oben in den Aesten, und selbst in den Wipfeln klettern, gleichviel ob es sich um alte oder junge Bäume handelt, sowie er auch auf die dünnsten Aeste hinaussteigt. Zum Boden herab kommt er wie alle Buntspechte bloß ausnahmsweise, verweilt hier auch stets nur kurze Zeit. Hält er sich während des Winters länger in einer Gegend auf, und fehlt es hier an einer Baumhöhlung, in welcher er die Nacht zubringen kann, so bereitet er sich eine neue zu diesem Behufe, und man sieht ihn solche, oft mühsam genug, meist auf der unteren Seite eines wagerechten morschen Astes anlegen.
Auch unter seinen Verwandten fällt der Mittelspecht durch seine bunte Schönheit angenehm auf und das abstechende Schwarz und Weiß mit dem leuchtenden Roth herrlich in die Augen. An Munterkeit übertrifft er fast alle anderen Arten. Seine Bewegungen sind hurtiger und gewandter als die des Rothspechtes: wenn er mit diesem in Streit geräth, so weiß er durch geschickte Wendungen recht gut vor Thätlichkeiten desselben sich zu sichern. Wenig gesellig und unverträglich wie alle Spechte, hadert er auch mit seinesgleichen beständig, und nicht selten sieht man ihrer zwei sich packen und unter vielem Schreien ein Stück herunter-, zuweilen selbst bis zum Boden herabfallen. Anlaß zu solchen Streitigkeiten findet sich, sobald ein anderer gleichzeitig denselben Baum beklettert; denn aller Streitlust ungeachtet streichen doch oft mehrere gemeinschaftlich in einem Gehölze umher. Ebenso wie der Buntspecht gesellt er sich zu Meisen, Goldhähnchen, Kleibern und Baumläufern, ja der streichende Mittelspecht erscheint so regelmäßig mit solchem Gefolge, daß es zu den Ausnahmen gehört, wenn man einmal einen ohne das kleinere Volk bemerkt. Mit den anderen Arten seiner Familie theilt er beständige Unruhe und Hast. Nur wenn es sich darum handelt, erkundete Beute aus dem Holze zu ziehen, verweilt er kurze Zeit auf einer und derselben Stelle; im übrigen ist er fortwährend in Bewegung. Seine Gewandtheit zeigt auch er nur im Klettern und Fliegen. Auf dem Boden hüpft er mit stark gebogenen Fersen, wenn auch nicht gerade schwerfällig, umher; im Klettern zeigt er sich so überaus gewandt, daß er von keinem anderen einheimischen Spechte übertroffen werden dürfte. Sein Flug bewegt sich in einer großen Bogenlinie und ist leichter und schneller noch als der des Buntspechtes. Diesem ähnelt er auch hinsichtlich seiner Stimme; sein »Kick« oder »Kjick« liegt jedoch höher und folgt schneller und hastiger aufeinander als bei dem letztgenannten. Im Frühjahre schreien die Mittelspechte viel, und wenn die Männchen um ihre Weibchen werben, setzen sie sich dabei oft auf die Spitze eines hohen Baumes und wiederholen die Silbe »Kick« unzählige Male und gegen den Schluß hin gewöhnlich so schnell nacheinander, daß man das ganze eine Schäkerei nennen möchte. Der Ruf gilt dem Weibchen, lockt jedoch auch andere Männchen herbei und wird dann Aufforderung zum Kampfe. Denn nicht selten sieht man bald darauf ein anderes Männchen mit dem ersteren in dem heftigsten Streite von einem Baume zum anderen jagen und auf den Aesten entlang sich verfolgen. Auch kommt es dann wohl zu wirklichen Angriffen, und erst wenn beide des Jagens müde sind, hängen sie sich nebeneinander an einen Baum und schreien gewaltig, unter diesen Umständen aber kreischend und quäkend, also ganz anders als gewöhnlich. Hierbei sträuben sie die schön gefärbten Kopffedern hoch aus, verharren ein Weilchen in drohender Stellung, fahren meist plötzlich wieder aufeinander los und packen sich nicht selten so, wie vorstehend geschildert. Das verliebte Männchen jagt während der Paarungszeit in ähnlicher Weise hinter dem Weibchen her, bis dieses sich ihm ergibt. Außerdem gefallen sich die Männchen während der Begattungszeit auch darin, an dürren Zacken nach Art der Buntspechte zu trommeln und beleben dadurch die Eichenwälder in höchst anmuthender Weise.
Die Nahrung des Mittelspechtes ist fast dieselbe, welche wir beim Buntspechte kennen gelernt haben; doch hält er sich mehr an Kerbthiere als dieser und frißt mancherlei Baumsämereien nur nebenbei. Um sein tägliches Brod zu gewinnen, erklettert auch er die Bäume vom Stamme an, hämmert und pocht ununterbrochen an ihnen und nimmt alle Kerfe weg, welche in den Rissen der Borke unter der Schale oder in dem vermorschten Holze sitzen. Borken-, Zangen- und Rüsselkäfer in allen Lebenszuständen, die Larven der Borkenkäfer und Holzwespen, Spinnen, Kerbthiereier und Raupen beschicken seinen Tisch, und da seine rege Thätigkeit raschen Stoffwechsel bedingt, sieht man ihn vom frühen Morgen an bis zur Abenddämmerung in Arbeit. Reifen die Nüsse, so besucht er die Haselbüsche, bricht eine Nuß ab, klemmt sie wie der Buntspecht in einen bequem und dazu eingerichteten Spalt oder in eine Zweiggabel, öffnet sie und verzehrt den Kern. Ebenso verfährt er mit Eicheln und Bücheln, welche er ebenfalls gern genießt. Wie der Buntspecht, nicht selten in dessen Gesellschaft, besucht er Kirschpflanzungen, um die dort gereiften Früchte abzupflücken, den Kern zu spalten und dessen Inhalt zu genießen. Auch er frißt Nadelbaumsämereien und öffnet wie der Buntspecht Kieferzapfen, scheint dies jedoch nur dann zu thun, wenn ihm beliebtere Speise mangelt.
Schon zu Ende des März oder im April regt sich der Fortpflanzungstrieb. Jetzt erschallt der Wald wieder von dem Geschreie unseres Spechtes. Unter fortwährenden Kämpfen mit anderen Nebenbuhlern erwirbt er sich endlich ein Weibchen und schreitet nunmehr zur Herstellung des Nistraumes, falls ein solcher nicht schon in dem von ihm bewohnten Gebiete sich findet. Die Nisthöhlung wird nicht leicht tiefer als sechs, oft bis zwanzig Meter über dem Boden, bald im Schafte eines Baumes, bald in einem dicken Aste angelegt. Das runde Eingangsloch ist so eng, daß es den Vogel eben durchläßt, die kesselförmig erweiterte Nisthöhlung achtzehn bis fünfundzwanzig Centimeter tief, selten tiefer. Die fünf bis sieben kurzeiförmigen, rein weißen, glänzenden, glatten und feinkörnigen Eier liegen auf wenigen feinen Holzspänen am Boden der an den Wänden glatt gearbeiteten Höhle und werden in fünfzehn Tagen abwechselnd von beiden Eltern bebrütet. Die Jungen sind, so lange ihr Federkleid noch nicht entwickelt ist, ebenso häßliche, unbehülfliche, dickköpfige Gestalten wie die anderen Spechtarten, wachsen verhältnismäßig langsam und verlassen erst, wenn sie völlig flugbar sind, das Nest. Beide Eltern lieben ihre Brut innig, lassen sich auf den Eiern ergreifen und setzen sich auch später rückhaltslos Gefahren aus, welche sie sonst meiden.
Marder, Wiesel, Hühnerhabicht und Sperber verfolgen und fangen auch den Mittelspecht, Wiesel und andere kleine Raubthiere gefährden die Brut, der unverständige Mensch endlich Alte, Junge und die Eier. Da der Mittelspecht nicht scheu ist, läßt er sich leicht beschleichen und durch nachgeahmtes Klopfen herbeilocken, auch auf dem Vogelherde, dem Meisentanze, auf Leimstangen oder Kloben fangen und bei geeigneter Pflege wahrscheinlich ebenso gut wie der Buntspecht im Käfige erhalten. Ich selbst habe ihn zu meinem Bedauern noch niemals gepflegt, auch nirgends in Gefangenschaft gesehen, zweifle jedoch nicht, daß seine Behandlung eben nicht größere Schwierigkeiten verursacht als die des Bunt- oder Kleinspechtes.
Der dritte in ganz Deutschland, wenn auch nicht allerorten, regelmäßig vorkommende Buntspecht ist der Kleinspecht oder Gras-, Sperlings- oder Harlekinspecht, kleiner Baumhacker, Baumpicker, Schild-, Bunt- oder Rothspecht ( Picus minor, hortorum, striolatus, herbarum und Ledoucii, Pipripicus minor, Piculus minor, hortorum, crassirostris, pumilus und borealis, Xylocopus minor, Bild S. 474), der Zwerg unter unseren europäischen Spechten und eines der kleinsten Mitglieder seiner Familie überhaupt. Der Vorderkopf ist rostweißlich, der Scheitel hoch scharlachroth; Hinterkopf, ein schmaler Längsstrich am Hinterhalse, ein vom Schnabel bis hinter und unter die Ohrgegend verlaufender, nach rückwärts sich verbreiternder Streifen und alle übrigen Obertheile haben schwarze, die hinteren Manteltheile, Schultern und die obere Bürzelgegend weiße Grundfärbung, werden aber durch drei bis vier schwarze Querbinden gezeichnet; Zügel, Schläfe, Kropf und Halsseiten sowie die Untertheile sind unrein weiß, die Kropffedern durch größere, die der Brustseiten durch sehr schmale Schaftstriche, die unteren Schwanzdecken durch schwarze Querbänder geschmückt, die schwarzen Handschwingen außen mit vier bis fünf kleinen, die Armschwiugen mit zwei weißen breiten Querflecken, die größten oberen Flügeldecken und Armschwingen am Ende mit breiten weißen Spitzen geziert, so daß sich auf dem zusammengelegten Flügel fünf weiße Querbinden darstellen, die äußersten Schwanzfedern endlich auf weißem Grunde mit drei schwarzen Querbinden gezeichnet, wogegen die zweite nur an der Außenfahne und in der Endhälfte der inneren weiß ist, hier aber schwarze Querbinden zeigt und bei der dritten das Weiß sich auf die Spitze beschränkt. Das Auge ist roth, der Schnabel bläulich hornschwarz, der Fuß bleigrau. Dem Weibchen fehlt das Roth auf dem Scheitel, welcher wie der Vorderkopf bräunlich weiß ist. Junge Vögel unterscheiden sich von der Mutter durch die schmutzig rostbräunlich weiße Unterseite und zeichnen sich dadurch besonders aus, daß nicht allein die Männchen, sondern auch die Weibchen eine rothe Kopfplatte zeigen. Bei dem jungen Männchen ist der karminrothe Fleck größer als bei dem jungen Weibchen, bei letzterem auch weniger leuchtend. Von Woche zu Woche wird bei diesem das Roth kleiner, und in ungefähr vier Wochen ist es gänzlich verschwunden; bei dem jungen Männchen dagegen bleibt es unverändert. Die Länge beträgt sechzehn, die Breite dreißig, die Fittiglänge sieben, die Schwanzlänge sechs Centimeter.
Das Verbreitungsgebiet des Kleinspechtes dehnt sich mindestens ebenso weit aus wie das des Buntspechtes. Denn jener bewohnt ganz Europa von Lappland an bis zum äußersten Süden und ebenso Mittelasien bis ins Amurland, findet sich auch, abweichend vom Buntspechte, noch in den Waldungen Nordwestafrikas. Einzelne Naturforscher sehen zwar den in Ostsibirien lebenden Kleinspecht als besondere Art an, weil das Weiß auf dem Rücken ausgedehnter zu sein pflegt als bei den bei uns lebenden Stücken; dies aber bezieht sich auf alle sibirischen Vögel insgemein und berechtigt schwerlich zu einer Trennung dieser und jener Kleinspechte. Der beliebteste Wohnbaum des Vogels ist die Weide. Demgemäß bewohnt er alle Gegenden, in denen dieser Baum vorkommt, in besonderer Häufigkeit Strominseln, welche mit Weiden bestanden sind. Schon Radde bemerkt für Ostsibirien, daß der Kleinspecht die Hochwaldungen meidet, junge und Stangenhölzer ihnen bevorzugt, Eschengehölze und Pappelbestände vornehmlich liebt, nicht weniger aber die mit Weiden stark bewachsenen Inseln der Ströme bevölkert, und Elwes sagt ganz in Uebereinstimmung hiermit, daß er der gemeinste Specht Makedoniens sei und in sumpfigen Waldungen von Ellern und Weiden häufiger als in allen übrigen auftritt. Wir fanden diese Angaben auf unserer Reise nach Westsibirien in vollstem Umfange bestätigt. Da, wo der gewaltige Ob sich in unendliche Arme theilt und mit diesen mehr oder minder große, mit älteren und jungen Weiden bestandene Inseln bildet, tritt der Kleinspecht häufiger als jeder andere auf und darf stellenweise tatsächlich zu den gemeinen Vögeln gezählt werden. In der That entsprechen Weiden und sonstige weichholzige Bäume am besten seinen schwachen Kräften, und wenn er auch in anderen, namentlich Buchen, ebenfalls seine Nisthöhle anlegt, geschieht dies doch nur dann, wenn stark vermorschte Stämme oder Aeste solches ihm gestatten. Hierdurch erklärt sich sein vereinzeltes Vorkommen in Europa. In Deutschland ist er in ebenen Gegenden, welche reich an Weiden und Buchen sind, eine gewöhnliche Erscheinung, entzieht sich aber meist dem Auge des Beobachters. Oberförster Seeling wurde, wie Eugen von Homeyer mir erzählt, von einem Freunde gebeten, ihm Kleinspechte zu senden. Der Forstmann hatte bis dahin in seinem aus Buchen, Eichen und Kiefern gemischten Forste den Vogel nur einzeln gesehen und daher für sehr selten gehalten, gab aber nunmehr, um den Wunsch des Freundes zu erfüllen, den ihm unterstellten Forstbeamten Auftrag, auf den Specht und seine Nester zu achten. Infolge dessen wurden ihm binnen zwei Tagen zwanzig Kleinspechte eingeliefert. So mag es auch in anderen ausgedehnten Waldungen der norddeutschen Ebene sein. Im Gebirge dagegen tritt der Kleinspecht stets selten auf. Auch er ist mehr Stand- als Strichvogel. Da, wo er überhaupt brütend gefunden wird, trifft man ihn während des ganzen Jahres an; aber es kommt doch vor, daß er von den Ebenen aus den Fuß der Mittelgebirge zeitweilig besucht, also streicht. Dies geschieht regelmäßig in den Herbst- und Frühlingsmonaten, vom September und Oktober an bis zum April. Den reinen Nadelwald verschmäht er gänzlich; auch bei seinen Streifereien sucht er immer die Laubbäume auf. Er erwirbt sich ein bestimmtes Gebiet und durchstreift dasselbe täglich mehrere Male: dies wird namentlich im Winter bemerklich, wenn das Laub ihn weniger versteckt als sonst. Der Mittelpunkt seines Gebietes wird durch eine passende Höhlung bestimmt, weil auch er in einer solchen die Nacht zubringt. Deshalb meidet er auf seinem Zuge gänzlich diejenigen Gegenden, denen es an geeigneten Schlupfwinkeln fehlt. Nach Naumann sieht er sich oft genöthigt, Meisen und Feldsperlinge, welche derartige Nachtherbergen ebenso bequem finden als er, mit Gewalt aus dem Kämmerchen zu vertreiben; denn da er später zu Bette geht als jene, findet er das Schlafkämmerchen oft schon besetzt und erringt sich dann niemals ohne Kampf den Einlaß. Es scheint, daß er, des heftigen Streites um die Höhlen wegen, zuweilen sogar genöthigt ist, den Besitz derselben aufzugeben und sich neue anzulegen.
Dieser niedliche Specht ist, wie Naumann sehr richtig sagt, einer der muntersten und gewandtesten seiner Gattung. Mit großer Leichtigkeit hüpft er an den Baumschäften hinan, umkreist sie, klettert auch kleine Strecken rückwärts, doch den Kopf stets nach oben und läuft selbst bis auf die fingerstarke Spitze der Zweige hinaus oder sogar auf der unteren Seite fast wagerechter Zacken entlang. Er pickt und hämmert viel an den Bäumen und ist im Zimmern der Löcher zu Schlafstellen oder Nestern ebenso geschickt wie die größeren Arten, sucht sich dazu jedoch immer weiche Stellen aus. Auf alten Eichen legt er solche nicht selten auf der unteren Seite sehr schiefer oder beinahe wagerechter Hornzacken an. Zuweilen setzt er sich auf dünne Zweige in die Quere wie andere Vögel, hält sich aber dann nicht so aufrecht und zieht dabei die Füße an den Leib. Gegen seinesgleichen ist er ebenso futterneidisch und zänkisch wie die übrigen Spechte, weshalb man ihn außer der Fortpflanzungszeit auch immer nur einzeln antrifft. In seinem Gefolge sieht man ebenfalls sehr oft Kleiber, Meisen, Baumläufer und Goldhähnchen, welche mit ihm herumziehen, aber nicht weiter von ihm beachtet werden. Gegen den Menschen zeigt er sich zutraulich, läßt diesen wenigstens nahe an sich herankommen, bevor er weiterhüpft oder wegfliegt. Seine Stimme läßt sich durch die Silbe »Kik« oder »Kgiik« ausdrücken; der Ton ist hoch, schwach und fein und wird lang gezogen. Zuweilen wiederholt er den einen Laut mehrmals nach einander; namentlich geschieht dies beim Anhängen an einen Baum, nachdem er eine Strecke fliegend zurückgelegt hat. Er schreit viel, besonders bei heiterem Wetter, am meisten natürlich im Frühlinge während der Paarungszeit. Das Männchen schnurrt wie andere Spechte, aber viel schwächer und in höherem Tone als die größeren Verwandten.
Während der Begattungszeit, welche Anfang Mai beginnt, macht sich der Kleinspecht durch Unruhe, beständiges Rufen und Schnurren sehr bemerklich, und da, wo er häufig ist, gibt es auch lebhaften Streit zwischen Nebenbuhlern, welche um die Gunst eines Weibchens werben, oder zwischen zwei Paaren, welche um die Nisthöhle kämpfen. Diese wird regelmäßig in bedeutender Höhe über dem Boden angelegt, am liebsten in alten, hohen Weiden, Espen, Pappeln, Buchen, im Nothfalle auch Eichen, sonst noch in Garten- und Obstbäumen; in Pommern, laut Eugen von Homeyer, stets in Buchen, welche am Rande von Lichtungen stehen und, zum Theil wenigstens, nicht allein dürr, sondern auch vermorscht und vermulmt sind. Ihr Bau mag dem kleinen schwachen Gesellen viel Mühe verursachen, und deshalb wählt er vorzugsweise Stellen, wo ein alter Ast ausgebrochen und das Innere, infolge der eindringenden Feuchtigkeit, faul geworden ist. Der Eingang befindet sich meist in einer Höhe von fünfzehn bis zwanzig und nur ausnahmsweise in einer solchen von anderthalb bis zehn Meter über dem Boden, ist zirkelrund, als ob er mit einem Bohrer ausgedreht worden wäre, hat höchstens vier Centimeter im Durchmesser und führt in einen Brutraum von zehn bis zwölf Centimeter Weite und fünfzehn bis achtzehn Centimeter Tiefe. Auch der Kleinspecht fängt viele Nistlöcher an, ohne sie zu vollenden, und erschwert dadurch das Auffinden derjenigen, welche wirklich zum Brüten benutzt werden. Um diese kennen zu lernen, muß man, nach Päßlers Erfahrungen, beobachten, wohin das sorgsame Männchen fliegt, um sein brütendes Weibchen zu füttern. Das Gelege besteht aus fünf bis sieben kleinen glänzend weißen, zuweilen auch mit äußerst feinen, rothen Pünktchen spärlich bezeichneten Eiern. Beide Gatten brüten wechselsweise, zeitigen die Eier innerhalb vierzehn Tagen und übernehmen gemeinschaftlich die Aufzucht der Jungen.
Die Nahrung des Kleinspechtes scheint bloß aus Kerbthieren zu bestehen; denn man findet auch im Herbste und Winter nichts anderes in seinem Magen. Nach Walters eingehenden Beobachtungen frißt er im Freien nur Kerbthierlarven, Maden und andere weiche thierische Stoffe, verschmäht dagegen Fliegen und Käfer, ja sogar alle diejenigen Ameisenpuppen, in denen die Jungen bereits entwickelt sind. Gerade deshalb wird er so außerordentlich nützlich. »Nicht allein den Waldbäumen«, sagt Naumann, »sondern auch den Obstpflanzungen wird seine Anwesenheit zur wahren Wohlthat. Man sieht ihn beständig an den Bäumen und ihren Aesten picken und beinahe immer fressen, und bei nachheriger Untersuchung findet man den Magen so vollgestopft von allerlei oft winzig kleinen Baumverderbern, daß man darüber erstaunen muß.«
Glücklicherweise ist er der Verfolgungswuth weit weniger ausgesetzt als andere Spechte, weil er sich dem rohen Menschen nicht so bemerklich macht oder rasch aus dem Auge verschwindet und den, welcher ihn kennt, ohnehin zum Freunde hat. Andererseits freilich setzt ihn seine Zutraulichkeit mancher Gefahr aus. Auch er läßt sich durch nachgemachtes Pochen oder Klopfen herbeilocken; doch muß man seine Weise, zu hämmern, verstehen, wenn man auf Erfolg rechnen will: denn nur, wenn man sein Klopfen täuschend nachahmt, kommt er herbei.
Gefangene Kleinspechte sind allerliebste Vögel. Harmlos und zutraulich, munter, regsam, behend und gewandt, füllen sie ihren Platz in jedem Gebauer vortrefflich aus, verlangen aber, wenn sie ihre ganze Eigenart kundgeben sollen, einen Raum, in welchem sie zimmern und meiseln können nach Herzenslust. Wie ich schon in meinen »Gefangenen Vögeln« erwähnt habe, darf man sie ohne Bedenken in Gesellschaft von Meisen und Goldhähnchen halten; denn die kleinen Wichte sind gewiß nicht diejenigen, welche unter eine so gemischte Gesellschaft Unfrieden bringen. Es gewährt einen reizenden Anblick, in solchem Käfige das bekannte Bild aus dem Freileben unserer Waldvögel im kleinen herzustellen. Denn ebenso wie im freien Walde wird hier den niedlichen Gesellen bald die Führung und Leitung der gesammten Mitbewohnerschaft zugestanden. Walter stimmt im Lobe des kletternden Zwerges vollständig mit mir überein. »Der Kleinspecht«, schreibt er mir, »ist ein kluger, immer lustiger, zutraulicher, stets zu Spielereien geneigter Vogel und der Buntspecht im Vergleiche mit ihm ein wahrer Dummkopf. Er übt seine Spielereien in der belustigendsten Weise nicht nur für sich aus, sondern fordert auch seinen Pfleger oft zum Mitspielen auf. Ein Arm- oder Tuchschwenken setzt dann eine ganze Familie in die freudigste Aufregung, so daß sie wohl fünf Minuten lang die lustigsten Schwenkungen ausführt und sich kletternd um den Stamm herum wie Affen jagt. Dann versteckt sich einer mit senkrecht hoch gehobenen Flügeln hinter einem Stamme, wird von einem anderen entdeckt, und nun laufen beide mit senkrecht gehobenen, oben fast zusammentreffenden Flügelspitzen wie tanzend um den Stamm herum, immer sich neckend und verfolgend. Oft habe ich durch Hinzutreten die Vögel zur Ruhe bringen müssen; denn dann kommt sogleich die ganze Familie an das Gitter geflogen und betastet sorgfältig und anhaltend mit ausgestreckter Zunge die an den Käfig gehaltenen Hände.«
Vorstehendes ergänzend, erzählt mir derselbe Beobachter noch nachstehende allerliebste Geschichte. »Um so wohl das Aeußere wie auch die geistigen Eigenschaften dieses Vogels kennen zu lernen, hatte ich fünf schon etwas befiederte Junge aus der Nisthöhle genommen und ihnen einen ebenso weit entwickelten Buntspecht gesellt. Alle sechs fütterte ich mit Ameisenpuppen, welche sie zwar noch nicht vom Boden aufzunehmen verstanden, nach einigen Versuchen jedoch aus einer vor den Schnabel gehaltenen Papierdüte hervorzogen. Nach etwa viertägigem Füttern verließen die fünf Kleinspechte einer nach dem anderen das für sie hergerichtete Nest, kletterten am Baumstamme, den ich für sie in den Käfig gestellt hatte, herum und nahmen nun auch selbst das Futter vom Boden auf. Kaum hatten sie sich bequemt, allein zu fressen, so ergriff einer nach dem anderen eine Ameisenpuppe mit dem Schnabel, lief mit derselben zu dem im Neste hockenden Buntspechte und reichte sie ihm. Bevor der fünfte seine Puppe abgegeben hatte, war der erste schon wieder mit einer neuen zur Stelle, und so ging es immer nach der Reihe fort, bis der große Buntspecht nichts mehr aufnahm. Sowie er wieder Hunger hatte, begann das Füttern in derselben Reihenfolge wie vorher. Jeder Kleinspecht gab seine Puppe ab und holte eine neue, bis nach einigen Tagen auch der große Specht allein fressen konnte.
»Da ich diese niedlichen Vögel wegen einer in Aussicht stehenden längeren Reise nicht behalten konnte, beschloß ich, ihnen, nachdem ich sie zwei Monate im Käfige gehalten, die Freiheit zu schenken. Ich trug sie in einem kleinem Gebauer nach dem Berliner Thiergarten und setzte sie an einen starken, abseits vom Wege stehenden Eichenstamm, welchen alle fünf sogleich mit dem Schnabel zu bemeiseln begannen. Bald schienen sie auch ganz vertieft in ihre Arbeit zu sein. Sowie ich aber Miene machte, mich zu entfernen, hatte ich einige von ihnen auf Brust und Schulter. Da blieb mir nun nichts anderes übrig, als einen dicht belaubten, starken Zweig abzubrechen und durch Schwenken und Schlagen gegen den Stamm meine zutraulichen Thierchen so lange zu schrecken, bis sie scheu wurden. Hätte ich dies nicht gethan, so wären sie von anderen Leuten ergriffen worden und hätten vielleicht in kurzer Zeit ein trauriges Ende gefunden.« Zwei gefangene Kleinspechte, welche ich pflegte, waren von Freunden für mich aufgezogen und an Ameisenpuppen gewöhnt worden, hielten sich auch so lange vortrefflich, als ich frische Ameisenpuppen beschaffen konnte. Dann aber starben beide rasch nach einander, ohne daß ich mir dies erklären konnte. Walter gibt mir Auskunft, warum. Die Vögel haben so schwache Verdauungswerkzeuge, daß sie keine Gewölle bilden können, an schwer verdaulichen Stoffen, wie Kerbthierflügeln, Füßen und dergleichen, sich deshalb den Magen verderben, krank werden und an Abzehrung zu Grunde gehen. Hierin dürfte das größte Hindernis liegen, sie längere Zeit im Käfige zu halten.
Dieselben Feinde, welche den übrigen Spechten gefährlich werden, verfolgen selbstverständlich auch den Kleinspecht. Manch einer mag von ihnen ergriffen werden; manch einer entgeht ihnen aber auch, Dank seiner unvergleichlichen Gewandtheit. Dagegen setzt ihn nun wieder seine harmlose Zutraulichkeit mordlustigen Schützen gegenüber den größten Gefahren aus. Demungeachtet kann man nicht sagen, daß sein Bestand sich verringere; denn glücklicherweise verhängt der Winter seltener so große Noth über ihn wie über die Erdspechte, und ebenso entgeht seine Nisthöhle doch in den meisten Fällen dem Auge gieriger Eiersammler, welche unter dem Deckmantel der Wissenschaft zu der schlimmsten Geisel der ganzen Vogelwelt werden und, nicht allein Nester plündernd, sondern regelmäßig noch zerstörend, gerade unter Spechten ärger hausen als die mordsüchtigsten Raubthiere.
Der seltenste unter unseren Spechten ist der Weißspecht oder Elsterspecht, weißrückiger und größter Buntspecht ( Picus leuconotus, leucotus, polonicus und cirris, Pipripicus leuconotus und uralensis, Pipricus und Dendrodromas leuconotus). Er übertrifft den Buntspecht um ein beträchtliches an Größe und steht nur wenig hinter dem Grauspechte zurück; denn seine Länge beträgt zwischen sechsundzwanzig und achtundzwanzig, seine Breite zwischen siebenundvierzig und funfzig, die Fittiglänge sechzehn, die Schwanzlänge zehn Centimeter. Stirn und Vorderkopf sind weiß, rostfahl verwaschen, Scheitel und Hinterkopf scharlachroth, wobei jedoch zu bemerken, daß die grauen Federwurzeln durchscheinen, Nacken, Hinterhals und Oberseite sowie ein am Mundwinkel beginnender, seitlich am Halse herab verlaufender und hier mit einem von der Ohrgegend bis zur Kropfseite herabreichenden breiteren in Verbindung tretender Streifen schwarz, hintere Mantel- und Schultergegend weiß, mit einzelnen schmalen schwarzen Querlinien, Zügel, Schläfe, Kopf- und Halsseiten sowie die Untertheile weiß, Schenkelseiten, Bauch und Aftergegend schwarz, untere Schwanzdecken lebhaft scharlachroth, die Seiten der Brust und des Bauches durch schmale Schaftstriche, die Handschwingen außen mit vier, die Armschwingen mit zwei breiteren Querbändern, die Arm- und größten oberen Flügeldecken aber mit breiten, weißen Endrändern gezeichnet, so daß sich bei zusammengelegtem Flügel sechs breite weiße Querbinden darstellen, die beiden äußersten Schwanzfedern an der Wurzel schwarz, übrigens weiß und durch zwei dunkle Querbänder geschmückt, welche auf der zweiten nur auf der Innenfahne sich bemerklich machen und auf der dritten am Ende weißen Steuerfeder auf eine sich verringern. Die Iris ist gelbroth bis braun, der Schnabel dunkel hornblau, an der Spitze schwarz, der Fuß bleigrau. Das Weibchen unterscheidet sich durch schwarzen Scheitel von dem Männchen, der junge Vogel, laut Altum, durch noch nicht ausgeprägte Färbung. Die schwarzen Scheitelfedern zeigen hier bis etwas über die Scheitelmitte trübrothe Spitzen, so daß der Vordertheil des Oberkopfes schwarz mit trübrothen Punkten besetzt erscheint. Die Unterseite ist trübweiß und nur die allerletzten Bauch- und die unteren Schwanzdeckfedern sind scharlachröthlich überflogen, die Untertheile übrigens wie bei den Alten mit kurzen, nach dem Schwanze zu allmählich verschwindenden Schaftflecken gezeichnet.
In Griechenland und Kleinasien wird der Vogel durch einen ihm sehr nahe stehenden, neuerdings aber als Art unterschiedenen Verwandten ( Picus Lilfordi) vertreten, welchen wir Hellenenspecht nennen wollen. Er unterscheidet sich vom Weißspechte durch dunkel scharlachrothe Färbung des Scheitels und Hinterkopfes und die breit schwarz und weiß in die Quere gebänderte Schulter und Manteltheile sowie endlich die etwas lebhafter gefärbte Unterseite.
Das nördliche und nordöstliche Europa, auch ganz Südsibirien bis ins Amurland, bilden das Verbreitungsgebiet des Weißspechtes, welchen wir neuerdings als deutschen Brutvogel kennen gelernt haben. In unserem Vaterlande tritt er jedoch immer nur sehr vereinzelt auf, und es erscheint mir richtiger, ihn als Strichvogel, welcher dann und wann auch einmal zum Brutvogel wird, denn als Standvogel anzusehen. In Spanien, Italien, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark und England ist er, so viel mir bekannt, bis jetzt noch nicht beobachtet worden, in Südskandinavien dagegen kommt er nicht selten vor. Nach Collett brütet er in den Niederungen der Provinzen Christiana und Hamar an einzelnen Stellen in zahlreicher Menge, wird jedoch nach Norden hin noch häufiger und ist im Süden der Provinz Trondjem, namentlich in Oerkedal und Surendal, der gemeinste aller dort vorkommenden Spechte. In Schweden bemerkt man ihn, laut Nilsson, vereinzelt hier und da, im Norden ebenfalls öfter als im Süden; doch scheint sich sein Verbreitungsgebiet nicht bis in die nördlichsten Theile Skandinaviens zu erstrecken. Finnland verbindet sein Verbreitungsgebiet mit Rußland, einschließlich der Ostseeprovinzen und Polen, welche Länder man für Europa vielleicht als sein eigentliches Vaterland betrachten darf. In Sibirien bewohnt er, nach Radde, ohne Zweifel alle bewaldeten Gebiete des südlichen Theiles, und im Borejagebirge muß er häufig brüten. Ich glaube nun, daß alle Weißspechte, welche man in Deutschland und zwar in Ost- und Westpreußen, Schlesien, der Mark und Mecklenburg und ebenso in Bayern, Böhmen, Oberösterreich und den Pyrenäen gefunden hat, nur als solche Wanderer angesehen werden dürfen, welche einmal die Grenzen ihres eigentlichen Verbreitungsgebietes überschritten, unter Umständen sogar sich seßhaft gemacht und gebrütet haben.
Ueber das Freileben des Weißspechtes berichtet ausführlicher Wohl nur Taczanowski. »Der Weißspecht findet sich in Polen überall, aber nicht zahlreich, im Gegentheile stets seltener als beispielsweise der Mittelspecht. Er bewohnt die Laubwälder, insbesondere wenn dieselben aus Eichen, Birken und Ulmen bestehen; in Nadelwaldungen hingegen trifft man ihn nicht. Von den übrigen Spechten unterscheidet er sich durch sein ruhiges Wesen. Er ist weniger laut, bedächtiger in seinen Bewegungen, und auch sein Ruf wird seltener als von anderen vernommen. Manchmal verweilt er stundenlang auf einem und demselben Baume, beklettert ihn dann und wann auch ziemlich rasch von allen Seiten und sucht still nach seiner Nahrung. Ungeachtet seines stärkeren Schnabels verursacht er viel weniger Lärm durch Klopfen als andere Buntspechte, arbeitet im Gegentheile ruhig und erwählt dazu so viel als möglich sehr vermorschte Bäume, schält aber auch von ihnen nur die Rinde ab. Während des Winters begegnet man ihm nicht selten in Gärten und Ortschaften. Hier verweilt er unter Umständen den ganzen Tag über und begnügt sich, unbekümmert um den Menschen, wenige Bäume oder Hecken abzusuchen. Während der Brutzeit trommelt er nach Art anderer Buntspechte; das hierdurch verursachte Geräusch ist jedoch ebenfalls nicht laut und wird nicht auf fernhin gehört. Seine Nahrung besteht ausschließlich in Kerbthieren. Um einige Tage früher als der Schwarzspecht, meist schon Anfang April, schreitet er zum Nisten, und um die Mitte des Mai verlassen die Jungen das Nest. Letzteres legt er in einem sehr vermorschten Baume an, mit Vorliebe in Birken, Eschen, Ulmen, selten in Eichen, weitaus in den meisten Fällen im Stamme, ungefähr vier bis sechs Meter über dem Boden. Seine Vorliebe für verottete Bäume ist so groß, daß er auch solche erwählt, welche nur noch durch die Rinde zusammengehalten werden. Mir selbst begegnete es, daß einer von ihnen, welcher ein Nest mit Jungen enthielt und schon einige Jahre zum Nisten benutzt worden war, in buchstäblichem Sinne des Wortes in Stücke zerbrach, als ich daran schüttelte. Ein geübter Beobachter kann das Nest des Weißspechtes nicht allein an den verhältnismäßig großen Spänen unter demselben, sondern auch an dem kreisrunden Eingangsloche erkennen, während dieses bei den übrigen Arten bekanntlich länglich rund zu sein pflegt. Die Bruthöhle ist geräumiger als die des Buntspechtes, zuweilen so weit und tief wie die des Grünspechtes. Drei Eier bilden die gewöhnliche Anzahl des Geleges; ich kenne nur ein einziges Beispiel, daß auch vier in einem Neste gefunden wurden. Die Eier sind denen des Buntspechtes zum Verwechseln ähnlich, ändern aber hinsichtlich der Form vielfach ab, indem einzelne eine sehr verlängerte, andere sehr rundliche Gestalt haben.«
Unter den übrigen Beobachtungen, welche über den Weißspecht veröffentlicht worden sind, mögen noch folgende erwähnt sein. Nilsson, welcher mit Taczanowski darin übereinstimmt, daß unser Vogel Wälder mit sehr vermorschten Bäumen anderen bevorzuge, stellt das Vorkommen des Weißspechtes auch in Nadelwaldungen fest, bemerkt, daß derselbe nicht besonders scheu sei und an den Bäumen regelmäßig die oberen Theile absuche, im Sommer wie üblich paarweise gefunden, im Winter dagegen auch wohl in Familien beobachtet werde. Collett berichtet, daß man ihn in jedem Herbste in Dohnenstiegen fange, womit bewiesen wird, daß er auch Pflanzennahrung nicht gänzlich verschmäht. Altum endlich gibt höchst beachtenswerthe Mittheilungen über sein Brüten in Deutschland. Man kannte bis dahin zwei Fälle, daß der Weißspecht in unserem Vaterlande und zwar in der Gegend von München und in Schlesien sich fortgepflanzt habe, erfuhr aber trotzdem mit einiger Ueberraschung, daß derartige Fälle, nach Altums Meinung wenigstens, nicht ganz so selten sein dürften. Wie der letztgenannte Forscher glaubt, brütet er in der Mark vielleicht schon seit einer langen Reihe von Jahren. Ein Weibchen aus der Sammlung der Forstschule von Eberswalde wurde während der Brutzeit im Lieper Forste erlegt, ein Männchen 1847 im Juni geschossen. Einen sicheren Beweis des Brütens erhielt Altum jedoch erst am neunundzwanzigsten Mai 1872 und zwar dadurch, daß ihm Forstkandidat Hesse ein altes Männchen in abgetragenem Kleide brachte, welches er Tags vorher im Lieper Reviere erlegt hatte, während es mit dem Füttern seines Jungen beschäftigt war. Auf dringendes Ersuchen um Erlegung des Jungen wurde dieses am ersten Juni erlegt. Das deutsche Bürgerrecht des Weißspechtes kann also nach diesem nicht mehr bestritten werden.
Gloger war meines Wissens der erste Naturforscher, welcher, auf zwei in Deutschland vorkommende Arten gestützt, die Grünspechte, eine aus ungefähr einem Dutzend Arten bestehende Gruppe, unter dem Namen Ameisenspechte von den übrigen Familiengenossen sonderte. Man hat dieser Ansicht insofern Rechnung getragen, als man gegenwärtig die in Rede stehenden Spechte in einer besonderen Sippe vereinigt, welcher wir den Rang einer Untersippe zugestehen wollen.
Die Grün- oder Ameisenspechte ( Gecinus) kennzeichnen sich durch ziemlich bedeutende Größe, gestreckten Leibesbau, schwach keilförmigen, undeutlich vierseitigen Schnabel, welcher auf der Firste ein wenig gebogen ist, kurze, kräftige, vierzehige Füße, abgerundete Flügel, in denen die vierte und fünfte Schwinge die übrigen an Länge überragen, und auffallend lange Zunge. Das Gefieder ist meist grün, aus der Unterseite lichter und oft quer gewellt; die lebhaft gefärbten Kopffedern sind zuweilen zu einer Holle verlängert. Reichenbach vergleicht die Grünspechte mit den Bienenfressern und sagt, daß ihr schwaches Geripp auf mindere Kraft deute, daß sie auch seltener oder nicht pochen oder zimmern. Ihr Schädel ist mehr als bei anderen verlängert und die Brustwirbel haben breite, dicht an einander gerückte, obere Dornfortsätze. Als wichtigstes Kennzeichen der Gruppe wird jedoch immer die mehr oder weniger gleichmäßige Färbung des Gefieders anzusehen sein; denn auch die Grünspechte bilden durchaus keine streng nach außen abgeschlossene Sippschaft.
Der bekannteste, weil über ganz Deutschland verbreitete Ameisenspecht ist unser Grünspecht, Wieherspecht, Holzhauer, Zimmermann, gemeiner oder großer Grünspecht, kleiner Baumhacker ( Picus viridis, Gecinus viridis, pinetorum, frondium und virescens, Brachylophus und Chloropicus viridis). Die Oberseite des Kopfes, Nacken und ein breiter, schmal schwarz umsäumter Mundwinkelfleck sind scharlachroth, auf dem Scheitel durch die sichtbar hervortretenden grauen Federwurzeln grau schattirt, die Nasenfederchen und Zügel rauchschwarz, die Obertheile olivengrasgrün, die Flügel mehr bräunlich verwaschen, Bürzel und obere Schwanzdeckfedern glänzend olivengelb, Ohrgegend, Kinn und Kehle weiß, schmutzig grünlich angehaucht, Halsseiten und Unterteile gelbgrünlichweiß, die Schenkelseiten wie die unteren Schwanzdeckfedern mit dunklen Querbinden, die Handschwingen außen mit sechs bis sieben rostweißlichen Querflecken, alle Schwingen innen mit breiten, weißlichen Randflecken, die schwarzen Schwanzfedern endlich mit fünf bis sieben olivenbraun verwaschenen Querbinden gezeichnet. Das Weibchen unterscheidet sich durch breite schwarze Mundwinkelflecke, der junge Vogel durch die mit schwarzen Querflecken bindenartig gezeichnete Unterseite, den dunkelgrauen, roth getüpfelten Ober- und Hinterkopf, den nur durch schwarze Endflecke der Federn angedeuteten Bartflecken und die dunkel längs gestrichelten Halsseiten. Das Auge ist bei den Alten bläulichweiß, bei den Jungen dunkelgrau; der Schnabel ist schmutzig bleigrau, an der Spitze schwärzlich, der Fuß grünlich bleigrau. Die Länge beträgt einunddreißig, die Breite zweiundfunfzig, die Fittiglänge achtzehn, die Schwanzlänge zwölf Centimeter.
Auch der Grünspecht zählt zu den weit verbreiteten Arten. Vielleicht mit Ausnahme Spaniens und des von der Tundra eingenommenen Nordrandes unseres Erdtheils kommt er überall, hier häufiger, dort spärlicher, in Europa vor. Blandford fand ihn noch in Persien; in Egypten dagegen fehlt er, obgleich mein Vater, Naumann, Gloger und andere das Gegentheil behaupten. Nach Norden hin verbreitet er sich bis Lappland. In Spanien wird er durch einen ihm sehr nahe stehenden Verwandten ( Picus oder Gecinus Sharpei) vertreten, welcher sich nur dadurch von ihm unterscheidet, daß Zügel und Augenkreis nicht schwarz, sondern schiefergrau und der rothe Bartstreifen nicht schwarz umrandet wird, dessen Artselbständigkeit daher einstweilen noch fraglich erscheinen muß.
In manchen Gegenden Deutschlands ist der Grünspecht ein allbekannter Vogel, wogegen er in anderen nicht oder höchstens gelegentlich seiner winterlichen Streifereien angetroffen wird. Weiter nach Osten hin tritt er seltener, in Rußland namentlich viel vereinzelter auf als der Grauspecht. In Gebirgen steigt er regelmäßig bis zu fünfzehnhundert Meter unbedingter Höhe empor; Baldamus traf ihn noch als Brutvogel des Engadin. Während der Brutzeit bewohnt er ein mehr oder weniger ausgedehntes, im allgemeinen nicht auffallend weites Gebiet. Im Herbste verlassen dieses zunächst die von ihm erbrüteten Jungen, bei sehr strenger Kälte und starkem Schneefalle aber auch die Alten. Die Streifzüge beginnen, sobald die Jungen selbständig geworden sind, und enden erst im nächsten Frühjahre, wenn die Brutzeit herannaht; sie werden aber weder mit bestimmter Regelmäßigkeit, noch auf gewisse Strecken ausgedehnt: in manchen Wintern streicht der Vogel gar nicht, in anderen fliegt er ziemlich weit im Lande umher, wendet sich auch wohl gegen Süden und kann unter Umständen bis an die Grenzen unseres Erdtheiles reisen, da man beispielsweise in Macedonien während des Winters mehr Grünspechte beobachtet haben will als während des Sommers. Nach Art der ganzen Verwandtschaft wandern auch unsere Spechte einzeln, gesellen sich jedoch zuweilen zu zahlreicheren Trupps. So beobachtete Schacht einmal um Weihnachten eine Gesellschaft von acht Stück auf einer Wiese, woselbst sie Nahrung suchend in großen Sprüngen herumhüpften, bei Ankunft des Beobachters aber nach allen Richtungen hin aus einander stoben. Oberndörfer, ein guter Kenner einheimischer Vögel, will, wie Martin mittheilt, sogar einen, zu dreiviertel aus Grün- und zu einviertel aus Grauspechten bestehenden Trupp von weit über hundert Stück beobachtet haben, welcher in einem Wiesenthale auf einer Fläche von einviertel Hektar versammelt gewesen sein soll.
Man kann nicht sagen, daß der Grünspecht ein Waldvogel ist. Im reinen Nadelwalde ist er sehr selten, im Laubwalde trifft man ihn häufiger an; am liebsten aber bewohnt er Gegenden, in denen Baumpflanzungen mit freien Strecken abwechseln. Während der Brutzeit hält er sich in der Nähe seiner Nesthöhle auf; im Winter durchstreift er, auch wenn er nicht die Gegend verläßt, ein größeres Gebiet als im Sommer, pflegt aber allabendlich eine Höhlung aufzusuchen, um in ihr zu schlafen. Dann erscheint er monatelang in den Gärten, unmittelbar neben den Wohnungen, auch selbst in den Gebäuden: einer, welchen ich lange Jahre beobachtet habe, schlief regelmäßig im Gebälke der Kirche meines Heimatdorfes, ein anderer in einem Staarkübel, welcher in unserem Garten aufgehängt war.
Der Grünspecht bethätigt dieselbe Munterkeit und Fröhlichkeit, dieselbe List und Vorsicht und dieselbe Unruhe und Rastlosigkeit wie seine Verwandten. Er klettert ebenso gut wie sie, übertrifft die bei uns einheimischen aber im Gehen; denn er bewegt sich sehr viel auf dem Boden und hüpft hier mit großem Geschick umher. Sein Flug ist hart, rauschend, und dadurch von dem anderer Spechte verschieden, daß er sehr tiefe Bogenlinien beschreibt. Die Stimme ist ein helles, weit tönendes »Glück«, welches, wenn es oft wiederholt wird, einem durchdringenden Gelächter ähnelt, der Laut der Zärtlichkeit ein wohltönendes »Gück«, »Gäck« oder »Kipp«, der Angstruf ein häßliches Gekreisch. Das so vielen anderen Spechten gemeinsame Trommeln scheint der Grünspecht nicht auszuführen; wenigstens habe ich es nie vernommen.
Das tägliche Leben unseres Vogels verläuft etwa folgendermaßen: sobald der Morgenthau einigermaßen abgetrocknet ist, verläßt der Grünspecht seine Nachtherberge, schreit vergnügt in die Welt hinaus und schickt sich an, sein Gebiet zu durchstreifen. Wenn nicht gerade die Liebe in ihm sich regt, bekümmert er sich wenig um seinen Gatten, geht vielmehr selbständig seine Wege und kommt nur gelegentlich mit dem Ehegenossen zusammen. Er streift von einem Baume zum anderen, in einer gewissen Reihenfolge zwar, aber doch nicht so regelmäßig, daß man ihn mit Sicherheit an einem bestimmten Orte erwarten könnte. Die Bäume sucht er stets von unten nach oben ab; auf die Aeste hinaus versteigt er sich seltener. Nähert man sich einem Baume, auf welchem er gerade beschäftigt ist, so rutscht er schnell auf die dem Beobachter abgekehrte Seite, schaut zuweilen, eben den Kopf vorsteckend, hinter dem Stamme hervor, klettert höher aufwärts und verläßt plötzlich unbemerkt den Baum, pflegt dann aber seine Freude über die glücklich gelungene Flucht durch lautes, frohlockendes Geschrei kundzugeben. Bis gegen den Mittag hin ist er in ununterbrochener Thätigkeit. Er untersucht in den Vormittagsstunden gewiß über hundert Bäume und nimmt außerdem jeden Ameisenhaufen mit. An hartholzigen Bäumen hämmert er viel weniger als andere Spechte, dagegen meiselt er nicht selten in das Gebälk der Wohnungen oder in Lehmwände tiefe Löcher. Wenn im Sommer die Wiesen abgemäht sind, läuft er viel auf dem Boden umher und sucht dort Würmer und Larven zusammen; im Winter fliegt er auf die Gehänge, von denen die Sonne den Schnee weggeleckt hat und späht hier nach verborgenen Kerfen. Er ist kein Kostverächter, zieht aber doch die rothe Ameise jeglicher anderen Nahrung vor und fliegt ihr zu Gefallen weit auf den Feldern umher. Im Ameisenfange ist er geschickter als alle übrigen Spechte, weil seine Zunge verhältnismäßig länger ist und, Dank ihrer Kleberigkeit, in derselben Weise wie beim Ameisenfresser gebraucht werden kann. »Wie erpicht die Grünspechte auf Ameisen und deren Puppen sind«, schreibt mir von Reichenau, »davon habe ich mich in den an Ameisenhaufen reichen Waldungen um Wetzlar oft überzeugt. Die anfangs lockeren Hügel werden durch ihr eigenes Gewicht und die Vermoderung der Holztheile sowohl wie durch die Einwirkung des Regens nach und nach so fest, daß der Grünspecht sich genöthigt sieht, mit seinem spitzigen Keilschnabel einen Weg zu bahnen, um zu seiner Lieblingsnahrung zu gelangen. Zur Winterszeit nun stecken die Ameisen sehr tief in der Erde, und der hungrige Specht sieht sich dann genöthigt, bis zu dreißig Centimeter tiefe Löcher, ähnlich den in morschen Stämmen und Aesten angelegten Schlupf- und Nisthöhlungen, auszumeiseln, um die in halber Erstarrung liegenden Kerfe zu erhalten. Bei diesem Geschäfte ist er natürlich im Sehen und Umschauhalten beschränkt; der Hunger läßt ihn seine ihm sonst eigene Vorsicht vergessen, und es fällt alsdann einem Raubthiere gewiß leicht, seiner habhaft zu werden: griff doch mein ehemaliger Jagdgenosse Weber einen völlig gesunden Vogel dieser Art, welcher in obiger Weise beschäftigt war, mit der Hand.« Dasselbe wird von mehreren anderen Beobachtern mitgetheilt, so auffallend es auch erscheinen will, daß der sonst sehr vorsichtige Vogel in so plumper Weise sich übertölpeln läßt. Außer den Ameisen verzehrt der Grünspecht auch mancherlei Käfer- und Schmetterlingslarven, namentlich die des Bockkäfers und des Weidenbohrers, ebenso, nach einer beachtenswerthen Mittheilung Hallers, Maulwurfsgrillen, welche er wie jene Maden tatsächlich mit seiner Zunge anspießt und aus ihren Höhlen und Winterschlupfwinkeln hervorzieht. Da er sich gewöhnt, im Winter Dörfer und Gehöfte zu besuchen, so kann es geschehen, daß er sich auch wohl Uebergriffe in menschliches Besitzthum zu Schulden kommen läßt. Ganz abgesehen davon, daß er bei seinem Suchen nach versteckten Kerbthieren Lehmwände und Strohdächer zerhackt, zermeiselt er auch dann und wann einmal die Wand eines Bienenstockes und richtet nunmehr unter den im Winterschlaf liegenden Immen arge Verheerungen an. Auch Pflanzenstoffe verschmäht er nicht gänzlich. Schacht erfuhr, daß er Vogelbeeren verzehrt, und Haller beobachtete einen Grünspecht, welcher allwinterlich ein mit wilden Reben übersponnenes Gartenhäuschen besuchte und hier an den Beeren sich gütlich that.
Ende Februar stellt er sich auf seinem Brutplatze ein; aber erst im April macht das Weibchen Anstalt zum Nisten. Im März sieht man beide Gatten stets vereinigt, und das Männchen zeigt sich dann sehr erregt. Es setzt sich auf die Spitze eines hohen Baumes, schreit stark und oft und jagt sodann das herbei gekommene Weibchen spielend von Baum zu Baum. Gegen andere Grünspechte benimmt sich das Pärchen sehr unfreundlich; das einmal gewählte Gebiet wird gegen jeden Eindringling und, wenn es an geeigneten Nistbäumen fehlt, auch gegen den Grauspecht hartnäckig vertheidigt. Wie üblich erwählt der Grünspecht zur Ausarbeitung seiner Nisthöhle einen Baum, welcher im Inneren kernfaul oder schon hohl ist. Hier sucht er sich eine Stelle aus, wo ein Ast ausgefault war, und diese Stelle wird nun erweitert. Beide Gatten arbeiten gemeinschaftlich und sehr fleißig, so daß die Höhlung schon innerhalb vierzehn Tagen vollendet ist. Der runde Eingang ist so klein, daß der Vogel eben aus- und einschlüpfen kann, die innere Höhlung fünfundzwanzig bis fünfzig Centimeter tief und etwa fünfzehn bis zwanzig Centimeter weit. Trifft der Grünspecht im Inneren auf sehr festes Holz, so läßt er die begonnene Arbeit liegen, und lieber noch, als er eine neue Höhlung sich zimmert, benutzt er eine alte, welche ein anderer seiner Art meiselte, kehrt auch, wenn er nicht gestört wurde, im nächsten Jahre wieder zu derselben zurück. Das Gelege besteht aus sechs bis acht länglichen, glattschaligen, glänzend weißen Eiern. Beide Gatten brüten wechselweise sechzehn bis achtzehn Tage lang, das Männchen von zehn Uhr morgens bis drei oder vier Uhr nachmittags, das Weibchen während der übrigen Zeit des Tages; beide erwärmen die zarten Jungen abwechselnd, und beide tragen denselben eifrig Nahrung zu. Die Jungen sind ebenso häßlich wie anderer Spechte Kinder, entwickeln sich ebenso rasch und schauen schon in der dritten Woche ihres eigentlichen Lebens aus dem Nestloche heraus. Später beklettern sie von hier aus den ganzen Baum, und endlich durchstreifen sie mit ihren Eltern das Wohngebiet, kehren aber noch eine Zeitlang allabendlich zu der Bruthöhle zurück. Die Streifzüge werden nun weiter und weiter ausgedehnt, und schließlich sucht die Familie, welche noch immer zusammenhält, nicht mehr die Bruthöhle auf, sondern übernachtet irgendwo in einer anderen. Vom Oktober an vereinzelt sich die Gesellschaft: die Jungen sind selbständig geworden, und jeder sucht sich nunmehr, ohne Rücksicht auf die anderen, sein tägliches Brod.
Der Grünspecht ist schwer zu fangen. In Sprenkeln oder auf dem Vogelherde wird bloß zufällig einer berückt; eher noch gelingt dies, wenn man seine Schlafhöhlung ausgekundschaftet hat und vor dem Eingange Schlingen anbringt. »In meinem Wäldchen«, erzählt Naumann, »hatte sich einst ein Grünspecht eine Höhle zu seiner Nachtruhe in eine alte, hohe, graue Espe gezimmert. Ich erstieg den Baum mit einer langen Leiter, schlug ein Stiftchen dicht über das zirkelrunde Loch und hing einen dünnen Bügel mit Schlingen lose daran, so daß diese den Eingang bestellten. Aus einer alten Laubhütte beobachtete ich nun ungesehen den schlauen Specht, welcher erst im Düstern ankam, die Anstalten scheu betrachtete und einigemal vom Baume abflog, ehe er den Muth hatte, sich dem verfänglichen Loche zu nähern. Endlich hing er sich vor dasselbe, guckte ein-, zweimal hinein, fühlte die Schlinge um den Hals, wollte entfliehen, kam aber mit gräßlichem Geschrei, den Bügel am Halse, herabgeflattert und war gefangen. Ich behielt ihn nur einen Tag lang und ließ ihn dann wieder fliegen. Er scheute nun den verhängnisvollen Baum auf lange Zeit, ging aber doch nach Verlauf von mehreren Wochen allabendlich wieder in seiner Höhle zur Ruhe.«
»Der Grünspecht«, bemerkt Naumann noch, »ist ein so stürmischer, unbändiger Vogel, daß man an Zähmung eines Alten gar nicht denken darf. Man hat es versucht und ihn an ein Kettchen gelegt; aber der Erfolg war immer ein baldiger Tod des ungestümen Gefangenen. Aus einem hölzernen Vogelbauer helfen ihm seine kräftigen Schnabelhiebe sehr bald, und läßt man ihn in die Stube, so klammert er sich an allem an und zermeiselt das Holzwerk. Daß sie sich, jung aufgezogen, leichter zähmen lassen, mag sein; mir ist aber kein Fall derart bekannt geworden.«
Aufgemuntert durch meine Erfolge bei Aufzucht der Schwarzspechte, habe ich auch den Grünspecht zeitweilig gepflegt, kann aber nicht sagen, daß er mir Freude bereitet hätte. Sein Benehmen war im wesentlichen das des Schwarzspechtes, die an den Käfigen von ihm bethätigte Zerstörungslust nicht geringer als bei diesem. Zu voller Munterkeit aber gelangten meine Pfleglinge nicht, obgleich ich ihnen Ameisenpuppen bot, so viel sie deren bedurften. Auch Liebe hat dieselbe Erfahrung machen müssen wie ich: die von ihm mit größter Sorgfalt gepflegten Grünspechte sind nicht alt geworden.
Unter unseren Raubvögeln gefährdet wohl nur der Hühnerhabicht den Grünspecht ernstlich. Gegen die Edelfalken, welche bekanntlich bloß fliegende Beute aufnehmen, schützen ihn die Baumstämme, zu denen er angesichts eines solchen Räubers sofort flüchtet und welche er dann so rasch umklettert, daß ein minder gewandter Vogel als der Habicht ihm nicht beizukommen vermag. Dieser freilich führt im Fluge so kurze Schwenkungen aus, daß er wohl zum Ziele gelangen mag. Darauf hin deutet wenigstens das ängstliche Schreien, welches der Grünspecht beim Anblick dieses furchtbaren Räubers wie auch des Sperbers ausstößt. Andere größere Waldvögel, beispielsweise Krähen, stoßen wohl auch einmal neckend auf ihn herab; zu ernstlichen Kämpfen mit ihnen kommt es aber nicht. Dagegen kann es gelegentlich seiner Wühlereien in Ameisenhaufen geschehen, daß er wiederum in Streitigkeiten geräth, welche man sonst nicht beobachtet. So sah Adolf Müller einen Nußheher, nachdem derselbe neugierig die Arbeit eines in beschriebener Weise beschäftigten Grünspechtes beobachtet hatte, allmählich näher kommen und plötzlich dem Spechte sich zum Kampfe stellen. Beide Vögel griffen gegenseitig an und vertheidigten sich mit gleicher Geschicklichkeit, bis der Heher Verstärkung herbeiholte und mit fünf anderen seiner Art den Grünspecht in die Flucht trieb.
Von den Menschen hat dieser nicht mehr als andere Spechte zu leiden, obgleich er zuweilen die Rachsucht eines Zeidlers, dessen Bienenstöcke er schädigte, heraufbeschwört. Verderblicher als alle Feinde wird dem Grünspechte der Winter. Wenn tiefer Schnee den Boden bedeckt, tritt bald Hungersnoth ein, und nur da, wo alte große Bäume wirtlich mit der in ihrem morschen Holze versteckten Kerbthierbevölkerung aushelfen, übersteht er ohne Schaden die unfreundliche Jahreszeit. Bei plötzlich sich einstellender Kälte und tiefem Schneefalle begegnet man ihm dann nicht selten in alten Hochwaldungen, zuweilen in zahlreicher Menge. So beobachtete Snell, daß in dem Winter von 1860 zu 1861 ein uralter Eichwald fast alle Spechte der Umgegend in sich versammelte. »Man hörte«, sagt er, »in jenen Tagen vom Morgen bis zum Abend ein Hämmern und Pochen, ein Schwirren und Schreien, daß selbst die stumpfsinnigsten Bauern, welche des Weges vorüberzogen, aufmerksam wurden und stehen blieben.« In Gegenden, in denen es solche Waldungen nicht gibt, nimmt man nach harten Wintern ersichtliche Abnahme der Spechte wahr. »Ich selbst habe«, berichtet Liebe, »zu solcher Winterszeit verendete, aus Mangel umgekommene Grün- und Grauspechte im Walde gefunden, und sind mir auch von anderen einigemal derlei Leichen ins Haus gebracht worden. Wenn sich im Nachwinter die Ameisen tief in ihre Bauten zurückgezogen haben und Schnee die Wiesen und Grasplätze bedeckt, dann sind die Grünspechte auf Holzmaden und dergleichen angewiesen. Unsere Forstwirtschaft läßt aber in ihren den Gartenbeeten gleichenden Schöpfungen gewiß nicht so leicht einen Baum am Leben, welcher für jene Vögel Nahrung in sich bergen könnte. Die Grün- und Grauspechte, die kleineren Bunt- und die Schwarzspechte werden bei uns aussterben wie die Indianer infolge der Kultur.«
Der deutsche Verwandte des Grünspechtes ist der auf Seite 487 bildlich dargestellte Grauspecht, graugrüne, grüngraue, grauköpfige Specht, grauköpfige, norwegische und Berggrünspecht, Graukopf etc. ( Picus canus, norvegicus, viridi-canus, chloris und caniceps, Gecinus und Chloropicus canus). Er steht an Größe wenig hinter dem Grünspechte zurück: seine Länge beträgt dreißig, seine Breite höchstens funfzig, die Fittiglänge fünfzehn, die Schwanzlänge elf Centimeter. Vorderkopf und Scheitelmitte sind scharlachroth, Stirnrand und ein schmaler Strich über dem schwarzen Zügelstreifen dunkelgrau, die Kopfseiten etwas heller, Hinterkopf und Nacken grünlich verwaschen, die übrigen Obertheile olivengrasgrün, Bürzel und obere Schwanzdecken glänzend olivengelb, Kinn und Kehle schmutzig graulich, durch einen schmalen schwarzen, an der Wurzel des Unterschnabels beginnenden und bis zum Ohre reichenden Streifen von dem Grau der Backen getrennt, die übrigen Untertheile schmutzig graugrünlich, die Handschwingen außen mit sechs bis sieben weißlichen schmalen, alle Schwingen innen mit großen, weiten Querflecken, die Schwanzfedern schwarzbraun, die beiden mittelsten längs der Schaftmitte bräunlich grau verwaschen. Die Iris ist röthlichbraun oder bei alten Vögeln rosenroth, der Schnabel graulich hornschwarz, der Fuß schieferschwarz. Das Weibchen gleicht dem Männchen, besitzt aber nicht die rothe Scheitelplatte.
Das Verbreitungsgebiet des Grauspechtes ist erheblich ausgedehnter als das seines bekannteren Verwandten; denn es erstreckt sich, mit Ausnahme Großbritanniens, über den größten Theil Europas und über ganz Sibirien bis Japan, nach Süden hin bis Persien. In Deutschland tritt er im allgemeinen seltener auf als der Grünspecht, bewohnt aber annähernd dieselben Oertlichkeiten wie dieser. Hier und da fehlt er gänzlich, in anderen Gegenden findet man ihn einzeln, wenigstens an allen für ihn geeigneten Stellen. Doch theilt er mit Schwarz- und Grünspecht dasselbe Schicksal: er nimmt von Jahr zu Jahr mehr ab und vermindert sich in demselben Verhältnisse, in welchem die ausgiebigste Bewirtschaftung des Grundes und Bodens vorschreitet. Noch in meiner Knabenzeit war er in Ostthüringen ebenso häufig als in dem zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, welches meinem Vater Gelegenheit zu seinen trefflichen Beobachtungen über ihn bot; gegenwärtig sieht man wohl noch den Grünspecht, aber nur selten, ohne daß man eigentlich sagen könnte, weshalb er so ersichtlich abgenommen hat. Wie mein Vater hervorhebt, liebt er die Vor- und Feldhölzer oder mit Laubbäumen besetzte Thäler und erwählt ausgedehntere Schwarzhölzer nur dann, wenn sie an das Feld stoßen, findet daher in unseren thüringischen Flußthälern alle Erfordernisse zu behaglichem Leben und gedeihlicher Vermehrung und wird dennoch immer seltener. Dies mag in anderen Gegenden Deutschlands nicht so sein; im allgemeinen aber wird sich die eben ausgesprochene Behauptung überall bewahrheiten. Borggreve bezeichnet ihn als einen echten Standvogel des Buchengürtels zwischen drei- bis achthundert Meter über dem Meere, und Gloger behauptet, daß im Sommer einzelne bis in die letzten Alpenwälder hinaufgehen; ich meinestheils muß bemerken, daß ich ihn im Hochgebirge nie und in den von Borggreve angegebenen Höhen nur äußerst selten gesehen, vielmehr vorwaltend als Bewohner der Niederung und des Hügellandes bis zu ungefähr anderthalbhundert Meter unbedingter Höhe kennen gelernt habe. Doch traf ihn auch Baldamus als Bewohner hochgelegener Alpenthäler an. Nach meinen Beobachtungen möchte ich sagen, daß er ein Charaktervogel ausgedehnter Obstpflanzungen sei. Hier wenigstens findet er sich, wenn alte, hohle Bäume vorhanden sind, häufiger als irgendwo anders, und solche besucht er während seiner Wanderungen regelmäßig.
In milden Wintern verweilt ein fest angesiedeltes Paar Jahr auf Jahr ein in demselben Brutgebiete, obwohl es auch dann, gelegentlich kleiner Streifzüge, die Grenzen desselben überschreiten kann. Strenge Winter hingegen zwingen den Grauspecht, aus denselben Gründen wie sein größerer Verwandter weite Reisen anzutreten. Diese führen ihn nicht allein bis Süddeutschland, sondern sogar bis jenseit der Alpen und Pyrenäen wie des Balkan, werden jedoch so viel als möglich beschränkt. Erst im Oktober beginnt er zu wandern, und mit den ersten Tagen des März hat er sich sicher in seinem Brutgebiete eingestellt, so schwer es ihm dann auch noch werden mag, sein Leben zu fristen. Gloger behauptet, daß er mit dem Grünspechte in offener Fehde lebe und von ihm in dessen eigentlichem Gebiete nicht geduldet werde; diese Angabe ist jedoch nur insoweit richtig, als der stärkere Grünspecht ihn aus einem Brutgebiete vertreibt, in welchem Wohnungsnoth herrscht. Im übrigen vertragen sich beide ebenso gut mit einander wie verschiedenartige Spechte überhaupt, und ich selbst kenne nicht besonders ausgedehnte Brutgebiete, in denen beide allsommerlich sich fortpflanzen. Während ihrer Reisen gesellen sie sich, wie der trefflich beobachtende Snell mittheilt, nicht allzuselten, nähren sich wie gute Kameraden auf einer und derselben Stelle und fliegen, aufgescheucht, gemeinschaftlich eine Strecke weit fort.
In seinem Wesen und Betragen ähnelt der Grauspecht seinem nächsten Verwandten so sehr, daß schon bedeutende Uebung dazu gehört, beide zu unterscheiden. »Er besitzt«, wie mein Vater sagt, »des Grünspechtes Lebhaftigkeit und Munterkeit, seine Geschicklichkeit im Klettern, seine Art die Nahrung durch weniges Löcherhacken zu suchen, seinen hüpfenden Gang auf der Erde und seinen Flug; doch sind bei diesem die Absätze kleiner, und das Rauschen ist geringer. Gern klettert er unten an den Bäumen herum, fliegt, so bald er aufgejagt wird, auf die Spitze eines hohen Baumes oder auf einen hohen Ast und hängt sich fast immer so an, daß er durch den Stamm oder einen Ast gegen den Schuß gesichert ist. Flieht er vor seinem Verfolger und klammert er sich an einem Baume an, so geschieht es gewiß allemal auf der dem Feinde entgegengesetzten Seite, und nur zuweilen steckt er den Kopf vor, um zu sehen, wie groß die Gefahr noch sei. Auf solche Weise kann man ihn lange herumjagen, ohne ihn zu erlegen. Eine Eigenheit habe ich an ihm bemerkt, welche er mit dem Grünspechte gemein hat. Im Herbste und Vorwinter nämlich hat er ein ordentliches Revier, welches er alle Tage regelmäßig besucht.« Er erscheint alsdann, wie mein Vater weiter ausführt und auch ich schon in der Jugendzeit beobachtet habe, fast alle Morgen zur bestimmten Stunde in einem Garten, hängt sich zunächst an einen gewissen Baum, fliegt von dort aus nach einem anderen etc., alltäglich in durchaus übereinstimmender Weise, von derselben Stelle kommend und nach derselben wieder verschwindend. Auf dem Boden trifft man ihn ebenso oft wie den Grünspecht, und im Herbste ist er auf den gemähten Wiesen geradezu eine regelmäßige Erscheinung. Seine Stimme erinnert an die des Grünspechtes, liegt aber etwas höher und ist merklich heller; der Lockton läßt sich durch die Silben »Geck geck gick gick« ungefähr übertragen. Dann und wann vernimmt man auch ein helles »Pick«, welches von beiden Geschlechtern ausgestoßen wird, und zur Paarungs- und Brutzeit von beiden Geschlechtern einen sehr schönen, vollen, starken, pfeifenden Ton, welcher wie »Kli klii klii klü klü« klingt und von der Höhe zur Tiefe herabsinkt. Nach Naumann setzt sich der in dieser Weise schreiende Grauspecht allemal auf die Spitze eines hohen Baumes, und deshalb schallen die herrlichen Töne weit in den Wald hinein. Sie haben zwar Ähnlichkeit mit denen des Grünspechtes, sind aber gerundeter, nicht so schneidend und durch das allmähliche Sinken so ausgezeichnet, daß sie ein aufmerksames Ohr sogleich erkennt. Unzweifelhaft dienen sie dazu, sich gegenseitig anzulocken, und wenn dann ein Paar sich gefunden hat, beginnt ein gegenseitiges Necken und Jagen ohne Ende. Das paarungslustige Männchen fliegt dem Weibchen oft Viertelstunden weit nach, schreit in der angegebenen Weise wiederholt, jagt sich scherzend mit ihm fliegend und kletternd, läuft oft längere Zeit neckend in Schraubenwindungen mit ihm an einem Baume in die Höhe und ruft ihm dazwischen zärtlich sein »Geck geck gick gick« zu, wird auch oft von innerem Drange so begeistert, daß er sich an einen dürren Baum oder Ast hängt, und nun nach Art des Schwarzspechtes und des Buntspechtes trommelt, wogegen der Grünspecht letzteres, wie bemerkt, niemals zu thun scheint.
Auch der Grauspecht nährt sich vorzugsweise von Ameisen und stellt insbesondere der kleinen Gilbameise ( Formica rubra) und der Braunameise ( Formica fusca) nach. Wo die Gilbameise nicht häufig ist, nimmt gewiß kein Grauspecht seinen Sommeraufenthalt. Auch im Winter strebt er dieser Art vorzüglich nach. Kein Wunder daher, daß er auswandern muß, wenn hoher Schnee den Boden so verdeckt, daß er nur schwer oder nicht zu seiner Lieblingsnahrung gelangen kann. Beim Arbeiten an den Bäumen zieht er selbstverständlich alle Kerbthiere und Kerbthierlarven hervor, deren er habhaft werden kann, und wenn er im Sommer auf glatte Raupen stößt, verfallen auch diese seinem Magen. Im Spätherbste und Winter nährt er sich neben thierischen Stoffen auch von pflanzlichen. Mein Vater fand Hollunder-, Snell Vogelbeeren in seinem Magen.
Zur Fortpflanzung schreitet der Grauspecht etwas später als der Grünspecht, nistet jedoch ganz auf ähnliche Art. Er hackt sich sein Loch selbst aus und bekundet dabei ungewöhnliche Ausdauer. Ein Buntspecht, welchen mein Vater beobachtete, begann an einer Buche zu arbeiten, an welcher ein verdorrter Ast ausgebrochen war, stand aber, weil ihm die Arbeit zu schwierig wurde, von dieser ab. Im nächsten Frühjahre sah mein Vater Späne unter ihr liegen und hörte in ihr einen Specht pochen. Auf das Anschlagen flog ein Grauspecht heraus, welcher auch später in der Höhlung brütete, jedoch Eier und Leben durch ein Raubthier verlor. Das Eingangsloch zu der Höhle, welche der Grauspecht sich zimmert, ist so eng, daß ein Grünspecht kaum aus- und einfliegen kann, inwendig aber oft dreißig, mindestens fünfundzwanzig Centimeter tief und fünfzehn bis zwanzig Centimeter weit und sehr glatt ausgearbeitet. Mein Vater hat sein Nest in Fichten, Linden, Buchen und Espen, Naumann außerdem auch in Kiefern und Eichen, und ich selbst habe es einmal in einem Apfelbaume gefunden. Die fünf bis sechs, seltener sieben oder acht rein weißen, glänzenden, an dem einen Ende ziemlich spitz, an dem anderen kurz abgerundeten, feinschaligen, zarten und dünnen Eier ähneln denen des Grünspechtes bis auf die geringere Größe vollkommen, werden ebenso wie bei jenem und den meisten Spechten überhaupt auf feinen Holzspänen am Boden der Höhlung abgelegt und wechselseitig von beiden Gatten ausgebrütet, die Jungen fast nur mit den Puppen der beiden genannten Ameisenarten ernährt. Letztere verweilen ungestört bis zum völligen Flüggewerden im Neste, klettern ebenfalls innerhalb der Bruthöhle viel früher herum, als sie fliegen können, schauen oft zu ihrem Nestloche heraus und begrüßen die Ankunft der Eltern mit wunderlich zirpendem Geschrei, lassen sich auch, nachdem sie ausgeflogen sind, noch lange von den Eltern füttern. Diese bethätigen ihrer Brut gegenüber die größte Zärtlichkeit und Hingebung, sitzen beim Brüten so fest, daß man sie nicht selten über den Eiern ergreifen kann, und verlassen die Brut nicht. Wird eines von ihnen getödtet, so übernimmt der andere alle Fürsorge für letztere, insbesondere die Mühwaltung, welche die Aufzucht der sehr anspruchsvollen Jungen verursacht.
Abgesehen von dem Menschen stellen dem Grauspechte nur unsere größeren Falkenarten, insbesondere Habicht und Sperber nach. Letzterer stößt auf den Grauspecht; doch glaube ich nicht, daß er ihn zu erwürgen vermag; der Hühnerhabicht dagegen mordet ihn, ohne daß der sonst bewehrte Vogel Widerstand zu leisten vermöchte. »Noch vor kurzem«, schreibt Snell, »habe ich, durch das ängstliche Geschrei eines Grauspechtes aufmerksam gemacht, einen Fall derart mitangesehen. Ein Taubenhabicht hatte den Specht von einem Baume abgetrieben und verfolgte ihn auf das heftigste. Kreuz und quer ging nun die Hetzjagd durch die Zwetschgengärten längs des Baches. Das Geschrei des Grauspechtes wurde mit dessen Ermattung immer schwächer und verstummte endlich ganz. Da währte es nicht mehr lange, daß der Räuber seine Beute ergriff.« Aerger vielleicht als der Habicht gefährdet ihn ein strenger Winter: obgleich er in der Regel dem dadurch entgeht, daß er auswandert, geschieht es doch, und nicht allzu selten, daß plötzlicher und lang anhaltender Schneefall ihm die Möglichkeit raubt, rechtzeitig zu entrinnen. Unter solchen Umständen findet man ebenso oft verhungerte Grau- wie Grünspechte meist in der Nähe der Dörfer, in deren Obstgärten sie die letzte Zuflucht gesucht hatten.
Während die einzelnen Gruppen aller bisher beschriebenen Spechte so wesentlich sich ähneln, daß man sie höchstens als Untersippen auffassen kann, darf man den Kukukspechten ( Colaptes) den Rang einer Sippe zugestehen. Wir verstehen darunter große Arten mit ziemlich dünnem, deutlich gebogenem, nicht sehr langem Schnabel, dessen Firstenkante zwar scharf, aber nicht selbständig erhöht und dessen Nasenlochleiste völlig verstrichen und kaum noch als feine Linie angedeutet ist. Die Spitze ist stumpf, mehr zugerundet als zugeschärft, der Oberkiefer merklich länger als der untere. Die Füße haben einen starken, hohen Lauf, mäßig lange, fleischige Zehen, aber viel schwächere, feinere Krallen als die anderer Spechte von gleicher Größe. Die Flügel sind kurz und stumpf, weil unter ihren Schwingen die fünfte alle anderen überragt, reichen daher, zusammengelegt, nur über den Anfang des Schwanzes herab. Letzterer hat zwar auch spitzige, aber nicht sehr steife Federn und ist weniger abgestuft als bei den Verwandten.
Die bekannteste Art der Sippe ist der Goldspecht, »Flicker« der Nordamerikaner ( Colaptes auratus, Cuculus und Picus auratus), ein Vogel, welcher unserem Grauspechte an Größe etwas nachsteht. Oberkopf und Hinterhals sind aschgrau, Zügel, Augenstreifen, Schläfe, Kopf- und Halsseiten, Kinn und Kehle isabell weinröthlich, ein ausgedehnter Bartstreifen und ein breites, halbmondförmiges Kropfschild schwarz, die Obertheile, mit Ausnahme des weißen Bürzels isabellbraun mit schwarzen Querbinden, die oberen Schwanzdecken breit schwarz in die Quere gebändert, die Untertheile vom schwarzen Kehlschilde an weiß, auf Brust und Seiten isabell weinröthlich mit großen, runden, schwarzen Tropfenflecken gezeichnet. Ein hufeisenförmiges Nackenfeld prangt in hochrother Färbung. Die schwarzen Schwingen zeigen auf der Außenfahne vier bis fünf isabellbraune Querflecken, welche sich zu Querbinden gestalten, innen in der Wurzelhälfte einen breiten gelblichweißen Rand und orangegelbe Schäfte, wogegen diese an den Schwanzfedern nur in der Wurzelhälfte dieselbe, übrigens schwarze Färbung haben. Die beiden äußersten Steuerfedern sind weiß an der Spitze, die äußerste jederseits wird durch drei helle Randflecke geschmückt, die Unterseite der Schwingen und Steuerfedern ist glänzend dunkel olivengelb, im Enddrittheil der letzteren aber schwarz. Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel oben braun, unten bläulich, der Fuß graublau. Dem Weibchen mangelt der schwarze Zügelstreifen. Junge Vögel sind schmutziger gefärbt und auch durch das schmälere blaßrothe Nackenband von den Alten unterschieden. Die Länge beträgt zweiunddreißig, die Breite zweiundvierzig, die Fittiglänge sechzehn und die Schwanzlänge zwölf Centimeter.
Der Goldspecht verbreitet sich von Texas an über den ganzen Osten der Vereinigten Staaten von Nordamerika bis zum äußersten Norden von Neuschottland, soll auch auf Grönland beobachtet worden sein. In den südlichen Staaten ist er ein Stand- oder Strich-, in den nördlichen ein Zugvogel, welcher je nach der mehr südlichen oder nördlichen Lage seines Brutortes im März oder im April und zwar in außerordentlich zahlreichen Wandergesellschaften eintrifft und hier bis zum September oder Oktober verweilt. Nach Versicherung Audubons geschehen seine Reisen des Nachts, wie man an den allbekannten Stimmlauten, welche die wandernden zeitweilig hören lassen, und ebenso an dem eigentümlichen Geräusche, welches sie mit ihren Schwingen hervorbringen, mit genügender Sicherheit zu erkennen vermag. Wo der Goldspecht vorkommt, tritt er in außergewöhnlicher Anzahl auf und darf demgemäß wenn nicht als der häufigste, so doch bestimmt als der verbreitetste aller Spechte Nordamerikas bezeichnet werden.
Die Lebensweise haben Wilson, Audubon und andere geschildert. »Kaum hat der beginnende Frühling«, sagt Audubon, »zu der süßen Pflicht der Paarung gerufen, so vernimmt man die Stimme des Goldspechtes von der Höhe der Wipfel umgefallener Bäume, als ein Zeichen des Vergnügens, daß die willkommene Jahreszeit angebrochen. Diese Stimme ist jetzt die Freude selbst; denn sie ahmt gewissermaßen ein langes, heiteres, auf weithin hörbares Lachen nach. Verschiedene Männchen verfolgen ein Weibchen, nähern sich ihm, neigen ihr Haupt, breiten ihren Schwanz und bewegen sich seitlich, rückwärts und vorwärts, nehmen die verschiedensten Stellungen an und geben sich überhaupt die größte Mühe, der erkorenen Gattin die Stärke und die Innigkeit ihrer Liebe zu beweisen. Das Weibchen fliegt zu einem anderen Baume, immer verfolgt von einem, zwei und selbst einem halben Dutzend der verliebten Männchen, welche dort dieselben Liebesbewerbungen erneuern. Sie kämpfen nicht mit einander, scheinen auch nicht eifersüchtig zu sein, sondern verlassen, wenn das Weibchen einen von ihnen bevorzugt, ohne Umstände das glückliche Paar und suchen eine andere Gattin auf. So geschieht es, daß alle Goldspechte bald glücklich verehelicht sind. Jedes Paar beginnt nun sofort einen Baumstamm auszuhöhlen, um eine Wohnung zu erbauen, welche ihnen und den Jungen genügt. Beide arbeiten mit größtem Eifer und, wie es scheint, mit größtem Vergnügen. Wenn das Männchen beschäftigt ist, hängt sich die Gattin dicht daneben und beglückwünscht es über jeden Span, welchen sein Schnabel durch die Luft sendet. Wenn er ausruht, scheint er mit ihr auf das zierlichste zu sprechen, und wenn er ermüdet ist, wird er von ihr unterstützt. In dieser Weise, und Dank der beiderseitigen Anstrengung, wird die Höhle bald ausgemeiselt und vollendet. Nun liebkosen sie sich auf den Zweigen, klettern mit wahrem Vergnügen an den Stämmen der Bäume empor oder um sie herum, trommeln mit dem Schnabel an abgestorbene Zweige, verjagen ihre Vettern, die Rothköpfe, vertheidigen das Nest gegen die Purpurstaaren, kichern und lachen dazwischen, und ehe zwei Wochen verstrichen sind, hat das Weibchen seine vier oder sechs glänzend weißen, etwa sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Millimeter langen und zweiundzwanzig bis fünfundzwanzig Millimeter breiten Eier gelegt und erfreut sich ohne Zweifel an ihrer Weiße und Durchsichtigkeit. Wenn es beglückt, eine zahlreiche Nachkommenschaft zu erzeugen, muß der Goldspecht in dieser Hinsicht zufrieden sein; denn er brütet zweimal im Jahre.«
Letztere Angabe gilt, falls sie überhaupt richtig ist, jedenfalls nur für die südlichen Vereinigten Staaten; denn im Norden derselben und zumal in den unter britischer Herrschaft stehenden weiten Strecken Nordamerikas, welche er ebenfalls bewohnt, dürfte der rasch vergehende Sommer nicht lang genug sein, um ihm Zeit zu zwei Bruten zu gewähren. Zur Vervollständigung des Berichtes unseres unvergleichlichen Audubon will ich hinzufügen, daß Paine für Randolph den zwanzigsten April, als den Tag der Ankunft unseres Spechtes, und den ersten bis fünfzehnten Mai, als die Zeit des Beginnens seiner Arbeit, behufs Herstellung seiner Bruthöhle, bezeichnet, auch angibt, daß die Anzahl des Geleges, welches in den letzten Tagen des Mai oder in den ersten des Juni vollzählig ist, sieben beträgt. Painehat den Goldspecht niemals in geschlossenen Waldungen, sondern immer nur an den Rändern derselben brütend gefunden, ebensowenig aber bemerkt, daß ein Paar, wie trotzdem mit Bestimmtheit anzunehmen sein dürfte, eine alte Bruthöhle wieder benutzt. Abweichend von den meisten Verwandten ist der so häufige Goldspecht in der Nähe seines Nestes sehr scheu oder naht sich, wie wohl richtiger sein dürfte, demselben so verstohlen, daß man nicht leicht ein Nest entdeckt. Stört man das Paar an einem solchen, so umfliegen beide den Baum unter schrillenden und kreischenden Lauten, welche oft mit gurgelnden abwechseln. Die Jungen, welche Paine beobachtete, verließen das Nest so langsam nach einander, daß der jüngste von ihnen ungefähr vierzehn Tage später ausflog als der erste. Ehe einer dem Neste entflog, erschien er stets oben in der Höhle, deren ganzen Raum er ausfüllte und verrieth sich durch lautes zischendes Geschrei, wenn jemand dem Nistbaume nahte. Sobald er seine Flügel, wenn auch nur theilweise, gebrauchen konnte, kletterte und flatterte er in die Welt hinaus und wurde sogleich von den Alten nach dem tieferen Walde geleitet, hier aber noch eine Zeitlang gefüttert und im Gewerbe unterrichtet.
»Der Flug dieses Spechtes«, fährt Audubon fort, »ist schnell und ausdauernd, im Vergleiche zu dem anderer der Familie knapp und kurzbogig. Wenn er von einem Baume zum anderen fliegt, durcheilt er eine gerade Linie, senkt sich wenige Meter vor dem erwählten Baume nieder, hängt sich unten an und klettert nun wie andere Spechte rasch empor. Läßt er sich, wie es oft geschieht, auf einen Zweig nieder, so senkt er seinen Kopf und läßt die wohlbekannten Laute ›Flicker‹ aus, jedoch nur dann, wenn er sich vollkommen sicher weiß. Er klettert vortrefflich in allen Stellungen, welche Spechte annehmen können. Auf dem Boden, zu dem er öfter herabkommt, hüpft er mit großer Gewandtheit umher; doch geschieht dies gewöhnlich nur, um eine Beere, eine Heuschrecke oder einen Kern aufzunehmen, oder um die abgestorbenen Baumwurzeln nach Ameisen und anderen kleinen Kerfen zu untersuchen. Er liebt Früchte und Beeren mancher Art; namentlich scheinen ihm Aepfel, Birnen, Pfirsiche und verschiedene Waldbeeren höchst angenehm zu sein. Ebensowenig verschmäht er das junge Getreide auf dem Felde; im Winter pflegt er die Kornfeimen zu besuchen.
»Waschbären und schwarze Schlangen sind gefährliche Feinde des Goldspechtes. Der erstere steckt eine seiner Vorderhände in die Nisthöhle, und wenn sie nicht allzu tief ist, holt er die Eier gewiß heraus und saugt sie aus; ja, häufig genug nimmt er auch den brütenden Vogel selbst in Beschlag. Die schwarze Schlange begnügt sich mit den Eiern oder Jungen. Verschiedene Falkenarten verfolgen unseren Specht im Fluge; ihnen aber entrinnt er in den meisten Fällen, indem er sich der nächsten Höhlung zuwendet. Es ist lustig, das Erstaunen eines Falken zu sehen, wenn der gejagte Vogel, den er eben zu ergreifen vermeinte, vor seinen Augen verschwindet. Sollte der Specht einen derartigen Zufluchtsort nicht erreichen können, so hängt er sich an einen Baum an und klettert in Schraubenlinien mit solcher Schnelligkeit rundum, daß er jenes Anstrengungen gewöhnlich ebenfalls vereitelt.
»Das Fleisch wird von vielen Jägern hoch geschätzt und oft gegessen, namentlich in den mittleren Staaten. Dann und wann sieht man den Goldspecht auch auf den Märkten von New York und Philadelphia ausgestellt; ich meinestheils aber muß sagen, daß das Fleisch wegen seines Ameisengeruches mir höchst unangenehm war.
»Auch in der Gefangenschaft verliert dieser Vogel seine natürliche Lebendigkeit und Heiterkeit nicht. Er geht leicht ans Futter, zerstört aber auch aus lauter Vergnügen in einem Tage mehr, als zwei Handwerker in zwei Tagen herstellen können. Jedenfalls darf niemand glauben, daß die Spechte so dumme, verlorene und vernachlässigte Geschöpfe sind, als man oft angenommen hat.«
Kein mir bekannter Specht hält sich so leicht in Gefangenschaft wie der Goldspecht, welcher keineswegs selten auch in unsere Käfige gelangt. Er stellt durchaus nicht besondere Ansprüche an das Futter, jedenfalls nicht mehr als ein anderer Kerbthierfresser; denn er begnügt sich mit einfachem Drosselfutter, falls dasselbe mit mehr Ameisenpuppen gewürzt ist, als es bei Drosseln nothwendig. Von mir gepflegte Goldspechte zeichneten sich von Anfang an durch zahmes und zutrauliches Wesen aus. Sie lernten ihren Wärter kennen, kamen bald auf seinen Ruf herbei und nahmen ihm dargereichte Nahrung, besonders wenn dieselbe in noch lebenden Würmern bestand, aus der Hand. Für den Vogelkundigen ist ein von ihnen bewohnter Käfig ein höchst anziehender Gegenstand. Man kann hier in aller Muße die so auffallenden Bewegungen der Spechte überhaupt beobachten; man kann sehen, wie sie rasch und geschickt an den Baumstämmen innerhalb des Käfiges emporklettern, wie kräftig sie sich in die Rinde derselben einhaken, wie sicher sie sich zu befestigen wissen, wie umfassend sie ihren Schnabel zu gebrauchen verstehen; man kann selbst ihren Flug studiren: denn gar nicht selten machen sie wenigstens Versuche, in dieser Weise sich zu bewegen. An meinen Pfleglingen habe ich beobachtet, daß sie auch im Schlafe ihre liebste Stellung annehmen. Daß die Spechte Baumhöhlungen zu ihrer Nachtherberge wählen, war mir durch die Beobachtung unserer deutschen Arten bekannt geworden; nichtsdestoweniger überraschte es mich, zu sehen, daß sie nicht nach anderer Vögel Art sich einfach auf den Boden der Höhle niedersetzten, sondern, wie bereits bemerkt, an den Wandungen derselben in der Kletterstellung sich aufhängen. Ich ersah daraus, daß ihnen diese Stellung leichter wird als jede andere. Das überraschendste, was ich erfahren konnte, war, meine Goldspechte zur Fortpflanzung schreiten zu sehen. Sie haben mir dadurch bewiesen, daß sie sich in der Gefangenschaft so wohl befanden, wie sich ein seiner Freiheit beraubter Vogel überhaupt befinden kann. Der beginnende Frühling verfehlte auch auf sie seine Wirkung nicht. Das Männchen gab seinen Jubel durch jauchzendes Aufschreien und wiederholtes Trommeln kund. Es lockte in der von Audubon beschriebenen Weise, liebkoste das Weibchen wiederholt und trieb mit ihm überhaupt alle Spiele, wie sie der Paarung vorauszugehen pflegen. Eines Morgens fand der Wärter ein Ei am Boden des Käfigs, wenige Tage darauf ein zweites. Meine Hoffnung, möglicherweise Junge zu erzielen, ging aber leider nicht in Erfüllung. Das Weibchen begann zu kränkeln und lag eines Morgens todt im Käfige. Es war anscheinend an Erschöpfung, infolge allzuschneller Entwickelung der Eier, zu Grunde gegangen. Wahrhaft rührend war es, zu beobachten, wie traurig das Männchen fortan sich geberdete. Tagelang, ohne Unterbrechung fast, rief es nach dem Weibchen, trommelte im Uebermaße seiner Sehnsucht wie früher in der Jubellust seiner Liebe und hatte nicht einmal in den Nachtstunden Ruhe. Später milderte sich sein Kummer und zuletzt vernahm ich keine klagenden Laute mehr. Seine frühere Heiterkeit erlangte es jedoch nicht wieder. Als ihm die Gefährten gestorben waren, wurde es sehr schweigsam. In den letzten Jahren habe ich andere Goldspechte gepflegt und in verschiedenen Thiergärten gesehen; kein einziger aber hat sich gepaart und zum Nisten entschlossen.
In den südlichen und westlichen Staaten Nordamerikas tritt zu dem Goldspechte ein ihm sehr ähnlicher Verwandter, der Kupferspecht ( Colaptes mexicanus, Picus rubricatus und Lathami). Er ähnelt dem Goldspechte ebensowohl in der Größe und Färbung wie in der Anordnung der Zeichnung; doch sind bei ihm alle Farben dunkler und die Schäfte der Flügelfedern nicht goldgelb, sondern orangeroth. Stirn und der Oberkopf sind fahlröthlich graubraun, die übrigen Obertheile, mit Ausnahme des weißen Unterrückens, auf graubraunem Grunde schwarz quer gewellt, die Schwanzfedern graubraun, ihre Schäfte orangeroth, Kinn, Kehle und Unterhals hell röthlichgrau, Brust und Bauch auf röthlich weißgrauem Grunde mit runden schwarzen Perlflecken gezeichnet. Den Hinterkopf schmückt der zinnoberrothe Kragen, die Oberbrust das schwarze Querband; der zinnoberrothe Bartstreifen ist ebenfalls vorhanden. Das Verbreitungsgebiet des Kupferspechtes grenzt unmittelbar an den Wohnkreis seines Verwandten, des Goldspechtes, und nimmt den ganzen Westen der Vereinigten Staaten von dem Felsengebirge bis zum Stillen Weltmeere und von der Fukostraße bis zum südlichen Mejiko ein. Da, wo beider Gebiete zusammenstoßen, wohnen Gold- und Kupferspecht dicht neben einander. »Der Beobachter«, sagt der Prinz von Wied, »ist befremdet, wenn er kurz zuvor den gemeinen Goldspecht geschossen hat, plötzlich einen sehr ähnlichen Vogel zu sehen, an welchem die schöne gelbe Färbung einiger Theile zu einer prachtvoll orangerothen abgeändert ist. Man kommt erst nach und nach zu der Erkenntnis, eine zwar sehr ähnliche, aber doch verschiedene Art vor sich zu haben.«
Alle nordamerikanischen Schriftsteller, welche den Kupferspecht innerhalb der Grenzen ihres Vaterlandes beobachtet haben, versichern, daß seine Sitten und Gewohnheiten, sein Wesen und Betragen, seine Stimme und Nahrung sowie sein Fortpflanzungsgeschäft vollständig mit der Lebensweise des Goldspechtes übereinstimmen. Um so beachtenswerther sind die höchst auffallenden Beobachtungen, welche Saussure in Mejiko über denselben Vogel sammelte.
»Nachdem ich«, so erzählt der uns als trefflicher Beobachter bereits bekannte Reisende, »von dem Coffre de Perote herabgestiegen war, besuchte ich den früheren Vulkan, welcher den Namen Pizarro trägt. Dieser eigenthümliche, zuckerhutförmige Berg, welcher über der Ebene von Perote wie eine Insel aus dem Meeresgrunde emporsteigt, erweckt das Staunen aller Reisenden durch die Regelmäßigkeit und Schönheit seiner Umrisse. Aber wenn man sich ihm nähert und die steilen Seiten dieses Lavakegels zu erklimmen anfängt, so wird man auf das unerwartetste überrascht durch den Anblick der seltsamen Pflanzenwelt, welche seinen Schlackenboden bedeckt. Jenes bleiche Grün, welches man von weitem für Wälder gehalten hatte, verdankt seinen Ursprung nichts anderem als einer Anzahl kleiner Agaven, deren Blattrosetten etwa einen Meter Breite haben, während der Durchmesser ihrer Blütenschäfte fünf bis acht Centimeter beträgt. Zwischen den Artischokenarten, welche dem weißen Sande außerdem noch entsprießen, wirft eine große Jucca ihren spärlichen Schatten auf blaugraue Trachytmassen, und sie allein vertritt hier, wo Bäume für eine wunderbare Erscheinung gelten können, die Stelle derselben.
»Diese dürre Einöde, welche, wie es schien, durch kein lebendes Wesen erheitert wurde, begann einen tiefen Eindruck auf mich auszuüben: da ward meine Aufmerksamkeit plötzlich durch eine große Menge von Spechten, die einzigen Bewohner dieser öden Striche, in Anspruch genommen. Nie stößt man ohne eine gewisse Freude, nachdem man todte Wüsten durchwandert, wieder auf Leben, und mir war es in dieser Hinsicht seit lange nicht so wohl geworden. Ich ward bald inne, daß der Kupferspecht der König dieser Oertlichkeit sei; denn obwohl noch andere Arten sich daselbst versammelt hatten, so behauptete er doch unbestreitbar das Uebergewicht. Alle diese Vögel, groß wie klein, waren in außerordentlich lebhafter Bewegung, und in dem ganzen Aloewalde herrschte eine fast unnatürliche Regsamkeit, eine ungewohnte Thätigkeit. Dazu hatte die Vereinigung so vieler Spechte an einer und derselben Stelle schon für sich allein etwas auffallendes, weil die Natur diesen Vögeln weit eher Liebe zur Einsamkeit und eine Lebensweise zum Erbtheil gegeben hat, welche ihnen, bei Strafe des Mangels, geselliges Beisammenwohnen untersagt. Weit entfernt daher, die Bewohner der Steppe durch uuzeitiges Schießen zu erschrecken, verbarg ich mich in dem wenig gastlichen Schatten einer Aucca und versuchte, zu beobachten, was hier vorgehen würde.
Es dauerte nicht lange, so löste sich vor meinen Augen das Räthsel. Die Spechte flogen hin und her, klammerten sich an jede Pflanze und entfernten sich darauf fast augenblicklich. Am häufigsten sah man sie an den Blütenschäften der Aloen. An diesen hämmerten sie einen Augenblick, indem sie mit ihren spitzigen Schnäbeln wiederholt an dem Holze klopften; gleich darauf flogen sie an die Yuccastämme, wo sie dieselbe Arbeit aufs neue vornahmen; dann kehrten sie schnell wieder zu den Aloen zurück, und so fort. Ich näherte mich daher den Agaven, betrachtete ihre Stengel und fand sie siebförmig durchbohrt und zwar so, daß die Löcher unregelmäßig eins über dem anderen sich befanden. Diese Oeffnungen standen offenbar mit Höhlungen im Inneren in Verbindung; ich beeilte mich daher, einen Blütenschaft abzuhauen und ihn auseinanderzuschneiden, um seinen Mittelraum zu betrachten. Wie groß war mein Erstaunen, als ich darin ein wahres Vorrathshaus von Nahrungsstoffen entdeckte! Die weise Vorsicht, welche der kunstfertige Vogel durch die Wahl dieser Vorrathskammer und die Geschicklichkeit, mit der er sie zu füllen versteht, an den Tag legt, verdienen beide in gleichem Maße beschrieben zu werden.
»Die Agavepflanze stirbt, nachdem sie geblüht hat, ab und vertrocknet; aber noch lange nachher bleibt sie aufrecht stehen, und ihr Schaft bildet gleichsam einen senkrechten Pfahl, dessen äußere Schicht beim Abtrocknen erhärtet, während das Mark des Inneren nach und nach verschwindet und so im Mittelpunkte des Stengels eine Röhre frei läßt, welche dessen ganze Länge einnimmt. Diese Röhre hat der Specht dazu ersehen, seine Lebensmittel darin aufzuspeichern. Die Lebensmittel aber sind Eicheln, welche von unseren Vögeln für den Winter in jenen natürlichen Speichern aufgehäuft werden. Die Mittelröhre des Schaftes der Agaven hat einen Durchmesser, gerade groß genug Eicheln einzeln durchzulassen, so daß sie der Reihe nach, eine über der anderen, wie die Kügelchen eines Rosenkranzes zu liegen kommen; wenn man die Röhre der Länge nach spaltet, so findet man sie gleichsam mit einer Säule von Eicheln angefüllt. Indeß ist ihr Aufeinanderliegen nicht immer so regelmäßig. In den stärksten Agaven ist die Mittelröhre weiter, und in einer solchen häufen sich dann die Eicheln unregelmäßiger an. Aber wie stellt es der Vogel an, um seine Vorrathskammer, welche die Natur ringsum verschlossen hat, zu füllen?
»Mit Schnabelhieben bohrt er am untersten Theile des Schaftes ein kleines rundes Loch durch das Holz. Dieses Loch erstreckt sich bis zur mittleren Röhre. Er benutzt dann diese Oeffnung, um Eicheln hineinzustopfen, bis er damit den Theil der Röhre gefüllt hat, welcher unterhalb des Loches liegt. Hierauf bohrt er ein zweites Loch an einem höher gelegenen Punkte des Schaftes, durch welches er den inneren Raum der Mittelröhre, zwischen den beiden Oeffnungen, anfüllt. Gleich darauf bringt er ein drittes Loch noch höher hinauf an, und so fährt er fort, bis er so hoch hinaufgestiegen ist, daß er den Punkt des Schaftes erreicht, wo die Röhre so eng wird, daß sie keine Eicheln mehr durchläßt. Man beachte jedoch, daß diese Schaftröhre weder weit noch rein genug ist, als daß die Eicheln vermöge ihrer Schwere nach unten gezogen würden; der Vogel ist im Gegentheile gezwungen, sie hineinzustoßen, und trotz seines großen Geschickes bei dieser Arbeit gelingt es ihm doch meist nur, sie zwei bis fünf Centimeter tief in die Röhre hinabzuschieben; er ist daher in die Nothwendigkeit versetzt, die Löcher sehr nahe über einander zu stellen, wenn er vom Grunde bis zum Gipfel ein vollständiges Füllen des Schaftes bewerkstelligen will. Auch diese Arbeit verrichtet er nicht immer mit gleicher Regelmäßigkeit. Es gibt viele Agavenschafte, deren Mark noch fast unversehrt geblieben ist und kaum irgend eine Röhre bildet. In diesem Falle muß der Specht andere Kunstgriffe anwenden, um seine Eichelvorräthe niederzulegen. Wo er keine Höhlungen findet, muß er selbst welche meiseln. Zu diesem Behufe bohrt er für jede Eichel, die er verstecken will, ein besonderes Loch und legt dieselbe dann in dem Marke selbst nieder, indem er hier ein Loch bohrt, weit genug, eine Eichel aufzunehmen. So findet man viele Stengel, in denen die Eicheln nicht in einer Röhre angehäuft sind, sondern jede für sich am Ende eines der Löcher liegt, mit welchen die Oberfläche des Schaftes übersäet ist. Das ist eine harte Arbeit und verursacht dem Vogel viel Schweiß. Er muß sehr fleißig sein, um eine solche Vorrathskammer anzulegen. Um so leichter wird es ihm nachher, sie zu benutzen. Er hat dann nicht mehr nöthig, seine Nahrung unter einer mühsam zu durchbrechenden Holzschicht zu suchen; er braucht nur seinen spitzigen Schnabel in eine jener schon fertigen Oeffnungen zu stecken, um eine Mahlzeit daraus hervorzulangen.
»Die Geduld, welche die Spechte beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, ist nicht das einzige bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, welche sie anwenden müssen, sich die Eicheln zu verschaffen, ist noch staunenswerther. Der Pizarro erhebt sich inmitten einer Wüste von Sand und Laven, auf denen kein Eichbaum wächst. Es ist mir unbegreiflich, von woher sie Lebensmittel geholt hatten. Sie müssen viele Kilometer weit danach geflogen sein, vielleicht bis zum Abhange der Cordillera.
»Durch ein so kunstvolles Verfahren schützt die Natur diese Spechte gegen die Schrecken des Hungers in einem öden Lande, während eines sechsmonatlichen Winters, wo ein stets heiterer Himmel alles aufs höchste ausdorrt. Die Trockenheit verursacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei uns die Kälte, und die allein ihr widerstehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächse der Savanne ernähren keine von den Kerbthieren mehr, welche der Specht zu seinem Unterhalte bedarf. Ohne die geschilderte Hülfsquelle bliebe unseren Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu sterben.
»Wir waren damals im April, das heißt im fünften oder sechsten Monat der rauhen Jahreszeit, und die Spechte beschäftigten sich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln sind, welche ihnen zur Speise dienen, und nicht etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weise, wie sie die Eicheln genießen, ist ebenso merkwürdig als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen des Spechtes schwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben, und um sie mit dem Schnabel spalten zu können, nimmt der Vogel wieder seine Zuflucht zu einem sehr geschickten Kunstgriffe. Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccastämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug, um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzustecken, aber nicht groß genug, um sie ganz hineingehen zu lassen, klemmt sie in dies Loch und stößt sie mit seinem Schnabel hinein wie einen Zapfen in ein Spundloch. Die so festgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben angegriffen und mit der größten Leichtigkeit zerstückt; denn mit jedem Streiche stößt der Specht sie tiefer und fester hinein. Aus diesem Grunde sind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenso durchlöchert wie die Agavenschafte. Wenn diese Bäume absterben, löst sich die sie bedeckende Rinde vom Stamme und läßt so zwischen sich und dem Holze des Baumes einen sehr geräumigen Zwischenraum, welcher selbst wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloestengel, dienen kann. Unsere Vögel, schnell bereit, sich diesen Umstand zu Nutze zu machen, bohren die abgestorbene Rinde voller Löcher und stecken Eicheln zwischen dieselbe und das Holz. Aber dies Verfahren scheint ihnen nicht besonders zuzusagen, was leicht erklärlich, indem der allzu weite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieser natürlichen Tasche fallen läßt, aus welcher die Spechte sie nachher nicht wieder hervorziehen können. Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenstücke meist nur Ueberbleibsel von Eicheln gefunden, welche am Holze hinabgeglitten waren, während die Spechte sie in den von außen her hineingebohrten Löchern zerstückten. Ganze Eicheln waren darin sehr selten.
»Das im vorstehenden geschilderte Verfahren ist merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, welcher Wintervorrath sammelt. Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, welche seiner Gattung sonst nicht eigen ist und trägt sie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächst, welche ihm zur Vorrathskammer dient. Er verbirgt sie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felsenspalten oder Erdhöhlen, kurz an keinem jener Orte, welche sich naturgemäß seinem Suchen darzubieten scheinen, vielmehr in schmalen, im Mittelpunkte eines Pflanzenstengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandensein er weiß. Zu diesen Röhren bahnt er sich einen Weg, indem er das sie rings umschließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft er seinen Vorrath in strengster Ordnung auf und bewahrt ihn so, sicher vor der Feuchtigkeit, in einem Zustande, der höchst günstig auf seine Erhaltung einwirkt, geschützt zugleich vor Ratten und samenfressenden Vögeln, welche nicht im Stande sind, durch das ihn schützende Holz zu dringen.
»Mehrere kleinere Spechte bevölkern ebenfalls die Savanne des Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob sie ein ähnliches Verfahren beobachten. In einer gewissen Gegend des Berges sah man unzählige trockene und in Vorrathskammern verwandelte Aloen. Es war eine Hauptniederlage von Nahrungsmitteln, welche ihren Ursprung einem Zusammenströmen sehr vieler Spechte in jener Gegend verdankte. Wahrscheinlich ist es, daß diese Vögel sich während der trockenen Jahreszeit in den mit Agaven dicht bestandenen Strichen zusammenfinden, wo für ihre Bedürfnisse im voraus gesorgt ist, und daß sie beim Beginne der Regengüsse sich in den Ebenen zerstreuen, um den Kerbthieren nachzugehen, welche die Natur ihnen dann im Ueberflusse darbietet.«
Während die große Mehrzahl der Spechte ausschließlich oder wenigstens hauptsächlich von den Bäumen ihre Nahrung sucht, betreiben einige ihre Jagd auf dem Boden. Zu ihnen gehört der Feldspecht ( Colaptes campestris, Picus campestris und chrysosternus, Soroplex, Theiopicus, Malherbipicus, Pediapipo und Geocolaptes campestris), welcher die offenen Triften Südamerikas bewohnt. Scheitel und Kehle sind schwarz, Wangen, Hals und Oberbrust goldgelb, Rücken und Flügel blaßgelb, schwarzbraun gebändert, Unterrücken, Brust und Bauch blaß weißlichgelb, jede Feder durch mehrere schwarze Querbinden gezeichnet, die Schwingen graubraun, goldgelb geschäftet, die Handschwingen an der Innenfahne, die Armschwingen an beiden Fahnen weißlich gebändert, die Schwanzfedern endlich schwarzbraun, die äußeren Paare an der Außenfahne, die drei inneren Paare an der Innenfahne gelb gebändert. Die Geschlechter unterscheiden sich wenig; doch ist das Weibchen minder lebhaft gefärbt als das Männchen. Bei dem jungen Vogel sind die Binden breiter. Das Auge ist dunkelkirschroth, der Schnabel schwärzlichgrau, der Fuß schmutziggrau. Die Länge beträgt 32, die Breite 47, die Fittiglänge 14,5, die Schwanzlänge 11 Centimeter.
»Der Feldspecht«, sagt der Prinz von Wied, »ist von allen übrigen Arten durch seinen Aufenthalt höchst bezeichnend geschieden, da er bloß in offenen, von Waldungen entblößten Triften und höchstens in kleinen Gebüschen vorkommt. Ich habe ihn in den großen Küstenwaldungen nie gesehen, sondern bloß in höheren, trockenen und erhitzten Triften des inneren Sertongs der Provinz Bahia und Minas. Azara fand ihn in Paraguay. Er scheint also dem größten Theile des inneren Südamerikas anzugehören.« Burmeister erzählt folgendes: »Zu den Ameisennestern der offenen Triften gehört als lieber Gesellschafter der merkwürdige Feldspecht. Wir fanden den ersten am Abhange einer Hochebene. Eine ganze Gesellschaft, wohl acht Stück, hackten an einem großen, niedrigen Baume herum und flogen von Zeit zu Zeit einzeln auf den Boden, spazierten da wie eine Krähe und kehrten dann zum Baume zurück. Sie mußten mit einer guten Nahrung beschäftigt sein, wahrscheinlich eine wandernde Termitengesellschaft überfallen haben. Ich sah dem Vogel bald seine Eigenthümlichkeit an. Ein Specht, der schreiend auf dem Boden herumspaziert: welch ein Wunder, dachte ich und rief meinem Sohne zu, einen zu schießen. Es gelang. Der Specht purzelte kreischend zu Boden, die anderen flogen davon, ließen sich aber bald auf einem nicht sehr entfernten Baume wieder nieder. Nun erkannte ich meinen neuen Gefährten. Er gab mir, als ich ihn todt betrachtete, die Gewißheit, daß ich das Campogebiet bereits betreten hatte; denn nur auf diesem ist der sonderbare Erdspecht zu finden.«
»Der Feldspecht«, erzählt der Prinz in seiner Reisebeschreibung, »lebt besonders von Termiten und Ameisen, welche in diesen Ebenen unendlich häufig sind. Man findet hier in Wäldern und Triften große kegelförmige Hügel von gelben Letten, welche oft zwei Meter hoch und von Termiten erbaut sind; in den offenen Gegenden haben sie gewöhnlich eine mehr abgeflachte Gestalt. Aehnliche Nester von rundlicher Form und schwarzbrauner Farbe hängen an dicken Aesten der Bäume, und ein jeder Kaktusstamm trägt eines oder mehrere derselben. Auf diesen pflegt der genannte Specht zu sitzen und zu hacken. Er wird deshalb dieser Gegend sehr nützlich durch die Vertilgung der schädlichen Kerbthiere, welche in Brasilien die Hauptfeinde des Landbaues sind. Doch obgleich diese gefräßigen Thiere ihre Eingänge über und unter der Erde anlegen, obgleich sie dieselben selbst an den Wänden der menschlichen Wohnungen anbringen, werden sie doch an allen diesen Orten von zahlreichen Feinden verfolgt. So rächen die Ameisenbären, die Spechte, die Ameisendrosseln und viele andere Thiere den Pflanzer, dessen ganzer Gewinn öfters von diesen kleinen verheerenden Feinden verzehrt wird.«
Aus den übrigen Mittheilungen des Prinzen geht hervor, daß Azara und Spix mit Unrecht von dem Feldspechte behauptet haben, er klettere nicht an Stämmen; denn wenn dies auch seltener geschieht als bei den übrigen Arten, und wenn auch die hohen Fersen ihm das Hüpfen erleichtern, so sieht man ihn doch oft auch nach Art anderer Spechte klettern. Er rutscht an den Kaktusstämmen hinauf oder hüpft mit hoch aufgerichtetem Körper auf den wagerechten Aesten derselben umher, hält sich aber allerdings größtentheils am Boden auf. Hudson, welcher eine Bemerkung von Darwin über unseren Specht sehr ungerechtfertigterweise bemängelt, stimmt mit vorstehenden Angaben im wesentlichen überein und erwähnt ausdrücklich, daß der Vogel ganz nach anderer Spechte Art an Bäumen umherklettert, wie diese seinen schwachen Schwanz benutzt und gleich ihnen Rinde und morsches Holz bearbeitet. Zum Boden herab kommt er häufig, und zuweilen findet man ihn in der Entfernung von einigen Kilometern von allen Bäumen beschäftigt, Ameisen und allerlei Larven auszuklauben. Dies ist jedoch ein seltener Fall und geschieht bloß, wenn er von einer Baumgruppe zu einer anderen stiegen will. Solche Wanderungen geschehen in kleinen Absätzen; denn nur selten entschließt sich der Vogel zu längerem Fluge. Gewöhnlich sieht man ihn paarweise, und deshalb wird die Gesellschaft, von welcher Burmeister spricht, wohl eine Familie, das heißt Alte mit ihren Jungen, gewesen sein. Im übrigen ähnelt der Feldspecht anderen Verwandten vollkommen. Er stiegt und schreit ganz wie unser europäischer Grünspecht.
»Das Nest des Vogels«, schließt Burmeister, »muß sehr versteckt angelegt sein, da man es noch gar nicht kennt. Am Boden dürfte es wohl kaum sich befinden.« Hudson erweist die Richtigkeit der Vermuthung Burmeisters durch die Angabe, daß von ihm beobachtete Feldspechte in Buenos Ayres mit Vorliebe in Ombubäumen nisten und ihre Bruthöhlen sich ebenso wie andere Spechte ausmeiseln. Der Ombu hat sehr weiches Holz, und aus diesem Grunde vermag der Feldspecht dieses auch zu bearbeiten, wenn der Baum noch grün und gesund ist. Das Eingangsloch soll ungefähr zwanzig Centimeter tief ins Innere und etwas nach oben führen, bevor es in die erweiterte Nisthöhle übergeht.
Die letzte Spechtsippe, welche wir berücksichtigen können, umfaßt die Stummelspechte ( Picoides), Buntspechte mit dreizehigen Füßen oder, ausführlicher gesagt, mit fast kopflangem, geradem, breitem, auf der Firste kielförmig erhobenem, an den Seiten gegen die Spitze hin hohlkegelig ausgebuchtetem Schnabel und langläufigen Füßen, dessen beide Vorderzehen fast gleich lang und etwas kürzer als die einzige Hinterzehe sind.
Der deutsche Vertreter dieser Gruppe ist der Dreizehenspecht, dreizehiger, dreifingeriger oder scheckiger Buntspecht, Baumhacker, Baumpicker oder Gelbkopf ( Picoides tridactylus, variegatus, europaeus, alpinus, montanus und crissoleucus, Picus tridactylus, hirsutus, crissoleucus und leucopygus, Apternus tridactylus, kamtschatkensis, longirostris, montanus und septentrionalis, Tridactylia hirsuta und kamtschatkensis, Dendrocopus tridactylus). Der Vogel, welcher unserem Buntspechte an Größe ungefähr gleichkommt, ist zwar nicht so lebhaft, aber fast ebenso bunt wie dieser gezeichnet. Die Federchen, welche die Nase überdecken, sind weiß, an der Spitze schwarz, die des Vorderkopfes weiß, durch schwarze Schaftstriche gezeichnet, die des Scheitels lebhaft citrongelb. Der Hinterkopf, ein über das Auge, die Ohrgegend und an den Halsseiten herab verlaufender breiter Streifen, welcher oberseits von einem schmalen, unterseits von einem breiten weißen begrenzt wird, und ebenso ein unter dem letzteren stehender, an der Wurzel des Unterschnabels beginnender und von hier zum Hinterhalse verlaufender, theilweise nur aus Schaftstrichen gebildeter Streifen sind schwarz, Kinn, Kehle und Mitte der Unterseite weiß, Kropf- und Brustseitenfedern mit schwarzen Schaftflecken, Bauch, Schenkelseiten, After und untere Schwanzdeckfedern mit schwarzen Querbinden, die Obertheile einschließlich der Flügel bis auf einen breiten weißen Längsstreifen, welcher sich von dem weißen Hinterhalse bis zu den oberen Schwanzdecken herabzieht, schwarz, die Flügel wie die Schulterfedern durch weiße Längsflecke geziert, die Handschwingen außen mit fünf, die Armschwingen mit drei weißen Querflecken und an der Innenfahne mit großen weißen Randflecken ausgestattet, so daß sich bei zusammengelegten Flügeln sechs schmale weiße Ouerbinden darstellen, die äußersten beiden Schwanzfedern endlich mit zwei weißen Querbinden und weißer Spitze, die dritte mit nur einer Querbinde geschmückt. Das Auge ist weiß, der Schnabel bleiblau, an der Spitze schwarz, der Fuß bleifarben. Beim Weibchen ist der Scheitel nicht gelb, sondern wie der Vorderkopf weiß und schwarz längs gestrichelt.
Das Verbreitungsgebiet des Dreizehenspechtes verdient insofern besondere Beachtung, als es sich in Mittel- und Südeuropa ausschließlich auf das Hochgebirge und die höchsten Mittelgebirge beschränkt, dagegen über den ganzen Norden unseres Erdtheiles und ebenso über Mittelasien bis Kamtschatka und Sachalin, nach Norden hin bis zur Holzgrenze und nach Süden hin bis zum Tianschangebirge ausdehnt. Die Verbreitung unseres Spechtes ist also eine ähnliche wie die des Alpenschneehuhns, welches ebenfalls auf unseren Alpen und dann, weit getrennt von diesen, auf den Gebirgen des hohen Nordens gefunden wird. Als echter Gebirgsvogel steigt der Dreizehenspecht nur da in die Niederung oder Ebene hinab, wo letztere das Gepräge des Hochgebirges angenommen hat, wie dies in den hoch nordischen Waldungen, in denen die Tundra bereits zur Geltung gelangt, der Fall ist. Innerhalb der Grenzen Deutschlands ist er als Brutvogel nur in den Bayerischen Alpen nachgewiesen worden; verschiedene Beobachtungen lassen es jedoch als denkbar erscheinen, daß er im Schlesischen Mittelgebirge wie auf dem Böhmerwalde bisweilen oder sehr vereinzelt haust und brütet. Ein Nest hat freilich noch keiner der Beobachter gefunden, welche ihn als Bewohner unserer Mittelgebirge aufführen. Mit Bestimmtheit dagegen lebt der Dreizehenspecht jahraus jahrein in den Alpen, von den Seealpen an bis zu den östlichsten Ausläufern derselben, in den Karpathen, woselbst er laut Wodzicki ebenso wie in Kamtschatka der häufigste aller Spechte ist, in den Transsylvanischen Alpen, auf dem Kaukasus und dem ganzen Gebirgszuge Skandinaviens, vom südlichsten Ende des Landes an bis zum siebzigsten Grade nördlicher Breite, ebenso in Nordrußland, selbstverständlich auch auf dem Ural und allen Gebirgen sowie in den bereits bezeichnten Waldungen Nord- und Mittelasiens innerhalb der angegebenen Grenzen. Wirklich häufig scheint er nirgends zu sein, jedes Pärchen vielmehr ein weit ausgedehntes Gebiet zu bewohnen; jedoch ist hierbei zu bemerken, daß die Waldungen, welche er sich erkiest, genaue Durchforschung im höchsten Grade erschweren. In unseren Alpen hält er sich ausschließlich an den Nadelwald, im Norden scheint er wenigstens den Birkenwald ebenso gern zu bewohnen. Wenn ein Waldbrand weite Flächen des Nadelwaldes vernichtet und den holzzerstörenden Kerbthieren freien Boden geschaffen hat, findet auch er hier sich ein, um eine so günstige Gelegenheit zu benutzen, und es kann geschehen, daß der Beobachter eine unerwartete Menge der Spechte antrifft. Für gewöhnlich aber sagen ihm im Norden die Birkenwaldungen vielleicht am meisten zu, möglicherweise schon aus dem Grunde, weil sein Gefieder die Färbung uralter, vermorschter, nordischer Birkenstämme getreulich widerspiegelt. Nach beendigter Brutzeit streift auch er im Lande umher, gern in Gesellschaft von Drosseln, mit denen er nicht selten in Dohnenstiegen gefangen wird, und bei dieser Gelegenheit überschreitet er dann und wann wohl auch einmal die Grenzen seines gewöhnlichen Wohngebietes und kommt nun in Deutschland selbst in solchen Gegenden vor, welche ihm in keiner Weise behaglich erscheinen können. So wurde er, laut Naumann, einmal zufällig in Anhalt von einer Eiche herabgeschossen, so auch wiederholt in den Vorgebirgen der Bayerischen Alpen erlegt. Vielleicht streift er, unbeachtet von Kundigen, viel öfter durch unser Vaterland, als wir auf Grund unserer bisherigen Beobachtungen vermuthen dürfen.
In seinem Wesen und Gebaren hat der Dreizehenspecht die größte Ähnlichkeit mit dem Buntspechte; ich wenigstens habe an denjenigen, welche ich in Lappland und Sibirien beobachtete, keinen Unterschied wahrnehmen können. Er ist ebenso munter, ebenso gewandt, keck, rastlos, hat einen ähnlichen Flug und eine ähnliche, nach Angabe Girtanners nur merklich tiefere Stimme, trommelt in gleicher Weise, ist ebenso futterneidisch und kommt daher auch auf nachgeahmtes Klopfen regelmäßig herbei, kurz ähnelt dem Buntspechte in allen Stücken. Die Nahrung besteht wie bei letzterem aus Kerbthieren und Pflanzenstoffen. In den Alpenwäldern scheint er, laut Girtanner, hauptsächlich die Eier und Larven des Fichtenspinners und außerdem noch andere uns noch gänzlich unbekannte Kerbthiere zu erjagen, vielleicht zum Theil wohl auch pflanzliche Nahrung, möglicherweise Zirbelnüsse zu genießen; in den Waldungen der Mittelgebirge wird er mit dem Buntspechte dieselbe Nahrung theilen; in denen des Nordens sieht man ihn Kerfe aller Art von den Bäumen ablesen, ihnen zu Gefallen Rindenstücke weg und tiefe Löcher in das morsche Holz meiseln. Collet untersuchte den Mageninhalt dreier dieser Spechte und fand, daß derselbe aus Larven und Fliegen von Gallmücken und des großen Holzbockkäfers, eines der ärgsten Waldzerstörer, sowie weniger anderer Kerbthiere, namentlich Schmetterlinge, bestand. Im Herbste wird er unzweifelhaft auch Pflanzenstoffe, insbesondere Beeren, fressen, weil es sich sonst nicht erklären ließe, daß man ihn in Dohnenstiegen fängt. Ueber das Brutgeschäft liegen noch wenige und dürftige Nachrichten vor. Nach Wodzicki ist er in der Zeit des Nistens sehr vorsichtig, zimmert sich an zwanzig bis dreißig Löcher, sitzt bei Nacht bald in diesem, bald in jenem und baut sein Nest doch noch in einem anderen. Deshalb entdeckt man seine Bruthöhle gewöhnlich erst, wenn er die Jungen atzt. Eine Nisthöhlung, welche Girtanner untersuchte, befand sich in einer hohen kränkelnden Tanne eines etwa sechzehnhundert Meter über dem Meere gelegenen Hochwaldes von Graubünden, jedoch in so bedeutender Höhe, daß der Baum gefällt werden mußte, um die Jungen zu erreichen. Solche Höhlen werden von dem Vogel selbst ausgemeiselt und unterscheiden sich nicht von der unseres Buntspechtes. Die vier bis fünf Eier, deren größter Durchmesser vierundzwanzig bis sechsundzwanzig und deren kleinerer achtzehn bis neunzehn Millimeter beträgt, sind glänzend weiß, werden Anfang Juni gelegt und wahrscheinlich von beiden Eltern abwechselnd bebrütet, wie auch Vater und Mutter gemeinschaftlich die Pflege der Jungen übernehmen.
Jung aus dem Neste genommene Dreizehenspechte, welche Girtanner pflegte, nahmen unter beständigem, gegenseitigem Balgen und unaufhörlichem, dem des Kleinspechtes ähnelndem, jedoch etwas tieferem, ungefähr wie »Gigi« klingendem Geschreis die ihnen gereichten Ameisenpuppen ab, entwickelten sich auch sehr schön und säst bis zum Flüggwerden, wurden aber eines Morgens ohne irgend eine erklärliche Ursache todt gesunden, scheinen sich somit nicht leicht in Gefangenschaft erhalten zu lassen.
In der zweiten Unterfamilie vereinigen wir die Weichschwanzspechte ( Picumnus), von denen ungefähr fünfundzwanzig Arten bekannt geworden sind. Reichenbach sieht in ihnen die Vertreter der Eisvögel unter den Spechten; Cabanis nennt sie Uebergangsglieder zwischen den Spechten und den Wendehälsen. Sie zeigen im ganzen die Gestalt unserer Spechte, besitzen aber keinen Stemmschwanz und sind außerordentlich klein, nicht viel größer als unsere Goldhähnchen. Der Schnabel ist länglich, kegelförmig, gerade, spitzig und ohne deutliche Kanten. Die Beine sind wie bei den Spechten gebaut, für die Größe der Vögel weder schwach, noch klein; die Nägel zeigen die Sichelform der Spechtkrallen. In den kurzen, sehr stumpfen und rundlichen Flügeln überragen die vierte und fünfte Schwinge die anderen. Der Schwanz besteht aus zwölf seitlich verkürzten Federn, welche weich und abgerundet und deren beide äußersten verhältnismäßig ebenso klein wie bei den eigentlichen Spechten sind. Das Gefieder ist ungemein weich und besteht aus wenigen, für die Größe des Körpers umfangreichen Federn.
Die Unterfamilie oder Familie findet sich hauptsächlich in Südamerika; doch hat man auch in Afrika eine und in Indien drei hierher gehörige Arten entdeckt.
Ueber die Lebensweise fehlen ausführliche Mittheilungen noch gänzlich, und die verschiedenen Berichte stimmen im ganzen wenig überein.
Der Zwergspecht ( Picumnus minutus, cirratus, minutissimus und cayanensis, Picus minutus und minutissimus, Pipra minuta, Yunx minutissima) ist auf dem Oberkopfe schwarz, fein weiß punktirt, auf der übrigen Oberseite graubraun, auf der Unterseite weiß und schwarz in die Quere gebändert, auf Stirn und Vorderscheitel beim Männchen roth, beim Weibchen weiß geperlt wie der übrige Scheitel; die schwarzbraunen Schwingen sind gelblich, die Deckfedern licht gesäumt, die Steuerfedern schwarz, die seitlichen mit breitem, weißem Streifen an der Außensahne, die beiden mittelsten mit solchem an der Innenfahne. Das Auge ist graubraun, der Schnabel an der Wurzel bleifarben, auf der Firste und an der Spitze schwärzlich, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt 9, die Breite 15, die Fittiglänge 4,8, die Schwanzlänge 2,5 Centimeter.
Der Zwergspecht kommt in allen Küstenwaldungen von Guayana bis Paraguay nicht selten vor, erscheint aber auch oft in der Nähe der Wohnungen. Im Sommer lebt er paarweise, in der kalten Zeit in kleinen Gesellschaften, welche ziemlich weit umherstreifen. Er hat, wie der Prinz sagt, vollkommen die Lebensart anderer Spechte und kriecht an den Stämmen umher, um Kerbthiere und ihre Larven zu suchen. Burmeister dagegen versichert, daß seine Lebensweise ganz die der Goldhähnchen sei. Beide Beobachter bestätigen somit die Angaben Azara's, daß der Vogel an den Baumstämmen klettere und zuweilen von einem Zweige zum anderen hüpfe. Schomburgk fand ihn regelmäßig unter den Herden verschiedener Vögel, welche zeitweilig im Walde umherstreichen, traf ihn aber auch in Gärten und Pflanzungen nicht selten an. In einem Garten sah er täglich ein Paar in ein Astloch aus- und einschlüpfen, scheint aber das Nest nicht selbst untersucht zu haben. Von einer verwandten Art, welche in Peru lebt, wissen wir durch Tschudi, daß sie vier Junge erzieht. Dies ist alles, was ich meinestheils über die Lebensweise der niedlichen Vögel gefunden habe.