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15. Familie: Raken ( Coraciadae)

Als die nächsten Verwandten der Bienenfresser betrachtet man die Raken ( Coraciadae), ziemlich große, meist in bunten Farben prangende Vögel, welche eine kleine, aus ungefähr zwanzig Arten bestehende, ebenfalls nur auf der Osthälfte der Erde heimische Familie bilden. Der Schnabel ist mittel- oder ziemlich lang, kräftig, gerade, an der Wurzel etwas verbreitert, gegen die Spitze zusammengedrückt, scharfschneidig und an der Spitze übergebogen, der Fuß kurz, schwachläufig und kurzzehig; die Schwingen sind mittellang oder lang und ziemlich breit; der Schwanz ist in der Regel ebenfalls mittellang, aber bald gerade abgeschnitten, bald schwach gerundet, bald seicht gegabelt; zuweilen sind auch seine beiden äußersten Federn weit über die übrigen verlängert. Das Gefieder ist zerschlissen, aber harsch und rauh; die Schäfte der Federn sind steif, die Bärte glatt, jedoch locker geschlossen. Grün, Blau, Zimmetbraun oder Weinroth sind die vorherrschenden Farben des Gefieders. Die Geschlechter unterscheiden sich wenig, die Jungen unwesentlich von den Alten.

Als die wahre Heimat der Raken sind die Gleicherländer der Alten Welt anzusehen. Eine Art der Familie kommt allerdings im Norden und so in Europa vor; die Mehrzahl aber bewohnt den eben angegebenen Gürtel. Afrika und Asien zählen so ziemlich die gleiche Anzahl von Arten; Neuholland ist arm an Mitgliedern der Gruppe. Trockene und ebene Gegenden bilden den bevorzugten Aufenthalt; in Gebirgen finden sich die Raken ebenso selten wie in besonders fruchtbaren Gegenden. Nur bedingungsweise kann man sie als Waldvögel betrachten. In den dünn bestandenen Steppenwäldern Afrikas fehlen sie allerdings nicht; dagegen meiden sie im Norden wie im Süden zusammenhängende dichte Bestände. Bedingung für ihren Aufenthalt sind große, einzeln stehende Bäume oder Felswände, Felskegel und unbewohnte Gebäude, von denen aus sie weite Umschau haben, und deren Höhlen oder Spalten ihnen passende Nistplätze bieten. Hier pflegen sie zu sitzen und ihr Gebiet sorgfältig zu durchspähen. Ein etwa vorbeifliegendes größeres Kerbthier wird genau in derselben Weise aufgenommen, wie von den Fliegenfängern und Bienenfressern geschieht, ein am Boden unvorsichtig dahinlaufendes Mäuschen, eine Eidechse oder ein kleiner Lurch aber auch nicht verschmäht. Zu gewissen Zeiten fressen die Raken ebenso Früchte, obgleich thierische Nahrung immer die bevorzugte bleiben mag.

Alle Raken sind unruhige und unstete Vögel. »Außerordentliche Scheu und die wachsamste Vorsicht«, sagt Gloger, »unermüdliche, wilde Lebhaftigkeit und stete, frohe Munterkeit sammt besonderem Hange zum Streiten und Lärmen und bei Alten eine trotzdem nicht zu bezähmende Unbändigkeit in der Gefangenschaft: diese Eigenschaften stechen als Hauptzüge ihres Charakters hervor. Sie sitzen, da sie sich bloß aus Besorgnis, nicht aus Neigung überhaupt verbergen, fast nie lange still, am häufigsten frei und gern auf Baumwipfeln oder auf dürren Astspitzen.« Im Gezweige der Bäume hüpfen sie ebensowenig umher als auf dem Boden: sie gebrauchen zu jeder Ortsveränderung ihre Schwingen. Der gewandte, schnelle und außerordentlich leichte Flug zeichnet sich durch Gauklerkünste der sonderbarsten Art, ein merkwürdiges Ueberschlagen z. B., in hervorragender Weise aus. Die Stimme ist ein unangenehm harscher Laut, welcher dem deutschen Namen, einem Klangbilde desselben, ziemlich genau entspricht.

Nur so lange die Sorge um die Brut ein Rakenpaar bindet, verweilt es an einem bestimmten Orte; vor und nach der Brutzeit schweift es im Lande umher. Unsere nordische Art zieht regelmäßig, bleibt aber in der Winterherberge nicht in einem bestimmten Gebiete, sondern durchmißt hier, scheinbar unnütz, weite Strecken, wie die in den Gleicherländern lebenden Arten es thun.

Das Nest wird an sehr verschiedenen Orten, immer aber auf dieselbe Weise angelegt. Bei uns zu Lande nistet die Blaurake in hohlen Bäumen, und deshalb hat man geglaubt, daß nicht bloß sie, sondern alle übrigen Arten hiervon nicht abweichen, während wir jetzt wissen, daß Mauerlöcher, Felsspalten oder selbst Höhlungen in steilen Erdwänden und Gebäuden ebenso oft, vielleicht noch öfter, zur Aufnahme des Nestes dienen müssen. Dieses selbst ist ein sehr liederlicher Bau, welcher aus Halmen, Gewürzel, Haaren und Federn besteht. Das Gelege enthält vier bis fünf glänzend weiße Eier. Sie werden von beiden Eltern wechselsweise bebrütet und auch die Jungen gemeinschaftlich groß gezogen. Beide Eltern zeigen regen Eifer, so weit es sich um die Bebrütung und Ernährung handelt, vernachlässigen im übrigen aber die Brut sehr, bekümmern sich namentlich nicht im geringsten um die Reinheit des Nestes und gestatten, daß dieses zuletzt zu einem wahrhaften Kothhaufen wird. Die Jungen gewinnen bald nach dem Ausfliegen ihre Selbständigkeit und gehen nun ihre eigenen Wege, ohne sich viel um ihre Eltern oder andere ihrer Art zu kümmern. Gleichwohl thut man den Raken Unrecht, wenn man sie ungesellig nennt. Wie ich mich neuerdings an freilebenden wie an gefangenen überzeugt habe, weisen sie einzig und allein Beeinträchtigung ihrer Bedürfnisse zurück. Um einen hohlen Baum entsteht lebhafter Streit unter den verschiedenen Paaren, aber nur dann, wenn es an Brutgelegenheiten mangelt, wogegen dort, wo Erd- und Felswände, altes Gemäuer, verlassene Gebäude und dergleichen Oertlichkeiten zu Nistplätzen erwählt werden, die als ungesellig verschrieenen Raken sogar Siedelungen bilden können. Auch auf dem Zuge begegnet man ihnen meist in größeren Scharen; diese aber vertheilen sich über einen weiten Raum, um sich im Fange der Beute nicht gegenseitig zu stören. Sie bedürfen mehr Nahrung als die Bienenfresser und dem entsprechend ein weiteres Jagdgebiet, gesellen sich aber, insofern Eifersucht und Futterneid nicht ins Spiel kommen, nicht minder gern als andere Vögel auch. Ja sie thun noch mehr als die verwandten Bienenfresser: sie paaren sich sogar mit anderen Arten ihrer Familie. Da, wo die Wohngebiete verschiedener Rakenarten aneinander stoßen, insbesondere in Indien, scheinen solche Mischlingsehen fast ebenso häufig vorzukommen wie unter unserer Nebel- und Rabenkrähe, so spärlich hierüber bisher auch Beobachtungen angestellt werden konnten. Die Erzeugnisse derartiger Ehen, Blendlinge, welche ihre gemeinschaftliche Abstammung unverkennbar zeigen, sind insbesondere von unserer heimischen und zwei indischen Arten gefunden worden.

Wohl auf Bechsteins Behauptung sich stützend, hat man bis auf die neueste Zeit die Meinung festgehalten, daß die Raken nicht gefangen gehalten werden könnten, beziehentlich für den Käfig in keiner Weise sich eignen sollten. Still und ruhig, so sagte man, sitzen die gefangenen auf einer und derselben Stelle, beschmutzen Gebauer und Gefieder in häßlicher Weise, gehen nicht an das Futter und ertragen selbst bei der besten Pflege nur kurze Zeit den Verlust ihrer Freiheit. Für alt gefangene Raken mag diese Behauptung bedingungsweise Gültigkeit haben, für jung dem Neste entnommene trifft sie in keiner Weise zu. Pflegt man solche mit Hingebung und Geschick, gewährt man ihnen außerdem einen weiten Raum, so zieht man sich in ihnen Käfigvögel heran, welche zu den anziehendsten, weil unterhaltendsten und liebenswürdigsten, zählen und ihrem Pfleger alle aufgewandte Mühe reichlich lohnen.

Nicht bloß die Schönheit des Gefieders, sondern auch das schmackhafte Fleisch zieht den Raken Verfolgung zu. Bei uns zu Lande hält sich jeder Bauer für berechtigt, den auffallenden Vogel herabzuschießen; in Südeuropa jagt man ihm regelrecht nach. Außerdem haben die alten Raken von den Falken aller Art und die jungen von kletternden Raubsäugethieren zu leiden. Der vernünftige Mensch thut wohl, sie zu schützen. Meine Beobachtungen an gefangenen, welche ich jahrelang pflegte und mit den verschiedensten kleinen Vögeln zusammenhielt, haben die Meinung in mir hervorgerufen, daß die ihnen nachgesagte Unart, dann und wann ein Vogelnest zu plündern, irrthümlich ist. Aber selbst wenn das Gegentheil wahr sein und eine Rake wirklich einmal an jungen Vögeln sich vergreifen sollte, würde dieser Schaden doch in keiner Weise in Betracht gezogen werden können gegenüber dem sehr erheblichen Nutzen, welchen der Vogel stiftet. Das Nestplündern muß ihm erst bewiesen werden, bevor man ihm solche Schuld aufbürden darf. Auf das gewöhnliche Gerede ist in dieser Beziehung wenig zu geben, wie schon am besten daraus erhellt, daß man ebenso behauptet hat, die Raken fräßen Getreide, verschlängen ganze Aehren und setzten sich nur zu diesem Zwecke auf die Getreidemandeln, wogegen doch jeder unbefangene Beobachter einsehen muß, daß sie letztere einzig und allein als erhabene Sitzpunkte oder Warten benutzen. Nach allem, was man von ihnen beobachtet hat, darf man sie zu den unbedingt nützlichen Vögeln zählen, und da sie nun außerdem noch in anderer Weise angenehm werden, indem sie einer von ihnen bewohnten Gegend zum höchsten Schmucke gereichen und durch die Pracht ihres Gefieders wie durch ihre köstlichen Flugkünste unser Auge erfreuen, sollte man nicht allein unnützen Bubenjägern, welche sie befehden und verfolgen, entgegentreten, sondern auch sonst noch hülfreich sich erweisen, indem nian die wenigen hohlen Bäume, welche sie benutzen können, stehen läßt, wo dies nur immer möglich, vielleicht auch versucht, durch Aushängen geräumiger Nistkasten ihnen Wohnungen zu verschaffen und sie dadurch an eine Gegend zu fesseln. Wollte man, anstatt der neuerdings vielfach angepriesenen, massenhaft angefertigten und meist höchst unzweckmäßigen Nistkasten, hohle Baumstämme zu Bruträumen einrichten und an einzeln stehenden alten Bäumen in passender Höhe befestigen, man würde sie wahrscheinlich vermögen, in ihnen zu nisten. Folgt doch sogar der Gänsesäger einer derartigen Einladung: warum sollte sie ein Rakenpaar verschmähen, welches nur deshalb eine sonst sich eignende Gegend verläßt, weil der Mensch ihm rücksichtslos seine Wohnungen raubt? Wer die Raken genauer beobachtet, muß sie lieb gewinnen, wer aber einmal Zuneigung zu ihnen gewonnen hat, auch die Verpflichtung erkennen, etwas für sie zu thun.


Unsere Blaurake oder Mandel-, Garben-, Gold-, Grün- und Blaukrähe, die Heiden- oder Küchenelster, der Birk-, Meer- oder Mandelheher, der Galgen-, Golk-, Helk- und Halsvogel ( Coracias garrula, garrulus, loquax und viridis entspricht zumeist dem oben gezeichneten Bilde der Familie. Die Sippe, welche sie vertritt, kennzeichnet sich durch folgende Merkmale: Der Schnabel ist mittellang, ziemlich stark, gerade, kräftig, an der Wurzel verbreitert, auf der Firste seicht gebogen, an der Spitze hakig, der Lauf kürzer als die Mittelzehe, im Fittige die zweite Schwinge die längste, der Schwanz gerade abgeschnitten. Das Gefieder ist prachtvoll. Kopf, Hals, Unterseite und Flügeldecken sind zart himmelblau, ins Grüne scheinend, die Federn über den Nasenlöchern, am Mundwinkel und Kinne weißlich, die kleinen Deckfedern längs des Unterarms, die Bürzel- und oberen Schwanzdeckfedern tief ultramarinblau, Mantel- und Schulterfedern sowie die hinteren Armschwingen zimmetbraun, die Handschwingen schwarz, an der Wurzel himmelblau, die Armschwingen schwarz, dunkelblau scheinend, in der Wurzelhälfte der Außenfahne ebenfalls himmelblau, die Schwingen überhaupt von unten gesehen tiefblau, die beiden mittelsten Schwanzfedern schmutzig graubräunlich, die übrigen düster himmelblau, aus der Mitte der Innenfahne dunkelblau, am Ende vor dem getrübten Spitzenrande hellblau, die äußerste an der Spitze abgeschrägt schwarz. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht durch die Färbung, die Jungen durch ihr minder lebhaftes Kleid. Sie sind auf dem Oberkopfe, dem Hinterhalse und der Unterseite graugrün, auf dem Rücken matt zimmetbraun, auf dem Schwanze matt blaugrün, sonst aber den Alten ähnlich gefärbt. Die Länge beträgt dreißig bis zweiunddreißig, die Breite siebzig bis zweiundsiebzig, die Fittiglänge zwanzig, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter.

siehe Bildunterschrift

Blaurake ( Coratias garulla). 1/3 natürl. Größe.

Von Skandinavien an südwärts ist die Blaurake überall in Europa gefunden worden; sie verbreitet sich aber viel weiter und durchstreift gelegentlich ihres Zuges ganz Afrika und Südasien. In Ostsibirien hat sie Radde nicht mehr beobachtet; doch kommt sie vom südlichen Altai an durch ganz Mittelasien bis Kaschmir und Nordindien vor und brütet außerdem in Kleinasien, Persien und Nordwestafrika. England, Holland, Norwegen, Schweden, Finnland und Nordrußland besucht sie äußerst selten; die Schweiz und Nordfrankreich soll sie nur auf dem Zuge berühren. Auf Korfu erscheint sie während ihrer Wanderung in großer Anzahl; die Scharen verweilen aber nur wenige Tage, und bloß einzelne Paare nisten auf der Insel oder auf dem benachbarten Festlande. Auch auf Malta ist sie im Frühlinge und Herbste gemein, und auch hier verweilen bloß einige, um zu brüten. In Südrußland, Spanien, Griechenland, Kleinasien und Algerien tritt sie an geeigneten Orten sehr häufig auf; in Griechenland bildet sie förmliche Ansiedelungen; in Spanien haben wir sie ebenfalls oft in zahlreichen Gesellschaften beobachtet. Nach Jerdon soll sie nur in den nordwestlichen Provinzen Indiens gefunden werden.

Erst in den letzten Tagen des April trifft die Blaurake, aus ihrer Winterherberge kommend, bei uns ein, und schon im August begibt sie sich wieder auf die Reise. Junge Vögel wandern, wohl in Gesellschaft älterer ihrer Art, welche ihr Brutgeschäft bereits vollendet haben, voran; die älteren folgen später, und um Mitte September haben sie uns alle verlassen. Beim Kommen fliegen die Wanderer von einem Gebüsche oder dünn bestandenem Walde zum anderen; auf dem Rückzuge binden sie sich weniger an die früheren Heerstraßen, breiten sich mehr als im Frühjahre über die Gegend aus, wandern gemächlich von diesem Walde zu jenem, ruhen auf den gehäuften Getreidemandeln aus, betreiben ihre Jagd und fliegen weiter, wenn sie sich gesättigt haben. Im Frühjahre begegnet man immer nur einem Paare, im Herbste in der Regel zwar ebenfalls einzelnen, unter Umständen aber auch Gesellschaften, welche aus einer Familie im eigentlichen Sinne des Wortes oder aus mehreren Alten und deren Jungen zusammengesetzt zu sein pflegen. Kaum früher und nicht viel später als bei uns zu Lande gewahrt man die wandernden Raken auch im Süden Europas und im Norden Afrikas, und genau ebenso wie in der Heimat treiben sie es in der Fremde. Während des Frühjahrzuges eilen sie der ersehnten Heimat zu; während des Herbstzuges gönnen sie sich überall Zeit und lassen sich unter Umständen auch wohl durch reichliche Nahrung mehrere Tage an eine und dieselbe Stelle fesseln. Auf den eigentlichen Heerstraßen, beispielsweise im Nilthale, kommt man jetzt tagtäglich mit ihnen zusammen. In den Steppen sammeln sich mehr und mehr der reisenden Vögel, und da, wo jene nur weit zerstreute Büsche aufweisen, kann man fast auf jedem derselben eine Rake sitzen und ihre Jagd betreiben sehen. Häuft sich irgendwo leicht zu erwerbende Beute, hat beispielsweise die gefräßige Wanderheuschrecke einen Theil des Steppenwaldes überfallen: so scharen sich die Raken oft in ganz ungewöhnlicher Menge. Ich traf Flüge, welche aus einigen fünfzig Stück bestanden; Heuglin aber sah im Oktober 1857 viele hunderte von ihnen in den von Wanderheuschrecken heimgesuchten Schorawäldern vereinigt. So versprechend aber auch die Steppen Nordafrikas für Raken sein mögen, einen bleibenden Aufenthalt während des Winters nehmen sie hier nicht. Weiter und weiter führt sie die Reise, und erst im Süden des Erdtheils, in Natal ebensowohl wie im Damaralande, setzt das brandende Meer ihnen eine Grenze. Andersson, welcher unsere Rake als Wintergast des Damaralandes kennen lernte, ist geneigt zu glauben, daß einer oder der andere der Vögel wohl auch im Südwesten Afrikas wohnen bleibt, hat die Art aber höchst wahrscheinlich mit einer afrikanischen Verwandten verwechselt; denn schwerlich brütet eine Blaurake im Süden ihres Wandergebietes.

Bei uns zu Lande meidet die Blaurake die Nähe des Menschen fast ängstlich; in südlicheren Gegenden wählt sie zwar ebenfalls mit Vorliebe ungestörte Oertlichkeiten, scheut aber den im allgemeinen freundlicher gesinnten menschlichen Einwohner der Gegend nicht. Alte, zur Aufnahme ihres Nestes passende Bäume findet sie in Südeuropa noch seltener als bei uns zu Lande; wohl aber fehlt es ihr hier nicht an Ruinen alter oder verlassener Gebäude und nötigenfalls an senkrecht abfallenden Erdwänden oder in Ermangelung einer solchen wohl auch an Klippen, in denen sie eine geeignete Bruthöhlung findet. Aus diesem Grunde begegnet man ihr dort, viel häufiger als bei uns zu Lande, auch in Gegenden, welche sie hierorts meiden würde. In ebenso treuer als anziehender Weise schildert Tristram ihr Treiben in Palästina bald nach der Ankunft im Frühjahre. Hier trifft die Rake bereits um die Mitte des April, von Süden kommend, ein, sammelt sich mit anderen ihrer Art gegen Abend zunächst noch in mehr oder minder zahlreichen Gesellschaften auf Bäumen, welche Herberge für die Nacht gewähren sollen, und schwatzt und schreit und lärmt ganz ebenso, nur mit etwas mehr Mäßigung als die Saatkrähe auf ihrem Schlafplatze. Nachdem alles durch einander geschrieen, erhebt sich einer oder der andere Vogel von seinem Sitze, fliegt zu einer gewissen Höhe empor und treibt hier, begeistert vom Liebesdrange, die üblichen Spiele, welche der Paarung vorauszugehen pflegen. Einige Augenblicke später folgt der ganze Flug, und alles schwebt und fliegt, taumelt und gaukelt durch einander. Eine Woche später sind die Ankömmlinge verschwunden; aber ein Theil derselben, vielleicht zwanzig oder dreißig Paare, läßt sich in einem der benachbarten Thäler wiederfinden, woselbst an einer steil abfallenden Erdwand alle Weibchen eifrig beschäftigt sind, die Nisthöhlungen auszugraben. Fortan erscheint kein Glied der Siedelung mehr auf den vorher so regelmäßig besuchten Bäumen, so nahe die früher beliebten Versammlungsorte dem Nistplatze auch liegen mögen. Die Sorge um die Brut nimmt sie in Anspruch. Anderen begegnet man in der Nachbarschaft der Dörfer, namentlich wenn sich hier verfallene Kirchen oder Moscheen befinden; denn selten wird man eines dieser Gebäude besuchen, ohne den prachtvollen Vogel als Bewohner desselben anzutreffen. Wohin man jetzt auch kommen mag, überall sieht man Raken. Jede Warte ist von einem der spähenden Vögel besetzt, jeder Felsen, jeder Stein, auf welchem er gesehen werden und selbst in die Runde schauen kann, durch einen geziert. In unseren, von den Menschen so vollständig in Besitz genommenen Gauen sieht die Rake ihre Lebensbedingungen nicht so leicht erfüllt. Ob infolge vererbter Gewohnheit oder aus anderen Gründen, vermag ich nicht zu sagen: bis jetzt hat man sie, so viel mir bekannt, in Deutschland immer nur in hohlen Bäumen brütend gefunden. Damit aber erklärt sich ihr vereinzeltes Vorkommen. Baumhöhlen, geräumig genug, das Nest mit dem brütenden Weibchen und der später heranwachsenden Kinderschar in sich aufzunehmen, sind unerläßliche Bedingungen für regelmäßigen Sommeraufenthalt eines Rakenpaares in einer bestimmten Gegend. Fehlen die Bäume, welche seit Menschengedenken bewohnt wurden, so sehen sich die Paare gezwungen, die Gegend zu verlassen. In den der Obhut des Oberförsters Hintz unterstellten Forstgebieten nisteten vor Jahren jährlich drei bis fünf Paare, im Bublitzer Stadtforste zehn bis zwölf Paare; nachdem aber hier wie dort die alten Eichen, welche den Vögeln früher Wohnung gewährt hatten, gefällt worden waren, verschwanden sie alle und verließen die Gegend. So wie an den angegebenen Orten ergeht es überall, und daher ist es kein Wunder, daß die Zierde unserer Wälder und Fluren von Jahr zu Jahr seltener wird.

Wenige Vögel verstehen eine Gegend so zu beleben wie die Blaurake. Uebersehen kann man sie nicht. Sie ist höchst unstät und flüchtig, so lange sie nicht die Sorge um die Brut an ein ganz bestimmtes Gebiet fesselt, schweift während des ganzen Tages umher, von Baum zu Baum fliegend, und späht von den Wipfeln oder von den Spitzen dürrer Neste aus nach Nahrung. Bei trübem Wetter mürrisch und verdrossen, tummelt sie sich bei Sonnenschein oft in hoher Luft umher und führt dabei sonderbare Schwenkungen aus, stürzt sich z. B. plötzlich aus bedeutender Höhe kopfüber in die Tiefe hernieder und klettert dann langsam wieder aufwärts oder schwenkt sich taubenartig unter hastigen Flügelschlägen, scheinbar zwecklos, durch die Luft, so daß man sie immer leicht erkennen kann. Diese Spiele geschehen unzweifelhaft hauptsächlich zur Freude des Weibchens oder doch des Gatten, werden wenigstens während der Brutzeit viel öfter als sonst beobachtet, dienen aber auch, der Bewegungslust der Raken wie überhaupt jeder Erregung Ausdruck zu geben. Ebenso scheint der Vogel manchmal nur seine Flugkunst zeigen oder selbst erproben zu wollen; denn er treibt solche Spiele auch einzeln, gewissermaßen sich selbst zur Freude. Jedenfalls bekundet die Rake fliegend ihre hervorragendsten Begabungen. Im Gezweige hüpft sie nicht umher, bewegt sich vielmehr, wie die meisten übrigen Leichtschnäbler, immer nur mit Hülfe der Flügel von einem Aste zum anderen. Flachen Boden meidet sie; doch kommt es vor, daß sie sich demselben fliegend so weit nähert, um ein dort laufendes Thier aufnehmen zu können. In den Steppen Turkestans, welche sie stellenweise häufig bewohnt, muß sie sich wohl oder übel mit jeder Erhöhung behelfen, welche dort überhaupt sich findet, und man sieht sie daher sehr häufig auf einer niederen Scholle oder überhaupt auf einer Bodenerhöhung sitzen, welche kaum mehr als zehn Centimeter über der umgebenden Ebene sich erhebt.

Ueber die geistigen Begabungen der Rake sind die Meinungen der Beobachter getheilt. Der hohen Entwickelung der Sinne lassen wohl alle Gerechtigkeit widerfahren; Verstand und Wesen aber werden sehr verschieden beurtheilt. So viel läßt sich schwerlich in Abrede stellen, daß man die Rake zu den klugen Vögeln zählen darf. Sie erkennt und unterscheidet wirkliche Gefahr sehr wohl von einer eingebildeten, ist aber eher vertrauensselig als unbedingt scheu zu nennen. Wo sie sich des Schutzes seitens des Menschen versichert hat, läßt sie denselben nahe an sich herankommen; wo sie Nachstellungen erleiden mußte, flieht sie schon von weitem und benimmt sich stets höchst vorsichtig. Ihr Wesen scheint nicht gerade liebenswürdiger Art zu sein. Sehr oft sieht man Raken mit anderen Vögeln oder mit ihresgleichen in Streit liegen. Von der Mühle versichert, daß sie mit der Dohle, Naumann, daß sie mit anderen um sie wohnenden Vögeln gute Freundschaft halte: das erstere ist richtig, das letztere hat wohl nur bedingungsweise Geltung; denn nicht bloß die Raubvögel, sondern auch Würger, Heher und Krähen werden von ihr heftig angefallen. Was die Zweikämpfe mit anderen ihrer Art anlangt, so sind dieselben gewiß nicht so ernstlich gemeint, als es den Anschein hat. Am heftigsten kämpfen die Blauraken, wie bemerkt, um den Nistplatz; außerdem verursacht auch wohl Futterneid Unfrieden, und endlich kann die Eifersucht ins Spiel kommen. Sind aber genügende Brutplätze vorhanden, so beweist der als zänkisch verschrieene Vogel, daß er ebenso wie der Bienenfresser mit seinesgleichen in Eintracht leben und mit anderen Höhlenbrütern, den verwandten Bienenfressern und Seglern zum Beispiel, eine und dieselbe Nistwand friedlich bewohnen kann. Daher meine ich, daß die Rake nicht so schlimm ist wie ihr Ruf. Die Stimme entspricht dem Namen: sie ist ein hohes, schnarrendes, beständig wiederholtes »Raker, raker, raker«, der Laut des Zornes aber ein kreischendes »Räh« und der Ton der Zärtlichkeit ein klägliches, hohes »Kräh«. »Bei schönem Wetter«, sagt Naumann, »steigt das Männchen in der Nähe, wo das Weibchen brütet, mit einem ›Rak, rak, jack‹ bis zu einer ziemlichen Höhe empor, aus welcher es sich auf einmal wieder herabstürzt, dabei immer überpurzelt, sich in der Luft hin- und herwiegt und unter einem schnell auf einander folgenden ›Räh, räh, räh‹, in welches es das ›Rak‹ verwandelt, sobald es sich zu überpurzeln anfängt, wieder seinen Sitz auf der Spitze eines dürren Astes einnimmt. Dies scheint den Gesang vorzustellen.«

Allerlei Kerbthiere und kleine Lurche, namentlich Käfer, Heuschrecken, Gewürm, kleine Frösche und Eidechsen, bilden die Nahrung der Rake. Eine Maus nimmt sie wohl auch mit auf, und kleine Vögel wird sie ebenfalls nicht verschmähen. Naumann sagt, daß er sie nie ein fliegendes Kerbthier habe fangen sehen; ich hingegen muß sagen, daß dies doch geschieht, und auch Jerdon versichert, daß die indische Art auf gewisse Strecken fliegende Kerbthiere verfolgt, beispielsweise eifrig mit dem Fange der geflügelten Termiten sich beschäftigt, wenn diese nach einem gefallenen Regen ihre Nester verlassen und umherschwärmen. Laut Naumann soll sie auch niemals Pflanzenstoffe zu sich nehmen, während von der Mühle erwähnt, daß in Griechenland ihre Federn an der Schnabelwurzel von dem Zuckerstoff der Feigen verkleistert erscheinen, und Lindermayer bestätigend hinzufügt, daß sie noch nach ihrem Wegzuge aus Griechenland auf den Inseln verweile, »wo die Feigen, ihre Lieblingskost, sie noch einige Zeit fesselt, ehe sie ihre Reise nach den afrikanischen Gebieten antritt.« Für gewöhnlich freilich bilden Kerbthiere ihre Hauptnahrung. Von ihrem hohen Sitze schaut sie in die Runde, fliegt schnell nach dem erspähten Kerbthiere hin, ergreift es mit dem Schnabel, verzehrt es und kehrt auf den Stamm zurück. »Kleine Thaufrösche«, sagt Naumann, »mag sie gern fressen. Man bemerkte an jung aufgezogenen Blauraken, daß sie selbige mit dem Schnabel bei den Hinterfüßen packten, sie gegen den Boden schlugen, bis sie sich nicht mehr rührten, und so drei bis vier Stück hintereinander verschlangen.« Wasser scheint für sie kein Bedürfnis zu sein: es ist behauptet worden, daß sie niemals trinke und sich auch nicht bade, und diese Angabe gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man den Vogel mitten in der wasserlosen Steppe oder Wüste sich umhertreiben sieht, wie ich es beobachtet habe.

Ich will unentschieden lassen, ob die urspünglichen Brutplätze der Raken Baumhöhlungen und die selbst ausgegrabenen Erdlöcher oder Ritzen in Gebäuden nur Nothbehelfe sind, oder ob das umgekehrte der Fall ist; so viel aber unterliegt keinem Zweifel, daß unser Vogel im Süden Europas Erdlöcher viel häufiger benutzt als Baumhöhlungen. Wir fanden seine in Erdwänden angelegten Siedelungen in Spanien, von der Mühle und Lindermayer in Griechenland, Parys und Tayler auf Korfu und Malta, Tristram und Krüper in Palästina und Kleinasien. Von der Mühle entdeckte in der Maina eine Siedelung nistender Blauraken und zwar am Meeresstrande, in einer senkrechten, hundert Meter hohen Wand, beobachtete aber auf Negropont, wo zwischen den Olivenwaldungen und Weingärten viele Landhäuser stehen, daß derselbe Vogel hier unter den Dächern der Häuser brütet und zwar mit den Dohlen unter ein und demselben Dache. Daß für die in Indien nistenden Arten dasselbe gilt, erfahren wir durch Jerdon. Ebensogut als der Dohle gesellt sich die Rake aber auch anderen Vögeln, so, wie schon erwähnt, Bienenfressern und Seglern, welche von Goebel gemeinschaftlich an einer und derselben Sandbank nistend gefunden wurden.

Je nach dem Standorte ist das Nest verschieden, die Mulde aber immer mit zartem Gewürzel, Halmen, Thierhaaren und Federn ausgekleidet. Das Gelege besteht aus vier bis sechs glänzendweißen Eiern. Beide Geschlechter brüten abwechselnd und so eifrig, daß man sie über den Eiern mit der Hand ergreifen kann. »Die Jungen sitzen«, wie Naumann sagt, »da die Alten den Koth derselben nicht wegschaffen, im Schmutz und Unrath bis über die Ohren, so daß das Nest einen sehr ekelhaften Geruch verbreitet.« Sie werden mit Kerbthieren und Maden groß gefüttert, fliegen bald aus, begleiten die Eltern dann aber noch längere Zeit und treten endlich mit ihnen gemeinschaftlich die Winterreise an. Gegen Feinde, welche die Jungen bedrohen, benehmen sich die Alten höchst muthig, setzen wenigstens ihre eigene Sicherheit rücksichtslos aufs Spiel.

Die Jagd gelingt am besten, wenn man sich unter den erkundeten Lieblingsbäumen aufstellt. Der Fang ist schwieriger; doch geben sich bei uns zu Lande die Vogelsteller auch gar keine Mühe, einer Rake habhaft zu werden. Anders ist es, laut Jerdon, in Indien. Hier ist dieser Vogel nicht bloß ein Gegenstand der Falkenjagd, sondern wird auch in eigentümlichen Fallen oft berückt. Man biegt Rohrstäbe sprenkelkrumm, bestreicht sie ringsum mit Vogelleim und hängt in der Mitte des Bogens eine todte Maus oder einen anderen Köder auf. Diesen versucht die Rake fliegend aufzunehmen, berührt dabei aber regelmäßig mit ihren Flügelspitzen die leimbestrichenen Stäbe und bleibt an ihnen hängen.

Jung dem Neste entnommene und aufgefütterte Blauraken haben mir viel Vergnügen bereitet. Nachdem sie eine Zeitlang geatzt worden waren, gewöhnten sie sich bald an ein geeignetes Ersatzfutter und schlangen von diesem gierig verhältnismäßig erhebliche Mengen hinab. Entsprechend dieser Gefräßigkeit schienen sie eigentlich niemals gesättigt zu sein, stürzten sich mindestens, sobald man ihnen Kerbthiere zeigte, mit gleicher Gier auf diese wie vorher auf das erwähnte Futter. Dadurch, daß ich ihnen täglich die Mehlwürmer selbst reichte, wurden sie bald so zahm, wie irgend ein Rabe es werden kann. Schon bei meinem Erscheinen begrüßten sie mich, flogen unter zierlichen Schwenkungen von ihren Sitzen hinab auf meine Hand, ließen sich widerstandslos ergreifen, fraßen trotzdem tüchtig und kehrten, sobald ich sie freigegeben hatte, nach einigen Schwenkungen wieder auf die Hand zurück, welche sie eben umschlossen hatte. Anderen Vögeln, deren Raum sie theilten, wurden sie nicht beschwerlich, lebten vielmehr, so oft sie unter sich in unbedeutende Streitigkeiten geriethen, mit allen Mitbewohnern ihres Käfigs in Eintracht und Frieden. Nachdem ich jahrelang diese früher auch von mir verkannten Vögel gepflegt habe, darf ich sie allen Liebhabern auf das wärmste empfehlen. Wer ihnen einen weiten, passend hergerichteten Raum anweisen und Kerbthiernahrung, wären es auch nur Mehlwürmer, in genügender Menge beschaffen kann, wird mir beistimmen und sie ebenso lieb gewinnen wie ich.


Die Rollen ( Eurystomus) unterscheiden sich von den Raken durch den kurzen, sehr niedrigen, an den Seiten breiten, auf der Firste abgerundeten und stark gebogenen Schnabel, den kurzläufigen Fuß, dessen mittlere und äußere Zehe mit den mittleren leicht verwachsen sind, und den kurzen, gerade abgeschnittenen Schwanz, wogegen der sehr lange Flügel, in welchem die erste Schwinge der zweiten an Länge gleich kommt, im wesentlichen wie bei jenen gebildet ist.

 

Wohl die verbreitetste Art der Gruppe ist die Rachenrake, der »Roller« oder »Dollarvogel« der Europäer Australiens, »Tiong-Batu« oder »Tiong-Lampay« der Malaien ( Eurystomus orientalis, cyanicollis, fuscicapillus, pacificus, gularis und calorynx, Coracias orientalis, Galgulus pacificus und gularis). Der Vogel hat mit der Blaurake ungefähr gleiche Größe, erscheint aber kürzer und gedrungener als diese. Seine Länge beträgt zweiunddreißig bis fünfunddreißig, die Fittiglänge einundzwanzig, die Schwanzlänge zehn Centimeter. Kopf und Hinterhals sind olivenbraun, Mantel und Schultern heller meergrün, Flügel und Unterseite düster seegrün, ein großer Fleck auf Kinn und Kehle hat tiefblaue Färbung. Die schwarzen Schwingen und Schwanzfedern zeigen sehr schmale tiefblaue Außensäume, die ersten sechs Schwingen aber blaue Wurzelflecken, wodurch ein Flügelspiegel entsteht. Die Steuerfedern endlich sehen unterseits tief indigoblau aus. Der Schnabel bis auf die schwarze Spitze und der Fuß sind roth, die Nägel schwarz, ein nackter rother Kreis umgibt das braune Auge. Beide Geschlechter haben gleiche Färbung. Das Kleid der Jungen ist düsterer als das der Alten und entbehrt noch des schönen blauen Kehlflecks.

Die Rachenrake verbreitet sich über ein außerordentlich weites Gebiet. Sie bewohnt ganz Indien und Südasien überhaupt, das Festland wie die großen Inseln, Ceylon, die Sundaeilande, Philippinen, sowie das Inselmeer der Molukken und kommt nach Osten hin durch Siam und China bis zum Amurlande, nach Süden hin über Neuguinea bis zum südlichen Australien vor. Auf dem Festlande Indiens findet man sie, laut Jerdon, am Fuße des Himalaya, im unteren Bengalen und Assam, nicht aber oder doch nur selten im südlichen Theile des Landes, auf Ceylon, laut Layard, in verschiedenen Gegenden der Insel. In dem übrigen Verbreitungsgebiete tritt sie hier und da ebenfalls stellenweise und nicht selten auf. Gould fand sie nur in Neusüdwales, erfuhr aber durch Elsey, daß sie auch im Victoriabecken sehr häufig wäre. In Neusüdwales ist sie Zugvogel, erscheint im Frühlinge und zieht, sobald sie ihre Jungen aufgefüttert hat, wieder nach Norden. Für andere Stellen ihres Wohngebietes wird mehr oder weniger dasselbe Gültigkeit haben.

Von der Rake unterscheidet sich der Roller und alle seine Verwandten durch größere Fluggewandtheit. Seine Sitten und Gewohnheiten stimmen jedoch in allem wesentlichen mit denen der ihm so nahe verwandten Vögel überein. Layard beobachtete eine Rachenrake, welche sich wie ein Specht an die Bäume hing und das vermorschte Holz mit dem Schnabel bearbeitete, um zu verborgenen Kerbthieren zu gelangen; die übrigen Beobachter schildern sie als einen Vogel, welcher vom erhabenen Sitze aus seine Jagd betreibt und darin besondere Gewandtheit entfaltet. Nach Gould ist unser Dollarvogel am thätigsten bei Sonnenauf- und Untergang oder an düsteren Tagen, wogegen er bei schwülem Wetter ruhig auf den abgestorbenen Zweigen sitzt. Er ist immer ein kühner Vogel; aber während der Brutzeit greift er mit wahrer Wuth jeden Ruhestörer an, welcher sich seiner Nisthöhle nähert.

siehe Bildunterschrift

Rachenrake ( Eurostymus orientalis). ½ natürl. Größe.

Wenn er Kerbthiere fangen will, sitzt er gewöhnlich auf einem abgestorbenen Zweige eines Baumes in sehr aufrechter Stellung, am liebsten in der Nahe von einem Wasser, und schaut in die Runde, bis ein Kerbthier seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auf dieses stürzt er zu, versichert sich seines Opfers und kehrt zu demselben Zweige zurück. Zu anderen Zeiten sieht man ihn fast nur im Fluge, gewöhnlich paarweise. Dann umschwebt er die Wipfel der Bäume und ergötzt durch die Schnelligkeit seiner Wendungen. Während des Fluges sieht man den silberweißen Fleck in der Mitte des Flügels sehr deutlich, und daher eben rührt der Name Dollarvogel. Bei düsterem Wetter verursacht er viel Lärm, und namentlich im Fluge läßt er dann ein eigenthümlich zitterndes Geschrei vernehmen. Es wird gesagt, daß er junge Papageien aus ihren Nisthöhlen hervorziehe und tödte; Gould kann dies aber nicht bestätigen, sondern hat immer nur die Ueberreste von Käfern in seinem Magen gefunden.

Die Brutzeit währt vom September bis zum December. Die drei oder vier perlweißen Eier werden in Baumhöhlen abgelegt, Niststoffe in dieselben jedoch nicht eingetragen.


Die Unfertigkeit des Systems oder, mit anderen Worten, die Schwierigkeit, gewisse Vögel unter den übrigen passend einzuordnen, beweist unter anderen die kleine Gruppe der Rachenvögel ( Eurylaiminae). Horsfield, welcher eine Art entdeckte, vereinigt sie mit den Plattschnäblern Amerikas; Swainson zählt sie zu den Fliegenfängern, Sclater mindestens zu den Sperlingsvögeln; Blyth, Wallace und Sundevall bringen sie unter die Schmuckvögel; van Hoeven weist ihnen in der Nähe der Ziegenmelker ihre Stellung an; Gray, Bonaparte und Reichenbach sehen in ihnen nahe Verwandte der Raken, und Cabanis, ihnen folgend, betrachtet sie als Verbindungsglieder zwischen den Raken und den Schwalmen, weshalb er sich auch berechtigt glaubt, aus ihnen, den Raken und den Schwalmen eine einzige Familie zu bilden. Nach der Ansicht von Cabanis nehmen sie den Rang einer Unterfamilie, nach Meinung Gray's und Wallace's den einer Familie ein. Welcher von den genannten Forschern der Wahrheit am nächsten gekommen, ist fraglich. Streng genommen, sind die Rachenvögel so eigenthümlich gestaltet, daß sie kaum mit anderen verglichen werden können; die Auffassung der beiden letzterwähnten Forscher verdient also immerhin Beachtung. Ich habe mich Cabanis angeschlossen, weil ich, wie er, in ihnen Verbindungsglieder der Raken und Schwalme sehe, und weiche nur insofern von ihm ab, als ich den letzteren eine selbständigere Stellung zugestehe.

Die bis jetzt bekannten Arten sind gedrungen gebaute Vögel mit kurzen, breiten Schnäbeln, ziemlich kräftigen Füßen, mittellangen Flügeln und kurzen oder ziemlich langen Schwänzen. Der Schnabel ist kürzer als der Kopf, stark und niedrig, an der Wurzel sehr breit, nahe der Spitze rasch verschmälert, mit deutlichem Kiel auf dem Oberschnabel und hakig gekrümmter Spitze; die Schnabelränder sind nach innen umgeschlagen; die Spalte reicht bis unter das Auge, und die Mundöffnung ist deshalb fast ebenso groß wie bei den Schwalmen. An den mittellangen und ziemlich kräftigen Füßen ist der Lauf wenig länger als die Mittelzehe, die äußere mit dieser bis zum zweiten Gelenk, die innere mit der Mittelzehe bis zum ersten Gelenk verwachsen. Der Flügel ist kurz und gerundet, in ihm die dritte oder vierte Schwinge die längste. Der Schwanz ist entweder gerundet oder abgestuft, bei einigen Arten auch seicht ausgeschnitten. Das Gefieder zeigt lebhafte Farben; die Vertheilung derselben und die Zeichnung scheint bei beiden Geschlechtern ziemlich gleich zu sein.

Indien und die Malaiischen Inseln sind die Heimat der Rachenvögel. Die wenigen Arten, welche man bis jetzt kennen gelernt hat, bewohnen düstere Waldungen und, wie es scheint, mit Vorliebe solche, welche fernab von dem menschlichen Verkehr liegen. Ueber die Lebensweise wissen wir noch sehr wenig.

Die Urbilder der Familie sind die Hornrachen ( Eurylaimus).

 

Der Hornrachen ( Eurylaimus javanicus und Horsfieldii), »Tamplana-Lilie« der Malaien, hat der Hauptsache nach ein graulich weinrothes, auf dem Rücken in Schwarz übergehendes und hier mit Gelb verbrämtes Gefieder. Oberkopf und Kehlgegend sind infolge der aschgrauen Federspitzen röthlichgrau, Hinterhals und Nacken ziehen mehr ins Rothe, Vorderhals, Brust und übrige Untertheile ins Weinrothe; ein schmales Brustband ist schwarz mit deutlichem Schimmer ins Röthliche. Mantel, Schultern und Bürzelmitte sind schwarz, die Außenfahnen der Schulterdecken und Innenfahnen der mittleren Rückenfedern bis gegen die Wurzel hin, die mittleren Bürzelfedern an der Spitze, Bug und Handflügelrand, hintere und Unterflügeldecken sowie endlich ein schmaler, halbmondförmiger Fleck am Rande der Außenfahne der Armschwingen lebhaft schwefelgelb, die Schwingen übrigens schwarzbraungrau, die Steuerfedern schwarz bis auf einen schmalen weißen Querfleck an der Innenfahne nahe der Spitze, welcher, von unten gesehen, eine Binde darstellt, die beiden mittleren Steuerfedern ohne jenen Fleck, wogegen derselbe auf der äußersten Feder über beide Fahnen reicht. Der Schnabel ist schwarz und glänzend, die Firste und die Ränder aber sind graulichweiß, der Fuß ist gelbbraun. Männchen und Weibchen scheinen sich nicht zu unterscheiden. Die jungen Vögel dagegen sind unterseits auf grauem Grunde mit blaßgelben Tropfenflecken, an der Spitze der Federn oberseits auf schwarzem Grunde mit unregelmäßigen Flecken und Tüpfeln von schwefelgelber Färbung gezeichnet. Die Länge beträgt zweiundzwanzig, die Fittiglänge zwölf, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

siehe Bildunterschrift

Hornrachen ( Eurylaimus javanicus). ½ natürl. Größe.

Nach Raffles hält sich der Hornrachen hauptsächlich an Flußufern und Teichen auf und frißt hier Kerbthiere und Würmer. Das Nest hängt an einem Zweige über dem Wasser. Horsfield fand ihn auf Java in einer der unzugänglichsten Gegenden des Landes, in ausgedehnten, an Flüssen und Sümpfen reichen Wäldern auf. Von einem Verwandten berichtet Helfer, daß er in Gesellschaften von dreißig bis vierzig auf den höchsten Waldbäumen lebe und so furchtlos oder so dumm sei, daß man die ganze Schar, einen nach dem anderen, herabschießen kann.


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