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Sie mögen singen von der Liebe,
Von treuer Liebe sing auch ich,
Sie mögen seufzen, daß sie bliebe.
Sein Lieben bleibet ewiglich.
Sie mögen singen von den Sternen,
Mein Stern ist meines Liedes Lust,
Und was sie suchen in den Fernen,
Mir geht es auf in stiller Brust.
Sie mögen singen von dem Lenze
Und seiner Blumen Herrlichkeit,
Ihm duften meines Liedes Kränze
Auch in der rauhen Winterszeit.
Sie mögen singen von den Quellen.
Und von der Rebe süßem Saft,
Aus
einem Quell, dem süßen, hellen.
Erneut sich meines Liedes Kraft.
Sie mögen singen von den Kriegen,
Mein Lied ist Krieg- und Siegeslied,
Mein Held muß ewig, ewig siegen,
Der mich zum ernsten Kampf beschied.
Sie mögen singen von den Göttern.
Ich singe dem lebend'gen Gott,
Sie mögen spotten mit den Spöttern,
Mein Lied trotzt ihres Liedes Spott.
Gott ist mein Lied, ihm will ich singen.
So lang ein Odem in mir lebt,
Ihm soll des Herzens Saite klingen,
Bis ihr der letzte Hauch entschwebt.
*
Immer ernster wird das Leben,
Immer naher rückt der Tod,
Herr! was kann die Welt dir geben
Als den Tod, womit sie droht?
Du, mein Gott! nur du allein
Kannst des Lebens Spender sein.
Schöne, freudenreiche Tage
Schenkte deine Liebe mir.
Vor dem Danke schwieg die Klage.
Nur Erwünschtes dankt ich dir.
Und nun wär mein Danken aus,
Weil du führst ins Klagehaus?
Nein, nun erst will ich erkennen
Deiner tiefsten Liebe Grund,
Nun erst recht dich Vater nennen,
Der sich thut als Vater kund,
Der mich als sein Kind erzieht
Und nur auf mein Bestes sieht.
Herr, was deiner Huld genüget,
Und was deinem Wesen recht,
Bleibt, ob alles lügt und trüget,
Wie sichs füget, gut und echt,
Hebet über Lust und Schmerz
Hoch empor zu dir das Herz.
Ob sich dann die Tage trüben
Und gar finster wird die Nacht,
Herz! du kannst, du sollst dich üben
In der Zucht, die selig macht,
In der Zucht, die ungesucht
Reifen macht des Himmels Frucht.
Süße Frucht aus bitterm Samen,
Reines Gold aus heißer Gluth,
Ueber alle stolzen Namen
Einzig wesenhaftes Gut!
Seelenruhe! Seelenheil,
Endlich wirst du mir zu Theil.
*
Als sich vom römischen Tyrannen
Johannes ließ nach Pathmos bannen,
Da ward das Aug ihm aufgethan.
Der Himmel ließ sich zu ihm nieder,
Ja, auf des Adlers Glanzgefieder
Schwang er sich selber himmelan.
Da hat er Gottes Wort vernommen,
Und treulich, wie er's überkommen,
Hat er's der Mitwelt offenbart,
Und ohne Schmuck und falsch Gepränge
Hat um das Wort die gläub'ge Menge
In weiten Kreisen sich geschaart.
So war's in
deines Pathmos Wüste,
Als dich von oben her begrüßte
Mit Sturmesmacht des Geistes Wehn;
Von ihm hast
du dich lehren lassen
Das Wort in deutsche Zunge fassen,
Und Andre lehrtest du's verstehn.
Und als die Anfechtung am größten,
Was mochte da dich besser trösten,
Als dieses Wortes Wehr und Schutz?
Hast wacker dann den Stahl geschliffen,
Und mit dem Schwert, das du ergriffen,
Botst du getrost der Hölle Trutz.
Hell flammt der Strahl, es sprüh'n die Blitze,
Schon bebt auf ihrem stolzen Sitze
Des Abgrunds dunkle Brüderschaft,
Doch in der Frommen Herzen bringet,
Wohin das Wort des Lebens dringet,
Es neuen Trieb und neue Kraft.
Es dringet in der Klöster Zellen
Und sendet von des Thrones Schwellen
Zurück in's Volk den hellen Schein,
Es waltet in der Kinder Kreise,
Geht mit dem Pilger auf die Reise
Und kehrt in niedern Hütten ein.
Im Schooß des Heereslagers stehet
Sein Banner aufgerollt und wehet
Hoch über Wehr- und Waffenpracht,
Gefangene besucht's im Kerker,
Den Kranken machts im Glauben stärker
Und leuchtet durch des Grabes Nacht.
Und was fortan den deutschen Zungen
In Red', in Sang und Klang gelungen,
Auf
deinen Schultern ist's geglückt;
Du hast den Stein gelegt zum Tempel,
Der deutschen Sprache
deinen Stempel
Den Christentempel aufgedrückt.
*
Auf und nieder wogt die Gassen
Dort die aufgeregte Schaar,
Und es dringen ein die Massen
In die Kirchen, wo verlassen
Steht der Hochaltar.
»Nieder,« ruft es, immer wilder,
»Nieder mit dem Götzenthum!«
Kreuz und Fahnen, Lichter, Bilder,
Bunter Scheiben Flammenschilder
Stürzen um und um.
Meister Ulrich Zwingels Lehre
Hat besiegt die stolze Bern.
»Wer da wehren kann, der wehre,
Daß die Meß' nicht wiederkehre
Auf den Tisch des Herrn.«
Nach Sanct Vinzenz Münsterhallen
Wälzet sich der Menge Strom,
Keine Feierlieder schallen,
Keine Beter sieht man wallen
Nach dem heil'gen Dom.
Mag auch festlich im Kalender
Heut' des Heil'gen Name stehn,
Nimmer soll der Segenspender
Seiner Priester Prunkgewänder
Am Altare sehn.
Einzig treu dem alten Glauben
Blieb der Kirche Organist:
»Schmuck und Bilder mögt ihr rauben.
Eines müßt ihr mir erlauben
Noch zu dieser Frist.
Einmal noch will ich mich laben
An dem frischen Orgelhauch,
Kann ich dieses Eine haben,
Wohl! dann mögt ihr mich begraben
Mit der Orgel auch.«
Und er schafft sich durchs Gedränge
Festen Armes eine Bahn,
Eilt des Kirchenwegeslänge
Der im Zug gestockten Menge
Raschen Laufs voran.
»Hin zu ihr, hinan die Stiegen!
Flügelthüren, springet auf,
Wo noch schlummernd in der Wiegen
All die frommen Töne liegen,
Töne, wachet auf!«
Wie mit leisem Geistesbeben,
Daß es Mark und Bein durchdringt,
So beginnen sie zu schweben,
Hoch und höher sich zu heben,
Wie der Aar sich schwingt.
Und der Dämmrung süße Träume
Ziehen feiernd durch den Dom,
Durch die menschenleeren Räume
Wälzet seine Wogenschäume
Der gewalt'ge Strom.
Seelenvolle Phantasieen
Ringen mit des Schmerzens Drang,
Die sich suchen, die sich fliehen,
Kaum gebunden sich entziehen
Jedem Regelzwang.
»Heil'ge Orgel, himmlisch Wesen,
Die zu meiner süßen Braut
Ich vor allen hab' erlesen,
Du, an der mein Herz genesen,
Seit ich dir getraut!
Bald nun wirst du ewig rasten,
Jetzt nur, jetzt, verlaß mich nicht,
Laß auf deinen schwarzen Tasten
Allen meinen Kummer lasten,
Eh' das Herz mir bricht.
Blas't, ihr Bälge, Pfeifen, klinget
Rausche mächtig, du Pedal!
Frisch hervor, Register! springet,
Klaget, jubelt, zürnet, singet,
Ach, zum letztenmal!«
»Armer Judas«, hebt zu klagen
Nun die Orgel wimmernd an,
»Armer Judas, kannst du's wagen,
Armer Judas soll ich sagen,
Was hast du gethan?«
Stiller Wehmuth Thränen rollen
Ihm in seinen dunkeln Bart,
Bis zur letzten, jammervollen
Liebesschwermuth angeschwollen
Ihm die Seele ward.
Nimmer kann er es vollenden,
Ohnmacht überwältigt ihn;
Ach, sie kommen, sie zu schänden,
Seine Braut, mit rohen Händen,
Taumelnd sinkt er hin.
Zu St. Vinzenz Münsterhallen
Dringet jetzt der Stürme Heer,
Wild Gelächter hört man schallen,
Unter Beiles Schlägen fallen
Noch der Heil'gen mehr.
Wie die Bilder sie zerschlugen,
Rissen sie der Orgel Haus
Jubelnd aus den letzten Fugen,
Und den Organisten trugen
Sie für todt hinaus.
*
Der Krieg entbrennt, die Banner sind entrollt,
Die Schwerter blitzen durch den Wald der Lanzen,
Gilt's dem Delphin, gilt's einem Leopold?
Will vor dem Troß ein Häuflein sich verschanzen,
Wie dort in Sempachs, in St. Jakobs Tagen?
Wohlan, mit Gott mögt ihr die Fehde wagen.
Bethörtes Volk, darf meinem Blick ich trauen?
Sind Brüder gegen Brüder nicht im Streit?
Den Knoten wollt Ihr mit dem Schwert zerhauen,
Und ob dem Glauben ist die Lieb' entzweit;
Ob Roms Gesetz, ob Zwinglis neuer Lehre
Setzt Schweizer gegen Schweizer sich zur Wehre.
Dort, wo hinüber von der Limmat Strande
Der Albispaß dich leitet in den Kern
Der allgefreiten Schweiz, der Mutterlande
Dort rücken sich von Zürich und Luzern
Entgegen schon die wuthentbrannten Haufen,
Um Kappels Feld mit Marterblut zu taufen.
Noch schallt von Baar herauf des Mittlers Stimme,
Hans Aebli hört, der Glarner Landammann;
Sie hören ihn, doch mit verhalt'nem Grimme
Seh'n sich die kampfbegier'gen Krieger an,
Noch ruhn die Waffen und die Grenzen hütet
Der finst're Argwohn, der ob Rache brütet.
Es herrscht im Schweizerland ein alter Brauch:
Wenn Mann und Frau den Zank nicht wollen meiden,
Sperrt man sie ein, gibt zu dem Essen auch
Nur Einen Löffel, Einen Teller beiden;
Was gilt's, sie lernen sich in wenig Tagen,
Wie in den Honigwochen, wohl vertragen.
Und mehr als einmal hat das liebe Brot,
Was keinem Schwert gelungen, ausgerichtet,
Und weil zur Tugend öfter war die Noth,
So hat auch sie den Frieden oft geschlichtet;
So kam auch jetzt im lieben Schweizerlande
Beim lieben Brot das Friedenswerk zu Stande.
Schwül ist der Tag, der Hunger plagt die Glieder,
Und Durst erschöpft die Kräfte hier und dorten,
Man klagt und seufzt, man gönnt das Wort sich wieder,
Flugs kamen die herbei aus den fünf Orten
Und stellen auf die Marchen einen Züber
Mit süßer Milch und fetter Nidel drüber.
Milch ohne Brot läßt jeden Magen öde,
Brot ohne Milch, dem Gaumen schmeckt es trocken.
»Ihr Herrn von Zürich, auf! thut nicht so blöde.
Laß euer Brot uns in die Gelte brocken,
Daß weidlich sich durchdringen Fett und Hager!«
So tönt's herüber aus des Feindes Lager.
Nicht zweimal lassen sich die Zürcher laden;
Gleich sind der Männer Etliche zur Hand,
Das schwarze Brod in weiße Milch zu baden;
Von beiden Seiten um der Gelte Rand
Sieht man gelagert eine heitre Gruppe:
Gesegn' es Gott, und wohl bekomm' die Suppe.
Eins wird zuvor in Minne ausgemacht,
Daß Keiner seine Grenzen überschritte,
Ein Jeder hab' auf seinen Löffel Acht,
Daß er nicht weiter lange, als die Mitte:
Wer diesen Packt mit grober Hand verletzet,
Mit gröb'rer werde dem ein Streich versetzet.
Das Mahl beginnt; erst hält sich jeder züchtig
In seiner Grenze friedlichem Bereich,
Doch bald wird der, bald jener fehdesüchtig,
Und wie er weiter langt, paff! wird ihm gleich
Mit derbem Löffelschlage heimgeleuchtet,
Bevor der Bissen ihm den Mund befeuchtet.
Und mit der Strafe mehrt sich das Gelüst,
Auf fremdem Boden Beute zu erschnappen,
Kaum hat der eine seine Schuld gebüßt,
Läßt sich ein neuer auf der That ertappen,
Je härter (doch im Glimpf) die Schläge fallen,
Je lauter hört man das Gelächter schallen.
Bald hatte sich, um diesen Schimpf und Scherz
Zu schau'n, ein dichter Kreis um sie geschlossen,
Gar Manchem ward es wieder wohl um's Herz
Am trüben Tag bei diesen Kinderpossen:
Ein leichtes Blut strömt wieder durch die Adern,
Vergessen scheint der Span, um den sie hadern.
Da sprach Herr Jakob Sturm, der Städtemeister
Von Straßburg: »Wie gar wunderliche Leut'
Seid doch ihr Schweizer; reiben sich die Geister
Auch noch so hart, des Zanks sie bald gereut,
Auch wann ihr grollt, wohnt Freundschaft im Gemüthe,
Und nie verdirbt die alte Herzensgüte!«
So ward der Streit zum Guten noch gelenkt,
Ihr, will auch je der arge Feind verlocken,
Ein bös Gericht den Brüdern einzubrocken,
So stellt euch an die Marchen und gedenkt
Der Milch, die eure Vater dort gegessen,
Und unter Freunden sei der Groll Vergessen.
*
Kommt einst Herr Rudolf wohlgemuth
Vor Basel hingeritten,
Am Steinenthor bei'm Gerber thut
Er um den Imbis bitten.
»Seid mir gegrüßt, mein werther Gast,
Wollt ihr euch so bequemen;
Weib, bringe hurtig, was du hast –
Bitt Euch vorlieb zu nehmen.«
Gerüstet wird der blanke Tisch
Mit stillem Wohlbehagen,
Und Suppen, Braten, Tort' und Fisch
Und Wildpret aufgetragen.
Des Herbstes reiche Gabe ruht
In Gold- und Silberschalen,
Es sprüht der edlen Weine Gluth
Aus blickenden Pokalen.
Ja Purpurseide und Damast
Stolzirt des Hauses Ehre;
Es trügt der Glanz, als ob der Gast
Bei seines Gleichen wäre.
Bei ernstem Wort und feinem Scherz
Enteilt die Mittagstunde,
Und offen wird des Grafen Herz
An heitrer Tafelrunde.
Drum launiger zum Wirth begann:
»Was mögt ihr noch erwerben?
Könnt ihr dereinst als reicher Mann
Auf weichem Polster sterben.«
»Auf fauler Haut? das bleibe fern,
Ich fahre fort zu gerben,
Und will, gefällt es Gott dem Herrn
Als Gerber selig sterben.
Nie haben mich zu Stund gereut
Der rauhen Arbeit Mühen,
Nur, wo man keine Dornen scheut,
Da können Rosen blühen.«
Das Wort gefiel dem Grafen sehr,
Er rühmt es aller Dinge,
Wie er zu Basel in die Lehr'
Bei'm frommen Gerber ginge.
*
Nach den Bergen laß mich schauen,
Wo mit Schatten spielt das Licht,
Wo das Grüne sich am Blauen,
Sich das Blau am Grünen bricht;
Wo in leisen Uebergängen
Hohes sich zum Tiefen neigt,
Ueber sanften Waldabhängen
Blüthenduft gen Himmel steigt.
Nach den Bergen laß mich gehen,
Wo sich schwellend hebt das Grün,
Wo die Lüfte reiner wehen,
Wo die Alpenkräuter blühn;
Wo der Abend länger dämmert,
Früh' erglüht der Morgen schon,
Wo kein andrer Hammer hämmert,
Als der Heerden Glockenton.
Nach den Bergen laß mich fliehen
Aus der engen flachen Welt;
Da nur ist mir noch verliehen,
Mensch zu sein, wie's mir gefällt!
Nach den Bergen laß mich eilen,
Zu den Bergen zieht's mich hin,
Auf den Bergen laß mich weilen,
Wo ich freier froher bin.
*
»Komm Vater! komm', sieh', welche
Herzlieben Blumen doch
Mit zartem Lilienkelche,
Nur keine Blätter noch!
Wohl hab' ich auf der Wiese
Manch' Blümlein schon gepflückt,
Doch keines hat wie diese
Mir so das Aug' entzückt.«
So spricht das Kind mit Kosen,
Der Vater folgt dem Kind
Sieht, wie die Herbstzeitlosen
Zumal gekommen sind.
Soll er dem Kinde sagen,
Daß sie des Winters Spur?
Wozu das frühe Klagen?
»Kind! komm' und freu' dich nur.
Freu' dich der Herbstesblüthe,
Als ob der Lenz erschien,
Wie bald ist im Gemüthe,
Der ew'ge Lenz dahin!«
*
Ich nehm' mir alle Tage vor,
Ein kleines Stück zu wandern,
Und wär's auch nur von einem Thor
Bis wieder zu dem andern.
So wandert' gestern ich allein
Erst über grüne Auen,
Da spielten frohe Kinderlein,
Recht lieblich anzuschauen.
Sie suchten Blumen in dem Gras,
Je bunter, desto lieber,
Die schöne Kinderzeit ist das,
Dacht' ich, und ging vorüber.
Am Gärtchen kam ich dann vorbei
Mit seinen Rosenlauben,
Und flüstern hört' ich ihrer zwei,
Von Liebe, Treu' und Glauben.
Verrathen will ich wahrlich nicht
Ihr Lieben; euer Kosen,
Ein fühlend Herz, ein froh Gesicht,
Es ist die Zeit der Rosen!
Zum reifen Felde kam ich dann,
Mit voller, brauner Aehre,
Und von der Stirn der Schnitter rann
Der Schweiß, der saure, schwere.
Das ist, so fiel es mir auf's Herz,
Das ist die Zeit der Mühen,
Es muß des reifen Mannes Erz
Im Feuerofen glühen.
»Noch fleißig?« rief ich ihnen zu,
Mit heiterm Gruß sie labend;
»Herr!« sprachen sie, »es geht zur Ruh',
Bald ist es Feierabend.«
Und eben senkt der letzte Strahl
Der Sonne sich hernieder,
Noch einmal leuchtet aus dem Thal
Die milde Landschaft wieder.
Da langt' ich bei dem Friedhof an
Mit seinen süßen Schauern,
Daneben stand mir aufgethan
Die Stadt mit ihren Mauern.
*
Soeben eingeschlafen sind
Im Bett die Mutter und das Kind,
Die Mutter schläft – so scheint es – fest,
Als bald das Kind sich hören läßt.
Auf wacht die Mutter von dem Schrei'n
und wiegt das Kind von neuem ein,
Fest schläft das Kind die ganze Nacht;
Bis erst am Morgen es erwacht.
Die Mutter aber wacht und wacht
Und wachet durch die ganze Nacht.
Es brauchte nur den einen Schrei,
Auf immer war der Schlaf vorbei.
Und wieder bricht des Morgens Schein,
Ins stille Kämmerlein herein,
Gar matt und bleich beim Dämmerlicht
Erscheint der Mutter Angesicht.
Doch sieh! es thun sich bald darauf
Des lieben Kindes Aeuglein auf,
Und lächelnd lallt der stille Mund:
»Bin, liebe Mutter, noch gesund.«
Und wohler wird ihr jetzt um's Herz,
Vergessen ist des Kummers Schmerz.
Was doch
ein Lächeln nicht vermag,
Ein Fest ist nun der ganze Tag.
*
Auf den Gräbern blüh'n die Rosen,
Auf den Gräbern schwillt das Grün,
Geister flüstern, Geister kosen
Durch die Lüfte her und hin.
Zu dem Grabe meiner Lieben
Zieht es mich mit stiller Macht,
Wo ich sonst kein Stündlein blieben,
Blieb' ich jetzo Tag und Nacht.
Fremde Stätten, fremde Betten
Waren diese Hügel mir,
Und nun sind es Liebesketten,
Die mich halten, binden hier.
Ja wohl, theure Glieder sind es,
Die ich hier beisammen hab',
Grab der Mutter, Grab des Kindes
Und der theuren Brüder Grab.
Da les' ich die goldnen Namen
Auf dem schwarzen Marmorstein,
Aber in den engen Rahmen
Faß' ein großes Bild ich ein.
Eine Welt voll süßer Schmerzen,
Eine Welt voll herber Lust
Regt sich im beklomm'nen Herzen,
Drängt sich aus bewegter Brust.
Ueber Zeiten, über Räume
Trägt die Ahnung himmelweit,
Nicht ins Reich der süßen Träume,
Nein, in's Reich der Wirklichkeit.
Wirklich ist ja nur was droben
Ewig lebt und ewig währt,
Was, wenn all der Staub zerstoben,
Auch den Staub in's Licht verklärt.
Dahin, dahin hebt sich freier
Des entzückten Geistes Schwung,
Zu der heil'gen Liebesfeier
Seliger Vereinigung.
Und sie all', die hier im Kreise
Schlafen innerm Todesthor,
Sind mir all' in ihrer Weise
Jetzo näher, denn zuvor:
Denn ich merk' es, nicht alleine
Wandl' ich hier, ein Gast, umher.
Hier ist auch des Herrn Gemeine,
Und wo sie, da ist auch Er.
*