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Vierhundertundneunundachtzigste Nacht.

Geschichte des Prinzen von Sind und der Fatime.

Vor einigen Jahrhunderten hatte ein Sultan von Sind einen Sohn von einer Beischläferin, der sich gegen die Sultanin so roh benahm, daß diese aus Betrübnis darüber in Gefahr kam, ihre Gesundheit zu verlieren. Ihre Lieblingssklavin, welche das bemerkte, beschloß, durch eine List den Prinzen zu entfernen. Sie riet ihrer Gebieterin, ihm, wenn er sie wieder beleidigte, zu sagen, daß er nicht eher seinem Range ganz angemessen erscheinen könnte, als bis er von Fatime, der Tochter eines Sultans namens Emir-Ben-Naoman, geliebt würde. Die Königin befolgte den Rat ihrer Dienerin, und der Prinz beschloß, in das Land der Prinzessin zu reisen und sie zur Ehe zu verlangen. Als er demnach die Einwilligung des Sultans, seines Vaters, erhalten hatte, reiste er mit einem seinem Range angemessenen Gefolge ab. Nach einiger Zeit gelangte er in eine Wüste, die mit einer großen Wolke von Heuschrecken bedeckt war, welche aus Mangel an Nahrung ganz erschöpft niederfielen. Ihre Not bedauernd, befahl er, ihnen Nahrung hinzuwerfen, welche sie genossen und davonflogen. Einige Tage nach diesem Vorfall erreichte er einen dichten Wald, der voll von Elefanten und anderen wilden Tieren war; da sie aber nicht versuchten, ihn anzufallen, und sich in einem ausgehungerten Zustande befanden, so befahl er, einige seiner Lasttiere zu schlachten und sie den wilden Tieren vorzuwerfen. Als diese sich gesättigt hatten, entfernten sie sich und gaben, soviel es ihre tierische Natur erlaubte, ihre Dankbarkeit zu erkennen. In einiger Entfernung von diesem Walde begegnete der Prinz einem ehrwürdigen Greise, den er nach dem Wege in die Staaten des Emir-Ben-Naoman fragte, und von dem er erfuhr, daß er ihnen ziemlich nahe wäre, aber nur über eine Kette hoher, steiler und kaum übersteiglicher Gebirge von Eisenstein dahin gelangen könnte, und daß er, wenn er diese Schwierigkeit auch wirklich besiegte, doch vergebens trachten würde, die Prinzessin zu gewinnen. Als der Prinz nach dem Warum fragte, fuhr der Greis fort: »Sultan Emir-Ben-Naoman hat beschlossen, daß seine Tochter niemand zuteil werden solle, der nicht drei ihm auferlegte Dinge vollbringt, und diese Dinge sind so schwierig, daß Menschenkräfte dazu nicht hinreichen. Auch haben schon viele unglückliche Prinzen ihre Köpfe bei dem Versuche verloren; denn wer das Auferlegte nicht vollbringt, wird sogleich getötet: laß dir also wohlmeinend raten und gib eine so fruchtlose Unternehmung auf.« Der Prinz, statt auf die Ermahnung des Greises zu hören, beschloß, seinen Weg fortzusetzen, und tat es, nachdem er jenen um seinen Segen und seine Fürbitte bei Gott gebeten hatte. Als er nun in die Gebirgspässe gelangt war, erblickte er weite Höhlen, in denen Geister große Massen von Eisenstein von den Felsmassen losbrachen. Der Prinz bewirtete sie festlich, und sie zeigten ihm zum Danke den besten Weg über das Gebirge. Er kam endlich vor der Hauptstadt des Emir-Ben-Naoman an, zu dem er einen Abgesandten schickte, der ihn um die Erlaubnis bat, daß der Prinz auf der Ebene ein Lager aufschlagen und um die schöne Prinzessin werben dürfte. Der Sultan willigte ein und lud den Prinzen in den Palast, woselbst er abends in einen Hof geführt wurde, in welchem ein großes Gefäß stand, das mehrere Arten von Getreide untereinandergemengt enthielt, welche der Prinz – und das war seine erste Arbeit, um die Prinzessin zu gewinnen – voneinander sondern und in einzelne Haufen legen sollte, wobei ihm mit dem Verluste seines Kopfes gedroht wurde, wenn er die Sonderung nicht vor Sonnenaufgang vollbrächte. Da es nun zu spät war, seinen Vorsatz aufzugeben, so vertraute der Prinz der Vorsehung, und als die Pforten des Hofes hinter ihm geschlossen wurden, betete er zu Allah und fing an, das Getreide zu sondern; da er aber die Unmöglichkeit sah, die Arbeit in der vorgeschriebenen Zeit zu vollbringen, so wurde er gegen Mitternacht kleinmütig und gab seine fruchtlose Arbeit auf, indem er den verzweifelten Entschluß faßte, sich auf den Tod gefaßt zu machen. Während er nun um Standhaftigkeit in seinen letzten Augenblicken betete, hörte man eine Stimme, die laut ausrief: »Tröste dich und empfange die Belohnung deiner Güte gegen hungrige Insekten.« Sogleich verdunkelte sich der Himmel wie durch dicke Wolken, die in den Hof herabfielen und aus Myriaden von Heuschrecken bestanden, welche, um das Gefäß herumschwärmend, in wenigen Minuten die Sonderung in mehrere Haufen vollbrachten und sodann davonflogen. Der Prinz war über diese Vollbringung der Arbeit durch die dankbaren Heuschrecken vor Freuden außer sich, und nachdem er Allah und dem Propheten für diese Errettung aus der Todesnot gedankt hatte, überließ er sich der Ruhe, überzeugt, daß ihm auch für die anderen beiden noch zu vollbringenden Arbeiten ein höherer Beistand nicht fehlen würde. Groß war das Erstaunen des Sultans Emir-Ben-Naoman, als er, am Morgen in den Hof kommend, sein vermeintliches Schlachtopfer in tiefen Schlaf versunken und das Getreide in zierliche kuppelförmige Haufen gesondert fand. Der erwachende Prinz begrüßte ihn und bat ihn, ihm zu sagen, welche Arbeit er nun zu vollbringen hätte; aber der Sultan verwies ihn auf den Abend, bis zu welchem er ihn im Palast durch ein prächtiges Fest unterhielt, und sein verhärtetes Herz wurde von dem edlen Wesen und Benehmen seines Gastes so erweicht, daß er ihm die Vollbringung auch der andern beiden wünschte, damit er sein Schwiegersohn werden könnte. Auch die Prinzessin, welche so neugierig war, ihn durch die Fenstergitter zu beschauen, hatte sein Anblick so eingenommen, daß sie für sein Gelingen betete.

Als es Nacht war, führte man den Prinzen auf eine vor dem Palaste gelegene Ebene, in deren Mitte sich ein großer, mit klarem Wasser angefüllter Behälter befand, welchen der Sultan ihm bei Todesstrafe vor Sonnenaufgang auszutrocknen befahl. Der Prinz blieb am Rande des Wasserbehälters mit etwas mehr Hoffnung, seine Arbeit zu vollbringen, als in der vorigen Nacht. Auch täuschte er sich nicht; denn um Mitternacht hörte er eine Stimme, welche ausrief: »Prinz, Wohlwollen bleibt nie unbelohnt!«, und plötzlich füllte sich die Ebene mit unzählbaren Elefanten, Nashörnern, Kamelen, Dromedaren, Löwen, Tigern und anderen wilden Tieren, welche, nach und nach sich dem Behälter nähernd, so viel soffen, daß er so leer und trocken wurde, als wäre er eben erst fertig geworden. Die Tiere entfernten sich nun, indem sie über den ihrem Wohltäter geleisteten Dienst freudig brüllten und heulten, und überließen ihn seiner Freude über dies glückliche Vollbringen.

Der Prinz, nun überzeugter als je, daß er der Liebling Allahs und des Propheten sei, schlief nach beendetem Dankgebete sehr ruhig und bequem in einem am Rande des Behälters stehenden Häuschen und wurde erst bei Sonnenaufgang von dem Rufe des Sultans erweckt, der über die Vollbringung dieser Arbeit noch erstaunter als über die der vorigen war, obgleich jene ihr an Schwierigkeit nichts nachgab. Er führte den Prinzen in seinen Palast, und der Tag ward in froher Festlichkeit zugebracht.

Beim Herannahen der Nacht wurde der Prinz zu seiner dritten Arbeit geführt, welche darin bestand, aus einer ungeheuern Masse ausgesuchten Bauholzes die Türen, Fenster und das Dach eines Palastes, so groß als der vom Sultan bewohnte, anzufertigen. Der Prinz war über die Folgen des Mißlingens etwas beunruhigt, aber der Gedanke an die früheren ihm zuteil gewordenen Hilfeleistungen ermutigte ihn, und nachdem er seine Andacht verrichtet hatte, setzte er sich nieder und erwartete gefaßt, was die Vorsehung über ihn verfügt hätte. Seine Ergebung fand Gnade, denn um Mitternacht wurde er aus seinen Betrachtungen durch die Töne des Sägens, Hobelns, Hämmerns, Nagelns und der Gesänge fröhlicher Werkleute erweckt. Als er aufsah, erblickte er seine Freunde aus den Eisengebirgen, die ihn begrüßten und ihm zuriefen: »Prinz, beruhige dich; denn wir sind gekommen, dir deine gastfreundliche Bewirtung zu vergelten.« Vor Tagesanbruch war der Palast in einer unbeschreiblichen Vollendung fertig und jede Türe, jedes Fenster und jeder Erker mit den glänzendsten Farben bemalt und mit Gold und Silber beblümt. Als die dankbaren Geister der Eisenberge ihr Werk vollbracht hatten, grüßten sie den Prinzen achtungsvoll und entfernten sich.

Als der Prinz von seinen hilfreichen Freunden dankbaren Abschied genommen hatte, den Palast durchging und seine Pracht und Zierlichkeit bewunderte, eilte der Sultan Emir-Ben-Naoman, der bei Sonnenaufgang aus seinen Fenstern das wunderbar vollbrachte Werk geschaut hatte, herbei, um die treffliche Arbeit in der Nähe zu besehen und seinem Schwiegersohn Glück zu wünschen; denn er erkannte ihn als solchen, ja als den Günstling Allahs und des letzten der Propheten an. Er führte den Prinzen in seinen Palast, und es wurde darauf in dem neuen nach den nötigen Vorbereitungen die Hochzeit mit der Tochter des Sultans auf das prächtigste und festlichste gefeiert. Dort blieben die jungen Eheleute drei Monate hindurch, nach deren Ablaufe der Prinz sich die Erlaubnis erbat, in die Länder seines Vaters heimzukehren, woselbst er gerade zur Zeit eintraf, um sie von dem Einfall eines feindlichen Sultans zu befreien, der die Hauptstadt schon eng umschlossen hielt. Sein Vater empfing ihn mit Entzücken, und nachdem der Prinz die Sultanin wegen seines früheren rohen Benehmens um Entschuldigung gebeten hatte, so vergab sie ihm und nahm ihn, da sie kinderlos war, an Sohnes Statt an, so daß die Familie bis zum Tode des Sultans und der Sultanin und bis zur Thronbesteigung des Prinzen in der besten Eintracht lebte.

 


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