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Geschichte, welche die Frau des Greises erzählte.

Ihr sollt wissen, daß wir zwei Schwestern waren. Wir verloren unsere Eltern in früher Jugend, und als Besitzerinnen eines ziemlich glänzenden Vermögens machte jede von uns beliebigen Gebrauch davon. Ich kaufte mir Vieh, ein Haus und Landgüter, um mich ländlichen Beschäftigungen zu widmen.

Meine Schwester, die von stürmischerer Gemütsart war, sagte zu mir: »Ich werde mich hüten, deinem Beispiele zu folgen und im Innern meines Hauses zu bleiben, solange ich meiner Freiheit genießen kann. Ich will all mein Geld in Waren umsetzen und die Welt durchstreifen; vielleicht finde ich einen Mann, der meines Herzens würdig ist. Auf jeden Fall werde ich Geld erwerben, und wenn ich heimkehre, werden mein Vermögen und meine Kenntnisse sich vermehrt haben.«

Ich mochte dieser Törin noch so dringend vorstellen, wie gefahrvoll ihr Unternehmen und wie unschicklich es für eine Frau wäre, reisen zu wollen; alle meine Vorstellungen waren vergebens, und sie wurde böse auf mich.

»Warum, meine Schwester,« sagte sie, »könnte eine Frau, die so mutig ist wie ein Mann, nicht dieselben Reisen unternehmen? Sind wir verpflichtet, in Unwissenheit vergraben zu bleiben trotz unseren Anlagen zum Studium und zu den Wissenschaften?« Hierauf begann sie Sprüche auszukramen, welche ihren Entschluß unterstützen sollten. »Das Wasser, welches nicht fließt,« sagte sie zu mir, »verfault bald. – Wenn der Löwe in seiner Höhle bliebe, würde er vor Hunger sterben. – Wenn die Sonne unbeweglich am hohen Himmel stehen bliebe, würden wir durch Hitze umkommen. – Die Aloe erhält nur dann ihren Wert, wenn man sie in die Ferne bringt; denn in ihrem Vaterlande gilt sie nichts und wird verachtet. – Wenn der Pfeil nicht vom Bogen flöge, könnte er das Ziel erreichen? – Komm, komm mit mir, es ist angenehm, täglich neue Gesichter zu sehen; und Freunde findet man bald.«

Diese schönen Redensarten bewegten mich nicht, sie zu begleiten; ich wandte im Gegenteil alle meine Beredsamkeit an, um sie von dem Reisen abzuhalten. »Vergleiche doch,« sagte ich zu ihr, »die unvermeidlichen Gefahren der Reise mit den friedlichen Vergnügungen, welche wir miteinander genießen. Du wirst unsern Vetter heiraten; das ist ein Recht, welches dir zukommt.«

»O ich trete es gern an dich ab. Ich einen Bauern heiraten? Ein Fürst muß mein Gatte werden, oder ich bleibe ledig. Du wirst schon sehen, was für einen Mann ich bekommen werde.«

»Mit so ehrgeizigen Absichten,« entgegnete ich ihr, »begreife ich wohl, daß es nicht möglich ist, sich auf ein Dorf zu beschränken, dort sind sie freilich nicht zu erreichen. Aber bist du gewiß, daß du sie erreichen wirst, wenn du die Welt durchstreifst? Und wenn du nun auch wirklich den Gegenstand deiner Begierden erlangst, wirst du deshalb glücklicher sein? Was mich betrifft, so werde ich, mit meinem Schicksal zufrieden, hier bleiben und dich erwarten, sei es, um dir zu deinem Erfolge Glück zu wünschen, sei es, um dich über deine Unfälle zu trösten.«

Da sie nun daran verzweifelte, mich zur Gefährtin zu erhalten, so zog meine Schwester Mannskleider an und reiste mit einem zahlreichen Trupp Kamele ab, die mit ihren Ballen beladen waren. In dem nächsten Seehafen angekommen, schiffte sie sich nach Alexandrien ein, wo sie einen Teil ihrer Waren verkaufte; des anderen Teiles entledigte sie sich sehr vorteilhaft in Kairo.

Ihr Vermögen hatte sich fast verdoppelt, und sie wollte, ehe sie die Stadt verließ, alle die Annehmlichkeiten genießen, welche dieselbe darbietet. Ihr Haus wurde der Tummelplatz aller Vergnügungen: Feste, Spiele, Konzerte und Tänze folgten in ununterbrochener Reihe aufeinander. Oftmals fuhr sie, begleitet von einer Menge junger Herren und bei dem Klang eines melodischen Konzerts, welches Musiker auf dem Verdeck aufführten, in einem Schiffe auf dem Nil spazieren. Kurz, meine Schwester wurde in die beste Gesellschaft zugelassen, wo man sie nur unter dem Namen des schönen Fremdlings kannte. Ihr Geist, ihre Talente und ihre Fröhlichkeit erwarben ihr die Freundschaft aller Personen, die sie kennen lernten, und man hielt sie für den unter angenommenem Namen die Welt durchstreifenden Sohn irgend eines Monarchen.

Inmitten aller dieser Vergnügungen hatte meine Schwester ihren ehrgeizigen Absichten nicht entsagt. Der Sohn eines großen Herrn aus der Stadt gefiel ihr durch die Schönheit seines Gesichtes und seine Anmut ungemein, und sie schenkte ihm ihr Herz. Er hatte eine seinem Range angemessene Erziehung genossen; denn Ihr wißt, daß die Ägypter der Wissenschaft hohen Wert beimessen und die gelehrtesten Menschen auf der Welt sind. Zu dem schönen Fremdlinge hatte er eine große Zuneigung gefaßt; er besuchte ihn häufig, so daß sich zwischen ihnen eine große Vertraulichkeit entspann. Die junge Person wollte sein Herz gewinnen und sich ihm erst im Augenblick ihrer Vereinigung entdecken. Als sie glaubte, auf seine Eroberung zählen zu können, gab ihr ihre erfindungsreiche Einbildungskraft einen gar seltsamen Einfall. Der junge Mann spielte oft Schach mit ihr. Als er ihr eines Tages ein Spiel vorschlug, sagte sie zu ihm: »Sehr gern, ich will mein ganzes Vermögen gegen Euch auf das Spiel setzen, wenn Ihr mir nur versprecht, im Falle, daß ihr gewinnt, eine Bedingung zu erfüllen, welche dieses versiegelte Papier enthält. Die Bedingung ist nicht schwierig, und ich glaube, daß sie Euch nicht mißfallen wird.«

»Ich nehme die Sache auf Euer Wort an.«

Während des Spiels kam der Vater des jungen Mannes dazu, und als man ihm die Bedingungen mitgeteilt hatte, wunderte er sich nicht mehr über die Aufmerksamkeit der beiden Spieler. Seine erste Sorge war, sich, ohne daß sie es merkten, des versiegelten Papiers zu bemächtigen, welches auf dem Tische lag. Er entsiegelte es auf eine geschickte Weise und las den Inhalt, der folgendermaßen lautete:

»Ich überlasse Euch freiwillig mein ganzes Vermögen, weil Ihr es gewonnen habt, unter der Bedingung, daß Ihr mein Herz annehmet und meine Hand.«

Diese Zeilen bestätigten dem Greise den Verdacht, den er schon über das Geschlecht meiner Schwester hegte, welche er wie eine Abenteurerin betrachtete. Ihr begreift, daß diese Vermutung ihr eben nicht zum Vorteile bei ihm gereichte, und daß die vorgeschlagene Verbindung ihm gerade nicht sehr gefiel. Die Ausdrücke des Zettels erlaubten ihm jedoch keinen Zweifel über den Ausfall des Spiels. Sein Geiz flößte ihm die Mittel ein, durch welche er diese Verbindung verhindern könnte; es kam nur darauf an, die vorgeschlagene Bedingung zu beseitigen. Ein geschickt benutztes Radiermesser machte ihn davon los; und nachdem die drei wichtigen Worte ausradiert waren, siegelte er das Papier wieder zu und legte es an den Ort, von welchem er es genommen hatte. Das Spiel, obgleich lange und wohl durchfochten, endete durch einen entscheidenden Zug, den meine Schwester auf gewisse Weise ihrem Gegner vorbereitet hatte, um ihm zu zeigen, daß sie absichtlich verlöre. Dieser griff eifrig nach dem Zettel, las ihn, lachte und sagte: »Euer Vermögen gehört mir. Was das Geschenk Eures Herzens betrifft, so hattet Ihr nicht nötig, diese Bedingung zu machen, da das meinige Euch schon lange gehört.«

»So leset doch,« erwiderte sie, »so leset doch mein Schreiben zu Ende.«

»Aber ich kann ja doch nicht mehr lesen, als Ihr geschrieben habt.«

Meine ungeduldige Schwester nahm ihm das Papier aus den Händen und war erstaunt, die wichtigsten Worte ausgelöscht zu sehen. Sie bemühte sich, ihre Unruhe zu verbergen. »Mein Gedächtnis,« sagte sie, »wird meiner Unbesonnenheit zu Hilfe kommen; nehmet diese Hand an; sie gehört Euch ebensowohl als meine Person.«

»Mein Freund,« sagte der junge Mann, »ich begnüge mich mit Eurem auf rechtliche Weise gewonnenen Vermögen; aber ich habe nicht die Absicht, Euch zum Sklaven zu machen; niemals werde ich Eure Freiheit antasten; sie ist ein zu kostbares Gut, um im Spiele drangesetzt zu werden: verkaufet Euch an andere als an Eure Freunde.«

»Wenn ich Euch zum Gatten nehme,« sagte meine Schwester zu ihm, »so glaube ich mir keinen Herrn zu geben.« Der junge Mann fand sich durch diesen Vorschlag schwer beleidigt, geriet in den heftigsten Zorn und zog seinen Kandschar. »Elender Fremdling,« sagte er, »was macht dich so frech, zu glauben, daß Männer von meinem Range sich deinen schändlichen Begierden hingeben könnten!«

Glücklicherweise hielt der Vater den Arm seines Sohnes zurück. Die arme Fremde hatte kaum Zeit, die Flucht zu ergreifen, und nachdem sie den besten Tisch in Kairo gehalten hatte, war sie nun dahin gekommen, betteln zu müssen.

Ich sah sie eines Tages ganz mit Lumpen bedeckt ankommen. Sie war genötigt, sich zu nennen, um erkannt zu werden. Ich warf mich an ihren Hals, indem ich einen Strom von Tränen vergoß, und gab ihr meine schönsten Kleider. Die Undankbare nahm meine Liebkosungen und meine Kleider mit Gleichgültigkeit an. Sie zitterte vor Wut, als sie erfuhr, daß ich unsern Vetter geheiratet hatte; dieser bezeigte sich jedoch so freundschaftlich gegen sie, daß sie ihren Unwillen verbarg.

»Ihr seid,« sagte er, »genug in der Welt herumgekommen, um die Gefahren der Reisen und die Unbeständigkeit des Glückes zu kennen; bleibet bei uns; ich übernehme es, Euch zu ersetzen, was Ihr verloren habt, und Euch einen Gatten auszusuchen, mit dem Ihr ruhige Tage verleben sollt. Wir wollen dann alle als eine Familie leben.«

Aber das Glück, dessen ich genoß, war für meine Schwester eine grausame Qual. Wir waren nicht wenig verwundert, sie einige Zeit nach ihrer Ankunft neue Vorbereitungen machen und uns die Summe abfordern zu sehen, welche wir zu ihrer Mitgift bestimmt hatten, mit dem Versprechen, sie uns nach ihrer Heimkehr zurückzuzahlen.

»Wagt Ihr diese Heimkehr zu hoffen?« sagte mein Gatte zu ihr. »Die erste Reise hat Euch Euer Vermögen gekostet; fürchtet, auf dieser zweiten um Eure Person und Euer Leben zu kommen.«

Wir bekamen keine andere Antwort von ihr als die, daß sie ohne Geld reisen würde, weil ihre Talente ihr schon welches erwerben würden. Da wir verzweifelten, diese halsstarrige Frau zur Vernunft zu bringen, gaben wir ihr eine ziemlich beträchtliche Summe. Sie brachte zwei Jahre auf dieser Reise zu, und während dieser brachten uns unsere fruchtbaren Ländereien reichliche Ernten, und unsere Herden mehrten sich ansehnlich.

 

Fünfhundertundachte Nacht.

Es fehlte viel daran, daß die Angelegenheiten meiner Schwester in ebenso günstigem Zustande waren. Nachdem sie Persien durchzogen hatte, ohne ihr Vermögen sehr vermehrt zu haben, wollte sie sehen, ob die Tatarei ihr nicht günstiger sein würde. Bochara, der Stapelplatz dieser beiden Länder, war der Ort, an welchem die größten Kaufleute Asiens zusammenkamen. Meine Schwester wollte diese berühmte Stadt kennen lernen: aber sie kam ohne Gepäck hin; denn dieses war ihr von Indiern genommen worden, während sie längs des Gebirges von Kandahar reiste. Nur die Schnelligkeit ihres Pferdes hatte sie und einige Goldstücke und Edelsteine, welche sie bei sich trug, gerettet.

Die ersten Tage ihrer Ankunft waren dazu bestimmt, die Basare und die Karawansereien zu besuchen. Als sie so auf der Straße einherging, redete eine Alte sie an, die zu ihr sagte:

»Guter junger Mann, Ihr habt eine Haltung, die sich mit Eurem Alter und Eurem Gesichte nicht verträgt; Ihr scheint sehr beunruhigt: darf man die Ursache wissen?«

»Ach,« sagte meine Schwester, »wie sollte ein Fremder, dem man alles, was er besaß, genommen hat, und der niemand in dieser Stadt kennt, nicht beunruhigt sein? Ohne Freunde, ohne Verwandte, ohne Geld, was soll aus mir werden?« Indem sie dies sagte, rannen Tränen aus ihren Augen.

»Mein Kind, Euer Schicksal ist mitleidswert,« sagte die Alte zu ihr; »kommet mit mir, Ihr sollt einen sichern Zufluchtsort finden.«

Nach einigen Tagen wollte meine Schwester fortgehen; aber ihre Wirtin hielt sie durch die dringendsten Aufforderungen zurück und sagte zu ihr, als sie nicht nachgeben wollte: »Ihr fürchtet ohne Zweifel, verraten zu werden: aber wisset, daß ich Euer Geheimnis schon bei unserer ersten Zusammenkunft erraten und doch davon weder mit Euch noch mit sonst jemand gesprochen habe; unsere Kenntnis macht uns verschwiegen. Wenn ich Euch für eine Person von dem Geschlechte gehalten hätte, dessen Kleidung Ihr tragt, würde es klug gewesen sein, Euch Gastfreundschaft zu erweisen?«

Diese Alte lebte mit ihrer zwölfjährigen Enkelin, welche sie erzog. Die Wahrheit war nun nicht länger zu verhehlen. Die Erzählungen meiner Schwester von ihren Reisen flößten ihrer Wirtin viel Achtung vor ihrem Geist und Mut ein.

»Ich kann Euer Vertrauen durch nichts als durch ein nicht minder wichtiges vergelten. Wisset, daß ich eine Zauberin bin: ich will Euch, wenn Ihr es wünscht, in allen bewundernswürdigen Geheimnissen meiner Kunst unterrichten.«

Der Vorschlag wurde mit Entzücken angenommen. Sie kam bald ihrer Lehrerin gleich und spielte ihr einige Streiche, die diese erzürnten. Nach vielen Streitigkeiten trennten sich die beiden Zauberinnen, indem sie sich einen ewigen Haß zuschworen, der sich noch, wie sie sagten, im Feuer der Hölle beleben würde.

Diese neue Wissenschaft, weit entfernt, meine Schwester zu bereichern, hatte sie im Gegenteil zu vielen Ausgaben verführt, in welchen die Trümmer ihres Vermögens draufgegangen waren; aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, viel Böses stiften zu können. Nachdem sie lange Zeit die Arbeit verrichtet hatte, Holz in die öffentlichen Öfen zu werfen, zwang sie die Härte ihres Herrn, etwas anderes zu ergreifen. Durch ihre Zaubereien erfuhr sie, daß mein Gatte von Zeit zu Zeit aufs Land ging; sie beschloß, während seiner Abwesenheit zu mir zu kommen, und durch die magischen Künste, welche sie von ihrer alten Lehrerin gelernt hatte, versetzte sie sich in einem Augenblicke zu mir.

Ob sie gleich in einem noch viel schlechteren Aufzuge kam als nach ihrer ersten Reise, erkannte ich sie doch leicht, weil ich nicht erwartet hatte, sie wohlhabender zu sehen. Sie kam mit sehr übellaunigem Gesicht und antwortete gar nicht auf meine Freundschaftsversicherungen; ja, sie stieß mich sogar mit Härte zurück, als ich auf sie zuging, um sie zu umarmen.

»Sie hat nur zu viel Ursache, bei übler Laune zu sein; man muß den Kummer der Unglücklichen mit Schonung behandeln,« sagte ich zu mir selbst; und als ich sah, daß sie halsstarrig stillschwieg, wagte ich es, sie anzureden.

»Meine Schwester,« sagte ich zu ihr, »es würde unstreitig unbescheiden sein, Nachrichten von deiner Reise von dir zu verlangen; aber ich würde mich auf gewisse Weise über die dir zugestoßenen Unfälle trösten, wenn sie dich dazu bestimmten, bei uns zu bleiben. Wenn du jetzt noch die Ratschläge meines Mannes befolgen wolltest, so könntest du noch glücklich werden und dadurch alle unsere Wünsche erfüllen.«

»Könntest du,« sagte sie mit verschlossener Wut, »zu meinem Elende noch Vorwürfe fügen, und hast du Eile, mich aus deinem Hause entfernt zu sehen? Ohne Zweifel ist dies der Zweck deiner Vorstellungen, die eine jüngere Schwester ihrer älteren niemals machen sollte; um jedoch allen deinen Deklamationen gegen das Reisen zu begegnen, so wisse, daß ich weit mehr Kenntnisse erworben als Reichtümer verloren habe; und das werde ich dir bei der ersten Veranlassung beweisen.«

Alle ihre Kenntnisse brachten ihr jedoch kein Geld ein, und ich mußte sie damit versehen. Eines Tages verlangte sie eine beträchtliche Summe von mir; ich gab ihr zur Antwort, daß ich die Rückkehr meines Gatten abwarten müßte, weil ich nur für den täglichen Bedarf zu sorgen hätte. »Meine Schwester,« fügte ich hinzu, »glaubst du, daß ich deine Entwürfe nicht durchschaue? Steh von ihnen ab, ich beschwöre dich. Deine Wissenschaft und deine Kenntnisse haben dich klüger gemacht, suche nur deinen guten Ruf herzustellen.«

Diese Vorwürfe entflammten ihren Zorn, Wut blitzte aus ihren Augen, und nachdem sie mich mit Beleidigungen überhäuft hatte, ergriff sie eine Schale mit Wasser, wovon sie mit einem Zypressenzweige einige Tropfen auf mein Haupt und auf das meines Sohnes sprengte, indem sie einige barbarische Worte sprach. In demselben Augenblick erfolgte die traurige Verwandlung, in welcher Ihr uns gesehen und von welcher Ihr uns befreit habt.

Ihr könnt Euch wohl denken, liebenswürdiger Fremdling, daß ich Euch nichts weiter zu erzählen habe; denn man jagte uns augenblicks in einen nahen Stall, in welchem wir selten Besuch erhielten.«

»Es kommt nun mir zu,« sagte der Mann, »Euch zu erzählen, was sich seit dem eben berichteten traurigen Abenteuer ereignet hat.

 

Fünfhundertundneunte Nacht.

Ich war sehr erstaunt, weder Frau noch Kind zu finden. Meine Schwägerin kam meinen Fragen zuvor, indem sie mit Tränen in den Augen zu mir sagte:

»Ihr wißt, daß während Eurer Abwesenheit die Pest geherrscht hat. Wir haben beide, Ihr und ich, das Teuerste, was wir besaßen, verloren: dies Land ist mir ein Greuel geworden, es ist mir unmöglich, länger hier zu verweilen. Eine große Zerstreuung allein vermag meinen Schmerz zu lindern; denn wenn ich hier bliebe, müßte ich vor Kummer vergehen.«

Meine Ermahnungen und Bitten waren nicht imstande, sie zurückzuhalten; ich gab ihr einen Teil von dem Vermögen ihrer unglücklichen Schwester, und sie reiste ab. Sie hat nie wieder etwas von sich hören lassen, und ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist.«

»Ich kann Euch versichern,« rief ich aus, »daß sie nicht weit von hier ist; wenn sie aber wiederkommt, so habt Ihr hier eine Münze von Ismael, womit Ihr sie verwandeln könnt, in was für ein Tier Ihr wollt.«

Die junge Frau dankte mir, indem sie mir die Münze zurückgab. »Ich fühle mich unfähig,« sagte sie, »meiner Schwester so viel Böses zuzufügen. Ich kenne die Rache nicht, sie kommt nur Gott zu.«

 


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