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Vierhundertundzweiundneunzigste Nacht.

Harun Arreschids Abenteuer.

Als der Kalif Harun Arreschid einmal bei übler Laune war, fragte er seinen Verschnittenen Mesrur, was er tun sollte, um sich die Grillen zu vertreiben, worauf ihm dieser vorschlug, in seinem Garten spazieren zu gehen, dort frische Luft zu schöpfen, der schönen Aussichten zu genießen und sich am Gesange der Vögel zu erfreuen. Harun erwiderte, daß er dazu keine Lust hätte. »Habt Ihr in Eurem Harem nicht die schönsten Frauen, die es gibt?« – »Jawohl, aber sie machen mir Langeweile, und ich gähne bei den reizendsten Schönheiten.« – »Wenn Ihr die Kostbarkeiten und Seltenheiten Eures Schatzes besähet, so würde Euch das vielleicht ergötzen.« – »Ich bin aller dieser Dinge so gewohnt, daß sie gar keinen Eindruck mehr auf mich machen.« – »Wohlan, so rufet Eure Minister und Gelehrten zusammen und unterhaltet Euch mit ihnen über Staatskunst und wissenschaftliche Gegenstände.« – »Der Himmel bewahre mich vor dem Narrenpack!« – »Wenn also gar nichts Euer Majestät Vergnügen macht, so ziehet Euren Säbel und hauet Eurem getreuen Diener den Kopf ab; vielleicht ergötzt Euch der Anblick meines Blutes.« Dieser Einfall belustigte den Kalifen, und er sagte: »In der Tat, Mesrur, ich habe zu nichts Lust, als eine Geschichte zu hören; geh also und sieh, ob sich unter meinen Leuten jemand befindet, der mir eine erzählen kann.« Mesrur ging und kam sogleich mit Ali-Ebn-Mansur aus Damaskus zurück, der dem Kalifen eine Geschichte zweier Liebenden aus Bagdad vortrug, welche diesen jedoch so wenig ergötzte, und die er vielen andern Geschichten so ähnlich fand, daß er anfing einzuschlafen und dem Erzähler aufzuhören befahl. Da der Kalif nun die Lust, sich etwas erzählen zu lassen, verloren hatte, so beschloß er, mit Mesrur und dem Wesir Giafar verkleidet einen Gang durch die Stadt zu machen.

Der Wesir suchte ihm diesen Vorsatz auszureden, indem er vorstellte, es wäre leicht möglich, daß irgend eine gemeine Person, die ihn nicht erkennte, ihn beleidigte und ihn in seinem Ärger darüber zu einer Bestrafung reizte, welche ihm nachher leid tun könnte. »Es geschehe, was da wolle,« versetzte der Kalif, »mich soll nichts beleidigen.« Hierauf verließen sie den Palast durch eine geheime Tür, und nachdem sie einige Straßen durchwandelt hatten, sahen sie ein prächtiges Gebäude, dessen stattlicher Torweg durch eine goldene Lampe erleuchtet war. Vor dem Eingange hing ein gestickter Vorhang, auf welchem mit goldenen Buchstaben folgender Vers eingewirkt war:

»Wer nach dem fragt, was ihn nichts angeht, wird bald erfahren, was ihm nicht gefällt.«

Dies reizte die Neugier des Kalifen, er setzte sich an den Torweg und befahl dem Mesrur, er sollte rufen und einen Becher mit kaltem Wasser zur Löschung des Durstes armer Reisender verlangen. Als dies geschehen war, kam ein Sklave, betrachtete die ihm Unbekannten und meldete dem Hausherrn, daß drei ehrsam aussehende Männer eine Erfrischung verlangt hätten, worauf ihm befohlen wurde, sie ins Haus zu laden. Der Kalif nahm die Einladung an, wurde mit seinen beiden Begleitern in ein prächtiges Gemach geführt und dort von einem jungen Manne von feinem und artigem Benehmen sehr gastfreundlich empfangen und zum Sitzen genötigt. An den vier Seiten des Zimmers war auf seidene Vorhänge mit goldenen Buchstaben derselbe Vers gemalt, der sich an dem Torwege befand. Es wurde nun ein köstliches Mahl aufgetragen, an welchem alle teilnahmen. Als dies vorbei war, führte sie der junge Mann in ein anderes noch prächtigeres Zimmer, in welchem alle Gattungen von Früchten und Wein aufgestellt waren. Zwanzig schöne Tänzerinnen erhöhten durch Tänze, die sie je fünf und fünf ausführten, den Genuß. Der Kalif war über den Gesang und Tanz der ersten Abteilung so entzückt, daß er in der Entzückung seine Kleider zerriß. Man brachte ihm andere. Die Tänze der beiden folgenden Abteilungen machten dieselbe Wirkung auf Giafar und Mesrur und als die zwei letzten Abteilungen ihre Kräfte versuchten, zerriß der Hausherr seine Kleider und wurde ohnmächtig. Während seine Leute emsig waren, ihn wieder zu sich zu bringen und aufs neue anzukleiden, sah der Kalif auf seinen Seiten und seiner Brust Striemen, die von Peitschenschlägen herzukommen schienen. Seine Neugier war erregt, und ungeachtet der Abmachungen Giafars drang er, als der Hausherr sich wieder erholt hatte, in diesen, ihm die Ursache seiner Bestrafung zu erzählen. Den jungen Mann ärgerte die Unverschämtheit eines Fremden, den er so freundlich bewirtet hatte. »Habt Ihr,« sagte er, »nicht die Warnung an meinem Torwege und an meinen Wänden gelesen? Ihr verlangtet nur einen Becher mit Wasser, und ich gab Euch ein Fest, das Ihr schlecht verdient habt; aber Ihr sollt auch Eurer Strafe nicht entgehen!« Giafar warf sich nun zu den Füßen des jungen Mannes und sagte, sie wären unwissende und ungebildete Bauern von Balsora. »Wenn das ist,« entgegnete der junge Mann, »so entschuldige ich euch, und eure schlechte Erziehung mag euch das Wort reden. Gehet in Sicherheit, aber suchet nicht wieder, unverschämte Neugier zu befriedigen, damit euch nicht ein weniger nachsichtiger Wirt als ich bestrafen möge.« Der Kalif und seine Begleiter entfernten sich; aber der erstere war kaum in seinem Palaste, als er dem Giafar befahl, Wache abzusenden, die den jungen Mann vor ihn führen und sein Haus bis auf den Grund zerstören sollte. »Herr,« sagte der Wesir, »dieser Befehl ist der Würde des Beherrschers der Gläubigen nicht geziemend und dem Vorsatze widersprechend, den du faßtest, als wir verkleidet unsern Gang antraten. Unser großmütiger Wirt kannte uns nicht, und wir haben doch nun einmal die Warnung, die uns in seinem gastfreien Hause so oft vor die Augen gestellt wurde, nicht beachtet. Wir allein sind zu tadeln und nicht er.« Die Leidenschaft des Kalifen wurde durch die Vorstellung des redlichen Giafar besänftigt; er erkannte die Gerechtigkeit seines Tadels an. »Aber,« setzte er hinzu, »ich muß den jungen Mann sehen und seine Abenteuer hören.« – »Das sollst du,« erwiderte Giafar und ließ am nächsten Morgen den bewußten Hausherrn zum Kalifen rufen. Jener folgte eilig dem Rufe, und als er nun erfuhr, daß er den Kalifen bei sich bewirtet und gescholten hatte, unterließ er nicht, sogleich seine Neugier zu befriedigen und ihm seine Geschichte zu erzählen.

 

*

(Man sieht schon aus diesem Eingange, daß dies ganz dieselbe Geschichte mit der von Ali Schach oder dem falschen Kalifen Bd. III (Nacht 180-93) ist, nur auszugsweise.)

 

*

Mundschab, so hieß der junge Mann, ward so sehr der Günstling des Kalifen, daß er nur irgend eine ergötzliche Geschichte zu erzählen brauchte, um alles zu erlangen, was er wünschte.

Eines Tages, als der Kalif wieder in seine Grillen zurückzufallen schien, erzählte er ihm folgende Geschichte:

 


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