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Vierhundertundsechsundneunzigste Nacht.

Geschichte einer Dame von Kairo und ihrer vier Galane.

Eine junge, ihrem Gatten zärtlich ergebene Dame von Kairo, die nur durch dringende Notwendigkeit zum Ausgehen veranlaßt werden konnte, ging eines Tages, von einem Bade heimkehrend, vor der Gerichtsstätte eines Kadis vorbei, als diese eben geschlossen wurde. Der Kadi erblickte sie, und ihr edler Anstand und Gang fielen ihm auf und ließen ihn auf das, was er nicht sah, günstig schließen. Er nahte sich ihr und flüsterte ihr zu, daß er ein geheimes Stelldichein mit ihr wünschte. Die Dame, welche bei sich beschloß, ihn seines unwürdigen Betragens wegen zu bestrafen, willigte scheinbar ein und bat ihn, am Abend in ihr Haus zu kommen, was er freudig versprach. Sie verfolgte nun ihren Heimweg, wurde aber auf demselben von drei anderen Männern angeredet, die ihr gleiche Vorschläge wie der Kadi machten, welche sie auch alle annahm und den Abend zum Empfange ihrer Besuche bestimmte. Der erste dieser drei Galane war der Obereinnehmer der Hafensteuer, der zweite der Vorsteher der Schlächterzunft und der dritte ein reicher Kaufmann.

Als die Dame wieder zu Hause war, erzählte sie ihrem Manne, was sich ereignet hatte, und bat ihn, ihr zu erlauben, daß sie die Unverschämtheit der vier Männer durch eine List, welche sie sich ersonnen, bestrafen dürfte; eine Bestrafung, welche ihm und ihr nicht bloß große Belustigung, sondern auch wirklichen Vorteil verschaffen würde, da gewiß auf ein Geschenk von jedem zu rechnen wäre. Der Mann, überzeugt, daß er sich auf die Treue seiner Frau verlassen könnte, gab seine Einwilligung zu ihrem Vorhaben, worauf sie ein gutes Mahl bereitete, sich sorgfältig kleidete und sich auf ein Sofa setzte, um ihre Gäste zu erwarten.

Es war eben die Stunde des Abendgebetes, als der Kadi an die Türe seiner Schönen klopfte, die sie öffnete, ihn einließ und einen Rosenkranz von schönen Perlen, den er ihr darbot, annahm. Sie bat ihn, sich auszukleiden und einen bequemeren Anzug anzulegen. Sie bekleidete ihn nun mit einer langen Weste von gelbem Musselin und setzte ihm eine Mütze von derselben Farbe auf, was ihr Mann durch die Vorhänge eines Kabinetts mit ansah, der sich vor Lachen über die zärtlichen Grimassen des verliebten Richters die Seiten hielt. Das Glück des ehrwürdigen Galans verwandelte sich jedoch schnell in schreckvolle Bestürzung; denn er hatte sich kaum niedergesetzt und von einer Erfrischung gekostet, als ein lauter Schlag an die Türe gehört wurde, worauf die Dame, die sich auf sehr täuschende Weise erschreckt stellte, ausrief: »Der Prophet beschütze uns! Denn das ist das Pochen meines Mannes: und wenn er Euch hier findet, wird er uns beide töten.« Der Kadi war bei diesen Worten mehr tot als lebendig; aber die Dame richtete ihn wieder etwas auf, indem sie ihn in ihre Schlafkammer stieß und ihn bat, sich dort ja nicht zu regen, wo sich dann schon ein Ausweg zu seiner Rettung finden würde. Er kauerte sich in einen Winkel der Kammer und gelobte heilig, daß er, wenn er diesmal der Gefahr entginge, der Liebe auf immer Valet sagen wollte, und wenn der Satan selbst die Gestalt einer schönen Frau annähme, er ihn doch nicht verlocken sollte.

Als die Dame den Kadi so versteckt hatte, eilte sie an die Türe, wo sie den harrenden Oberaufseher der Hafensteuer fand, der ihr ein Kästchen mit Juwelen zum Geschenke brachte. Sie empfing ihn auf das freundlichste, bat ihn, seine reichen Kleider abzulegen, und ließ ihn eine rote Jacke anziehen und eine schwarzgefleckte Mütze aufsetzen. Kaum hatte er sich niedergesetzt, als ein neues Pochen gehört wurde und sie mit ihm dasselbe Spiel wie mit dem Kadi spielte, welcher sich etwas getröstet fühlte, als er einen ehrwürdigen Beamten in ebenso lächerlichem Aufzuge sah, als sein eigener war. Die alten Galane bedauerten sich gegenseitig durch Zeichen, wagten aber aus Furcht, entdeckt zu werden, nicht zu sprechen.

Der Vorsteher der Schlächterzunft wurde eingelassen, sein Geschenk angenommen, er mußte sich auch entkleiden, zog eine blaue Jacke an und setzte eine scharlachene Mütze auf, die mit Muschelschalen und Flittergold ausgeputzt war. Aber kaum war er mit dem Umkleiden fertig, als ein vierter lauter Schlag gehört wurde, die Schreckensszene sich erneuerte und der erschrockene Galan in die Kammer eilte, um seinen Nebenbuhlern Gesellschaft zu leisten. Es erschien jetzt der ehrwürdige Kaufmann, welcher der listigen Dame reiche Schleier, seidene Stoffe und gestickte Musseline schenkte, worauf er, als er zum Umkleiden aufgefordert wurde, eine himmelblaue Jacke anzog und eine rot und weiß gestreifte Mütze aufsetzte. Kaum war er angekleidet, als ein donnerndes Klopfen an die Haustüre seinen Entzückungen ein Ende machte und er von der Dame, welche sich sehr erschrocken stellte, weil es das Pochen ihres Mannes wäre, in die Schlafkammer getrieben wurde, wo er zu seinem Erstaunen drei nahe Bekannte fand.

Der Mann, der sein Versteck verlassen und wirklich an die Türe gepocht hatte, trat nun ein und setzte sich, nachdem er seine Frau begrüßt hatte, nieder. Er genoß von den für die Galane aufgetragenen Erfrischungen, und das glückliche Ehepaar unterhielt sich laut genug, um von den armen Liebhabern, die vor Furcht zitterten, gehört zu werden. »Licht meiner Augen,« sagte der Mann, »ist dir irgend etwas Ergötzliches auf deinem Heimgang aus dem Bade begegnet? Wenn es der Fall ist, so laß mich's wissen!« – »Ich traf,« versetzte die Frau, »in der Tat auf meinem Wege vier alte Geschöpfe, die ich große Lust hatte mit mir nach Hause zu nehmen, damit wir uns an ihnen ergötzen könnten; aber ich fürchtete, du möchtest ungehalten darüber sein. Wenn es dir jedoch 5paß macht, so können wir morgen nach ihnen schicken.« Die erschrockenen Galane schöpften nun wieder einige Hoffnung, daß sie durch die Güte ihrer listigen Geliebten entwischen könnten, und begannen freier zu atmen; aber diese Hoffnung währte nicht lange. »Es tut mir sehr leid,« sagte der Mann, »daß du sie heute nicht mitgebracht hast, da mich morgen ein Geschäft auf einige Tage vom Hause entfernt.« Hierauf erwiderte die Dame lachend: »Nun, ich will dir nur gestehen, ich habe sie wirklich mitgebracht und belustigte mich eben an ihnen, als du eintratest; da ich jedoch befürchtete, du möchtest irgend etwas Schlimmes vermuten, so trieb ich sie in unser Schlafzimmer, um sie dort verborgen zu halten, bis ich wüßte, ob du auch bei guter Laune wärest: denn wäre es nicht der Fall gewesen, so hätte ich wohl Mittel gefunden, sie unbemerkt aus dem Hause zu lassen.« Es ist unmöglich, die Angst zu schildern, in welcher sich jetzt die armen Galane befanden, besonders als nun der Mann seiner Frau befahl, einen nach dem anderen herauszuholen. »Jeder von ihnen,« sagte er, »soll uns durch einen Tanz ergötzen und uns eine Geschichte erzählen; aber wenn ich daran kein Vergnügen finde, so will ich ihnen die Köpfe abschlagen.« – »Gott sei uns gnädig!« sagte der Kadi, »wie können Männer von unserem Gewichte tanzen! Aber wer kann seiner Bestimmung entgehen? Und ich sehe auch kein anderes Mittel, um von dieser listigen Hexe und ihrem wilden Kerl von Manne loszukommen, als wenn wir ihren Willen, so gut wir es vermögen, erfüllen.« Seine Unglücksgefährten meinten dasselbe und erwarteten stillschweigend, was über sie ergehen würde.

Die Dame ging nun in die Kammer, gab dem Kadi ein Tamburin in die Hände, führte ihn vor ihren Mann, begann auf ihrer Laute eine lustige Weise zu spielen, wozu der erschrockene Richter mit solchen Grimassen und seltsamen Sprüngen tanzte, daß er sich vollkommen wie ein herumspringender Affe ausnahm. »In der Tat,« sagte der Mann zu seiner Frau, »wenn ich nicht wüßte, daß dieser Mensch ein Spaßmacher ist, so würde ich ihn für unsern Kadi halten; aber Gott verzeihe mir, ich weiß, daß unser würdiger Richter entweder seine Andacht verrichtet oder sich mit den Rechtshändeln beschäftigt, welche er morgen entscheiden soll.« Als er dies nun gehört hatte, tanzte der Kadi mit verdoppelter Anstrengung und noch lächerlicheren Gebärden, um zu vermeiden, daß man ihn erkannte. Endlich wurde er aber durch eine so ungewohnte Übung ganz erschöpft; der Hausherr hatte jedoch kein Mitleid mit seinen Leiden und drohte ihm mit der Bastonade, wenn er nicht weitertanzte, was denn nun der arme Richter tat, bis er über und über schwitzend auf die Erde fiel, von welcher man ihn dann aufhob, und man ihn durch einen Becher Wein, den man ihm eingoß, wieder etwas belebte. Als er sich nun nach und nach erholt und auch etwas Speise zu sich genommen hatte, wurde er aufgefordert, eine Geschichte zu erzählen, ehe er wieder in Freiheit gesetzt würde.

Als der Kadi fort war, holte die Dame den Obereinnehmer herbei, den der Hausherr bei seinem Namen nannte und zu ihm sagte: »Ehrwürdiger Herr, Ihr müßt mir die Gnade erzeigen, zu tanzen.« Der beschämte Einnehmer erwiderte keine Silbe, machte seine Bocksprünge und erhielt nicht eher die Erlaubnis aufzuhören, als bis seine Ermüdung den höchsten Grad erreicht hatte. Hierauf ließ man ihn niedersitzen, reichte ihm einige Erfrischungen und entließ ihn, indem man ihm den Rat gab, künftig seine Liebesanträge mehr am rechten Orte anzubringen. Die beiden anderen Galane wurden auf gleiche Weise entlassen und gaben sich gegenseitig das Versprechen, künftig klüger oder minder leichtgläubig zu sein.

 


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