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Einundsechzigster Brief

 

Paris, Donnerstag, den 8. Dezember 1831

Von meinen Briefen ist in allen Blättern, sogar in englischen die Rede. Im Constitutionnel heißt es unter andern: » C'est le nec plus ultra de la presse allemande libérale. Personne n'a encore osé écrire ainsi. C'est la témérité personnifiée. Nos Allemands peu éclairés ressemblent à un homme longtemps emprisonné et privé de lumières, qui dès qu'on lui ouvre les portes pour le délivrer, est offusqué par la lumière qu'il ne peut supporter.« Der »Temps« nennt mich einen » écrivain courageux« und hebt es heraus, daß ich gesagt: besser einen Don Miguel zum Herrn haben als einen mild väterlichen deutschen Fürsten. Der Artikel aus der »Börsenhalle« geht nach und nach in alle ministerielle und aristokratische Blätter über. Gestern las ich ihn in der »Zeitung von Bern«, – ein Kirchhof, wo der Hochmut von fünf Jahrhunderten begraben liegt, und wo in dieser unserer Mitternacht alle Geister der alten Raubritter herumwandeln und heulen, daß einem die Haare zu Berge stehen. Ihr tapfern Ritter, ihr Hofleute in eurer Narrenjacke, erhabene Säulen des Throns, treue Schildträger der Fürsten, brave Dämme gegen das wildbrausende Volk – wo seid ihr denn? Junker, Legationsräte, Kammerherrn, tretet heraus, tretet hervor, erhebet euch. Höret, wie ein niedriger Knecht euch verhöhnt, euch trotzt! ... Sie sind stumm, und fände sich nicht zuweilen ein Ochse von Bürger, der ihnen aus Dummheit seine gesalzene Zunge liehe; sie würden ersticken vor Wut. Ich aber habe meine Freude daran, und ich möchte die ganze Junkerei mit mürben Brezeln bewirten.

 

Freitag, den 9. Dezember

Ich kann Sie versichern, daß die schönste Posse auf dem Theater mich nie so sehr ergötzt hat als die Schrift des Eduard Meyer. Und was an der einen Lust fehlte, ersetzte die Schadenfreude. Ich dachte bei mir: welch eine Sache muß es, welche Menschen müssen das sein, die solche Beschützer suchen und nur solche finden! Auch habe ich bei dieser Gelegenheit einem teilnehmenden, aber von dem gegen mich erregten Lärm etwas betäubten Manne geschrieben: »So sind eure Verteidiger, so ist eure Sache, so seid ihr selbst!« Wenn Sie in meinen Worten etwas Wehmütiges gefunden, so ist der gute Eduard ganz unschuldig daran. Ich erinnere mich nicht mehr, in welcher Stimmung ich damals geschrieben; aber es kann wohl sein, daß ich bei diesem Anlasse einen trüben Blick in unser trübes Vaterland geworfen, und daß mich das etwas bewegte. Den Alexis Häring, den schicken Sie mir ja sobald als möglich; der erspart mir fünfzig Sous und fünf Stunden Zeit für ein Boulevardtheater. Ich kenne ihn von Berlin her, es ist ein ungesalzener Häring. Vor meiner Rache ist er sicher. Wäre er ein Milchner, salzte ich ihn vielleicht; aber solch einen Rogner kann ich zu gar nichts brauchen. Auch würde ich mich wohl hüten, dem Leipziger Viehstalle zu nahe zu kommen. Ich bin kein Herkules, und dessen Keule war es auch nicht, die das Wunder getan. Die Pleiße aber ist so dumm und flach, daß nur ein Paar Schnupftücher damit zu reinigen sind. Guter Gott! Wenn man diese Menschen erst persönlich kennt, dann ist man gar entwaffnet und wehrlos. Dieser Willibald Alexis – pfui, es ist mir, als sollte ich mit Rühreiern Krieg führen. Ein platter, abgeschmackter Osterfladen, eingeschrumpft und altbacken, wie er am zweiten Pfingsttag aussehen und schmecken würde ... Nun, wie gefalle ich Ihnen? Habe ich nicht schon viel profitiert von meinem Eduard? Also den Häring schicken Sie mir!

Die schönen Frankfurter Mädchen werden sich wohl zu trösten wissen, wenn sie in keiner Leihbibliothek meine Briefe werden bekommen können. Clauren ersetzt mich ihnen vom Samstag abend bis Montag morgen. Die andern Leser werden Mittel finden, sich das Buch auf andere Art zu verschaffen. Funfzig Taler Strafe! das ist ein starkes Lesegeld! Mir fällt dabei nur immer ein, daß in Frankfurt, Hamburg und andern deutschen Landen, wo man nie nach Talern rechnet, doch immer nach Talern bestraft wird. Das beweist, daß man Gesetze in Anwendung bringt, deren Form, wie deren Geist, veraltet ist. So wäre denn mein Buch in Deutschland vogelfrei erklärt. Das war gar nicht nötig, ich habe es ja selbst getan. Frei wie ein Vogel sollte es in den Lüften schweben, erhaben über dem stinkenden Nebel der Polizei und dem feuchten Dunstkreise angstschwitzender Bürger. Es wird schon herabpfeifen durch Nebel und Dunst, und sieht man es auch nicht, wird man es doch immer hören.

Die Affenkultur hat hier seit der letzten Revolution große Fortschritte gemacht. Sonst beschränkte sich die Kunstfertigkeit der Affen auf den Schauplatz der ebenen Erde. Sie tanzten, zogen den Hut ab, zerrten die Mädchen an den Röcken, putzten den Herrn die Stiefel und forderten höflich Geld ein. Das war alles gut und einträglich. Doch entging den armen Savoyarden die Teilnahme und das Soustück der Hausbewohner, die in den obern Stocken wohnten und nicht gerade am Fenster lagen. Jetzt aber haben sie die Affen abgerichtet, an langen Stricken festgehalten, die Häuser hinaufzuklettern, auf den Geländern der Balkone herumzuspazieren, vor das Fenster zu springen und an die Scheiben zu klopfen. Diese geniale Industrie ist höchst ergötzlich. Doch muß ich sagen, daß es oft eine unangenehme Überraschung für die Leute im Zimmer sein mag. Denken Sie sich, eine junge schöne Dame säße auf dem Sofa neben ihrem Vetter, durchblätterte mit ihm Les feuilles d'automne von Hugo und wäre sehr zerstreut – und jetzt pochte plötzlich ein garstiger Affe an das Fenster und guckte neugierig und spöttisch in das Zimmer hinein – das wäre ja ein größerer Schrecken, als wenn der Mann unerwartet aus dem Comptoir wieder herauskäme, weil er seine Brille vergessen. Ich begreife nicht, wie die Polizei solche Friedensstörung dulden kann; es müßte denn sein, daß sie selbst die Affen zu Hausspionen angestellt. Es wäre gar nicht unmöglich. So ein Affe hat Verstand genug dazu.


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