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Ich sehe, wie in stiller Feier,
Die Erde eine holde Braut,
Liebreizend im Vermählungsschleier
Aus Lenzens Armen schmachtend schaut.
Die weißbekränzten Locken beben,
Im blauen Aug' blüht Lust und Leben;
Mir fehlt es doch, es fehlt mir doch.
Wenn in des heil'gen Tempels Hallen
Der Geist zum Kreis der Engel schwebt,
Die hohen Orgeln stürmend schallen,
Und der Altar in Rauch erbebt,
Dann seh' ich heil'ge Hochgestalten
Vor meinem Auge sich entfalten;
Mir fehlt es doch, es fehlt mir doch.
Ein Freund ist fest an meinem Herzen,
Ganz meine Seele, warm und groß.
Mit mir in Lust, mit mir in Schmerzen,
Seit meiner Jugend wandellos.
Mehr als die Welt ist mir der Eine;
Doch auch an seiner Brust ich weine:
Mir fehlt es doch, es fehlt mir doch.
Ich fühle Kraft und Dichtergabe,
Ein offnes Aug' und freie Brust,
Zu schau'n, was dort ist hinterm Grabe,
Hinab zu schau'n mit heil'ger Lust.
Was meinen Busen mag bedrängen,
Ich sing es aus in deutschen Klängen,
Es fehlt mir doch, mir fehlt es doch.
Kein Laster scheuchet meinen Schlummer,
Mir bringt die Reue keinen Schmerz;
Doch kenn' ich Thränen, kenne Kummer,
Von Seufzern pocht das junge Herz.
Wem pocht es mit so warmen Schlägen,
Wem bangt das Zährenaug' entgegen?
Du heil'ger Gott, was fehlt mir noch?
*
Bin ich wieder bei dir? ist's wahr, ich habe dich wieder?
Bin, von der Fessel befreit, da in der freien Natur?
Bist du's, o heimisches Thal, umragt von graulichen Bergen,
Wo an der Hügel Brust reifet der röthliche Wein,
Wo den friedlichen Pfad umwogen güldene Saaten,
Wo das Städtchen am Bühl traulich den Bäumen entsteigt?
Bist du's, und kennst du mich noch? mir schaurt durch jegliche Nerve
Freude und Thatenlust; frei bin ich wieder, bin frei!
Stehe von Neuem am Lebensthor, und vor mir das Weltall;
Möcht' es umarmen in Lust, möchte ihm rufen: bin frei!
O, es ist wohl ein köstliches Ding um die männliche Freiheit:
Sklave ist Nichts als der Tod, frei ist das Leben, der Gott. –
O, so sei mir gegrüßt in deiner lieblichen Röthe,
Abend! mir sagt es dein Aug', daß ich nicht träume. Es ist!
Hast mit der Wehmuth Hauch oft meine Seele umflüstert,
Wenn der Jüngling allein wallte auf thauiger Flur,
Süß in Staunen versenkt, sich verzehrend in ewigem Sehnen,
Sanft umgaukelt vom Bild, das ihm die Seele ergriff.
O dann thränte mein Aug', und ahnender pochte der Busen,
Und an die Mutterbrust sank ich dir, heil'ge Natur!
Du auch grüßest mich noch, o Stern am graulichen Himmel,
Ueber der dunkelnden Mugg, hoch an den Hörnern der Alp.
Wie erscheinst du mir, Zeit, die zuerst mit lächelndem Auge
Sanft den Säugling gegrüßt, als er erblickte den Tag!
O, wie lebte ich da mit meinen Lämmern so harmlos,
An der Basathienwand, neben dem rauschenden Rhein,
Als ich mit Oswald noch, viel Stunden um Fittige flehte,
Dann um ein weißes Roß, um ein Liebchen, ein Schwert.
Sinnend entriß ich mich da der Gefährten tobenden Reihen,
Irrte im Eichenhain, oder am donnernden Fall,
Wo die Flina entstürzt mit schaumigem Tosen der Bergfluh,
Wo die Seruna herab strudelt aus grünem Gesträuch,
Röthliche Fahne, sei du mir gegrüßt, die der Vater mir machte,
Die vom Schlosse herab wehte in jubelnder Schaar,
Wenn wir vernahmen von Werdenberg, von Ragaz und von Näfels,
Und zu der Grafenburg blickten mit Staunen empor!
Ganz dann kehrte der Heldengeist, und die Tage der Alten
Stiegen flammend vor mir über den Gräbern herauf.
Da ward weit mir das Herz; wie schwärmerisch horcht' ich der Vorzeit
Lieder vom Reckenstreit, Sagen von Minne, von Muth! –
Aber es riß mich hinweg, in die stillen Mauern von Pfävers
Barg sich der brausende Muth, barg sich das rasche Gefühl.
Du nur weißt es, o Stern, du freundliches Auge der Mittnacht,
Einsame Zelle, nur du, du nur, o traulicher Mond,
Wenn du geschwebt ob dem Monteluna in heiterer Ruhe.
Was ich geduldet im Streit gegen den Menschen in mir,
Welcher gewaltig erstand, den Aberglauben bekämpfend,
Der zum Opfer dem Gott schlachtet das schönste Gefühl; –
Wie ich zum Alpengebürg, zum Steingebilde emporsah,
Wo es in eigener Kraft wandelte, flammend und frei;
Wie ich beneidete, ach, am Fenster der Zelle den Finken,
Wenn er dem Träumenden rief: Frater, die Schöpfung ist frei!
Dort, in einsamer Nacht, dort rief mich die heilige Norne,
Stand, aus der Höhe ein Bild, schön wie Iduna, vor mir,
Rief aus der Zelle mich fort, in den Streit, in tobende Stürme,
Um zu erproben die Kraft, die in dem Busen mir schlief.
Da gedacht' ich, entzückt, den herrlichen Preis zu erringen,
Mir zu erstreiten den Kranz, oder zu sterben im Kampf.
Und die Kutte, ich legte sie weg, und das heil'ge Brevier weg,
Warf in die Fluth mich mit Gott, bin an dem Strande und frei! –
Bin ich wirklich am Strand? Du Zauberin, holde Erinn'rung,
Schön wie das Abendroth, schaust du auf Trümmer der Zeit.
An dem Felsen, da klomm' ich an, und vor mir unendlich
Dehnt sich und hinten das Meer, ringsum und überall Meer!
Kannst du wohl trügen, du Feu'r in der Brust, du Kraft in dem
Arme?
Kannst du trügen, du Gott, der in der Ader mir glüht?
Diese Thräne den Träumen noch der lieblichen Kindheit!
Freudiges Wiederseh'n! Seht ihr Sie schweben? Sie winkt!
Freundlichen Gruß denn zuvor, und die Hand, mein künftiges Schicksal!
Rings um das Wasser ist Land! – Hurtig die Brandung hinab!
*
Wer cha wer rotha? losed still!
I gah vo Hus zu Hus;
I mag studiere wie-n-i will,
I chumma halt nid drus.
I ha mys Rikeli do leisthi
Am Brunna gchüßt bym Bank;
Das Chüssa mueß doch gföhrli sy,
Denn 's Rikeli ist no chrank.
U wo-n-i goh, ischs niena meh,
Bis ichs am Samstig spot
Alei i's Vetters Garta g'seh,
Wo's i de Reba stoht.
»Säg, Rikeli, sind au d'Truba guat?
De wirst doch au nüt ha?« –
Es lächlet undrem Sunnahuat
U schwygt u luagt mi a.
»Säg, Rikeli, gwüß, es ist der schwer:
Ha-n-ich der eppes thua?«
Jez rölleled ihm zwei Thränli her,
Es deckt sys Gsichtli zua. –
»Nei, nei, so chann-i-s nümma gseh,
Säg frisch, bist bös uf mich?
Schwyg nit, es thuat nu eismol weh.
Säg, Rikeli, bin's ich?« –
Un i sym Aeugi wird's wie Tag,
U hell wird's wie na Stern.
»Wie chast no froga? Hansi sag!
I ha di nur gar z'gern.« –
Sy Lippe treffa myni do,
U no-ne-mol, o je!
Un wo-n-i's merk, u luag em noh,
So gsieh-n-i's nümma meh.
Wie bi-n-i jez do hera cho?
Wer ist, wo das mir seit?
Hät mich e Geist vo Boda gnoh?
Hät mich der Wind vertreit?
Was muaß au uß mer worda sy?
Hät d'Welt si ganz verchehrt?
Du Vögeli do im grüena Zwy,
Wer hat di pfyfa glehrt?
I ha dem stilla Läubli g'luuscht,
I höra syni Wort;
I weiß, was 's Brünnli seit und ruuscht
Im tief verschwignen Ort.
Weiß epper au, was 's Vögli seit
U 's Sternli i der Nacht?
Es rüest sym Schätzli wyt u breit,
U chüßts wie-n-ich u lacht.
Chumm, Rikeli, chumm nur noch emol!
Denn gohts so wyterhi,
Muaß ich bym dritta Chüßli wol
Im Himmel oba sy –
*
Abgehärmt und bleich die Wangen,
Durch den Wind
Sänger kömmt daher gegangen,
Alt und blind.
Hört vom Fürstenschlosse schallen,
Lauten Klang,
Durch die hochgewölbten Hallen
Heldensang;
Bettelt unten an der Pforte
Rührend leis.
Was erhält er? Harte Worte,
Kalt wie Eis.
Und die Meister singen wieder
Krieg und Streit,
Wohl das kühnste aller Lieder
Aller Zeit.
Und der Knabe, der ihn führet,
Raunt ihm da:
»Sag, was hat dich so gerühret?
Weinest ja.« –
»Ach, es ruft wie alte Geister
Aus der Schlacht,
Denn ich bin ja selbst der Meister,
Der's gemacht.«
Also dacht' er, und sie gingen
Wieder fort,
Thränen an den Wimpern hingen,
Sprach kein Wort.
*
»Wohlauf, o Knappe! mein schnellstes Roß!
Ich will mir Ruhe erjagen.« –
So ruft der Ritter gar früh im Schloß –
Und kaum beginnt es zu tagen –
Der Gutenberger, Karl genannt,
Gen eine Dirn' in Lieb' entbrannt.
Die Dirn' entführt ihm ein arger Wicht,
Der Hohensaxer, der wilde.
Er kann die Untreue vergessen nicht,
Und trottet hinab in's Gefilde,
Und reitet so schnelle Land aus, Land ein;
Nicht ruhen will ihm das Herze sein.
»Fahr' zu, mein Rappe, in Strauch und Haid,
Dem Bilde mich zu entziehen!
Was folgest du immer, du Herzemaid?
Kannst nicht den Armen du fliehen?
Fahr' zu, mein Rappe, fahr' wilder zu!
Erjagst wol endlich dem Reiter Ruh.«
Wie schwebt wol um ihn das liebe Bild,
Will nimmer aus seinem Heizen.
Wie treibt's den Armen durchs Rheingefild,
Mit heißen, nagenden Schmerzen!
Sing' fort mein Lied, was die Märe sagt!
Wie hat der Ritter sich Ruhe erjagt?
Das Roß, das führt ihn bis an den Rhein,
Der liegt in röthlichem Schimmer.
Da spornt er das schnaubende rasch hinein,
Heraus nur spornt er es nimmer.
Hörst brausen den Rhein so wild, so hohl?
Frag' nicht um den Ritter, denn ihm ist wohl. –
*
(1806, 2. September.)
»Gott! wie's tos't an der Gnyppenfluh, die Halde herunter!
Zitter' ich heute doch stets, denn es endet nimmer und nimmer
Oben am wilden Gebirg, und sofort unermeßlicher Regen
Gießt sich seit drei Tagen herab vom nächtlichen Himmel,
Daß von den Höhen rings wildfluthend entströmen die Bäche.
Wahrlich, kömmt mir der Mann nicht bald, ich sterbe vor Jammer;
Denn so kracht' es da oben noch nie seit Menschengedenken.« –
Also seufzet das junge Weib vor der offenen Thüre,
Dort in der Sentiweid, ganz oben am Fuße der Bergfluh,
Agatha, nun ein Jahr des Mettlers blühende Gattin,
Längst hinunter nach Arth war dieser zu Enzler, dem Pfarrherrn,
Daß er besegne den Berg; es glaubte der biedere Schwyzer,
Kommen wolle vom Gnyppenspitz der gräuliche Fluhgeist,
Und verschütten das Thal nach alter Sage der Vorzeit.
Dumpf ertos't es im Röthnerbann, und die Steinerbergfluh
Scheint wie bewegt; ihr pocht's in der Brust, mit zitternden Händen
Schürt sie die Flamme am Herd, die bereitet den ländlichen Milchblei,
Gegen die Abendzeit dem harmlos schlummernden Säugling.
Und wie die Bleuse am ruhigen Fels so lieblich emporwallt,
Glänzt die Wiege im Feuerschein bei offener Stube,
Oben das Kreuz an der Wand, und röthlich glimmen die Fenster.
Daß sie in Wonne dem Kleinen küßt das blühende Wänglein,
Wie ein Engel im Schlaf, in Mariens Arme der Heiland.
Emsig schürt sie die Glut, und rühret emsig den Breistoff,
Viel auffahrend in Angst; denn freissam trümmert und bohlt es
Hoch an der wilden Fluh; es beben ihr alle Gebeine.
Wieder tritt sie hinaus, und schaut empor ans Gemeindmärcht.
»Lieber Gott, wie das macht! wie's aufwärts rauchet, ein Nebel
Ueber dem Schwendigrat, und die Steine rollen vom Bergjoch!
Dumpf jenseits am Rigi erschallt's, und noch immer der Mann nicht!
Gott, wie ist's unheimlich, allein zu sein im Gebirge!
Donnert es, traun, als wolle der Berg herkommen zur Tiefe. –
Schau, wer tritt denn heran? was kömmt herein in die Hausflur?«
Blühendjung ein Zwergenweib, im Arme lag das Kindlein. –
»Agatha, grüße dich Gott! wol grausig ist es hier oben.
Hoch vom Berg komm' ich, durchnäßt vom fallenden Regen.
Und erfroren mir fast und fast mir verhungert das Kindlein.
Willst du von deinem Brei um Gotteswillen mir geben?« –
Aber die Schwyzerin schaut verwundert die Frau und das Kind an,
Das aus dem Busen ihr blickt mit Augen frisch, wie des Böckleins,
Kennt wohl das kleine Geschlecht der höhlenbewohnenden Leute,
Hebt das Pfännchen vom Herd, das aufkocht, lauten Gebrudels,
Theilt den Kindelein ab, da faßt sie am Arme das Fräulein:
»Nimm den Meiretli
Meinrad, Name des Knaben schnell! nicht Zeit ist jetzo zu essen.
Hörst du, wie's thut?« – Und erschreckend beginnt die zärtliche Mutter:
»Donnert's doch oft im Gebirg, und nimmer weck' ich den Kleinen
Auf aus dem Abendschlaf, das störte den heiligen Engel.« –
Krach! wie der Donnerklapf, durchdröhnt es tief in der Erde,
Daß sie zu Boden sinkt. »Hilf Jesu«! das jüngste Gericht kömmt!« –
Windschnell ist sie hinein, und mit heiter lächelndem Antlitz
Blickt der Knabe sie an, und streckt ihr schmeichelnde Händlein.
Ach, da wallt's voll Ahnungsgefühl im Busen der Mutter. –
»Knabe, dich hat dein Engel geweckt!« Und sie faßt ihn, und eilet
Fort mit der Zwergin. Es tost so wild! sie fliehen gen Abend;
Aber die Zwergin ist fort, nachdem sie erreichet den Fußpfad. –
Schau, wie taumelt die Gmeindmärchtfluh herunter zum Sanzwald!
Schau, wie die Schwyzerin eilt, und hinter ihr donnert der Bergsturz,
Näher und näher, o Gott! und unter den Füßen der Grund wankt!
Bleichen Gesichts, mit fliegentem Kleid, zart schützt sie den Säugling,
Hart vor dem grausen Gerüll, vor dem laut verfolgenden Berggeist,
Der durch den Nöthnerbann, und über die Brächen und Gribsch hin,
Brüllend in Flammen und Nauch mit dem ganzen Gebirge zum Grund fährt.
Hinter der Mutter vorbei, als dürft' er nicht nahen der Mutter. –
»Alles ein Grab bis zur Fallenfluh! das jüngste Gericht ist's!
Röthen und Goldau sind weg, jetzt wird die Rigi versinken!
Weh, schon schwanken die Berge im Grund! Erbarmen, Erbarmen!« –
Jetzt wird's fürchterlich still, und immer dunkler und stiller,
Hoch an die Rigi hinauf, das weite, unendliche Grab hin.
»Ach!« so schluchzet sie laut, und drückt den staunenden Kleinen
An den bebenden Mund, an ihren schlagenden Busen;
»Allbarmherziger Gott! ich allein lebendig? wo aus nun?
Laß mich zu ihm! was soll ich allein auf dem einsamen Weltgrab?« –
Horch, es naht, wie ein Mann! und horch, es ruft wie der Vater!
Auf der Knabe nun lauscht, und schau, er beugt um die Scheune!
»Bläsi, du bist's!« – »Ach, Agatha, du!« – In wildem Entzücken
Stürzt der Schwyzer an's Herz des freudebebenden Weibes.
»Süße Seele, du lebst? Du bist mir wieder gegeben?
Ach, ich glaubte dich todt, und Alles todt und verschwunden,
Als ich zurücke kam, und der Bergsturz gegen mich herschritt,
Bis mich ein Bergweib faßte am Arm und entführte dem Schutte,
Dann mich aufwärts wies, und eben entschwand in die Steine.«
Also spricht er und küßt ihr die Lippen in freudiger Wehmuth,
Schlingt die Rechte um sie, und nimmt den lieblichen Knaben
Ihr von der pochenden Brust. »Du liebes Weib, wie du zitterst!
Setze dich nieder zum Stein! ich habe ja gar nichts verloren,
Hab' ich nur dich!« – Jetzt steiget die Nacht vom schwarzen Gebirge,
Und sie beten gar leis in die Nacht, in die stille Verwüstung. –
»Sag' Lebwohl zu der Sentiweid! wir finden ein Obdach
Unten in Arth. Es nahm es der Herr, er hat es gegeben.« –
Und sie erheben sich leis. Kein Laut, kein Rauschen des Bergbachs,
Ach, kein Odem rings! und die Nacht liegt über dem Grab her.
Von der Rigi ein Sternlein schaut verwundert herunter,
Wo einst Goldau stand. Sie seh'n mit Freude das Sternlein,
Wandern dann Hand in Hand hinab die schweigenden Pfade. –
*