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Vierhundertundfünfundsiebenzigste Nacht.

Geschichte des geizigen Kadis und seiner Frau.

Man erzählt, daß in der Stadt Tripolis während der Regierung des Kalifen Harun Arreschid ein Kadi lebte, der sein Amt mit großer Strenge und Schärfe ausübte. Er hatte zu seiner Haushälterin eine schwarze Sklavin, deren Haut so rauh und dick war wie die eines Büffels, und die ihm auch auf jede andere Weise diente. Der Kadi war so filzig-geizig, daß kein Mensch als Almosen oder unter irgend einem anderen Vorwande von ihm auch nur die kleinste Geldmünze zu erhalten vermochte, und er lebte nur von Zwiebeln und von schlechtem Brote. Er besaß jedoch ein Tischtuch, mit reichen Fransen besetzt, und wenn um die Essenszeit irgend jemand gegenwärtig war, so rief er der schwarzen Sklavin zu: »Lege das Tischtuch mit Fransen auf!« – was die Hörer glauben machte, daß seine Kost ebenso prächtig als sein Tischtuch wäre; aber er nahm sich wohl in acht, in jemandes Gegenwart zu essen.

Endlich sagten einige Personen seines Gerichtshofes zu ihm: »Mein Herr Kadi, warum heiratet Ihr nicht? Denn diese schwarze Sklavin ist keine Eurem hohen Range angemessene Gattin.« Er versetzte: »Hat einer von euch eine Tochter, die er mir zur Gattin geben will?«, worauf eine gegenwärtige Person erwiderte: »Ich habe eine sehr schöne und würde mich durch die Verwandtschaft mit Euch, Herr, sehr geehrt fühlen.« Der Kadi nahm das Anerbieten an, die Verheiratung fand sogleich statt, und die junge Frau wurde mit einer hübschen Ausstattung von ihrem Vater, der auf einen so vornehmen Schwiegersohn sehr stolz war, noch an demselben Abend in dessen Haus geführt. Aber der betörte Vater wußte nichts von der Filzigkeit des Kadis und setzte voraus, daß seine Tochter alle Bequemlichkeiten des Lebens im Überflusse genießen würde.

Der Kadi freute sich sehr über seine Verbindung mit einem schönen und vermögenden Weibe. Am Morgen wartete die junge Frau ungeduldig auf ein Frühstück, aber ihre Bescheidenheit erlaubte ihr nicht, danach zu fragen. Man brachte ihr nichts, und der Kadi begab sich nach seinem Gerichtshofe, wo sich die Justizbeamten und angesehenen Einwohner der Stadt eingefunden hatten, um ihm zu seiner Heirat Glück zu wünschen. Sie hofften, daß er sie zu einem glänzenden Feste einladen würde; aber sie warteten vergebens, bis Mittag vorüber war. Sie gingen nun fort, jeder in seinem Herzen die Knickerigkeit des Richters verfluchend. Als sie fort waren, begab er sich in seinen Harem.

Dort rief er der schwarzen Sklavin zu: »Lege das Tischtuch mit Fransen aus!« Dies freute seine junge Frau, die nun zu sich selbst sagte: »Unstreitig wird auf ein so kostbares Tischtuch fürstliche Kost aufgetragen werden.« Die schwarze Sklavin stand aus, ging auf eine Weile hinaus, kam mit dem Tischtuche zurück, breitete es aus und setzte eine eherne Schüssel mit drei groben Broten und drei Zwiebeln auf, wovon der Kadi seiner Gattin zu essen anbot. Der Kadi und seine schwarze Sklavin aßen ihren Anteil mit gierigem Gelüst; aber die an bessere Kost gewöhnte junge Frau konnte, so sehr sie auch hungerte, ihren Anteil nicht herunterbringen. Sie stand schwermütig auf, beklagte ihr hartes Geschick und ärgerte sich über ihren filzigen Mann und ihren törichten Vater, der sie, um seine Eitelkeit zu befriedigen, zum Elende verdammt hatte. Dieselbe schlechte Kost wurde am Abend und drei Tage hintereinander aufgetragen, bis endlich die junge von Hunger gequälte Frau sich laut beklagte und nach ihrem Vater schickte.

Als der Kadi das Geschrei seiner Frau hörte, fragte er nach der Ursache, worauf ihm die schwarze Sklavin sagte, sie wäre seiner Lebensweise überdrüssig und wollte sich bei ihren Verwandten beklagen. Der Kadi stürzte wütend in ihr Zimmer, ergriff sie, schnitt ihr die Haare ab und schied sich von ihr, weil sie sich seiner Behauptung nach ungebührlich betragen hätte.

Am folgenden Tage nahm er eine andere Frau, die er auf dieselbe Weise behandelte, und so hintereinander noch mehrere, von denen er sich, nachdem sie fast verhungert waren, schied, ohne ihre Mitgift zurückzugeben.

Der Ruf von des Kadis Geiz und der schlechten Behandlung seiner Frauen verbreitete sich und kam zu den Ohren eines sehr schönen, witzigen und wohlerzogenen Mädchens, welches den Entschluß faßte, ihm wegen seines schlechten Betragens gegen ihr Geschlecht einen Streich zu spielen, und sich nach Tripolis aufmachte.

 

Vierhundertundsechsundsiebenzigste Nacht.

Es fügte sich, daß der Kadi am Tage ihrer Ankunft eben auf seinem Maulesel spazieren ritt und ihr auf dem Wege nach der Stadt begegnete. Ihre Schönheit und ihr Anstand fielen ihm auf, der Mund wässerte ihm, er strich seinen Schnauzbart, ritt auf sie zu und fragte sie, woher sie käme. Sie entgegnete: »Von hinter mir.« – »Das weiß ich wohl,« sagte der Kadi; »aber aus welcher Stadt?« – »Aus Mossul,« sagte das Mädchen. – »Bist du ledig oder verheiratet?« fuhr der Richter fort. – »Ledig.« – »Willst du mich zum Manne nehmen?« – »Ich will dir morgen eine Antwort geben,« sagte das Mädchen und ritt vorwärts nach Tripolis.

Am folgenden Morgen sandte das Mädchen von Mossul einen Boten an den Kadi, zeigte sich bereit, ihn zu heiraten, und forderte eine Mitgift von fünfzig Dinaren, welche er ihr trotz seinem Geize sandte und sie in sein Haus holen ließ. Das Eheband war geknüpft, und am Abend rief der Kadi wie gewöhnlich seiner schwarzen Sklavin zu: »Bringe das Tischtuch mit Fransen!« Die groben Brote und die Zwiebeln wurden aufgetragen, wovon jeder sein Anteil verzehrte; und als die Braut das ihrige mit anscheinendem Vergnügen gegessen hatte, rief sie aus: »Allah lohne dir dieses köstliche Mahl!« Als der Kadi dies hörte, freute er sich höchlich und sagte: »Allah sei gepriesen, der mir endlich eine Frau beschert hat, die vorlieb nimmt und zufrieden ist!« Aber er wußte nicht, was Allah durch die sinnreiche List seiner jungen Frau bereitet hatte.

Am folgenden Morgen begab sich der Kadi in seinen Gerichtshof, und seine Frau besichtigte alle Zimmer des Hauses. Endlich kam sie zu einem, welches verschlossen und stark mit Eisen verriegelt und versperrt war. Es befand sich jedoch unten in der Türe eine Spalte von der Breite eines Daumens und Fingers, durch welche sie sah und viele Vasen voll gemünzten Goldes und Silbers erblickte. Sie holte sich nun eine lange Rute, an deren Spitze sie ein Klümpchen Teig klebte, sie dann durch die Spalte steckte und damit die Goldstücke erreichte. Durch Hin- und Herwenden der Rute blieben endlich zwei Goldstücke daran kleben, welche sie nun durch die Spalte zog. Sie ging darauf in ihr Zimmer zurück, rief die schwarze Sklavin, gab ihr das Geld und schickte sie auf den Markt mit dem Auftrage, gekochtes Fleisch mit Butter, frisches Brot und schöne Früchte zu kaufen und schnell damit wieder da zu sein. Die schwarze Sklavin nahm das Geld und kam bald mit dem Eingekauften zurück, worauf ihre Gebieterin sie niedersitzen und an dem guten Mahle teilnehmen ließ. Als sie satt waren, brachte die Sklavin Gießkanne und Becken, und beide wuschen sich, worauf die Sklavin ihrer Gebieterin die Hände küßte und sagte: »Möge dir es Allah belohnen! Denn du hast mich mit einem guten Mahle bewirtet, das ich nicht genossen habe, seit ich diesem filzigen Kadi diene.« Die Frau sagte: »Gehorche nur meinen Befehlen, und du sollst täglich ebenso gut speisen.« Die Sklavin versprach Gehorsam und Treue und betete zu Allah, ihr eine so gute Gebieterin zu erhalten.

Als der Kadi mittags nach Hause kam, rief er wie gewöhnlich nach dem Tischtuche mit Fransen. Als es ausgebreitet war, trug seine Frau die Überbleibsel von dem Eingekauften auf, und er ließ sich's wohlschmecken, fragte jedoch, woher die Speisen wären. Die Frau antwortete: »Ich habe in dieser Stadt viele Verwandte, und eine davon, die meine Herkunft erfahren, hat mir eine Mahlzeit geschickt, und ich sagte zu mir selbst: »Wenn mein Herr, der Kadi, nach Hause kommen wird, will ich ihn bewirten.« Der Radi bedankte sich. Sie zog am folgenden Tage mit Hilfe ihrer Rute wieder drei Dinare aus dem Zimmer und bereitete eine Mahlzeit, zu welcher sie einige Nachbarinnen einlud, die sich mit ihr erlustigten, bis ihr Mann aus dem Gerichtshofe nach Hause kam.

Als er gekommen war, begab er sich in den Harem und befahl der schwarzen Sklavin, das Tischtuch mit Fransen aufzubreiten, worauf ihm denn seine Frau noch mehr und noch köstlichere Speisen auftrug als am vorigen Tage. Auf seine Nachfrage, woher sie die Speisen hätte, erwiderte sie, ihre Tante hätte sie geschickt. Der Kadi ließ sich's wieder wohlschmecken und war sehr froh, eine Frau zu haben, deren Verwandte ihn umsonst so köstlich bewirteten. Die Frau fuhr täglich damit fort, Geld aus des Kadis Schatze zu ziehen und ihre Freundinnen, ihren Mann und sich selbst mit trefflicher Kost ein Jahr lang zu bewirten, während welcher Zeit der Richter durch die Veränderung seiner Nahrung so sehr an Fleische zunahm, daß es in Tripolis sprichwörtlich ward, anstatt: dick wie ein Ochse, zu sagen: dick wie der Bauch des Kadis.

Die listige Frau, welche beschlossen hatte, ihrem Manne wegen seiner Filzigkeit einen Streich zu spielen, teilte ihre Absicht einer ihrer Freundinnen mit, die hochschwanger war, und sagte zu ihr, sie sollte, wenn die Zeit ihrer Niederkunft nahte, unter ihrem Dache bleiben; »denn,« setzte sie hinzu, »ich muß diesen Kadi lächerlich machen, der so viele unglückliche Frauen mißhandelt hat, indem er sie vor Hunger fast umkommen ließ, ihnen dann die Haare abschnitt und sich unter dem Vorwande ihrer Unzüchtigkeit von ihnen schied, ohne ihnen ihre Mitgift wiederzugeben.« Die Freundin antwortete: »Dein Wille ist mir Gesetz.«

Als die Freundin nun fühlte, daß ihre Niederkunft nahe wäre, kam sie in das Haus der Frau des Kadis, als er eben abwesend war, und brachte einen hübschen Knaben zur Welt. Die Frau des Kadis bereitete nun ein schmackhaftes Gericht, aus geriebenem Salzfleisch und gerösteten Bohnen bestehend und mit Zwiebeln, Knoblauch und verschiedenen Sämereien und Gewürzen versehen. Als der Kadi zur Essenszeit nach Hause kam, wurde ihm die Speise aufgetragen, und da er sehr hungrig war, aß er nicht nur mittags, sondern auch abends sehr gierig und unmäßig. Bald nachher begann sein Bauch zu schwellen, der Wind knurrte in seinen Eingeweiden, er bekam Kolik und Krämpfe und solche Schmerzen, daß er in Todesangst laut jammerte. Seine herzulaufende Frau klagte mit ihm über seinen Zustand, befühlte den leidenden Teil mit ihrer Hand und stieß, nachdem sie ihn hier und da gedrückt hatte, einen heftigen Schrei aus, worauf sie ausrief: »Ein Wunder, ein Wunder! Der allmächtige Allah kann tun, was er will: sein Wille geschehe! Denn mein Herr, der Kadi, ist gewißlich schwanger.«

Der Kadi schalt ungeachtet seiner Todesangst seine Frau, indem er zu ihr sagte: »Bist du toll, Weib? Wann hast du jemals von der Schwangerschaft eines Mannes gehört?« – »Toll oder nicht,« erwiderte sie, »du hast sicher Geburtswehen und wirst bald niederkommen; denn ich bemerke die Bewegungen des Kindes.« – »Heiliger Prophet, steh mir bei!« kreischte der Kadi, dessen Krämpfe so zunahmen, daß er sich in der größten Todesangst hin- und herwand wie ein Wurm. Die Frau rannte nun fort, als wollte sie Hilfe herbeiholen; aber sie kam bald mit dem Kinde ihrer Freundin, welches sie unter ihrem Schleier verbarg, und mit einem kupfernen Gefäße zurück, welch letzteres sie nahe an ihren Mann setzte, der sich mit großen Qualen immer hin- und herwälzte. Die Frau schien mit ihm zu leiden, rieb seinen Rücken und stellte sich, als betete sie für seine glückliche Niederkunft. Die Kolik war so arg, daß der arme Kadi in die stärksten Zuckungen verfiel und einige Zeit ohne Besinnung blieb. Endlich kam ihm aber die Natur zu Hilfe. Die Frau kneipte nun das Kind, welches schrie, worauf sie es denn unter ihrem Schleier hervorzog und in ein Freudengeschrei ausbrach, indem sie ausrief: »Dank sei unserem großen Propheten gesagt, durch dessen Hilfe der Himmel dir eine glückliche Niederkunft gegönnt hat!« Der Kadi, der sich erleichtert fühlte, öffnete, als er zu sich kam, seine Augen, sah, wie seine Frau das Kind hätschelte, und hörte, wie sie ausrief: »Sieh, mein lieber Mann, sieh dein Kind! Laß es uns Wunderquelle nennen.« Der Kadi war zwar höchlich erstaunt, fand sich jedoch so plötzlich erleichtert und konnte, da er ein neugebornes Kind erblickte, nicht an seiner wundervollen Entbindung zweifeln. Er gab seiner Frau den Auftrag, für eine Amme zu sorgen, worauf sie ging und das Kind zu seiner Mutter trug, sodann zu ihrem Manne zurückkehrte, ihm half, sich anzukleiden, ihm einen stärkenden Trank bereitete und eingab und ihm empfahl, sich schlafen zu legen und einige Tage auszuruhen. Der Kadi, den die Krampfkolik sehr erschöpft hatte, schlief bald ein und erwachte erst nach langem Schlafe, wodurch sein Leib wohl sehr gestärkt wurde; aber sein Geist war doch sehr beunruhigt, daß das Geheimnis seines seltsamen Abenteuers bekannt werden möchte. Er sagte deshalb zu seiner Frau: »Laß uns die Sache geheimhalten, damit mich die Leute nicht verspotten und sagen: »Unser Kadi hat ein Kind geboren!« Sie erwiderte hierauf: »Ich fürchte, daß so etwas nicht lange verheimlicht werden kann, da die Amme natürlich plappern wird.«

 

Vierhundertundsiebenundsiebenzigste Nacht.

Der Kadi dachte über seine lächerliche Lage nach und beschloß, Tripolis zu verlassen, um dem Gespötte der Gottlosen zu entgehen. Nachdem er also wieder zu Kräften gekommen war, reiste er eines Morgens, nachdem er Abschied von seiner Frau genommen und ihr sein Haus und seine Sachen übergeben hatte, vor Tagesanbruch aus der Stadt, eifrig betend, daß niemand ihn bemerken möchte. Er reiste sieben Tage lang ununterbrochen, bis er Damaskus erreichte, wo man ihn nicht kannte; aber selbst hier hatte er die Kränkung, zu hören, daß die Geschichte seiner Niederkunft der allgemeine Gegenstand der Unterhaltung war. Er lebte in der größten Zurückgezogenheit mit gewohnter Sparsamkeit, bis er das Geld, welches er mitgebracht, alles ausgegeben hatte, worauf er nun genötigt war, seine Kleider zu verkaufen und sich endlich sogar als Handlanger bei einem Maurer zu vermieten.

Die Frau des Kadis öffnete nach seiner Abreise seine Schätze, die sie von unermeßlichem Werte fand, und verwandte sie in gutem Leben, indem sie die Hungrigen speiste und die Nackenden kleidete. Auch schickte sie den geschiedenen Frauen ihres Mannes artige Sümmchen.

Die Nachricht von des Kadis wunderbarer Entbindung verbreitete sich übrigens durch das ganze Reich des Islams, erreichte endlich Bagdad und kam zu den Ohren des Kalifen Harun Arreschid. Als er es hörte, rief er aus: »Beim Allah, das ist eine wunderbare Erscheinung; aber es muß die List des Weibes sein, die sich für irgend eine von seinem Geiz oder seiner Grausamkeit erlittene Beleidigung gerächt hat. Ich will nach ihr senden und die Sache aus ihrem eigenen Munde wissen.«

Um ebendiese Zeit beschloß der zu einem Gerippe ausgehungerte Kadi heimzukehren in der Hoffnung, daß durch die dazwischenliegenden Jahre sein unglückliches Abenteuer in Vergessenheit gekommen wäre. Er verließ Damaskus und gelangte in seine Vaterstadt; aber als er eben hineintrat, rief ein spielender Knabe seinen Spielgenossen zu: »Erinnert ihr euch des Jahres, in welchem unser Kadi einen Sohn gebar?« Als er dies hörte, kehrte er augenblicklich um, tief in der Seele gekränkt, und begab sich wieder nach Damaskus, woselbst er sich den Anzug eines wandernden Derwisches verschaffte und sich in diesem bis Bagdad durchbettelte. Hier vereinigte er sich mit anderen Mönchen, welche, da sie fanden, daß er nicht gemeine Talente besäße, ihm rieten, den Kalifen zu besuchen, der gar nicht unterlassen würde, seine Geschicklichkeiten zu bemerken und sie durch Zeichen seiner Güte zu belohnen.

 

Vierhundertundachtundsiebenzigste Nacht.

Die Frau des Kadis war, dem Befehle des Kalifen gehorsam, nach Bagdad gekommen. Sie wurde vor ihn geführt und küßte den Boden vor ihm. Er befahl ihr hierauf, die Abenteuer ihres Mannes zu erzählen, und fragte sie, ob es wirklich wahr wäre, daß er ein Kind zur Welt gebracht hätte. Sie senkte ihr Haupt, weil die Würde des Kalifen eine Ehrfurcht erzeugte, die sich ihrer bemächtigte; der Beherrscher der Gläubigen richtete sie jedoch, als er ihre Bestürzung sah, durch gütige Reden auf und sagte ihr: »Sage mir die Wahrheit, und ich sichere dir meine Vergebung zu, was du auch getan haben magst.« Sie fing hierauf an, ihre Geschichte zu erzählen, und erzählte sie, da sie nach und nach Vertrauen gewann, auf so geistreiche und launige Weise, indem sie durch Gebärden die Todesangst und die Qualen des fetten Kadis in seinen vorgeblichen Geburtswehen darstellte, daß der Kalif sich vor Lachen ausschütten wollte und sich eine lange Zeit nicht erholen konnte.

Eben als der Kalif sich wieder gesammelt hatte, wer trat ein? – der unglückliche, als Derwisch verkleidete Kadi. Seine Frau war verschleiert, erkannte jedoch ihren Mann, so verändert er auch war, und flüsterte dem Kalifen zu, es wäre der Kadi. Der Kalif machte ein so ernsthaftes Gesicht, als er es irgend vermochte, und sagte: »Willkommen, ehrwürdiger Derwisch; aber wo ist der Sohn, den du in Tripolis zur Welt gebracht hast?« Der arme Kadi war höchst bestürzt, faßte sich aber ein wenig und sagte: »Beherrscher der Gläubigen, ein Mann kann keine Kinder gebären.« – »Es ist uns berichtet worden,« sagte Harun, »daß der Kadi von Tripolis mit einem Sohne niedergekommen ist: und ich weiß trotz deiner Derwischtracht, daß du dieser Kadi bist; denn dies hier ist die Frau, welche dich entbunden hat.« Der erstaunte Kadi senkte bestürzt sein Haupt und sagte: »Mir ist die Sache unbekannt,« worauf seine Frau ausrief: »Elender! wage es nicht, ohne Furcht vor Allah, ohne Achtung vor unserem Oberherrn, noch länger die Wahrheit zu leugnen.«

Der Kadi fiel, als er die Stimme seiner Frau erkannte, dem Sultan zu Füßen und sagte: »Ich habe gesündigt und bekenne meine Missetaten; aber, o Beherrscher der Gläubigen, wir sind nun beide vor dir, laß deine Güte meinen Missetaten Verzeihung gewähren und versöhne mich mit meiner Frau. Von diesem Augenblick an gelobe ich Allah Reue und Besserung; ich werde nie wieder geizig und ein Unterdrücker sein und meiner Frau die Leitung der häuslichen Angelegenheiten allein überlassen.«

Der Kalif wandte sich hierauf zu der Frau und sagte: »Du hast seine Erklärung gehört; willigst du darein, wieder mit ihm zu leben?« – »Beherrscher der Gläubigen,« versetzte sie, »man sagt, daß der Lauf der Himmel und die Charaktere der Menschen sich niemals ändern, und daß üble Gewohnheiten mit dem Leben aufhören; dessenungeachtet will ich's noch einmal mit ihm versuchen, wenn er sich schriftlich verpflichtet, mir im Fall einer üblen Behandlung Genugtuung zu geben.« Der Kalif ließ eine solche Verschreibung aufsetzen, die er selbst als Zeuge unterschrieb; und da er den Kadi für hinlänglich bestraft achtete, so machte er ihn zum Oberrichter einer angesehenen Stadt in Irak-Arabi.

 


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