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Sechsundvierzigster Brief

 

Paris, den 29. März 1831

Chateaubriand hat eine Broschüre für die Legitimität und Heinrich V. herausgegeben. Was das aber hier schnell geht! Gestern ist die Schrift von Chateaubriand erschienen, und heute ist schon eine dagegen angezeigt. Chateaubriands Schrift ist zu gut und zu schön, Ihnen nur Bruchstücke daraus mitzuteilen; jedes ausgelassene Wort dürfte sich über Zurücksetzung beklagen. Man muß sie ganz lesen. Es ist doch ein Zauber in der Sprache des Herzens, daß sie durch einen einzigen Laut die unzähligen Lügen auch des mächtigsten Talents besiegen und beschämen kann! Selbst die Irrtümer des Herzens – doch es gibt keine Irrtümer des Herzens. Sie sind es nur, wenn man sie an dem spitzbübischen Einmaleins des Krämervolks nachrechnet, das Tugend kauft und verkauft; aber der Himmel hat eine ganz andere Arithmetik. Chateaubriand nimmt für den Herzog von Bordeaux das Wort und für sein Recht. Er verteidigt die kranke und alterschwache Legitimität. Aber die Legitimität ist ihm kein Glaubensartikel, den man blind annehmen und ausgeben muß, sondern nur ein politischer Grundsatz. Damit können wir zufrieden sein. Sobald man nur eine Lehre prüfen, dafür oder dagegen sprechen darf, mag jeder, so gut er es versteht, seine Lehre geltend zu machen suchen. Nun meint Chateaubriand, Frankreich, nach Vertreibung Karls X. und seines Sohnes (und diese wünscht er keineswegs zurück), hätte besser getan, für sein Wohl sich Heinrich V. zum Könige zu geben. Man hätte das königliche Kind für die Freiheit erzogen; man hätte Frankreichs edle Jugend um seinen künftigen Herrscher versammelt und dann statt des feigen Lispelns jetzt ein ganz anderes Wort mit Frankreichs Feinden sprechen können. Chateaubriand hat ganz recht; nur übersieht er den Rechnungsfehler, daß Frankreich keine vier Millionen ehrlicher Leute hat, die ihm gleichen, sondern höchstens vier, und daß während der Minderjährigkeit Heinrichs V. alle Leidenschaften toll gewütet und das Land zerstört hatten. Aber von den Fehlern und Schwächen der jetzigen Regierung übersah er keinen. Er wirft unter Donnern Feuerreden aus, und wie glühende Asche regnet sein Tadel auf sie herab. Er sagt nichts Neues; tausend Stimmen haben das Ähnliche vor ihm gesagt. Aber die tausend Stimmen waren tausend kleine Lichter, die nur vereint hell gemacht; aber Chateaubriands einzige Fackel wirft so großen Glanz als jene alle. Er zeigt, wie die Regierung, von ihrer Feigheit gepeitscht, in Todesangst vor drei Schreckbildern flieht: »vor einem Kinde, das am Ende einer langen Reihe von Gräbern spielt; vor einem Jünglinge, dem seine Mutter die Vergangenheit, sein Vater die Zukunft geschenkt; und ...« – ich habe die Broschüre nicht mehr zur Hand, aber das dritte Gespenst wird wohl der äußere Feind sein. Chateaubriand zeigt an, daß er Frankreich verlassen werde. Auch sagte er, nie würde er Heinrich V. willkommen heißen, wenn er auf den Armen eines fremden Heeres zurückgetragen würde, und sobald ein Krieg entstände, würden seine Pflichten sich ändern und er sich nur erinnern, daß er Franzose sei. Ehrlicher Narr! ... Aber er weiß, daß er ein Narr ist. Er sagt: Keinen habe die Restauration, die ihm so viel zu verdanken, mehr gehaßt als ihn, und er würde unter einer neuen Restauration kein besseres Schicksal haben. Wer kann solchen verführerischen Lockungen der Tugend widerstehen? Auch denke ich seit einiger Zeit daran, ein Schuft zu werden. Es ist mir wahrhaftig nicht um den baren Vorteil zu tun, sondern nur um meine Gemütsruhe. Einem Schufte geht es immer nach Wunsche, und er lebt in Frieden mit der Welt. Das bißchen Ehrlichkeit, das sich ihm in heißen Tagen zuweilen auf die Nase setzt, belästigt ihn nicht mehr als eine Mücke. Er schüttelt sich und ist sie los. Ja, ich will ein Schuft werden. Was halten Sie von meinem Plane?

Paganinis fünftes Konzert hat 24 000 Franken eingetragen. Er hat folgenden Vertrag mit der Theaterdirektion abgeschlossen. Er spielte Mittwoch und Sonntag. Mittwoch bekommt er drei Vierteile der Einnahme und Sonntag die ganze und gibt der Direktion 3000 Franken ab. So läßt sich berechnen, daß ihm die fünf Konzerte bis jetzt 90 000 Franken eingetragen haben. Von der Taglioni habe ich Ihnen, wie ich glaube, schon geschrieben, daß sie in London für eine monatliche Miete ihrer Beine 100 000 Franken bekommt. O! ich könnte dieser liederlichen Welt ohne Barmherzigkeit die Ohren abschneiden und die Augen ausstechen!


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