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Ich will mir selbst treu bleiben – meinen Überzeugungen,« stieß Alexander Larkin ungestüm hervor, und das Echo schleuderte die Worte mit demselben Ungestüm vom gegenüberliegenden Felsen zurück.
»Ich will erfolgreich sein,« sagte sein Bruder Horace, und das Echo versicherte umgehend mit derselben Hartnäckigkeit, dass es auch erfolgreich sein wolle.
»Lass uns weiter in den See fahren, wo wir diesem lächerlichen Echo entrinnen können,« erwiderte Alexander und schlug seine Ruder ins Wasser.
»In Ordnung,« stimmte sein Bruder zu.
Sie ruderten zügig etwa fünfzehn Minuten, vorbei an grünen, freundlichen Böschungen, hinter denen sich Weizenfelder und Weideland erhoben, hier und da unterbrochen von kiefernumstandenen Schluchten, durch die angeschwollene Bäche ihr schlammiges Wasser in den See ergossen. Es war eines der kleineren geologischen Becken inmitten des Staates New York, dreißig oder vierzig Meilen lang, aber nur einige Meilen breit. Der See, der das Wasser von der Oberfläche dieses Beckens aufnahm, war ebenfalls lang und schmal; aber die Bäche, von denen drei an dessen südlichem Ende sich vereinigt hatten, brachten mit ihren Schlammablagerungen ein fruchtbares, aber malariaverseuchtes Delta hervor, das unentwegt auf das Gebiet am See übergriff. An diesem Delta lag die Stadt Torryville.
Während die beiden Brüder über das glänzende Wasser fegten, schenkten sie der Schönheit der Landschaft mit ihren weichen Hügellinien vor dem blauen Horizont wenig Beachtung. Sie waren beide mit dem Gegenstand ihres letzten Wortwechsels beschäftigt, und jeder war bedacht auf das Argument, mit dem er den anderen schachmatt zu setzen beabsichtigte, wenn die Diskussion fortgesetzt werden würde.
Horace, der ältere, war hochgewachsen und stark gebaut, von großer, knochiger Gestalt und mit einer Miene, die Schläue und Entschlossenheit ausdrückte. Sein Gesicht war nicht hübsch, aber sehr individuell und interessant. Es war das Gesicht eines gescheiten Mannes – ein Gesicht, das den Eindruck eines selbstsicheren Temperaments vermittelte. Seine grauen Augen verrieten durchtriebene Beobachtungsgabe, und in ihrem Blick lag etwas Respektloses und doch Gutmütiges – etwas entschieden Amerikanisches. Der Mund war grob gezeichnet und teilweise verdeckt von einem derben rötlich-braunen Schnurrbart, der jeden schmückenden Zwecks entriet. Das stark Kinn wirkte selbstbewusst und streitlustig und wurde oft mit einer eigentümlich kämpferischen Miene vorgeschoben. Das braune Haar, dessen Farbe sich dem als asch-braun bekannten Ton näherte, war kurz, auf die linke Seite gescheitelt und rauh wie eine Bürste. Das ganze Gesicht erschien vielleicht ein wenig ungehobelt und – für eine mäkelige Person – nicht gänzlich annehmbar, aber es war ein Gesicht, das einen gefangen nahm – und das man nicht leicht vergaß. Im Ort hieß es, Horace Larkin sei ein verteufelt gerissener Kerl; und niemand, der ihn sah, wäre in der Lage gewesen, dieses Urteil in Frage zu stellen.
Alexander Larkin, zwei Jahre jünger als sein Bruder, war schlanker und schmächtiger von Gestalt. Seine Erscheinung besaß einen gewissen freimütig-offenen, jugendlichen Charme, der Horace vollständig abging. Aus seinen klaren blauen Augen sprach eine Seele, die frei von Arglist war. In der weichen Linie seines Gesichts, in den frischen, hübschen Rundungen seiner Lippen, in seinem blonden Haar – ja, in seiner gesamten Persönlichkeit – lag etwas Keusches, Süßes, Jungfräuliches. Es war unmöglich, ihn nicht zu mögen, so wie man den Frühling mag und die Jugend und alles, was schön und vergänglich ist. Jene Art, aus einem Paar unumwölkter blauer Augen mit freimütiger Neugier freudig auf das Leben zu schauen, erregt in Herzen, die seit langem dieses Vorrecht eingebüßt haben, ein irgendwie zu Herzen gehendes Vergnügen, in das sich freilich Mitleid mischt. Um nichts in der Welt würde man den lieben Jungen seiner Illusionen berauben; das Leben würde das schon besorgen. In der Jugend ist es schließlich entschuldbar, noch über keine fest umrissene Individualität zu verfügen – freudvoll im Strom des Allgemeinen zu schwimmen, ohne einen dringenden Grund, davon abzuweichen. So stand es mit Alexander Larkin; er war wie die meisten jungen Männer, die das Verderben noch nicht berührt hatte; er war jedoch hübscher und klüger als die Mehrheit.
Die beiden Brüder hatten allmählich die Mitte des Sees erreicht, wo das Echo der Ufer ihre Unterhaltung nicht mehr nachäffen würde.
»Du sagtest,« begann Aleck, wie er vertraut genannt wurde, lehnte sich vor und ruhte sich auf den Rudern aus, »du sagtest, du wollest Erfolg haben.«
»Ja,« antwortete Horace, »und du sagtest, du wollest das nicht.«
»Entschuldige 'mal!« rief der jüngere Bruder lebhaft. »Ich sagte nichts dergleichen. Ich sagte, ich wolle meinen Überzeugungen treu bleiben.«
»Nun, das bedeutet dasselbe.«
»Natürlich, ich weiß, du sagst das, um mich zu necken. Aber ernsthaft, Horace, für einen Mann von achtundzwanzig bist du ein unverbesserlicher Zyniker. In dir stecken weder Poesie noch Ideale.«
»Du könntest mir kein größeres Kompliment machen. Die Substanz des Lebens ist prosaisch, und diese Prosa will ich meistern.«
»Die Substanz des Lebens ist ebensosehr poetisch. Nur dem durchschnittlichen Menschen ohne Ideale erscheint sie rein prosaisch.«
»Es ist dieser durchschnittliche Mensch ohne Ideale, der gewöhnlich Erfolg hat, zumindest in einer Demokratie. Die Welt ist von durchschnittlichen Menschen für durchschnittliche Menschen gemacht. Die Zivilisation verkümmert die großen Charaktere und erhebt die kleinen, um den Durchschnitt zu stärken. Unsere amerikanische Demokratie – was ist sie, wenn nicht der Triumph des Durchschnitts? Schau dir die Männer an, die wir heute ins öffentliche Leben schicken! Vergleiche sie mit denen, die dort vor fünfzig oder hundert Jahren standen; vergleiche besonders ihre Gesichter, und du wirst sehen, wie heruntergekommen der Typus ist. Was hat das anderes zu bedeuten, als dass der durchschnittliche Dummkopf, der früher stolz war, von einem weiseren Mann als er selbst repräsentiert zu werden, es nun vorzieht, dass dies ein ebenso großer Dummkopf wie er selbst tut? Der durchschnittliche Amerikaner war vor fünfzig Jahren arm und huldigte der Bewunderung von Größe, Moral und Intellekt; jetzt aber hat der Wohlstand sein Gehirn verwandelt; er fühlt sich groß genug, auf eigene Rechnung auf den Putz zu hauen, und kann keinen leiden, der ihm überlegen vorkommt.«
»Ich würde mich an deiner Stelle schämen,« rief Aleck mit jugendlichem Feuer, »mein Land dermaßen zu verleumden.«
»Das hängt davon ab, in welchem Bundesstaat wir uns unterhalten,« erwiderte Horace trocken; »wie du weißt, ist in New York Verleumdung nur strafbar, im Falle sie eine Lüge darstellt; in New Jersey dagegen schon dann, wenn sie nur Züge von Abfälligkeit aufweist, egal ob sie zutrifft oder nicht. Ich brauche mich in der New-Jersey-Bedeutung kein Bisschen zu schämen, mein Land verleumdet zu haben.«
Aleck hörte mit sichtlicher Ungeduld zu, machte ein paar Schläge mit den Rudern, hob sie dann wieder an und blickt gespannt auf seinen Bruder, der sich inzwischen eine Zigarre angezündet hatte und ihn ebenfalls anschaute.
»Mit dem, was du gerade gesagt hast,« fing er an, »hast du deinen eigenen Urteilsspruch besiegelt. Du bist selbst auf jeden Fall intellektuell überdurchschnittlich, wo immer du auch moralisch stehen magst; und dich treibt der Ehrgeiz, dich im öffentlichen Leben auszuzeichnen. Deine Chancen wären, glaube ich, gering, wenn Amerikaner nur Dummköpfe als Repräsentanten wählten.«
Der ältere Bruder blies eine Reihe von Rauchringen in die unbewegte Luft und lächelte, wie es nur ein starker Mann kann. Sein Lächeln war voller Belustigung und unbezwinglichem Selbstvertrauen.
»Mein lieber Junge,« sagte er; »du verfährst zu rasch. Lassen wir 'mal dein Argument, ich sei kein Dummkopf, zu. Was glaubst du, wie ein kluger Bursche es anstellt, öffentliche Gunst zu erwerben? Indem er seine Klugheit vorführt? Indem er versehentlich seine Weisheit auskramt und seine Landsleute mit seiner intellektuellen Größe beeindruckt? Nein, mein Lieber; täte er das, dann würde er nicht 'mal zum Straßenamtsleiter, geschweige denn zu einem Mitglied des Kongresses gewählt. Nein, falls ich geistig überlegen bin, werde ich diese Tatsache peinlichst vor meinen Mitbürgern verheimlichen, es sei denn, sie entscheiden sich tatsächlich, einen gewissen Grad von Genialität zur Deutung meiner Persönlichkeit zu unterstellen, weit jenseits dessen, wodurch ich bei ihnen Anerkennung finde. Wie ich schon sagte, will ich mein Leben dem Studium der Realität widmen, und zwar hautnah, um meine Schlussfolgerungen ohne die gewohnte rosarote Brille ziehen zu können. Indem ich diese Schlussfolgerungen meinem Verhalten zu Grunde lege, beabsichtige ich aufzusteigen, und ich werde aufsteigen. Wenn Du lange genug lebst, kannst du das Eintreffen meiner Voraussage überprüfen.«
»Erfolg um diesen Preis würde ich mir nicht wünschen,« versetzte Aleck ernst; »du hältst Charakter für ein Hindernis zum Erfolg?«
»Das habe ich nicht gesagt; obwohl, so wie die Welt nun 'mal eingerichtet ist, eine bedeutende Charakterhöhe den Erfolg beeinträchtigen könnte. In der modernen Welt ist ›Takt‹ an die Stelle des Charakters getreten.«
»Dann glaubst du, dass Prinzipien und Überzeugungen nutzlose Lasten darstellen, die von jedem, der ins öffentliche Leben treten möchte, über Bord geworfen werden sollten?«
»Eins nach dem anderen, bitte. Fangen wir mit den Überzeugungen an. Was sind Überzeugungen im Alter von achtundzwanzig? Unerprobte Axiome, angenommen auf einen Glauben hin, den die Erfahrung wahrscheinlich umwerfen wird. Nun, ich gebe zu, jemand der Erfolg haben will, kann es sich nicht leisten, sich üppig mit solchen Artikeln auszustatten. Mit vierzig mag ein Mann Überzeugungen haben, die vielleicht etwas wert sind. Ein Mann der Öffentlichkeit ist aber heutzutage nicht mehr Führer der öffentlichen Meinung, sondern ihr Gefolgsmann. Er verkörpert nicht mehr Wissen und Erfahrung in öffentlichen Angelegenheiten, sondern lediglich ein Register öffentlicher Ignoranz.«
Der jüngere Bruder saß einige Minuten lang schweigend und starrte verträumt auf den entfernten Horizont.
»Horace,« entgegnete er schließlich, »ich hab' dich zu gern, um mich mit dir zanken zu wollen; aber verzeih mir: ich glaube, du sprichst, um einen Effekt zu erzielen. Du erlebst eine wohlige Empfindung, indem Du schockierst. Du magst es, wenn die Leute dich für einen tiefsinnigen, kaltblütigen Verschwörer halten. Ich fürchte, du bist in deinem eigenen Interesse viel zu klug – so klug, dass du in der Gefahr bist, dich selbst auszutricksen.«
Weit entfernt diese unhöfliche Analyse zu verübeln, blickte Horace mit echtem Vergnügen auf.
»Alle Achtung, Bruder!« rief er herzlich. »Klugheit liegt offenbar in der Familie. Du bist auch ein Gutteil tiefgründiger, als ich dir zugestehen wollte.«
Statt zu antworten, schlug Aleck heftig seine Ruder ins Wasser und ließ das Boot hinweg fliegen über die spiegelglatte Oberfläche des Sees. Sein Bruder, dachte er, war ein sehr unbefriedigender Gesprächspartner, der die Geduld eines Heiligen auf die Probe stellen würde. Er redete nicht, um zu überzeugen oder um zu einer Schlussfolgerung zu kommen, sondern mehr um ein Kunststück intellektueller Gymnastik zu vollbringen und weil er seinen Scharfsinn herauszustellen liebte; Staatsanwalt oder Verteidiger, je nach dem, und das sogar inmitten seiner Familie.