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Die Wendehälse ( Jyngidae), welche als die tiefststehenden aller Spechtvögel anzusehen sind, gehören ausschließlich der Alten Welt an. Sie sind gewissermaßen als Bindeglieder zwischen den Spechten und den Kukuken oder Bartvögeln anzusehen. Ihr Leib ist gestreckt, der Hals lang, der Kopf ziemlich klein, der Flügel kurz und stumpf, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz mittellang, breit und weichfederig, der Schnabel kurz, gerade, vollkommen kegelförmig, spitzig, seitlich nur wenig zusammengedrückt, der Fuß ziemlich stark, vier- und paarzehig, das Gefieder locker und weich. Der innere Bau ähnelt nach den Untersuchungen von Nitzsch dem der Spechte. Die sehr ausstreckbare Zunge ist fadenförmig, an der Spitze aber nicht mit Widerhaken besetzt.
Unser Wende-, Winde-, Dreh- oder Natterhals, Drehvogel, Halsdreher, Halswinder, Nacken-, Natter- oder Otterwindel, Natterwendel, Natterzange etc. ( Jynx torquilla, japonica, major, arborea, punctata, septentrionalis und meridionalis, Cuculus subgriseus, Torquilla striata), ist auf der Oberseite licht aschgrau, fein dunkler gewellt und gepunktet, auf der Unterseite weiß, spärlich mit dunklen, dreieckigen Flecken gezeichnet; Kehle und Unterhals sind auf gelbem Grunde quer gewellt; ein schwärzlicher Längsstreifen zieht sich vom Scheitel bis zum Unterrücken herab; die übrige Zeichnung des Oberkörpers besteht aus schwärzlichen, rost- und hellbraunen Flecken; die Schwingen sind rothbraun und schwarzbraun gebändert, die Schwanzfedern fein schwarz gesprenkelt und durch fünf schmale Bogenbänder gezeichnet. Das Auge ist gelbbraun, Schnabel und Beine sind grüngelb. Bei den Jungen ist die Färbung blässer, die Zeichnung gröber und das Auge graubraun. Die Länge betrügt 18, die Breite 29 bis 30, die Fittiglänge 9, die Schwanzlänge 6,5 Centimeter.
Der Wendehals kommt auf der halben Erde vor; heimatsberechtigt aber ist er nur im Norden, das heißt in Mitteleuropa und in Mittelasien. In Deutschland findet er sich einzeln aller Orten, wenn auch nicht gerade im Hochgebirge oder im düsteren Hochwalde. Nach Norden hin dehnt sich sein Verbreitungsgebiet bis ins mittlere Skandinavien und Finnland, nach Osten hin dagegen bis in die Amurländer aus. In Mittel- und Südrußland ist er überall häufig und selbst in den Steppen eine gewöhnliche Erscheinung; in Daurien tritt er nicht seltener auf als in Europa. Wie weit sich sein Wohngebiet nach Süden hin erstreckt, vermag ich mit Bestimmtheit nicht anzugeben; wohl aber kann ich sagen, daß man ihn hier viel seltener bemerkt als bei uns: in Spanien z. B. kommt er nach meinen Beobachtungen im Tieflande als Brutvogel nicht mehr vor, und ebenso scheint es in Griechenland zu sein. Den Grund hiervon glaube ich in der Baumarmut der Ebenen Spaniens und Griechenlands suchen zu dürfen, so bestimmt einer derartigen Annahme das Vorkommen des Wendehalses in den Steppen entgegensteht. Letztere aber bieten ihm infolge der dünnen Bevölkerung auch in den wenigen Bäumen, welche die Flußthäler begrünen, so gesicherte Aufenthaltsorte, daß er hier leicht wohl unter denselben Umständen leben kann, welche sein Auftreten in Spanien und Griechenland erschweren oder unmöglich machen. In Italien zählt er, laut Lessona und Salvadori, zu den gemeinen Vögeln des Landes, erscheint regelmäßig im Frühjahre, nistet und wandert im Herbste wiederum aus. Gelegentlich seines Zuges sieht man ihn in ganz Egypten, Nubien und im Ost-Sudân: hier endlich scheint er für den Winter Herberge zu nehmen. Dasselbe gilt nach Jerdon für Indien: hier ist der Wendehals in allen Theilen, welche man durchforscht hat, beobachtet worden, aber ausschließlich im Winter. Lindermayers Angabe, »überwintert in Griechenland und wird in den Monaten Oktober bis März nicht selten in den Olivenwäldern beobachtet«, findet in Beobachtungen Krüpers Bestätigung. So wurde ein Wendehals, welcher jetzt im Museum zu Athen steht, am dritten Januar 1868 in Attika, ein anderer bei Schneewetter am fünften Februar 1874 in der Nähe Athens erlegt und im Winter 1870 sogar ein todter Vogel am Olymp im Schnee gefunden. Auch Lessona und Salvadori bemerken in ihrer trefflichen Uebersetzung der ersten Auflage des »Thierlebens«, daß man in Mittel- und Süditalien nicht allzu selten überwinternde Wendehälse bemerkt.
Bei uns zu Lande erscheint der Wendehals erst, wenn der Frühling vollständig eingezogen, und er verläßt uns bereits wieder, bevor noch der Sommer vorübergegangen ist. Bei günstigem Frühlingswetter trifft er schon zwischen dem zehnten und fünfzehnten, gewöhnlich aber erst zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten April, zuweilen auch selbst in den ersten Tagen des Mai, bei uns ein und verweilt dann bis Anfang August, selten länger, am Brutorte. Dann beginnt er zu streichen, und wenn man später, bis in den September hinein, noch einzelne seiner Art zu sehen bekommt, darf man annehmen, daß es solche sind, welche im Norden brüteten und unser Vaterland nur durchwandern. Seine Reisen werden des Nachts ausgeführt, und zwar sammeln sich im Herbste kleine Gesellschaften, welche den weiten Weg gemeinschaftlich zurücklegen, während die rückkehrenden vereinzelt ziehen. Doch sieht man auch im Frühlinge noch in Egypten oder Spanien an besonders günstigen Plätzen mehrere dieser sonst ungeselligen Vögel beisammen.
Zu seinem Wohngebiete wählt der Wendehals Gegenden, welche reich an alten Bäumen, aber doch nicht gänzlich bewaldet sind. Feldgehölze, zusammenhängende Gebüsche oder Obstbaumpflanzungen bilden seine liebsten Wohnsitze. Er scheut den Menschen nicht und siedelt sich gern in unmittelbarer Nähe von Häusern, z. B. in Gärten an, falls hier nur einer der Bäume eine geeignete Höhlung besitzt, welche ihm zur Brutstelle dienen kann. Innerhalb seines Gebietes macht er sich wenigstens im Frühling leicht bemerklich; denn seine Stimme ist nicht zu verkennen, und fällt um so mehr auf, als das Weibchen dem rufenden Männchen regelmäßig zu antworten pflegt. Geht man dem oft zwanzigmal nach einander ansgestoßenen »Wii id wii id« nach, so wird man den sonderbaren Vogel bald bemerken. Er sitzt entweder auf den Zweigen eines Baumes, auch wohl angeklammert am Stamme desselben oder auf dem Boden, hier wie dort ziemlich ruhig, obgleich keineswegs bewegungslos; denn sobald er sich beobachtet sieht, bethätigt er zum mindesten seinen Namen. Man kann nicht sagen, daß er schwerfällig oder ungeschickt wäre: er ist aber träge und bewegt sich nur, wenn dies unumgänglich nöthig wird. Von der Rastlosigkeit und Hurtigkeit der Spechte oder anderer Klettervögel bekundet er nichts mehr. Seine Kletterfüße dienen ihm nur zum Anklammern, scheinen aber zum Steigen unbrauchbar zu sein. Auf dem Boden hüpft er mit täppischen Sprüngen umher, und wenn er fliegt, wendet er sich so bald als möglich wieder einem Baume zu. Aus der Höhe stürzt er sich bis dicht über den Boden hernieder, fliegt hier mit rasch bewegten Flügeln eine Strecke geradeaus und steigt dann in einem großen, flachen Bogen wieder aufwärts. Nur wenn er größere Strecken durchmessen muß, zieht er in einer sanft wogenden Linie dahin.
Dagegen leistet er erstaunliches in Verrenkung seines Halses, und diese Fähigkeit ist es, welche ihm fast in allen Sprachen den gleichbedeutenden Namen verliehen hat. Jedes ungewohnte bewegt ihn, Grimassen zu schneiden, und diese werden um so toller, je mehr der Vogel durch irgend eine Erscheinung in Furcht versetzt worden ist. »Er dehnt den Hals oft lang aus«, sagt Naumann, »sträubt die Kopffedern zu einer Holle auf und breitet den Schwanz fächerförmig aus, alles unter wiederholten, langsamen Verbeugungen, oder er dehnt den ganzen Körper und beugt sich, besonders wenn er böse ist, langsam vorwärts, verdreht die Augen und bewegt die Kehle wie ein Laubfrosch unter sonderbarem, dumpfem Gurgeln. In der Angst, z. B. wenn er gefangen ist und man mit der Hand zugreifen will, macht er so sonderbare Grimassen, daß ein Unkundiger darüber, wenn nicht erschrecken, so doch erstaunen muß. Mit aufgesträubten Kopffedern und halb geschlossenen Augen dehnt er den Hals zu besonderer Länge aus und dreht ihn wie eine Schlange ganz langsam, so daß der Kopf währenddem mehrmals im Kreise umgeht und der Schnabel dabei bald rückwärts, bald vorwärts steht.« Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß der Wendehals damit seine Feinde oder Angreifer schrecken will. Wie der Wiedehopf sich beim Anblick eines Raubvogels zu Boden duckt und sich durch das weiter oben beschriebene Geberdenspiel unkenntlich zu machen sucht, so bemüht sich auch der Wendehals, den Feind zu täuschen und abzuschrecken. Er vertraut auf sein unscheinbares Gefieder, dessen Färbung sich der Baumrinde oder des Bodens innig anschmiegt und ahmt noch außerdem die Bewegungen der Schlange nach, welche den meisten Thieren furchtbar erscheint. Daß diese Vertheidigungsart nicht angeboren, sondern angelernt ist, beweist der Wendehals schlagend genug; denn nur die älteren Vögel, nicht aber die Jungen geberden sich in solcher Weise. Als Grill an einem schönen Sommermorgen, von einem jungen Hunde begleitet, in einem Parke lustwandelte, schlug der Hund plötzlich an und stand vor einem kleinen Gebüsche. Grill ging hinzu und fand, daß er einen Wendehals anbellte, welcher, auf der Erde liegend, das ihm eigene sonderbare Geberdenspiel übte, den Schwanz und die Flügel spreizte, den Hals streckte, den Kopf nach Schlangenart hin und her schwenkte, die Augen verdrehte, die Kopffedern zum Schopfe aufrichtete etc. Indem der Beobachter den Hund, welcher den Vogel fast berührte, wegjagte, faßte er letzteren, trug ihn nach Hause und setzte ihn in einen Käfig. Hier nahm er sogleich seine natürliche Stellung wieder an, und als er später seine Freiheit wieder erhielt, flog er unbehindert davon, woraus man schließen konnte, daß er ganz gesund war. Gefangene beweisen bei jeder Gelegenheit, daß sie ihre absonderlichen Geberden nur aus dem Grunde ausführen, um ihnen fremdartige oder bedenklich erscheinende Wesen zu schrecken.
Außer dem angegebenen »Wii id wii id« vernimmt man vom Wendehals selten einen anderen Laut. Im Zorne ruft das Männchen »Wäd wäd«, in der Angst stoßen beide Geschlechter kurz abgebrochen die Silbe »Schäck« aus, bei besonderer Erregung zischt wenigstens das Weibchen wie eine Schlange. Die Jungen schwirren, so lange sie im Neste sitzen, nach Art der Heuschrecken.
Die Spanier haben sehr recht, wenn sie den Wendehals » Hormiguero« oder zu deutsch Ameisler nennen, denn diese Kerbthiere, welche er ebensowohl vom Boden als von den Bäumen abliest, bilden in der That die Hauptmasse seiner Nahrung. Er verzehrt alle kleineren Arten, noch lieber aber die Puppen als die ausgebildeten Kerfe. Gelegentlich frißt er auch wohl Raupen und andere Larven oder Puppen; Ameisen bleiben aber immer die Hauptsache. Seine Zunge, welche er so weit vorstrecken kann wie nur irgend einer der Spechte, leistet ihm bei seinem Nahrungserwerbe höchst ersprießliche Dienste. Nach Art des Ameisenfressers steckt er sie durch Ritzen und Löcher in das Innere der Haufen, wartet, bis sich die erbosten Kerbthiere an dem vermeintlichen Wurm festgebissen haben oder an dem kleberigen Schleime hängen geblieben sind, und zieht dann die ganze Ladung mit einem Rucke in den Schnabel. »Der Windhalß durchsticht mit seiner außgestreckten Zungen sehr schnell die Ameissen, gleich wie bey uns die jungen Knaben die Frösch mit eisern Pfeilen, so sie an einen Bogen gebunden haben, und verschluckt dieselbigen, er berühret auch die nimmer mit seinem Schnabel, als die andern Bügel ihre Speiß«, sagt schon der alte Geßner. Doch ist hierzu einiges zu bemerken. Ich habe mich wiederholt aber vergeblich bemüht, an gefangenen Wendehälsen, welche ich stets mit größter Vorliebe pflege, zu erkunden, wie sie eigentlich beim Aufnehmen ihrer Beute verfahren. Der Schnabel wird ein wenig geöffnet, die Zunge schießt hervor, wühlt einen Augenblick in den Puppen und Mehlwürmern herum und zieht sich mit dem erfaßten Brocken blitzschnell zurück. Wie letztere aber an der Zunge haften, erfährt man nicht, auch wenn man das Auge bis auf wenige Centimeter an den Vogel bringt und auf das schärfste anstrengt.
Hinsichtlich der Nisthöhle macht der Wendehals geringe Ansprüche. Es genügt ihm, wenn der Eingang zu der Höhlung einigermaßen eng ist, so daß nicht jedes Raubthier ihm oder der Kinderschar gefährlich werden kann. Ob das Loch sich in bedeutender oder geringerer Höhe über dem Boden befindet, scheint ihm ziemlich gleichgültig zu sein. Sind mehrere Höhlen in einem Baume, so überläßt er, wie Naumann bemerkt, die höheren gewöhnlich anderen Vögeln, Feldsperlingen, Rothschwänzen und Meisen, mit denen er nicht gern streiten mag, nimmt die unterste in Besitz und lebt dann mit allen übrigen Höhlenbrütern in tiefstem Frieden. Minder verträglich als Naumann geschildert, erweist er sich, wenn er an Wohnungsnoth leidet. In Ostthüringen wählt er, laut Liebe, gegenwärtig, weil die alten Bäume mehr und mehr sich verlieren und auch die Spechte, welche ihm seine Wohnung herzustellen pflegen, immer seltener werden, Staarkasten zu seinem Heim und legt die Eier ohne weiteres auf das alte moderige Nistzeug, welches im vorigen Jahre Sperlinge oder Staare eingetragen hatten. Findet er die Staarkübel besetzt und dafür andere Brutkasten, so versucht er, gezwungen durch die Noth, in diese zu schlüpfen und kann somit zu einem unliebsamen Besucher gepflegter, mit Nistkasten ausgerüsteter Gärten, auch wohl zum Nestzerstörer werden. Im größten Nothfalle baut er sein Nest oben in einer Vertiefung eines alten Weidenkopfes. Unter regelmäßigen Verhältnissen wird die Nisthöhle von dem alten Wust einigermaßen gereinigt und so auf dem Mulme eine ziemlich ebene Unterlage hergestellt. Darauf legt das Weibchen Mitte Mai seine sieben bis zwölf kleinen, abgestumpften, zartschaligen, reinweißen Eier. Es bebrütet dieselben etwa vierzehn Tage lang, größtentheils allein; denn es läßt sich nur in den Mittagsstunden von dem Männchen ablösen: aber es bebrütet sie mit dem größten Eifer. Nach meinen Beobachtungen gelingt es selten, ein auf den Eiern sitzendes Wendehalsweibchen aus dem Neste zu jagen. Klopfen am Baumstamme, welches alle übrigen Höhlenbrüter aufscheucht, stört es nicht, und selbst dann, wenn man oben zum Nistloche hereinschaut, bleibt es noch über den Eiern sitzen. Aber es zischt wie eine Schlange, wiederum in der Absicht, zu schrecken. Die Jungen sind, wenn sie dem Eie entschlüpfen, beinahe nackt oder nur mit wenigen grauen Dunenfasern bekleidet, wachsen jedoch ziemlich rasch heran, weil beide Eltern sich nach Kräften bemühen, ihnen Nahrung in Fülle herbeizuschaffen. Doch verlassen sie das Nest erst, wenn sie vollkommen flugbar geworden sind. So sorgsam die Alten für das Wohl der zahlreichen Kinderschar bedacht sind – eines verstehen auch sie nicht: die Reinigung der Nestkammer. Der Wiedehopf ist wegen dieser Nachlässigkeit bei jedermann verschrieen, der Wendehals aber um kein Haar besser als er; denn auch sein Nest wird zuletzt »ein stinkender Pfuhl«. Die ausgeflogenen Jungen werden von den Eltern noch längere Zeit geführt und sorgfältig im Gewerbe unterrichtet. Erst um die Mitte des Juli vereinzeln sich die Familien, welche bisher treulich zusammenhielten, und jeder einzelne lebt nun still bis zu dem Tage, welcher der Beginn seiner Winterreise ist.
Gefangene Wendehälse sind die unterhaltendsten Stubengenossen unter der Sonne. Es hält nicht schwer, sie an ein passendes Stubenfutter zu gewöhnen und lange Zeit zu erhalten. Einige freilich, sogenannte Trotzköpfe, wollen nur Ameisenpuppen genießen. Einer, welchen Naumann besaß, litt bei vorgelegten Schmetterlingen, Raupen, Käfern und Käferlarven, Libellen, Fliegen, Spinnen und selbst Ameisen den bittersten Hunger; so bald aber Ameisenpuppen gebracht wurden, machte er sich sogleich darüber her, langte begierig mit der Zunge wie mit einer Gabel zu und zog, was außerhalb des Käfigs, aber im Bereiche seiner Zunge lag, ebenfalls behend hinein. Wie sie sich benehmen, berichtet schon Geßner. »Den, so ich ein zeitlang erhalten, der flohe nicht bald, wenn ein Mensch herzukam; doch ward er zornig, er richtet seinen Halß auff, und stieß mit seinem Schnabel, er beiß aber nicht, und diesen zog er offt hinter sich und streckt ihn widerumb herfür, also träwend erzeigt er seinen Zorn. Darzwischen waren seine Federn, fürauß auff dem Halß, starrend, und der Schwantz zerthan und auffgericht.« Frauenfelds gefangene Wendehälse und zwei Buntspechte, welche er ebenfalls hielt, bekamen des Morgens die Erlaubnis, frei im Zimmer umherzufliegen. Wenn einer der Spechte dem Wendehalse zu nahe kam, geberdete sich dieser in der bekannten Weise, um die Spechte zu erschrecken, und dies gelang ihm auch immer; denn die Spechte flogen jedesmal davon, wenn der Wendehals die Schlange nachahmte. Anfangs geberdete er sich in ähnlicher Weise gegen seinen Gebieter; später war er mit diesem so vollständig vertraut geworden, daß er ihm niemals mehr drohete. »Uebrigens wiederholt der Wendehals«, wie Frauenfeld sagt, »seine Geberden ganz rhythmisch. Während er den Leib flach niedergestreckt vorwärts schiebt, streckt er den Hals so lang als möglich aus, spreizt den Schwanz, sträubt die Kopffedern hoch empor und schnellt dann, wenn er sich langsam dehnend, so weit er vermochte, ausgestreckt hatte, plötzlich mit raschem Rucke den Kopf zurück. Dieses Dehnen und Zurückschnellen wiederholt er vier- bis fünfmal, bis sich sein Gegner entfernt. Noch auffallender ist sein Benehmen außerhalb des Käfigs, den er übrigens nicht gern verläßt. Er sucht dann häufig ein Versteck auf und weiß sich hier so vortrefflich zu verbergen, daß man ihn zuweilen längere Zeit vergeblich suchen muß. So lange er nicht bemerkt zu sein glaubt, bleibt er niedergedrückt ganz ruhig und folgt, mit den Augen beobachtend, dem Suchenden. Erst wenn er sich entdeckt sieht, beginnt wieder die komische, sträubende Bewegung, um den Gegner zu ängstigen und zu verscheuchen. Wenn er überrascht wird, während er sich außerhalb des Käfigs befindet, so drückt er sich gegen den Boden der Länge nach nieder und bleibt unbeweglich liegen. Beobachtet man ihn nicht weiter, so erhebt er sich erst nach geraumer Zeit wieder und treibt sich weiter im Zimmer umher. Geht man jedoch auf ihn los, so wiederholt er das alte Spiel. Nur wenn mehrere Personen zu gleicher Zeit ins Zimmer treten, fliegt er furchtsam nach einer höheren Stelle.«
Eine Nestgesellschaft junger Wendehälse, welche man aufzieht, verursacht vielleicht noch mehr Vergnügen als die alten Vögel. »Das Hungergeschrei einer derartigen Jugendschar«, erzählt Girtanner, »ist das merkwürdigste, was von Tonwerken gehört werden kann und überrascht namentlich dann, wenn es, wie bei mir, aus dem Inneren eines geschlossenen Kistchens, dessen Inhalt man von außen nicht erkennt, geheimnisvoll hervortönt. Die leiseste Berührung eines solchen, das Nest vertretenden Kästchens ruft ein äußerst sonderbares, ebenmäßig bewegtes, rätschendes Gesumme hervor, welches mit einer Handtrommel ziemlich täuschend nachgeahmt werden kann und das Kistchen gleichsam in eine Spieldose verwandelt. Wie staunen dann nicht bewanderte Zuhörer, wenn man die Spieldose öffnet und sich plötzlich die Kasperltheatergesellschaft zeigt, schon jetzt beginnend, ihre Schnurren auszuüben. Die mehr entwickelten Jungen versuchen bereits ihre langen, beweglichen Schlangenzungen, wühlen mit diesen blitzschnell in den Ameisenpuppen herum, um ebenso rasch mit dem an gedachten Greifwerkzeugen hängenden Futter zu verschwinden.« Derartig aufgezogene Junge werden so zahm wie Hausthiere und erhalten ihren Pfleger fortwährend in der heitersten Stimmung. Mit anderen Vögeln, in deren Gesellschaft sie gebracht werden, vertragen sie sich vortrefflich, dürfen also auch in dieser Beziehung auf das wärmste empfohlen werden.
Der harmlose Wendehals hat in dem Sperber, in Elstern und Hehern, Katzen, Mardern und Wieseln gefährliche Feinde, und gar mancher fällt diesen wachsamen Räubern zum Opfer. Aber auch den Sonntagsschützen bietet er sich leider nur zu oft zum leichten Ziele, und seitdem man neuerdings nun vollends versucht hat, Acht und Bann über ihn zu verhängen, schützt ihn nicht einmal mehr die bisher festgehaltene Ansicht der Kundigen, daß er ein nützlicher Vogel sei. Ich meinestheils vertrete diese Ansicht auch heute noch, und zwar auf das bestimmteste und wärmste. Wohl weiß ich, daß er sich vorzugsweise von Ameisen ernährt und daß diese im allgemeinen uns Nutzen bringen: die von ihm verursachte Schädigung des Ameisenbestandes aber fällt dem massenhaften Auftreten gedachter Kerbthiere gegenüber so wenig ins Gewicht, daß der Wendehals im Ernste von niemand unter die schädlichen Vögel gezählt werden kann. Ebenso ist mir bekannt, daß er beim Suchen nach einer Wohnung den einen und den anderen Höhlenbrüter stört, vielleicht sogar aus dem Neste vertreibt: ihn deshalb aber auf die Liste der schadenbringenden Vögel setzen zu wollen, ist einfach widersinnig. Wem der Wendehals hierdurch beschwerlich fällt, braucht nur einige tiefe und weite, aber mit kleinem Eingangsloche versehene und im Inneren mit irgend einem Neste, mindestens Gerüste, ausgestattete Brutkästen an solchen Bäumen aufzuhängen, wie der Vogel sie besonders liebt, um derartigen Uebergriffen desselben vorzubeugen. Ihn deshalb zu tödten, ist ein Unrecht, seine »sonderbar unheimlichen Zuckungen und Grimassen, Kopf- und Augenverdrehungen« als »die unzweideutigsten Kundgebungen des bösen Gewissens« zu kennzeichnen, wie Gredler dies gethan, ein Scherz, welcher recht leicht mißverstanden werden kann. In unserer Zeit, in welcher so viele Unberufene zur Feder greifen und mit dreister Stirn erträumtes und gedachtes als treue Beobachtung und Forschung ausgeben, will es mich doppelt gefährlich bedünken, auf einen so liebenswürdigen Vogel das Urtheil der Verdammnis zu schleudern. Scheint es doch, als ob sich aller, welche sich um die Thiere unseres Vaterlandes bekümmern, eine wahre Sucht bemächtigt habe, in jedem einzelnen einen uns schädigenden Feind zu wittern oder die kaum merklichen Uebergriffe, welche sich ein Thier zu Schulden kommen läßt, zu ungeheuerlichen Uebelthaten aufzubauschen! Und da nun der ungebildete Mensch bekanntermaßen mehr Vergnügen am Zerstören als am Erhalten findet, können solche Verdächtigungen nur verderblich wirken. Aus diesem Grunde erachte ich es für meine Pflicht, auch für den Wendehals einzutreten und alle auf ihn gehäuften Beschuldigungen auf ihren wahren Werth zurückzuführen, d. h. sie als bedeutungslos zu erklären.