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Unser Sperber gilt als Urbild der artenreichsten, über alle Erdtheile verbreiteten, nach ihm benannten Untersippe ( Nisus). Ein gestreckter Leib mit kleinem Kopfe und zierlichem, sehr scharfhakigem Schnabel, kurzen Flügeln, langem, gerade abgeschnittenem Schwanze und sehr hohen schwachen Läufen mit dünnen, langen, äußerst scharf bekrallten Zehen sind die hauptsächlichsten Merkmale derselben. Das Gefieder ist bei den Alten und Jungen sehr übereinstimmend gefärbt und gezeichnet.
Unter den verwandten Raubvögeln sind die Sperber die gewandtesten und kühnsten. Im übrigen besitzen sie alle Eigenschaften der bevorzugten Mitglieder ihrer Familie.
Der Sperber oder Finkenhabicht, Schwalben-, Sperlings-, Vogel-, Berg-, Stockstößer, Sprinz, Schmirn und wie er sonst noch heißt ( Astur nisus und major, Nisus communis, fringillarius, elegans, peregrinus und fringillarum, Falco nisus, Accipiter nisus und nisosimilis, Sparvius und Buteo nisus, Daedalion und Jerax fringillarius), zählt zu den kleineren Arten der Familie. Seine Länge beträgt zweiunddreißig, die Breite vierundsechzig, die Fittiglänge zwanzig, die Schwanzlänge funfzehn Centimeter. Das bedeutend stärkere Weibchen ist um acht bis neun Centimeter länger und um zwölf bis funfzehn Centimeter breiter. Bei den alten Vögeln ist die ganze Oberseite schwärzlich aschgrau, die Unterseite weiß mit rostrothen Wellenlinien und Schaftstrichen von rostrother Färbung, welche beim Männchen lebhafter zu sein pflegt als beim Weibchen; der Schwanz ist fünf- bis sechsmal schwarz gebändert und an der Spitze weiß gesäumt. Die jungen Vögel sind oben graubraun, unten weiß, an Kehle und Vorderhals braun in der Länge gestreift, an Bauch und den Schenkeln quer gefleckt. Der Schnabel ist blau, die Wachshaut gelb, die Iris goldgelb, der Fuß blaßgelb.
Auf der Balkaninsel wie im Inneren Rußlands gesellt sich dem Sperber, hier und da auch wohl seine Stelle vertretend, der Kurzfangsperber ( Nisus brevipes, Astur brevipes, Accipiter brevipes, sphaenurus, badius und Gurneyi, Micronisus brevipes und badius). Er unterscheidet sich vom Sperber durch stärkeren Schnabel und Fang, kürzere Läufe und Zehen, dunkleres, mehr ins Schieferblaue ziehendes Gefieder der Oberseite, dichtere Sperberung der Untertheile, zumal der Kropfgegend, und schmälere, zierlichere Binden des Schwanzes; auch sind die einfarbigen Schwingen spitziger als bei der einheimischen Art.
In Europa scheint der Sperber nirgends zu fehlen, und auch im größten Theile Mittelasiens dürfte er Standvogel sein. Er horstet in Lappland und Nordskandinavien überhaupt wie in Griechenland, vom Amur an durch ganz Mittelasien und Europa hindurch bis Madeira, findet sich also durch das ganze nördlich altweltliche Gebiet. Im Einklange mit der Beschaffenheit der Waldungen tritt er in Europa häufiger auf als in Asien, fehlt jedoch hier keinem Gebiete, welches seinen Anforderungen an das Leben einigermaßen entspricht. Im Herbste unternimmt auch er, mehr den Finken als den Lerchen folgend, Wanderungen, welche ihn von uns aus bis Nordafrika, in Asien bis nach Indien führen. In den Nilländern soll er, nach Angabe Rüppells, bis Kordofân streichen; ich habe ihn jedoch niemals weiter südlich als bis Mittelnubien beobachtet. In Egypten, Algier, Marokko, aber auch schon auf den drei südlichen europäischen Halbinseln ist er während des ganzen Winters gemein; aus Nordostafrika verschwindet er mit Beginn des Frühjahres vollständig, wogegen er für Algerien und die Kanarischen Inseln als Brutvogel angegeben wird. Dasselbe gilt für Kleinasien und Persien, woselbst er, wenigstens im Norden des Landes, von jedermann gekannt zu sein scheint. In Indien ist er, nach Jerdon, regelmäßiger Wintergast, welcher Anfang Oktober erscheint und Ende Februar oder Anfang März wieder weggeht. Er bewohnt Waldungen aller Art, namentlich Feldgehölze, am liebsten solche in bergigen Gegenden, scheut sich aber keineswegs vor dem Menschen, siedelt sich im Gegentheile gern in unmittelbarer Nähe der Dörfer und Städte an, besucht sie mindestens im Herbste und Winter regelmäßig, jagt selbst kleine Baumgärten im Herzen großer Städte ab, erscheint hier, wenn er einmal so glücklich war, Beute zu gewinnen, tagtäglich zu bestimmten Stunden und gibt sich zuweilen nicht einmal die Mühe, den erjagten Raub weit wegzutragen, sondern kröpft ihn auf einem versteckten Plätzchen in unmittelbarer Nähe bewohnter Gebäude.
»Der Sperber«, sagt mein Vater, welcher ihn sehr ausführlich und genau beschrieben hat, »hält sich den größten Theil des Tages verborgen und kommt nur zum Vorscheine, wenn er rauben will. Ungeachtet seiner kurzen Schwingen fliegt er leicht, schnell und sehr gewandt; sein Gang dagegen ist hüpfend und ungeschickt. Er ist ebenso scheu wie dreist und ohne Furcht vor größeren Vögeln. Bechstein schreibt dem Männchen und Naumann dem Weibchen eine größere Beherztheit zu; aber beide irren: eins ist so muthig wie das andere. Freilich hat das Weibchen mehr Stärke und kann einen Kampf mit Glück bestehen, in welchem das Männchen unterliegen müßte. So sah ich ein merkwürdiges Schauspiel vor meinem Fenster. Ein Sperberweibchen hatte einen Sperling gefangen, und ihn hinter den Zaun meines Gartens, kaum zehn Schritte von meiner Wohnung, getragen, um ihn hier zu verzehren. Ich bemerkte dies aus meinem Fenster und ließ es ruhig geschehen. Als es noch nicht halb fertig war, kam eine Krähe, um ihm die Beute abzunehmen. Sogleich breitete der Sperber seine Flügel aus und bedeckte damit seinen Raub. Als aber die Krähe zu wiederholten Malen auf ihn stieß, flog er auf, hielt den Sperling in dem einen Fange, wendete sich im Fluge so geschickt, daß der Rücken fast der Erde zugekehrt war, und griff mit dem freien Fange der Krähe so heftig in die Brust, daß diese abziehen mußte. Aber auch das Männchen zeigt gleiche Dreistigkeit wie das Weibchen, und kommt, wie dieses, in die Dörfer.«
Mit der Dreistigkeit verbindet der Sperber bemerkenswerthe Geistesgegenwart, List und Verschlagenheit. Er ist das treue Bild eines strolchenden Diebes oder Wegelagerers und unterscheidet sich in seinem Auftreten wesentlich von allen übrigen europäischen Falken, mit alleiniger Ausnahme seines kurzzehigen Verwandten und des Habichts. Seine Bewegungen, welche selbstverständlich durchaus im Einklange seiner kurzen Flügel und des langen Schwanzes stehen, lassen ihn in jeder Entfernung bestimmt erkennen. Nur wenn er von einem Waldestheile zum anderen und über freies Feld fliegen will, zieht er, abwechselnd durch einige rasch auf einander folgende Flügelschläge sich fördernd und dann mit ausgebreiteten Flügeln schwebend, geraden Weges dahin; gewöhnlich folgt er dem Saume des Waldes oder dem Rande von Gebüschen und beschreibt hierbei beständig Schwenkungen der verschiedensten Art. Im Walde sieht man ihn dann und wann wohl auch über den Baumkronen, viel häufiger aber zwischen und unter denselben fliegen; in Gebüschen oder an Zäunen streicht er förmlich lauernd dicht über dem Boden weg, schwenkt plötzlich zwischen dem Astwerke hindurch, jagt die andere Seite der Buschreihe ab, streift hart über die Wipfelspitzen hinweg, schwenkt wiederum, erscheint so immer urplötzlich in unmittelbarer Nähe der zwischen den Zweigen sitzenden Vögel, schwingt sich jählings in die Höhe und stürzt sich pfeilschnell auf die ins Auge gefaßte Beute herab. Mehr als irgend ein anderer Raubvogel übt er die Kunst der Verstellung. Schon Naumann erzählt, daß er zuweilen, um Kleingeflügel zu täuschen, den Flug des Hehers annehme; Eugen von Homeyer hat dasselbe beobachtet. Ein Vogel erschien am unteren Ende einer langen, wohl aus zwanzig Eichen bestehenden Baumreihe und flog, nach Heherart, langsam von Baum zu Baum, auf jedem kurze Zeit verweilend. Dies Gebaren glich so täuschend dem des Hehers, daß Homeyer gedachten Vogel nur deshalb weiter mit dem Auge folgte, weil die Eichen noch nicht reife Früchte trugen, für Heher daher keine Veranlassung vorlag, ihre Wipfel zu durchstreifen. Mit einiger Ueberraschung erkannte mein Gewährsmann einen Sperber. Mehr und mehr näherte sich der verschlagene Strauchdieb der letzten Eiche, auf welcher ein Schwarm kleiner Vögel saß, entpuppte sich endlich plötzlich als Räuber, schoß wie ein Blitz unter die arglose Schar und flog einen Augenblick später mit einem blutenden Opfer in seinen Klauen davon.
Ist die Raubgier des Sperbers einmal erregt worden, so vergißt er alles um sich her, achtet weder des Menschen, noch der Hunde und Katzen, nimmt vielmehr die ins Auge gefaßte Beute in unmittelbarster Nähe des Beobachters weg, stürzt sich sausenden Fluges dicht über dem ruhig Sitzenden hinweg, daß seine Fittige beinahe dessen Haupt berühren, packt das Opfer mit fast unfehlbarem Griffe und ist mit ihm entflogen und verschwunden, bevor man recht zur Besinnung gelangt. Im Inneren von Häusern oder selbst von fahrenden Wagen sind Sperber sehr oft gefangen worden: sie hatten ihre Beute bis dahin so gierig verfolgt, daß sie alles übrige vergaßen. Noch neuerdings wurde erzählt, daß ein Sperber bei Verfolgung eines Vogels in einen in voller Fahrt begriffenen Eisenbahnwagen flog und hier gefangen wurde. Gefangene Vögel im Bauer vor und hinter den Fenstern sind vor seinem Angriffe ebenso wenig gesichert wie die frei lebenden. Der Glasscheiben nicht achtend, stürzt er sich auf die Gebauer, zerbricht, nicht immer ohne Lebensgefahr, in jähem Anpralle das Glas, und greift im Zimmer, unbekümmert um die aufschreienden Bewohner, nach dem Vogel. »Einst«, so erzählt Schacht in seiner »Vogelwelt des Teutoburger Waldes«, einem frisch geschriebenen, empfehlenswerthen, weil nur eigene Beobachtungen enthaltendem Buche, »hatte ich einen Käfig mit einem Lockstieglitze im Hausgarten dicht neben einer Hecke ausgesetzt. Als ich mittags herzutrat, um den Vogel wieder heimzutragen und eben dabei war, eine Leimruthe abzunehmen, stürzte sich plötzlich auf den mir zu Füßen stehenden Vogel ein Sperber herab und umflatterte in wilder Hast einige Male den Käfig. Solche Kühnheit war mir noch nicht vorgekommen. In meiner Bestürzung schleuderte ich, da mir keine andere Waffe zur Hand war, die Leimruthe auf den frechen Räuber herab. Leider verfehlte dieselbe ihr Ziel, und der Sperber entkam glücklich.« Selbst wenn auf ihn gefeuert wird, läßt er sich nicht immer vom Rauben abhalten. Rohweder schoß mit groben Schroten auf einen fliegenden Sperber, welcher auf den Schuß mit ausgebreiteten Flügeln, sich um sich selber drehend, abwärts stürzte, aber in einer Entfernung von etwa fünf Meter über dem Boden auf den schirmartig ausgebreiteten Zweig einer Buche fiel, hier sich mit dem Fuße anklammerte und den Kopf nach unten, die Flügel wie im Krampfe halb ausgebreitet, etwa zwei Minuten lang ohne alle Bewegung hängen blieb. »Als er darauf den Kopf etwas hob und mit den Flügeln zuckte«, sagt der Berichterstatter, »hielt ich dies für den Beginn des Todeskampfes, hing die Flinte über und nahm den Hut in die Hand, um darin den sterbenden aufzufangen. Jetzt läßt er sich los, statt aber herunterzufallen, breitet er die Schwingen aus, fliegt davon und hat, noch ehe ich schußfertig werden kann, einen schreienden Staar in seinen Klauen, mit dem er, als ob nichts vorgefallen, triumphirend davonzieht. Vermuthlich hatte eine der Posten, welche ich für den Rehbock geladen, ihn am Schnabel getroffen und, ohne ihn weiter zu verletzen, für kurze Zeit betäubt.« Dem Jäger, welcher kleinere Vögel schießt, nimmt er nicht selten das angeschossene Wild weg: Taczanowski behauptet sogar, es sei, um ihn heranzulocken, hinreichend, einen Flintenschuß abzufeuern, und ich muß sagen, daß auch ich oft auf den Schuß einen Sperber habe herankommen sehen, eine ähnliche Schlußfolgerung wie der eben erwähnte daraus jedoch nicht zu ziehen versucht habe.
Der Sperber ist der fürchterlichste Feind aller kleinen Vögel; er wagt sich aber auch gar nicht selten an größere. Vom Rebhuhne an bis zum Goldhähnchen herab scheint kein Vogel vor seinen Angriffen gesichert zu sein, und kleine Säugethiere verschmäht er ebensowenig. Seine Kühnheit ist zuweilen wirklich maßlos. Es liegen Beobachtungen vor, daß er Haushähne angriff, und man hat wiederholt gesehen, wie er auf Hasen stieß. Doch schien es, als ob er sich dann nur einen Spaß machen wollte, diese furchtsamen Thiere zu ängstigen. Einzelne Beobachter, welche ihn und sein Wesen recht gut kennen, haben in Abrede stellen wollen, daß er Tauben und Rebhühner schlägt. Snell namentlich versichert, niemals gesehen zu haben, daß der Sperber einen Angriff auf die Tauben gewagt habe. »Das ist freilich wahr«, sagt er, »die Tauben ergreifen die Flucht, wenn ein Sperber nach der Gegend, wo sie sich befinden, dahergeschossen kommt. So oft ich dies aber auch beobachtete, der Sperber schoß stets an den Tauben vorüber in den Hof oder in den Gartenzaun nach den Sperlingen, welche sich dort befanden. Einmal saß sogar einer nur einige Meter unter dem Flugloche meines Taubenschlages auf einem Vorsprunge des Giebeldaches. Es hatte ihn aber ganz gewiß nur die Verfolgung der Sperlinge dorthin geführt.« Im allgemeinen mag dies richtig sein; ich kenne jedoch mehrere unzweifelhafte Fälle, daß Sperber, namentlich Sperberweibchen, Tauben schlugen, und weiß ebenso, daß sie Rebhühner ergriffen. Letzteres bestätigt Alexander von Homeyer, ersteres von Zittwitz; seine Angriffe auf kleine englische Haushennen verbürgt Tobias. »Mein Vater«, schreibt mir von Reichenau, »gelangte auf einem seiner Jagdgänge einmal ohne Anwendung von Hund, Pulver und Blei in den Besitz eines Rebhuhnes. In einer Entfernung von etwa hundert Schritten ging ein Volk Rebhühner auf, und fast gleichzeitig stieß ein Sperberweibchen mitten durch den gedrängten Schwarm. Ein Rebhuhn in den Fängen begab sich der Sperber auf einen unfern gelegenen Rain und gab hier seiner Beute den Rest. Mein Vater wartete ruhig ab, bis das Huhn verendet, und schlich sich, gedeckt durch die Böschung des Rains, bis in ziemliche Nähe an den Fleck heran, wo der Sperber sitzen mußte, ergriff einen Stein, schleuderte ihn, gleichzeitig schreiend, nach dem Raubvogel und erschreckte diesen so, daß er das Huhn liegen ließ und davonflog. Ich selbst hielt in Wetzlar einst ein Sperberweibchen durch lautes Zurufen davon ab, eine schon von ihm erreichte Taube zu ergreifen.« An Muth und Raubgier fehlt es dem Sperber gewiß nicht, jedes Wild zu schlagen, welches er irgendwie bewältigen zu können glaubt: er wagt sich selbst anscheinend zwecklos an wehrhafte Thiere. »Ich ging einst«, sagt Naumann, »in meinem Wäldchen umher und sah einem Reiher nach, welcher ruhig und dicht über den Bäumen hin davonfliegen wollte. Plötzlich stürzte sich aus den dichten Zweigen eines der letzten Bäume ein Sperber hervor, packte den erschrockenen Reiher augenblicklich am Halse, und beide kamen nun mit gräßlichem Geschrei aus der Höhe herab. Ich lief sogleich hinzu, ward aber zu früh von dem Sperber bemerkt; er erschrak darüber und ließ den Reiher los, worauf dann jeder ruhig seine Straße zog. Wohl möchte ich wissen, was aus diesem ungleichen Kampfe geworden wäre, wenn ich beide nicht gestört hätte. Ob wohl der kleine tollkühne Räuber den Reiher überwältigt und wirklich getödtet haben würde?« Wenn man annehmen darf, daß Sperber, welche auf größere Säugethiere stoßen, diese nur ängstigen wollen, muß man doch glauben, daß er kleinere bis zu Eichhörnchengröße nur aus dem Grunde ergreift, um sie zu verzehren. Karl Müller beobachtete, weil verborgen, längere Zeit einen Sperber, welcher wiederholte Angriffe auf ein Eichhörnchen ausführte und dasselbe in die größte Lebensgefahr brachte.
Dem Kleingeflügel, namentlich Finken, Sperlingen, Meisen, Staaren und Drosseln, wird der Sperber besonders aus dem Grunde gefährlich, weil er, stets überraschend, Rettung fast unmöglich macht und ebenso gut im Fliegen wie im Sitzen fängt, bei seiner Jagd sogar hinter einer durch ihn eingeschüchterten Beute herläuft. »Ein von mir beobachtetes Sperbermännchen«, sagt mein Vater, »verfolgte einen Sperling an einem Zaune. Dieser, wohl wissend, daß er im Fluge verloren gewesen wäre, lief immer durch den dünnen Zaun hin und her. Der Sperber verfolgte ihn hüpfend eine Zeit so schnell und so weit wie er konnte, bis er endlich, der fruchtlosen Jagd müde, sich auf einen Zwetschenbaum setzte und herabgeschossen wurde.«
Alle kleinen Vögel kennen und fürchten ihren furchtbarsten Feind im hohen Grade. »Die Sperlinge treibt«, wie Naumann sagt, »die Angst vor ihm in die Mauselöcher«, und alle übrigen suchen sich in ähnlicher Weise zu retten, so gut ihnen dies gelingen will. Manche verfahren dabei mit nicht geringer Klugheit. Sie beschreiben enge Kreise um Baumzweige oder Baumstämme, wobei ihnen der Sperber trotz seiner Gewandtheit doch nicht so schnell folgen kann, gewinnen hierdurch einen kleinen Vorsprung und schlüpfen dann blitzschnell in dichtes Gebüsch; andere werfen sich beim Erscheinen des Räubers platt auf den Boden, verharren regungslos und werden oft übersehen; kurz, jeder sucht sich nach besten Kräften zu retten. Nur im Sitzen fürchten die Vögel nach meines Vaters Beobachtungen den Sperber nicht, verweilen vielmehr manchmal längere Zeit auf demselben Baume, welchen er zum Ausruhen erkoren. Die gewandtesten unter dem kleinen Geflügel verfolgen den Wütherich mit lautem Geschrei und machen hierdurch andere Vögel aufmerksam und vorsichtig. Zumal die Rauchschwalben verleiden ihm oft die Jagd, und er weiß recht wohl, wie viel Schaden sie ihm zufügen; denn wenn sie ihm einmal nahe gekommen sind, schwingt er sich in die Höhe, schwebt noch einige Male im Kreise herum und fliegt dann dem Walde zu, sicherlich mit argem Groll im Herzen, daß ihm die lästigen zu schnell sind. Bei seinen Angriffen stößt er nicht selten fehl; dafür nimmt er aber auch zwei Vögel auf einmal weg, wenn das Glück ihm hold ist. Die gefangene Beute trägt er einem verborgenen Orte zu, rupft ihr die großen Federn aus und verzehrt sie hierauf gemächlich. Knochen, Federn und Haare gibt er in Gewöllen wieder von sich. Junge Nestvögel, namentlich solche, welche am Boden ausgebrütet werden, gehören zu seinem Lieblingsfutter; er verschont aber auch die Eier nicht. »Am neunundzwanzigsten Mai«, erzählt Hintz, »kam mein Hirt und sagte, daß er gestern ein Rebhuhnnest mit zweiundzwanzig Eiern gefunden; heute seien jedoch nur zwanzig darin gewesen, und er habe einen kleinen Sperber gesehen, welcher nicht weit vom Neste aufgeflogen wäre. Ich ging sogleich zur Stelle und fand noch neunzehn Eier im Neste. Nun stellte ich mich verdeckt an und stand kaum eine Viertelstunde, als ein Sperber ankam, sich beim Neste niedersetzte und gleich wieder davonflog. Es fehlte wieder ein Ei im Neste. Nach Verlauf einer Stunde kam er wieder und flog abermals mit einem Eie davon. Ungeachtet aller Aufmerksamkeit aber konnte ich nicht beobachten, auf welche Weise er die Eier fortschaffte, ob mit den Fängen oder mit dem Schnabel.«
Die Stimme des Sperbers vernimmt man selten, gewöhnlich nur beim Horste. Sie ist ein schnell hintereinander ausgestoßenes »Ki ki ki« oder ein langsameres »Käk käk«. Ersteres scheint der Warnungston zu sein.
Der Horst steht in Dickichten oder Stangenhölzern, selten hoch über dem Boden, aber möglichst gut verborgen, wenn thunlich auf Nadelbäumen, nahe am Stamme. In Skandinavien soll der Sperber dann und wann auf Felsen horsten und nach einer anderen Angabe zuweilen in Baumhöhlen brüten: das eine wie das andere dürfte schwerlich begründet sein, vielmehr auf unrichtiger Beobachtung beruhen; das eine wie das andere entspricht auch keineswegs dem Wesen des Sperbers, welcher stets auf Bäumen oder auf dem Boden sitzt. In jenen Gegenden, wie er sie liebt, wo Feld und Wald vielfach mit einander abwechseln, wählt er sich ein den Feldern oder selbst den Dörfern möglichst nahe gelegenes Dickicht oder Stangenholz, um hier seinen Horst zu errichten, und wenn er sich einmal der Mühe unterzogen hat, solchen zu erbauen, brütet er jahrelang nach einander oder, wenn man ihm in einem Frühjahre die Eier raubt, zweimal in einem Jahre in demselben. Je nach Ort und Gelegenheit ist der Horst verschieden. Zuweilen besteht er nur aus dürren Fichten-, Tannen- und Birkenreisern und ist so liederlich gebaut, daß man ihn eher für das Nest einer Ringeltaube als für den Horst eines Raubvogels ansehen möchte; ein andermal wiederum ist er aus den genannten Stoffen, Moos, Laub und Erde aufgeschichtet, innen zierlich mit Reisern, Wurzeln und Haaren ausgelegt, auch wohl mit einigen Flaumfedern des Weibchens ausgekleidet und dann in der That ein sehr hübscher Bau. Zwischen dem zehnten Mai und zwanzigsten Juni findet man in ihm drei bis fünf mäßig große, ziemlich glatte, dickschalige Eier von verschiedener Gestalt, Größe und Färbung, welche gewöhnlich auf kalkweißem, mehr oder minder graulichem oder grünlichem Grunde mit rothbraunen, lehmrothen und graublauen, deutlichen oder verwaschenen, großen und kleinen Flecken und Punkten besetzt sind, zuweilen sehr dicht, manchmal sehr vereinzelt. Das Weibchen brütet allein, sitzt sehr fest und bekundet außerordentliche Liebe zu den Eiern, verläßt sie, selbst wenn es wiederholt gestört wurde, nicht und sucht Angriffe mit allen Kräften abzuwehren. Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung in Fülle zu; doch nur das Weibchen ist im Stande, diese in entsprechender Weise zu zerlegen. Man hat beobachtet, daß junge Sperber, deren Mutter getödtet worden, bei vollbesetzter Tafel verhungerten, weil der Vater zu ungeschickt war, ihnen die Speise mundrecht zu machen. Auch nach dem Ausfliegen werden die Jungen noch lange von den Eltern gefüttert, geführt und unterrichtet.
Die größeren Edelfalken und der Habicht fressen den Sperber ohne Umstände, wenn sie seiner habhaft werden können; die kleineren Vögel bethätigen ihren Haß wenigstens durch Verfolgung. Der Mensch tritt dem überaus schädlichen Räuber überall feindlich entgegen, wo er ihn und sein verderbliches Treiben kennen gelernt hat. Dieser Raubvogel verdient keine Schonung, sondern die unablässigste und rücksichtsloseste Verfolgung. Man thut nicht zu viel, wenn man anräth, gegen ihn jedes Mittel anzuwenden. So denken jedoch nicht alle Leute. Bei vielen Völkern Asiens ist der Sperber heutigentages noch ein hochgeachteter Baizvogel und hat sich als solcher viele Freunde erworben. »Im südlichen Ural«, sagt Eversmann, »wird er unter allen Falken am meisten zur Jagd gebraucht, wenn auch hauptsächlich nur zu solcher auf Wachteln. Man füttert die Jungen im Sommer auf, richtet sie ab, benutzt sie im Herbst zur Jagd und läßt sie dann wieder fliegen; denn es lohnt nicht, sie den Winter hindurch zu füttern, weil man im Frühjahre so viele Junge bekommen kann, wie man nöthig hat. Nur die größeren Weibchen werden zur Jagd aufgefüttert, die kleineren Männchen wirft man weg, weil sie nicht taugen.« Ebenso wie im Ural trägt man auch in Persien und Indien Sperber ab und benutzt sie mit gutem Erfolge. »Sperlinge jagen«, bemerkt St. John, »ist eines der beliebtesten Sommervergnügen in Persien, wenn die Witterung für anstrengende Jagd zu heiß ist. Man scheucht die kleine Beute hauptsächlich an den Berieselungsgräben auf und wirft den Falken, bevor die flüchtenden Vögel einen sichernden Schlupfwinkel erreicht haben. Der Sperber fehlt selten seine Beute, folgt Sperlingen mit solchem Eifer auch in Mauerlöcher und andere Höhlungen nach, daß es oft schwierig ist, ihn wieder an das Tageslicht zu befördern, ja daß man werthvolle Baizvögel auf diese Art verliert. Ein guter Sperber schlägt fünfzehn bis zwanzig Sperlinge im Laufe einer Stunde. Seine Gelehrigkeit ist wundervoll. Schon eine Woche nach dem Fange kann man ihn, obgleich jetzt noch an einer langen Schnur gefesselt, zur Jagd verwenden. Weniger Tage Arbeit genügen, ihn so weit zu zähmen, daß er auch ohne Fessel zu seinem Herrn zurückkehrt. Das Weibchen verwendet man vorzugsweise zur Jagd auf Wachteln.« Wie wir durch Jerdon erfahren, wird der Sperber wie sein Vertreter, der Besra ( Nisus virgatus), hochgeschätzt von allen indischen Falknern. Beide werden oft im Raubvogelnetze gefangen und auf Rebhühner, Wachteln, Schnepfen, Tauben, besonders aber auf Meinas abgerichtet. Sie leisten namentlich im Dschungel gute Dienste und belohnen dadurch die Mühe, welche ihre Abrichtung erfordert. Eine erheiternde Geschichte erzählt Radde. Im Süden des Kaukasus, und zwar im Quellgebiete des Euphrat, hauste in den Bergen ein Stamm der Kurden, welche noch jetzt die Niederjagd mit Falken betreiben, und deren Häuptling besonders gut abgerichtete Habichte, Sperber und Schreiadler als Baizvögel verwendete. Bei diesem Häuptlinge nun sah Radde einen Raubvogel, welcher in seiner Färbung und in seinem Körperbaue den Sperber nicht verhehlen konnte, aber unverkennbar den Schwanz des Thurmfalken trug. Da an eine Bastardart nicht zu denken war, mußte die Entstehung einer so sonderbaren Form auf eine natürliche Erklärung zurückzuführen sein, welche sich dann auch folgendermaßen ergab. Der Sperber hatte sich den Schwanz derartig zerstoßen, daß er nicht mehr im Stande war, denselben bei der Jagd zu gebrauchen. Da kam der alte Häuptling auf den klugen Gedanken, seinem Baizvögel einen Schwanz des Thurmfalken künstlich einzusetzen. Die alten zerstoßenen Schwanzfedern wurden an den Spulen abgeschnitten, die neuen Federn in die so entstandenen Hülsen gesteckt und mit sehr kleberigem, bald hart werdenden Zuckersyrup beschmiert. Der künstliche Schwanz leistete dem Sperber später bei der Jagd durchaus die nothwendigen Dienste.
Wer selbst Sperber gefangen gehalten hat, muß die Geschicklichkeit der asiatischen Falkner anerkennen. Angenehme Gefangene sind diese Raubvögel nicht, ihre Scheu, Wildheit und Gefräßigkeit geradezu abstoßend. Von letzterer erzählt Lenz ein Beispiel, welches ich zum Schlusse noch anführen will, weil es das Wesen des Vogels kennzeichnen hilft. »Vor einigen Jahren erhielt ich ein Sperberweibchen, welches einen Goldammer so wüthend in einen Dornbusch verfolgte, daß es sich darin verwickelte und gefangen ward. Sogleich band ich ihm die Flügelspitzen zusammen und setzte es in eine Stube, in welcher sich elf Menschen versammelten, die es mit funkelndem Blicke betrachtete; nun holte ich sechs junge Sperlinge, ließ einen davon laufen, der Sperber fuhr sogleich zu, packte und erwürgte ihn mit seinen Krallen, und blieb, unverwandt nach der Gesellschaft blickend, auf seiner Beute, welche er kräftig zusammendrückte, sitzen. Wir gingen, da er nicht fressen wollte, weg, und als wir nach zehn Minuten wiederkamen, war der Sperling verzehrt. Ebenso ging es mit den zwei folgenden Sperlingen; den vierten aber hatte er, nachdem er ihn ebenso wüthend wie die vorigen erwürgt hatte, da wir nach zehn Minuten, die wir ihm jedesmal zum Fraße gönnten, wiederkamen, nur halb verzehrt; dennoch packte er ebenso gierig jetzt auch den fünften, und wieder nach zehn Minuten den sechsten, ohne daß er sie, da sein Kropf schon gefüllt war, verzehren konnte.« Ganz ähnlich verfuhr auch ein anderer frisch gefangener Sperber. »Einst«, schreibt mir Liebe, »ward mir ein Sperber gebracht, welcher beim Stoße auf einen Vogel an den Leimruthen hängen geblieben und so in Gefangenschaft gerathen war. Meine Frau, welche den Sperber vom Vogelfänger in Empfang genommen hatte, war unvorsichtig, ließ sich von dem grimmen Wichte hauen und ihn erschrocken fahren. Der Räuber aber nahm, anstatt das Fenster und das Weite zu suchen, einen meiner Vogelbauer an und stieß nach den darin befindlichen Vögeln, und zwar mit einer so blinden Wuth, daß ich ihn vom Bauer, an den er sich geklammert hatte, wieder wegnehmen konnte.«
Ich habe oft längere oder kürzere Zeit Sperber gefangen gehalten, mich aber niemals mit ihnen befreunden können. Zwar habe ich sie nicht in dem Grade als Familienmörder kennen gelernt wie den Habicht, freilich aber auch nicht so viele Sperber gleichzeitig beobachtet oder zusammengesperrt, als daß ich hierüber mich hätte unterrichten können. Wahrscheinlich thue ich ihnen nicht Unrecht, wenn ich ihnen ebensoviele Rücksichtslosigkeit, Bosheit, Niederträchtigkeit, Mordlust und Gleichgültigkeit gegen die geheiligten Bande der Familie zutraue wie ihrem größeren Vetter, dem Habichte. Beide sind geistig ebenso nahe verwandt wie leiblich; beide benehmen sich dem zufolge auch in der Gefangenschaft ganz ähnlich. Daß sich der Sperber noch schlechter halten, noch weniger leicht ernähren läßt als der Habicht, braucht kaum erwähnt zu werden. Ihm, dem leckersten aller deutschen Raubvögel, ist Pferdefleisch, das fast alleinige Futter der vierfüßigen und gefiederten Räuber der Thiergärten, ein entsetzlicher Gräuel, und wenn auch der Hunger sehr wehe thun und ihn sogar bewegen kann, solches ungewohnte Futter zu fressen, wetzt sich der Sperber doch nach jedem Bissen verdrießlich den Schnabel, als wolle er damit ausdrücken, daß das saftige Fleisch der kleinen Finken, Lerchen und Sänger denn doch ganz anders schmecke als das des edlen Rosses. Kein Wunder, daß dieser Raubvogel bei solcher Nahrung sichtlich kümmert, und wenn er sich nicht vorher den Kopf am Gitter einstößt, früher oder später an der ihm widernatürlichen Nahrung sicher zu Grunde geht. Ich kenne aber keinen einzigen deutschen Thierpfleger, welcher über den Verlust eines so rohen Genüssen zum Opfer gefallenen Sperbers bekümmert wäre. Jeder hält selbst die verschrieenen Spatzen viel zu hoch, als daß er sie solchem Gauche opfern möchte. Für Raubritterthum kann der eine oder der andere schwärmen: den Strolch und sein Treiben verachtet jedermann.
Das Urbild der Familie, unser Habicht oder Hühnerhabicht, Stockfalk, Hacht-, Tauben-, Hühner-, Sperber- oder Pfeilfalk, Doppelsperber, Hühnergeier, Hacht-, Stößer-, Stech- und Eichvogel, Langschwanz etc. ( Astur palumbarius, indicus, gallinarum, paradoxus und brachyrhynchus, Falco palumbarius, albescens, dubius, gallinarius, naevius, incertus, marginatus, tigrinus und longipes, Accipiter astur, Daedalion und Sparvius palumbarius) verdient die Ehre, welche man ihm angethan hat, indem man eine ganze Familie nach ihm benannte. Er ist nicht bloß dem Namen, sondern auch seinem Wesen nach der Habicht im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Kennzeichen der Untersippe, welche er vertritt, sind wesentlich dieselben wie bei den Sperbern; doch unterscheiden sich die Habichte von diesen durch gedrungenen Leib, längeren Schnabel, abgerundeteren Schwanz und stärkere Füße.
Der Habicht ist ein großer, kräftiger Raubvogel von 55 Centimeter Länge und 1,1 Meter Breite, bei 31 Centimeter Fittig- und 22 Centimeter Schwanzlänge. Das bedeutend größere und stärkere Weibchen ist 12 bis 15 Centimeter länger und 15 bis 18 Centimeter breiter als das Männchen. Im ausgefärbten Kleide ist der Oberkörper schwärzlich graubraun, mehr oder weniger aschblau überflogen, der Unterkörper weiß, jede Feder mit braunschwarzen Schaftstrichen und Wellenlinien gezeichnet. Der Schnabel ist hornschwarz, die Wachshaut blaßgelb, das Auge hochgelb, der Fuß gelb. Im Jugendkleide ist der Oberkörper braun, jede Feder rostgelb gekantet und gefleckt, der Unterkörper roströthlich, später rostweißlich, braun in die Länge gefleckt. Der Schnabel und das Auge, der Fuß und die Wachshaut sind blasser als bei alten Vögeln. Spielarten sind selten, sehr licht gefärbte Habichte und Weißlinge dagegen mehrfach beobachtet worden.
Das Verbreitungsgebiet des Habichts erstreckt sich über den größten Theil Europas und Mittelasiens; innerhalb der inbegriffenen Länder kommt er jedoch keineswegs überall und, wenn doch, nicht in gleicher Häufigkeit vor. In Großbritannien gehört er zu den so seltenen Erscheinungen, daß die Fälle seines Vorkommens in den thierkundlichen Werken sorgfältig verzeichnet worden sind. Auf Island und den Färinseln fehlt er gänzlich. Dagegen bewohnt er Skandinavien, so weit es bewaldet ist, Dänemark, Holland, Deutschland und Frankreich, ganz Oesterreich, die Donautiefländer, Rußland vom Norden bis zum Süden, Kleinasien und Nordpersien, Nord- und Mittelspanien als Brutvogel, die südlichsten Länder aber bei weitem seltener als Deutschland. Im Norden Amerikas wird er durch einen, ihm sehr nahe stehenden Verwandten, den Schwarzkopfhabicht ( Astur atricapillus) vertreten.
Bei uns ist er in bewaldeten Gegenden eine gewöhnliche Erscheinung, nimmt da, wo die Jagden nicht scharf beaufsichtigt werden, auch eher zu als ab, wogegen in anderen Gauen das Gegentheil stattfindet. So soll er in der Mark seltener geworden sein als früher, während er gegenwärtig in Ostthüringen häufiger auftritt als vor etwa dreißig Jahren. Im November beginnt auch er zu streichen, darf aber kaum als regelmäßiger Zugvogel angesehen werden, obgleich er eigenen Beobachtungen zufolge bis Nordegypten wandert. Dies aber geschieht immer selten und unregelmäßig; ja schon auf den südlichen Halbinseln trifft er nicht allwinterlich ein. Ich vermag nicht zu bestimmen, ob wie bei anderen Raubvögeln ein Geschlecht zäher an der Heimat hängt als das andere; wohl aber kann ich sagen, daß man in Deutschland während des Winters ebenso gut Männchen wie Weibchen beobachtet und erlegt. Dasselbe gilt für Asien. Im Süden dieses Erdtheiles findet er sich, nach Jerdon, ständig, obwohl immer einzeln, nur im Himalaya, und wenn wirklich einer in den Ebenen bemerkt wird, gilt dies als Ausnahme. Da, wo sich der Habicht einmal festgesetzt hat, läßt er sich schwer vertreiben, falls die Bedingungen für sein Leben einigermaßen günstig sind. Er verlangt einen dichten Baumbestand, in welchem er der Ruhe pflegen und von welchem aus er leicht Beute gewinnen kann, macht zwischen Schwarz- und Laubholz kaum einen Unterschied, liebt daher besonders Wälder, welche mit Feldern und Wiesenflächen abwechseln, kommt jedoch in größeren Waldungen häufiger vor als in kleineren.
Nach meinem Dafürhalten ist die von meinem Vater vor nunmehr fünfzig Jahren gegebene Beschreibung dieses Raubvogels noch nicht übertroffen; ich werde sie deshalb dem nachfolgenden zu Grunde legen und nur hier und da neuere Beobachtungen, welche mir wichtig zu sein scheinen, einschieben.
Der Habicht, ein einsamer, ungeselliger Raubvogel, welcher sich nur in der Paarungs- und Brutzeit mit seinem Gatten zusammenhält, ist ein höchst ungestümer, wilder, dreister, schneller, starker und dabei listiger und scheuer Falk. Sein Flug ist immer schnell, wenn er stößt, aber reißend, rauschend, außerdem oft schwebend; der lange Schwanz wird dabei gewöhnlich etwas ausgebreitet. Der einigermaßen geübte Beobachter unterscheidet ihn leicht und in jeder Entfernung von allen heimischen Raubvögeln, vielleicht mit alleiniger Ausnahme eines Sperberweibchens; denn seine verhältnismäßig kurzen Flügel und der lange Schwanz, welche sein Flugbild dem einer Wildtaube nicht unähnlich erscheinen lassen, sind außer seiner beträchtlichen Größe bezeichnende Merkmale. Wenn er von einem Waldestheile zum anderen zieht und, zumal in bergigen Gegenden, von einer Erhöhung der anderen zustrebt, fliegt er auch wohl in bedeutender Höhe, der Schätzung nach zwei- bis vierhundert Meter über dem Boden dahin; für gewöhnlich schleicht er nach Strauchritterart niedrig über letzterem fort, Waldsäumen und Buschreihen folgend, Baumgruppen und Gebüsche oft kreuzend oder hart über deren Spitzen hinwegschwenkend. Kaum ein anderer Raubvogel entfaltet im Fluge so viele Verschiedenheiten der Bewegung wie der Habicht, welcher Schnelligkeit mit jähen und unerwarteten Wendungen, dahinstürmendes Jagen mit für einen so großen Vogel überraschender Gewandtheit in sich vereinigt. Jetzt steigt er rasch empor, schwebt einigemal umher, stößt plötzlich herab, fliegt mit der größten Sicherheit durch dichte Bäume hindurch und ist bald hoch, bald tief. Auf der Erde ist auch er ungeschickt, hüpft gewöhnlich und geht nur selten. Zum Aufbäumen wählt er sich stets die unteren Aeste und so viel als möglich die Stammnähe. Auf Felsen oder Gemäuer habe ich ihn niemals sitzen sehen; auf Häusern in Dörfern soll er sich jedoch zuweilen niederlassen. Die Stimme ist ein starkes, weit hörbares, widriges Geschrei, welches jedoch nicht häufig vernommen wird. Aus Bosheit oder Verdruß schreit der Habicht langgezogen »Iwiä«, aus Freude über einen Raub »Iwiä iwiä«, bei der Paarung »Gäck gäck gäck«, »Gick gick gick« und nachher schnell nacheinander »Kjak kjak«; in Furcht gesetzt stößt er entweder das »Wiä wiä« oder ein leises »Wis wis« aus.
Man sieht den Habicht zu jeder Tageszeit, auch in den Mittagsstunden, welche die meisten übrigen Raubvögel der Ruhe widmen, in Bewegung und Thätigkeit. Er durchstreift ein großes Gebiet ziemlich regelmäßig und kehrt dahin, wo er einmal glücklich war, längere Zeit hindurch tagtäglich zurück. Seine erstaunliche Gefräßigkeit zwingt ihn zu fast fortwährendem Jagen: er ist, wie der Sperber, selten wirklich befriedigt, sondern immer hungrig und wenigstens mordgierig. Seine Jagd gilt sämmtlichem Geflügel, von dem Trappen oder Auerhuhne an bis zu dem kleinen Finken herab, und allen Säugethieren, welche er bewältigen zu können glaubt. Er stößt auf den Hasen, um ihn umzubringen, erhebt das bissige Wiesel vom Boden, wie er das Eichhörnchen vom Neste wegnimmt, raubt im Fliegen wie im Sitzen, den schwimmenden Vogel wie das laufende Süugethier, zieht seine Beute selbst aus ihren Versteckplätzen hervor. Ungeheuerer Schrecken ergreift die Thiere, welche sich ihm gegenüber gefährdet wissen; er bemustert sich ihrer oft so, daß sie starr sitzen bleiben und, wie Naumann sagt, »schon unter seinen Klauen bluten, ehe sie sich noch entschlossen haben, die Flucht zu ergreifen oder sich platt an die Erde niederzudrücken«. Seine Raubgier wird nur durch seine Dreistigkeit überboten, die eine wie die andere aber durch seine Mordlust übertroffen: er kennt keine Schonung. Im Norden und Osten unseres Vaterlandes haben alle Rauchfußhühner vom Auerhuhne bis zum Schneehuhne herab von ihm zu leiden; bei uns zu Lande ist er der Schrecken der Rebhühner, Wild- und Haustauben, Wild- und Hausenten, in vielen Walddörfern der gefährlichste Feind unseres Hausgeflügels überhaupt. Wie der Sperber überrascht er stets durch seine Erscheinung und kommt dadurch fast immer zum Ziele. »Bei den Landwohnungen«, beschreibt Altum sehr richtig, »saust er ebenso unerwartet wie am Rande eines Gehölzes über das Dach eines niedrigen Nebengebäudes oder durch den Zwischenraum zweier Gebäude, ergreift mit Blitzesschnelle auf dem Hofraume eines der Haushühner oder eine Taube und ist damit verschwunden, ehe man noch recht zur Würdigung des fremden Gastes kommt.« Unseren Haustauben jagt er fortwährend nach, und ein einziges Habichtspaar kann den reichsten Schlag binnen wenigen Monaten entvölkern. Die Tauben ergreifen, sobald sie den Habicht gewahr werden, eilig die Flucht; dieser aber stürzt in schiefer Richtung pfeilschnell hinter ihnen her und sucht eine zu ergreifen, indem er gewöhnlich von oben auf sie herabstößt. Dies geschieht ohne bemerkbare Flügelbewegung mit weit vorgestreckten Fängen und etwas eingezogenen Schwingen, aber mit einer solchen Geschwindigkeit, daß ein Rauschen entsteht, welches man auf hundert bis hundertundfunfzig Schritte weit hören kann. »Einstmals«, erzählt mein Vater, »befand ich mich auf dem Felde und sah einen Habicht über einem hohen Berge umherschweben. Eine halbe Viertelstunde von ihm, tief im Thale, suchte ein Flug Tauben ruhig Futter; kaum hatte sie der Habicht erblickt, als er in schräger Richtung wohl tausend Meter weit herabschoß. Doch auch die Tauben hatten ihn sehr zeitig bemerkt; sie flogen möglichst schnell schon dem Schlage zu, als er die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte. Dies schien gegen seine Vermuthung zu sein; denn er war bei seinem Stoßen zu tief herabgekommen, als daß er den Tauben gleich war. Nun hob er sich wieder, flog mitten durch sie und griff nach einer, welche aber durch eine geschickte Wendung dem Räuber entging und glücklich den Schlag erreichte.« Gelingt es ihm nicht, die Tauben durch Verfolgung zu erbeuten, so greift er zur List. »Auf meiner Herrschaft in Podolien«, berichtet Graf Wodzicki, »wurden viele Tauben gezogen, und bald sahen wir die Taubenschläge überfüllt. Die große Anzahl der Tauben lockte bald alle Habichte und Falken der Umgegend herbei, da, wie bekannt, die Vögel sich gegenseitig über die Gefahr benachrichtigen, und sich auf dieselbe Weise zur Mahlzeit laden. Meine Tauben wurden nunmehr so verfolgt und vermindert, daß sie nicht mehr ins Feld zu fliegen wagten und ihre Nahrung zwischen den Gebäuden suchten. Gesammelte Erfahrung der Tauben spornte die Raubvögel zu größerer List. Die Tauben verließen ihre Verstecke sehr selten und immer am Boden streichend, gingen auch nie weit vom Hofe weg. Dieses sonderbare Spiel dauerte über eine Woche. Die Raubvögel mußten den Kürzeren ziehen; nur zwei schlaue Habichte wußten durch verständiges Jagen alle Tage ihre Nahrung zu bekommen. Einer derselben saß stundenlang mit aufgesträubtem Gefieder auf einem Strohdache ziemlich versteckt, ohne sich zu rühren, mit eingezogenem Halse, offenbar die Stellung einer Eule nachahmend. Die Tauben wurden bald zutraulicher, setzten sich auf dasselbe Dach, und der Bösewicht rührte sich nicht; sobald aber die Vögel aus- oder einflogen, schoß er wie ein Pfeil auf sie los und verfehlte selten die Beute, mit welcher er jedesmal in die Baumgärten flog, Wohl durch Erfahrung belehrt, daß in denselben kein Feuergewehr abgeschossen wird, weil die Gärten zwischen den Gebäuden liegen. Der zweite Habicht, noch klüger, muthiger und durchtriebener als der vorige, kam jeden Tag um dieselbe Stunde, schreckte die Vögel in den Taubenschlag und machte darauf eine förmliche Treibjagd. Er setzte sich nämlich auf die Einflugbrettchen, lief um den Taubenschlag herum, stellte sich dann mit ausgebreiteten Flügeln auf eine Seite des Taubenschlages, und schlug so lange an die Bretter desselben, aus derselben Stelle herumtanzend, bis er endlich eine Taube hinaustrieb, welche er sogleich verfolgte.« Sehr erklärlich, weil nur zu gerechtfertigt, ist die Todesangst, welche alle von ihm bedrohten Vögel bei seinem Erscheinen ergreift. Sobald er sich in weiter Ferne zeigt, entsteht Aufruhr in der gesammten Vogelwelt. Tauben oder Hühner, welche von ihm ergriffen, aber noch gerettet wurden, bleiben bewegungslos am Boden sitzen, lassen sich vom Menschen mit den Händen ergreifen oder flüchten sich irgend welchem Versteckplatze zu und vergessen den gehabten Schrecken tage- und wochenlang nicht. Starke Hühner rennen mit Aufbietung der letzten Kräfte, den Räuber auf dem Rücken, in das Innere des Hauses, als wollten sie Schutz beim Menschen suchen, und nur die muthigen Krähen, welche ebenfalls arg von ihm zu leiden haben, ermannen sich zu Rachegefühlen.
Mit ebenso unermüdlicher Ausdauer wie den Vögeln stellt er auch Säugethieren nach. »Die jungen Hasen«, sagt mein Vater, »überwältigt er leicht; die alten aber greift er planmäßig an. Er stößt nämlich, wenn sich Lampe durch die Flucht zu retten sucht, zu wiederholten Malen mit dem Schnabel aus denselben; und wenn der Hase dann verwundet und ermattet ist, greift er mit den Fängen zu und tödtet ihn allmählich mit dem Schnabel und mit den Nägeln. Dieser Kampf dauert gewöhnlich lange, und ich weiß ein Beispiel, daß sich der Hase einige Zeit mit dem Habichte herumwälzte, ohne daß ihn dieser losgelassen hätte, ob er gleich oft unten zu liegen kam. Ein glaubwürdiger Freund von mir schoß auf dem Anstande einen Hasen und einen Habicht auf einen Schuß, während dieser auf jenen stieß.« Im Norden, und zumal in Skandinavien, raubt er mehr Säugethiere als bei uns. Den Lemmingherden z. B. folgt auch er, weil sie ihm am leichtesten Beute gewähren.
Wenn der Habicht es haben kann, begnügt er sich übrigens durchaus nicht mit einem Opfer, sondern mordet zunächst so viele Vögel, als er zu fangen vermag, und frißt sie dann in Ruhe auf. So sah Riesenthal wie ein und derselbe Habicht in Zeit von einer Stunde fünf fast flügge Krähen hinter einander aus dem Neste holte, trotz den zur Vertheidigung scharenweise herbeigeströmten alten Krähen. Mit seiner unersättlichen Raub- und Mordlust verbindet dieser Strolch Dreistigkeit und Leckerhaftigkeit. Das Gehöft, auf welchem er einmal Beute gewonnen hat, wird von ihm wieder und immer wieder besucht, ganz unbekümmert um die Vorkehrungen, welche der Mensch zu seinem Empfange trifft. Kein Raubvogel weicht listiger allen ihm geltenden Nachstellungen aus als er. Das urplötzliche seines Erscheinens gewährt ihm nicht allein regelmäßig Beute, sondern ebenso auch Sicherheit. »Er hat mir«, klagt Riesenthal grollend, »vom einsamen Forstgehöfte in kurzer Zeit sechzig Küchlein und ältere Hühner geraubt; er hat sie vor meinen Augen, wenn ich ohne Flinte war, vom umfriedigten Hofe geholt, so daß ich mit Steinen und Knüppeln nach ihm warf; er kam nie, wenn ich ein Gewehr bei mir führte: stundenlang konnte ich ihm auflauern, aber kaum war ich ins Haus getreten, da kündete mir der Lärm auf dem Hühnerhofe einen neuen Raub an, und ich konnte sehen, wie er mit dem Hühnchen davonstrich. Natürlich hatte er mich vom nahen Walde aus beobachtet.« Ich weiß nicht, ob letztere Annahme richtig ist; so viel aber glaube auch ich verbürgen zu können, daß der Habicht den Menschen scharf beobachtet und den ihm gefährlichen Jäger genau von dem Landmanne unterscheidet. Sein ganzes Wesen ist das eines auf den rechten Augenblick lauernden Diebes, welcher ein von ihm wiederholt heimgesuchtes Gehöft beschleicht und sich auf seine List und Gewandtheit wie auf seine unvergleichliche Geistesgegenwart verläßt. Hiermit im Einklange steht, daß er schwächere Thiere, junge Hühner z. B., immer lieber nimmt als ältere, ebenso daß er, wie wenigstens Altum versichert, farbig auffallende Beutethiere aus einer Menge zuerst ergreift, ebenso daß er, letzteres allerdings nach Art aller Falken, seine Jagden auf ein einzelnes, etwas vom Schwarme abgesondertes zu richten pflegt. Ist er hungrig oder durch längere Verfolgung hitzig, durch mehrfach vereitelte Angriffe vielleicht auch unmuthig geworden, so vergißt er jede Rücksicht, jagt der sich flüchtenden Taube bis ins Innere eines Hauses, auch durch die Fenster nach, greift nach dem gefangenen Vogel im Bauer, trägt selbst, wie Nordmann in Finnland beobachtete, einen Lockvogel sammt dem Käfige davon, läßt sich dann, mit der ungewöhnlichen Bürde beladen, einige hundert Schritte davon nieder und zieht nunmehr den Vogel zwischen den Gittern heraus. In Gehöften hat man ihn auf einem von ihm geschlagenen Huhne mit Händen ergriffen, mit Körben zugedeckt, mit Knüppelschlägen vertrieben. Bemerkenswerth ist seine Leckerhaftigkeit. Wo er die Auswahl hat, wird er sicherlich immer nur das schmackhafteste Wild schlagen. Dies geht so weit, daß er, wie mir von Meyerinck schreibt, in wildreichen Gegenden, besonders da, wo es viele Fasanen und Rebhühner gibt, sich mitunter im Habichtskorbe nicht fangen lassen will, wenn man als Lockvogel eine Taube einsetzte, meist aber sehr schnell fängt, wenn man den Habichtskorb dafür mit einem zahmen Huhne, einem Fasanen oder einem Rebhuhne köderte. Wo Tauben gehalten werden, stellt er diesen immer mehr nach als den Hühnern, obgleich letztere von ihm leichter sich fangen lassen, offenbar auch nur deshalb, weil ihm jene besser schmecken als die Hühner.
Es ist wahrscheinlich, daß die Ungeselligleit des Habichts in seiner unglaublichen Raubgier ihren Grund hat. An gefangenen haben wir Familienmord im weitesten Umsange beobachtet. »Vor einigen Jahren«, erzählt mein Bruder, »ließ ich für einen Thiergarten ein altes Habichtsweibchen mit seinen zwei Jungen am Horste fangen und bezüglich ausheben. Ich brachte die Mutter mit ihren Kindern am Vormittage in einen großen Käfig; nachmittags wollte ich der Alten Futter geben, bemerkte aber, daß sie sich bereits gesättigt hatte, und zwar mit dem Fleische und Blute ihrer eigenen Kinder. Ich fand das eine Junge halb aufgefressen und das zweite erwürgt! Wenige Tage später bekam ich ein Habichtspaar mit ebenfalls zwei Jungen. Ich sperrte sie einzeln in besondere Behältnisse, fütterte sie reichlich und schickte sie nach ihrem Bestimmungsorte ab. Hier wurden sie mit einem schon darin befindlichen einjährigen Vogel derselben Klasse vereinigt. Dieser griff sehr bald die beiden Jungen an und verschlang sie, überfiel schließlich die Alten, überwältigte und verzehrte auch diese, wurde aber selbst wieder von einem später dazu gesteckten Habichte verspeist. Ein mir befreundeter Förster hat mir versichert, daß er einst vierzehn Habichte in einem großen Behältnisse lebend gehalten habe, welche trotz reichlichen Futters einander nach fürchterlichen Kämpfen bis auf zwei aufgefressen hätten.« Ich meinestheils kann diese Angaben noch insofern vervollständigen, als ich ihnen hinzufüge, daß in der Gefangenschaft der stärkere Habicht den schwächeren auffrißt, sei letzterer sein Gatte, sein Kind oder eines seiner Eltern.
Unbeschreiblicher Haß begegnet ihm deshalb, sobald er sich sehen läßt. Namentlich die Krähen, welche er im Sitzen wohl zuweilen wegnehmen mag, sind unermüdlich in seiner Verfolgung und stoßen mit wahrer Todesverachtung nach ihm. »Ein Habicht«, fährt mein Vater fort, »welcher von drei Krähen verfolgt wurde, griff zuweilen nach ihnen; sie wußten aber so geschickt auszuweichen, daß es ihm nie gelang, eine zu verwunden. Nachdem sie so eine Weile mit dem Habichte herumgeflogen waren, sah dieser in einer Entfernung von dreihundert Schritten Tauben auf einem Dache; sogleich eilte er hinzu, und stürzte sich in schräger Richtung über hundertundsechzig Meter weit herab, aber er kam ohne Taube zurück. Die Krähen schienen über sein Stoßen ganz erstaunt. So lange er schwebte, konnten sie ihm sehr leicht folgen; als er aber zu stoßen anfing, war keine im Stande, ihn zu begleiten. Erst als er wieder emporkam, begannen ihre Angriffe von neuem. Sie jagten ihn nun abermals einige Zeit herum; plötzlich fing er in wenig schräger, fast wagerechter Linie an zu stoßen, legte so eine Strecke von zweihundert Meter zurück, fing eine Taube und flog mit ihr fort. Doch die Krähen bemerkten ihn sehr zeitig, und setzten ihm so hart zu, daß er sie fahren lassen und jeden Versuch, eine andere zu fangen, aufgeben mußte.« Die Krähen sind überhaupt die einzigen Vögel, welche ihre Todfeindschaft mit dem Habichte bei jeder Gelegenheit zur Geltung bringen und ihm viel zu schaffen machen. Sobald er sich sehen läßt, wird er von der schwarzen Rotte umringt; lautes Schreien ruft fortwährend neue Helfer herbei, und so kann es kommen, daß die Krähen ihn förmlich stellen. Namentlich geschieht dies, wenn er niit einer geschlagenen Beute in den Fängen davonfliegt oder dieselbe auf dem Boden verzehren will. In der Hitze des Gefechtes vergessen dann beide Theile zuweilen vollständig die Außenwelt um sich her. So wurde am neunzehnten Mai 1868 ein von den Krähen angegriffener Habicht von dem Forstgehülfen Müller aus Hermannsgrün mit dem Hirschfänger erlegt. Durch den Lärm der Krähen herbeigezogen, glaubte der genannte, einem jungen Hasen zum Lebensretter werden zu können, schlich vorsichtig der betreffenden Stelle zu und bekam hier einen großen Raubvogel zu Gesicht, dessen Aufmerksamkeit von der schwarzen Bande um ihn her derartig in Anspruch genommen war, daß Müller bis auf etwa zehn Schritte sich nähern und mit dem unterdessen gezogenen Hirschfänger nach dem aufstiebenden Räuber werfen konnte. Der Zufall führte die Klinge so, daß sie den Habicht an dem Kopfe traf, betäubt zu Boden warf und dem Verfolger in die Hand gab. Hofjäger Braun, welchem ich die Mittheilung dieser bemerkenswerten Thatsache verdanke, traf unmittelbar nach der absonderlichen Jagd mit Müller zusammen und sah den Habicht selbst. Naumann sagt, daß es letzterem zuweilen gelinge, eine der ihn verfolgenden Krähen zu ergreifen; solche Fälle dürften jedoch selten vorkommen, weil die Krähen bei ihrer Jagd auf den Habicht stets mit größter Vorsicht zu Werke gehen. Nächst den Krähen stoßen unsere kleinen Edelfalken auf den auch von ihnen gehaßten Raubvogel, und die Schwalben machen sich regelmäßig ein Vergnügen daraus, ihn unter schallendem und warnendem Geschrei zu begleiten.
Der Horst wird auf den ältesten und höchsten Bäumen des Waldes, meist auf starken Aesten nahe am Stamme, angelegt, ist sehr groß und flach, besteht unten aus dürren Aesten, weiterhin aus Reisern und wird oben mit grünen Tannen-, Fichten- und Kieferzweigen belegt, welche fortwährend erneuert zu werden scheinen. Die eigentliche Nestmulde, eine sehr seichte Vertiefung, ist gewöhnlich mit Flaumfedern des Brutvogels selbst ausgekleidet. Schrader bemerkt, daß in Norwegen ein Habicht auch auf Felsen seinen Horst angelegt oder in einem bereits vorhandenen gebrütet habe; die Angabe widerspricht den Gewohnheiten des Vogels jedoch so entschieden, daß sie unbedingt bezweifelt werden muß. Der einmal gebaute Horst wird im nächsten Jahre von demselben Habichtspaare wieder benutzt, ausgebessert, erweitert und mit frischen Zweigen besteckt; bisweilen hat dasselbe jedoch drei oder vier Horste, welche in geringer Entfernung von einander errichtet wurden, und wechselt unter diesen. Schon im März sieht man an schönen, heiteren Tagen die beiden Gatten eines Paares in gleichmäßigen Drehungen sich emporschrauben, in der Absicht, ihre Liebesgefühle an den Tag zu legen. In der letzten Hälfte des April oder im Anfänge des Mai pflegt das aus zwei bis vier großen, mehr länglichen als rundlichen, in der Mitte sehr bauchigen, dick- und rauhschaligen, auf grünlichweißem Grunde spärlich mit gelben Flecken bezeichneten, oft aber auch fleckenlosen Eiern bestehende Gelege vollzählig zu sein. Das Weibchen brütet mit der wärmsten Hingebung und verläßt das Nest auch nach wiederholter Störung nicht, fliegt zuweilen nicht einmal auf, wenn man den Horst mit Hagel beschießt. Altum verbürgt sogar einen Fall, daß den brütenden Habicht ein Büchsenschuß, welcher ihm freilich nur einige Schwanzfedern kostete, nicht von den Eiern verscheuchte. Angriffe auf die Brut versuchen beide Gatten abzuwehren und beweisen dabei einen Muth, welcher zuweilen förmlich in Tollkühnheit übergeht. Man hat beobachtet, daß sie mit Heftigkeit Menschen angriffen, welche an ihrem Nestbaume emporkletterten; ja, es ist wiederholt vorgekommen, daß ein Habicht während der Brutzeit, ohne eigentlich gereizt worden zu sein, Menschen und selbst Pferde anfiel. Die Jungen wachsen rasch heran, fressen aber auch unglaublich viel, und beide Eltern haben vollauf zu thun, ihren Heißhunger zu befriedigen. Der Horst wird dann zu einer wahren Schlachtbank. Beide Alten schleppen herbei, was sie finden, nach der Beobachtung eines durchaus glaubwürdigen Mannes unserer Bekanntschaft sogar ganze Nester mit den in ihnen befindlichen Jungen, namentlich Drossel- und Amselnester, welche sie aufgestöbert haben. Daß die stärkeren Nestjungen, wenn sie Hunger leiden, über ihre Geschwister herfallen und diese, wie behauptet worden ist, auffressen, dürfte kaum zu bezweifeln sein.
Des unschätzbaren Schadens wegen, welchen der Habicht anrichtet und welcher sehr häufig den Menschen ganz unmittelbar betrifft, wird der tückische Räuber selbstverständlich eifrig verfolgt. Jedoch geschieht dies leider noch in ungenügender Weise. Man gibt sich viel zu wenig Mühe, die Horste auszukundschaften und die Räuberbrut, sozusagen, gleich im Keime zu ersticken, stellt auch den alten Vögeln noch zu lässig nach. Ihre Jagd ist nicht eben leicht, weil die Klugheit und List der alten Habichte dem Jäger viel zu schaffen macht; um so besser belohnt sich der Fang oder eine kluge Benutzung des Hasses, welchen der Habicht gegen den Uhu an den Tag legt. So wenig er es liebt, durch andere streitlustige Vögel behelligt zu werden, so eifrig, heftig und anhaltend greift er den Uhu an. In eigenthümlicher Weise mit den Flügeln schlagend, mehr flatternd als rüttelnd, nähert er sich der verhaßten Eule bis auf wenige Centimeter, so daß man oft verhindert ist, auf ihn zu schießen, um nicht den Uhu zu gefährden. Da er jedoch gelegentlich auf den Krackeln vor der Hütte aufzubäumen pflegt, schießt man ihn vor der Krähenhütte ohne Mühe, wie vom Horste herab das brütende Weibchen. Auch in Netzen und Raubvogelfallen, zumal im Habichtskorbe, erbeutet man den listigen Schelm, wenn die Vorkehrungen gut getroffen sind, gewiß.
Ein gefangener Habicht ist für uns ein ebenso hassenswerther Vogel wie der freilebende. Seine Wildheit und Bosheit, seine Unverträglichkeit und Mordgier machen ihn uns bald im höchsten Grade widerwärtig. Freilich habe ich nie einen zahmen Habicht gesehen, sondern nur wilde und ungestüme, welche bei Annäherung eines Menschen wie unsinnig sich geberdeten, in ihrem Käfige umhertobten und rasten, gegen die Gitter stießen und dabei die Stirn entfederten oder die Flügel blutig schlugen, welche vor lauter Wuth und Ingrimm gar nicht wußten, was sie thun sollten. Daß sie gezähmt werden können, haben uns die alten Falkner bewiesen und beweisen uns die asiatischen Falkenjäger noch tagtäglich; wie man es aber anzufangen hat, solche Trotzköpfe zu brechen, bleibt mir ein Räthsel. Ich bin den alten Habichten mit vertrauensvoller Thierliebe entgegengekommen: vergeblich; ich habe den Jungen alle denkbare Freundlichkeit erzeigt: umsonst. Schnöder Undank ist mir geworden, wie auch ich mich anließ. Noch mehr: ein anderer Raubvogel gewöhnt sich endlich, wenn auch nicht an den Käfig, das heißt an den Verlust seiner Freiheit, so doch an das ihm gereichte Futter; der Habicht ist nie zufrieden, man mag ihm reichen, was man wolle. Immer und immer sitzt er verdrießlich, gleichsam zerfallen mit sich und der Welt, in einem Winkel des Gebauers, die gelben Augen rollend, mit dem Rücken halb an die Wand angelehnt, mit dem Schwanze aufgestemmt, beide Fänge bereit, jedmänniglich zu fassen und zu schlagen, scheinbar nur auf den Augenblick wartend, in welchem er seine tolle und unsinnige Wuth bethätigen kann. Er ist ein abscheulicher Vogel im Käfige wie im Walde, ein ebenso unbändiges als hinterlistiges Geschöpf, welches nun und nimmermehr von seinen Unthaten abläßt und mit keinem anderen Vogel gleicher Größe, möge er so wehrhaft sein als er wolle, zusammengehalten werden darf. Jeder Bussard, jeder Milan, jeder Baumkauz ist verloren, wenn man ihn mit einem Habichte in demselben Käfige unterbringt: früher oder später wird er überfallen, abgewürgt und aufgefressen. Zuweilen beginnt man, Hoffnung zu schöpfen. Es sind vielleicht Tage vorübergegangen, und kein theures Haupt hat gefehlt. Da plötzlich regt sich das Habichtsherz und einer der Mitbewohner des Käfigs fällt der Räuberklaue zum Opfer. Hat aber »der Löwe einmal Blut geleckt«, so vernichtet er alles lebende, mit welchem er denselben Raum theilt, und es scheint dann, als könne er es nicht ertragen, etwas lebendes vor sich zu sehen: er mordet wie ein vom Blute berauschter Marder.
Solchen Gesellen unter die Botmäßigkeit des Menschen zu beugen, ist ein Triumph der Zähmung. In den Augen unserer alten Falkner stand der Habicht hoch; von allen Asiaten, welche die Baize betreiben, wird er gegenwärtig noch sehr geschätzt. In Indien ist er, nach Jerdon, der geachtetste aller Jagdfalken. »Die Baz, wie er in Indien heißt, wird abgerichtet auf Kragentrappen, Milane, Aasgeier, Enten, Scharben, Reiher, Ibisse, Hasen etc. Zur Hasenjagd wird der Habicht mit Lederhosen gestiefelt, um zu verhüten, daß seine Füße von den Dornen zerrissen werden, wie es sonst gewöhnlich geschieht, weil der Hase regelmäßig den Räuber mit sich schleppt. Dieser greift nur mit einem Fange zu und streckt den anderen hinter sich aus, um Grashalme, Zweige und dergleichen zu ergreifen und so den Hasen festzuhalten. Er fliegt geradeaus auf seine Beute zu; wenn diese aber nicht in einer entsprechenden Entfernung ist (etwa hundert bis zweihundert Meter weit), gibt er die Jagd auf und kehrt entweder zu dem Falkner zurück oder setzt sich auf einen benachbarten Baum oder bezüglich auf den Boden. Ein gut abgerichtetes Habichtsweibchen wird gewöhnlich mit zwanzig bis fünfzig, ein Männchen mit zehn bis dreißig Rupien bezahlt.« Thompson gibt neuerdings ausführliche Mittheilungen über den in Indien üblichen Fang und die Benutzung des Habichts. Nach seiner Meinung sind nur die eingeborenen Indier im Stande, ihn wirklich abzutragen. Der Vogel wird meist im Oktober und November in eigenthümlichen, durch eine Taube geköderten Netzfallen gefangen und an die Falkner verkauft, welche junge Weibchen mit vierzig bis sechzig Rupien, ältere Weibchen höher, Männchen verhältnismäßig geringer bezahlen. Unter allen kurzflügeligen Falken gilt er, einmal abgetragen, bei weitem als der vorzüglichste, ebenso seiner Schnelligkeit und Kühnheit wie seiner Unermüdlichkeit halber. Je länger und je öfter man ihn benutzt, um so ausgezeichneter wird er. Verhältnismäßig rasch gewöhnt er sich an den Menschen, die Hunde und andere Gegenstände, welche geeignet sind, anfänglich ihn zu erschrecken, und seine Gelehrigkeit in der Hand eines guten Falkners ist geradezu wundervoll, sein Verständnis dem eines Hundes fast gleich. Thompson versichert, so zahme und kluge besessen zu haben, daß es genügte, die Hand auszustrecken, um sie auf diese zu locken; andere konnten ungefesselt vor den Zelten sitzen, flogen beim Aufbrechen der Jagdgesellschaft nach dem nächsten Baume, folgten dem Jagdzuge durch Wald und Lichtung, ohne jemals zurückzubleiben, bis ein Jagdvogel aufgestöbert war und ihre Arbeit begann. »Es war«, bemerkt er, »ein wundervoller Anblick, den Vogel, Sultana genannt, wie ein Geschoß hinter dem aufgeflogenen Wildhuhne herstürzen und es schlagen zu sehen, bevor man noch über seine Art ins klare gekommen war. Zuweilen gab es auch einen Wettkampf zwischen beiden: das Huhn voran, Sultana unmittelbar hinterdrein, jeder der beiden Vögel alle Muskeln anstrengend, der Falk mehr und mehr sich nähernd, bis es ihm endlich gelang, die Beute zu schlagen. In einer grasigen Gegend, welche den Blick nicht verwehrt, gestaltet sich solche Jagd zu einem großartigen Anblicke. Nicht minder anmuthend ist auch die Baize auf Frankoline im hohen, dicken Grase. Eine Reihe von Elefanten treibt die Beute auf, der Frankolin steigt gerade aus, der befreite Falk folgt ihm in wagerechter Linie, bis er ihn niederfallen sieht und ergreift, indem er fast senkrecht herabfällt.« Gut abgetragene Habichte lassen sich, nach Thompson, vom Pfau an bis zum Rebhuhne herab auf alle Hühnerarten Indiens verwenden und schlagen in einer Stunde oft über ein Dutzend derselben. Der Berichterstatter hat gesehen, daß sie Pfauen beim Anfliegen tödteten und Hasen schlugen, ohne bestiefelt worden zu sein. Bei Entenjagden in baumreichen Brüchen pflegt der geworfene Habicht sich auf einen der nächsten Bäume niederzulassen und hier zu lauern, bis das Wassergeflügel durch die Treiber aufgescheucht ist. Dann eilt er hinter demselben einher und stößt, sobald sich der Schwarm erhebt. In Persien wird der Habicht häufiger als jeder andere Falk abgetragen und nicht allzuselten mit fünfzig Tomans oder vierhundert Mark unseres Geldes bezahlt. Einzelne der gebrauchten Vögel fängt man auf den bewaldeten Hügeln des Südens und Westens, den größten Theil aller aber bringt man aus den kaspischen Waldungen. Man benutzt den Tarlán, wie der Habicht bei den Persern genannt wird, zur Jagd der Steinhühner und des Frankolin. Die weiße, Sibirien entstammende Spielart wird nicht höher geschätzt als die gewöhnliche Form. Auch im südlichen Ural und den angrenzenden Steppen wird gerade dieser Falk am häufigsten abgetragen, theils weil er in allen bewaldeten Gegenden in Menge vorhanden und unschwer zu haben ist, theils weil er sich leicht abrichten läßt.
In Afrika werden unsere Habichte durch verwandte Vögel, welche man Singhabichte ( Melierax) genannt hat, vertreten. Sie unterscheiden sich von ihren europäischen Namensvettern durch schlankeren Leibesbau, schwächeren Schnabel, etwas längere Schwingen, abgerundeten Schwanz und höhere, stärkere Läufe mit verhältnismäßig kürzeren Zehen und Krallen.
Im Süden des Erdtheiles lebt, soviel bis jetzt bekannt, die größte Art dieser Sippe, der eigentliche Singhabicht ( Melierax musicus), in Mittelafrika ein von ihm hauptsächlich durch geringere Größe abweichender Verwandter ( Melierax poyzonus und cantans, Falco, Nisus und Astur polyzonus), welchen ich Heuschreckenhabicht nennen will. Das Gefieder der Oberseite, Kehle und Oberbrust ist schiefergrau, das des Bauches, Bürzels und der Hosen sowie der großen Flügeldeckfedern auf weißem Grunde mit feinen aschgrauen Zickzacklinien gebändert. Die Schwingen sind braunschwarz, die Schwanzfedern von derselben Färbung, aber blasser, dreimal in die Quere gebändert und weiß zugespitzt. Die Farbe der Iris ist ein schönes Braun, der Schnabel dunkelblau, die Wachshaut und die Füße sind lebhaft orangefarbig. Die Länge des Männchens beträgt fünfzig, die Breite neunundneunzig, die Fittiglänge dreißig, die Schwanzlänge zweiundzwanzig Centimeter. Das Weibchen ist um etwa vier Centimeter länger und um fünf bis sechs Centimeter breiter. Im Jugendkleide ist das Gefieder auf der Oberseite braun, auf der Unterseite auf weißem Grunde hellbraun in die Quere gebändert. Die Seiten des Kopfes und ein breites Brustband zeigen dieselbe Färbung.
Levaillant, der Entdecker des durch ihn sehr berühmt gewordenen Raubvogels, gibt an, daß der Singhabicht in der Kafferei und den benachbarten Ländern ziemlich häufig vorkomme, auf einzeln stehenden Bäumen sich aufhalte, Hasen, Rebhühner, Wachteln, Ratten, Mäuse und andere Thiere jage, ein großes Nest baue und dasselbe mit vier reinweißen, rundlichen Eiern belege. In diesen Angaben würde nichts merkwürdiges zu finden sein, wenn Levaillant ihnen nicht hinzufügte, daß der männliche Singhabicht seinen Namen verdiene durch ein ziemlich ausführliches Liedchen, welches er, wenn auch in sonderbarer Weise, oft stundenlang fast ununterbrochen vortrage. Ich vermag nicht zu entscheiden, ob diese Angabe wörtlich zu nehmen ist; wohl aber kann ich versichern, daß ich bei seinem nördlichen Verwandten, welchen ich vielfach beobachten konnte, niemals von Gesang etwas gehört habe: ein langgezogener Pfiff war alles, was ich vernahm. Unser Vogel findet sich südlich des siebzehnten Grades in allen Steppenwaldungen sehr zahlreich. Im Urwalde ist er seltener; doch auch hier wird man ihn auf keiner Jagd vermissen. Heuglin beobachtete ihn noch zwei Grad nördlicher als ich und in den Bogosländern wie in Habesch noch in Höhen von funfzehnhundert bis zweitausend Meter über dem Meere, nur sehr einzeln aber am oberen Weißen Nile; Speke erlegte ihn in den Somaliländern; Hemprich und Ehrenberg fanden ihn auch in dem benachbarten Arabien auf. Er wandert nicht und lebt fast immer paarweise, mit Vorliebe in den baumreichen Niederungen der Steppe, unbekümmert um das Treiben der Menschen. Seine Lieblingsplätze sind einzelnstehende Bäume in der Steppe, von denen er nach allen Seiten hin freie Ausschau hat. Hier verweilt er fast den ganzen Tag. Sein Gebiet ist klein; denn in den eigentlichen Steppengegenden wohnt Paar bei Paar, und jedes muß sich mit einem Umkreise von sehr geringem Durchmesser begnügen.
Nur äußerlich hat der Heuschreckenhabicht entfernte Aehnlichkeit mit seinem deutschen Namensvetter; in Geist und Wesen unterscheidet er sich von diesem durchaus. Er ist ein träger, langweiliger Vogel, welcher nichts von der Kühnheit besitzt, die unseren Habicht zu einem so furchtbaren Feinde aller schwächeren Wirbelthiere macht. Trägheit ist der Grundzug seines Wesens. Stundenlang sitzt er auf einem und demselben Flecke, und fast schläfrig überschaut er den nächsten Umkreis seiner Warte. Der Flug ist habichtartig, aber keineswegs rasch und gewandt wie der seines deutschen Verwandten, sondern kraftlos und schleppend. Die kurzen, abgerundeten Flügel werden langsam bewegt und sodann längere Zeit ausgebreitet; hierauf gleitet der Heuschreckenhabicht einige Meter geradeaus durch die Luft, und nunmehr folgen wieder einige Flügelschläge. Nach dem Aufbäumen nimmt er gewöhnlich eine ziemlich senkrechte Haltung an, zieht den Kopf ein und starrt gerade vor sich hin auf eine Stelle.
Rüppell bezeichnet Tauben und andere kleinere Vögel als seine hauptsächlichste Nahrung, hat sich aber geirrt oder, wenn seine Angabe auf Beobachtungen beruht, durch einen Zufall täuschen lassen. Die Hauptnahrung des Vogels besteht hauptsächlich in Kerbthieren, Lurchen und kleinen Säugethieren. Nach meinen Erfahrungen bilden Heuschrecken seine allen bevorzugte, zeitweilig wohl ausschließliche Speise. Neben ihnen jagt er hauptsächlich auf Mäuse; von diesen findet man gewöhnlich Ueberbleibsel in seinem Magen. Hartmann beobachtete, daß er Eidechsen fing, und diese Angabe stimmt mit meinen Erfahrungen durchaus überein. Auf Vögel habe ich ihn bloß dann stoßen sehen, wenn das kleine Geflügel in dichten Schwärmen zu den Tränkplätzen zog; aber nur sehr selten gelang es ihm, aus dem Gewimmel einen zu ergreifen. Zum Flugfangen ist er viel zu täppisch, und niemals sieht man ihn eine der so unendlich häufigen Tauben nach Art unserer Habichte oder Sperber auf weite Strecken hin verfolgen. Schon Nager von der Größe eines Eichhörnchens behelligt er nicht mehr; mit dem Erdeichhörnchen z. B. lebt er im tiefsten Frieden. Seine Horste habe ich nicht aufgefunden. Nach Heuglin stehen dieselben hoch auf dicht belaubten Bäumen und sind aus dürren Aesten aufgebaut. Ueber Eier und Brutgeschäft scheint der genannte Forscher keine Beobachtungen gesammelt zu haben, und auch ich weiß nichts weiter anzuführen, als daß ich frisch ausgeflogene Junge zu Anfang der großen Regenzeit, im August und September, angetroffen habe. Gefangene Heuschreckenhabichte sind das gerade Gegentheil der deutschen Vertreter ihrer Familie, ruhige, stille Vögel, welche wie Edelfalken stundenlang auf einer und derselben Stelle verweilen, wie diese ihren Pfleger bald kennen lernen, nach geraumer Zeit sogar äußerst zutraulich werden und ohne ersichtliches Widerstreben das ihm vorgesetzte Futter annehmen, der Tücke unseres Klimas aber leicht zum Opfer fallen.
Ungefähr dieselben Länder Afrikas, in denen die Singhabichte wohnen, beherbergen das auffallendste Mitglied der Familie und einen der sonderbarsten Vögel überhaupt, welchen wir Schlangensperber nennen wollen ( Polyboroides typicus, radiatus und Malzakii, Circaëtus radiatus, Gymnogenys melanostictus und typicus, Nisus radiatus). Der Vogel hat, soviel bis jetzt bekannt, nur noch einen einzigen Verwandten, welcher auf Madagaskar lebt. Ihn kennzeichnen ein kleiner Körper und ein sehr kleiner, nacktwangiger Kopf mit verhältnismäßig schwachem Schnabel, aber unverhältnismäßige Flügel, welche ebensowohl durch ihre Länge, als durch die große Breite sich auszeichnen, ein sehr großer, breiter, wenig abgerundeter Schwanz und sehr hohe, aber dünne Fußwurzeln mit verhältnismäßig kurzen Zehen. Das Gefieder ist aus der Oberseite, am Vorderhalse und an der Brust dunkel aschblau, das des Bauches, der Hosen und die Schwanzdeckfedern auf weißem Grunde zart schwarz gebändert; die Handschwingen sind schwarz, die Oberarmschwingen grau, mit einem runden schwarzen Flecke vor der Spitze, die Steuerfedern schwarz, weiß zugespitzt und ungefähr in der Mitte ihrer Länge durch eine breite weiße Querbinde gezeichnet. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß citrongelb, die Wachshaut und die nackte Stelle ums Auge sind hellgelb. Die Länge des Männchens beträgt nach eigenen Messungen 54 Centimeter, die Breite 1,36 Meter, der Fittig mißt 42, der Schwanz 29, die Fußwurzel 9, die Mittelzehe 4 Centimeter.
Das Verbreitungsgebiet des Schlangensperbers erstreckt sich, wenn man den auf Madagaskar lebenden Verwandten als artlich verschieden betrachtet, über ganz Mittelafrika von der West- bis zur Ostküste und den Süden des Erdtheiles. Man hat ihn am Gambia oder Gabun wie am Sambesi, im Kafferlande wie in Habesch und im Westsudân erlegt. In den von mir bereisten Theilen des Ostsudân gehört er durchaus nicht zu den häufigen Vögeln. Man begegnet ihm nur zuweilen im lichteren Walde, jedoch nie weit von Gewässern. Der große Vogel fällt augenblicklich auf. Wenn er fliegt, kann man ihn leicht für einen Adler halten; denn er besitzt Flugwerkzeuge, welche einen solchen bequem durch die Lüfte tragen können. Mit langsamen, schlaffen Flügelschlägen sieht man ihn von einem Baume zum anderen fliegen oder abends aus den höchsten derselben zur Ruhe bäumen. Er ist scheu und vorsichtig, lebt einsam und scheint das mürrische Wesen anderer Lurchfresser zu theilen. Ich fand in dem Kropfe des von mir erlegten ein paar Eidechsen; andere Beobachter erfuhren, daß er auch auf Frösche Jagd macht. Nach Jules Verreaux zeigt der Schlangensperber eine Gelenkigkeit in seinen Fängen, welche ohne Beispiel dasteht. Die Fußwurzel ist nämlich in ihrem Knie- oder richtiger Fersengelenke nicht bloß nach vorn, sondern auch nach hinten beweglich, und diese Begabung wird von dem sonderbaren Vogel bei seiner Jagd auf Lurche in der ausgiebigsten Weise benutzt. Er steckt seine Läufe in Sumpflöcher und dreht und wendet sie hier nach allen Richtungen mit überraschender Geschicklichkeit, bis es ihm glückt, seine Beute zu fassen. Die kurzen Zehen ermöglichen ihm, den Fuß auch in die schmalsten Erdspalten einzuführen und aus ihnen sich Frösche oder Eidechsen hervorzuholen, welche in ihren Schlupflöchern vor anderen Raubvögeln vollständig geschützt sind. Daß der Schlangensperber übrigens kleine Vögel und Säugethiere, Spitzmäuse z. B., welche auf sumpfigem Boden leben, auch nicht verschmäht, hat Verreaux ebenfalls beobachtet. Weiteres über das Leben dieses höchst eigenthümlichen Vogels weiß ich leider nicht mitzutheilen.