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Drei sehr pfiffige Gauner, welche sich vereinigt hatten, kamen in der Hoffnung, sich dadurch schnell aus der Not zu helfen, miteinander überein, zum Sultan zu gehen und vorzugeben, ein jeder besäße irgend eine besondere Geschicklichkeit. Sie begaben sich demnach in die Hauptstadt, fanden aber den Zutritt zum Sultan schwierig, da er einen Gartenpalast bewohnte, der von Wachen umgeben war, welche sie nicht in seine Nähe lassen wollten. Sie beratschlagten miteinander und kamen überein, einen Zwist vorzugeben, in der Hoffnung, daß ihr Geschrei die Aufmerksamkeit des Sultans auf sich ziehen würde. Dies geschah auch; er befahl, sie vor ihn zu bringen, und fragte, wer sie wären, und worüber sie sich zankten. »Wir zanken uns,« sagten sie, »über den Vorrang unserer Betriebe: denn jeder von uns besitzt eine vollkommene Geschicklichkeit in dem seinigen.« – »Was sind denn eure Betriebe?« versetzte der Sultan. »Ich bin, Herr,« sagte der eine, »ein ausgezeichneter Steinschneider.« – »Ich fürchte, daß du ein ausgezeichneter Schuft bist,« rief der Sultan aus.
»Ich bin,« sagte der zweite Gauner, »ein Pferdegenealogist.« – »Und ich,« fuhr der dritte fort, »ein Genealogist des menschlichen Geschlechts, indem ich jedermanns wahre Abkunft kenne; eine Kunst, die viel wunderbarer ist als die eines meiner Gefährten; denn außer mir versteht sie niemand und hat sie niemand verstanden.«
Der Sultan war zwar erstaunt, maß jedoch ihrem Vorgeben wenig Glauben bei und sagte bei sich selbst: »Wenn diese Leute Wahrheit reden, so verdienen sie Aufmunterung. Ich will sie bei mir behalten, bis ich Gelegenheit habe, sie zu prüfen: beweisen sie dann, daß sie wirklich so geschickt sind, als sie es vorgeben, so will ich sie befördern, wo nicht, sie töten zu lassen.« Er ließ jedem von ihnen ein Zimmer anweisen und ihnen täglich Brot und Fleisch reichen, stellte aber Aufpasser an, weil er fürchtete, daß sie entwischen möchten.
Nicht lange nachher wurden dem Sultan mehrere Seltenheiten geschenkt, unter welchen sich zwei kostbare Steine befanden, der eine von besonders klarem Wasser, der andere mit einem Makel. Der Sultan erinnerte sich nun des Steinschneiders, ließ ihn vor sich kommen und gab ihm den klaren Juwel, damit er ihn prüfen und seinen Wert schätzen sollte.
Der Gauner nahm den Stein, drehte ihn mit großem Ernst in seinen Händen um und um und sagte endlich, nachdem er ihn von allen Seiten betrachtet hatte: »Dieser Juwel hat gerade in seinem Mittelpunkt einen Makel.« Als der Sultan dies hörte, war er gegen den Gauner sehr aufgebracht und befahl, ihm das Haupt abzuschlagen, indem er sagte: »Dieser Stein ist tadellos, und doch behauptest du, er habe einen Makel.« Der Scharfrichter trat nun vor, ergriff den Gauner, band ihn fest und war im Begriff zuzuhauen, als der Wesir eintrat und, da er den Sultan in Wut und den Gauner unter dem Schwert erblickte, nach der Ursache fragte. Als er diese erfahren hatte, näherte er sich dem Sultan und sagte: »Herr, übereile dich nicht, sondern zerbrich erst den Stein; sollte ein Makel darin zum Vorschein kommen, so sind die Worte dieses Mannes wahr, wird er aber ohne Makel befunden, so laß ihn töten.« Der Sultan versetzte: »Dein Rat ist gut« und zerschlug den Stein mit seiner Streitaxt. In der Mitte fand er einen Makel, über den er erstaunte, so daß er dem Gauner sagte: »Wodurch konntest du den Makel entdecken?«
Er erwiderte: »Durch die Schärfe meines Gesichts.« Der Sultan ließ ihn nun frei und befahl, ihn zu seinen Genossen zurückzuführen und ihm täglich einen Anteil an Fleisch und Brot mehr zu geben.
Einige Zeit nachher langte aus einer der Provinzen ein Tribut an, der zum Teil aus einem schönen schwarzen Füllen bestand, dessen Farbe so schwarz war wie die schwärzeste Nacht. Der Sultan ergötzte sich sehr an dem Tiere und brachte ganze Tage damit zu, es zu bewundern. Endlich fiel ihm der Gauner ein, der sich für einen Pferdegenealogisten ausgegeben hatte, und er ließ ihn zu sich kommen. Als er kam, sagte der Sultan: »Bist du ein Kenner von Pferden?« Er erwiderte: »Ja, Herr!«, worauf der Sultan ausrief: »Wohlan! Ich schwöre bei dem, der mich zum Aufseher meiner Untertanen machte und zu dem Weltall sagte: »Werde!«, und es ward, daß, wenn ich deine Erklärung unwahr finde, ich dein Haupt abschlagen will.« Der Mann antwortete: »Dein Wille ist mir Gesetz.« Hierauf wurde das Füllen vorgeführt, damit er es betrachten könnte.
Der Gauner bat den Stallknecht, das Füllen zu besteigen, um es ihm vorzureiten, was er nun vor- und rückwärts tat, während das stolze Tier sich sträubte und bäumte. Endlich sagte der Genealogist: »Es ist genug« und rief, sich zum Sultan wendend, aus: »Herr, dieses Tier ist von außerordentlicher Schönheit und von echter Rasse, seine Verhältnisse sind richtig, sein Schritt ist edel: es hat nur einen Fehler; könnte man es von dem befreien, so würde es ganz vollkommen sein und unter allen auf Erden lebenden Pferden nicht seines Gleichen haben.«
– »Was für ein Fehler wäre das?« sagte der Sultan. »Sein Vater,« fuhr der Genealogist fort, »war von echtem Blut, seine Mutter aber von einer anderen Tiergattung; und wenn du befiehlst, so will ich dir sagen, von welcher.«
– »Sprich,« sagte der Sultan. »Die Mutter dieses schönen Füllens,« fuhr der Genealogist fort, »war eine Büffelkuh.«
Als der Sultan dies hörte, geriet er in heftige Wut und befahl dem Nachrichter, dem Gauner den Kopf abzuschlagen, indem er ausrief: »Verfluchter Hund! Wie konnte eine Büffelkuh ein Füllen werfen?« – »Herr,« erwiderte der Gauner, »der Scharfrichter ist bereit, deinen Befehl zu vollziehen: aber sende zu der Person, welche dir das Füllen gebracht hat, und du wirst von ihr die Wahrheit erfahren. Sind meine Worte wahr, so wird meine Geschicklichkeit bestätigt sein; ist aber, was ich behaupte, falsch, so laß meinen Kopf für meine Zunge büßen.« Hierauf sendete der Sultan nach dem Herrn des Füllens.
Als dieser nun gekommen war, fragte ihn der Sultan, ob er es von jemand gekauft oder selbst gezogen hätte, worauf der Mann erwiderte: »Herr, ich will dir nichts als die reine Wahrheit sagen. Die Erzeugung dieses Füllens ist merkwürdig. Sein Vater gehörte mir und war von dem echten Geschlechte der Seepferde. Er wurde immer in einer besondern Umzäunung gehalten, weil ich fürchtete, es möchte ihm etwas zustoßen. Es begab sich aber an einem Frühlingstage, daß der Stallknecht ihn auf freiem Felde frische Luft schöpfen ließ. Zufällig kam eine Büffelkuh auf denselben Fleck, der Hengst wurde wild, zerriß die Stricke, womit seine Füße gebunden waren, verfolgte die Büffelkuh und belegte sie. Nach der gewöhnlichen Trächtigkeitsdauer brachte sie zu unserm großen Erstaunen dies Füllen zur Welt.«
Der Sultan war über diese Erzählung erstaunt. Er befahl, den Genealogisten herbeizuholen, und sagte bei seiner Ankunft: »Deine Worte haben sich als wahr bewiesen, und deine wundersame Kenntnis der Pferdegeschlechter ist bestätigt: aber an welchem Zeichen konntest du erkennen, daß die Mutter dieses Füllens eine Büffelkuh war?« Der Mann erwiderte: »Herr, das Zeichen ist an dem Füllen selbst sichtbar. Es ist bekannt, daß der Huf der Pferde beinahe rund, aber der des Büffels dick und länglich wie der dieses Füllens ist. Daraus schloß ich nun, daß die Mutter dieses Füllens notwendigerweise eine Büffelkuh gewesen sein müßte.« Hierauf entließ ihn der Sultan freundlich und befahl, ihm täglich einen doppelten Anteil Fleisch und Brot zu geben.
Nicht lange nachher gedachte der Sultan auch des dritten Gauners, der sich für einen Genealogisten des Menschengeschlechts ausgab, und ließ ihn vor sich fordern. Als er erschien, sagte er zu ihm: »Du kannst die Abkunft jedes Menschen erraten?« – »Ja, Herr,« erwiderte der Genealogist. Hierauf befahl der Sultan einem Verschnittenen, ihn in den Harem zu führen, auf daß er die Abkunft seiner Favoritin erriete. Als er nun dort war, beschaute er die Sultanin auf allen Seiten durch ihren Schleier, bis er befriedigt war und wieder zum Sultan ging, der ihn befragte, was er an seiner Favoritin erspäht hätte. »Herr,« erwiderte der Mann, »sie ist vollkommen an Zierlichkeit, Schönheit, Anmut, Gestalt, Frische, Bescheidenheit, Talenten und Kenntnissen, so, daß alles Wünschenswerte sich in ihr vereinigt: aber sie hat doch einen Fehler, ohne welchen es unmöglich wäre, daß sie von irgend einem Weibe übertroffen würde.« Als der Sultan dies vernommen, stand er wütend auf, zog seinen Säbel und rannte auf den Genealogisten los, um ihm den Kopf abzuschlagen.
Als er eben im Begriff war, den Todesstreich zu vollführen, baten ihn einige der ihn umgebenden Personen, den Mann nicht zu töten, bevor er nicht von der Falschheit seiner Behauptung überzeugt wäre, worauf der Sultan ihn fragte, was für einen Fehler er an der Favoritin entdeckt hätte. »O Sultan,« erwiderte der Mann, »sie ist, was sie selbst betrifft, ganz vollkommen: aber ihre Mutter war eine Seiltänzerin.«
Hierauf sandte der Sultan sogleich nach dem Vater der Dame und sprach: »Sage mir aufrichtig, wer die Mutter deiner Tochter war, oder ich töte dich.« – »Mächtiger Fürst,« versetzte der Vater, »nur in der Wahrheit ist Sicherheit für den Menschen. Ihre Mutter war eine Seiltänzerin, die ich sehr jung von einer herumziehenden Gauklerbande zu mir nahm und erzog. Sie ward so schön und vollkommen, daß ich sie heiratete, und sie gebar mir die Tochter, welche du zu deiner Favoritin erwählt hast.«
Als der Sultan dies hörte, kühlte sich seine Rache ab; aber er erstaunte nicht wenig und sagte zu dem Genealogisten: »Erkläre mir, woraus du sehen kannst, daß meine Favoritin die Tochter einer Seiltänzerin war!«
»Herr,« versetzte der Mann, »diese Art Menschen haben immer sehr schwarze Augen und sehr buschige Augenbrauen. Sie hat beides, und daraus erriet ich ihre Abkunft.« Der Sultan war nun von seiner Geschicklichkeit überzeugt, entließ ihn gnädig und befahl, auch ihm so viel Fleisch und Brot als seinen Gefährten zu geben, was denn auch geschah.
Einige Zeit nachher gedachte der Sultan wieder der drei Gauner und sagte zu sich selbst: »Diese Männer haben die Geschicklichkeit in alledem bewiesen, worin ich sie geprüft habe. Der Steinschneider zeigte sich vortrefflich in seiner Kunst, ebenso der Pferdegenealogist, und der dritte hat die seinige an meiner Favoritin erprobt. Ich habe große Lust, meine eigene Abkunft außer Zweifel zu setzen.« Er ließ demnach den Genealogisten rufen und sagte zu ihm: »Glaubst du meine Abkunft dartun zu können?« – »Ja, Herr,« erwiderte der Mann, »aber nur unter der Bedingung, daß du meines Lebens schonest, wenn ich dich unterrichtet haben werde; denn das Sprichwort sagt: »Wenn der Sultan gegenwärtig ist, so hüte dich vor seiner Wut, da kein Aufschub stattfindet, wenn er zu schlagen befiehlt.« – »Wohlan,« sagte der Sultan, »ich verspreche dir Sicherheit, und mein Wort ist unverletzlich.«
»O Sultan,« fuhr der Genealogist fort, »wenn ich dich von deiner Verwandtschaft und Abkunft unterrichte, so laß sonst keinen andern, der mich hören könnte, gegenwärtig sein.« – »Weshalb,« versetzte der Sultan. »Herr,« erwiderte der Gauner, »du weißt, daß die Attribute der Gottheit in den Schleier des Geheimnisses gehüllt werden sollen.« Der Sultan befahl allen, die ihn umgaben, sich zu entfernen; und als sie beide allein waren, sagte der Genealogist zu ihm: »Mächtiger Fürst, du bist unecht und der Sohn einer Ehebrecherin.«
Sobald der Sultan dies vernahm, änderte er seine Farbe, ward bleich und fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich gekommen war, blieb er eine ganze Weile in tiefe Betrachtung versunken, woraus er ausrief: »Ich schwöre bei dem, der mich zum Schirme seines Volkes machte, daß, wenn ich deine Behauptung wahr befinde, ich meine Krone niederlegen und dir abtreten will; denn die Königswürde kommt mir dann nicht länger zu: sollten jedoch deine Worte grundlos befunden werden, so töte ich dich augenblicklich.« – »Dein Wille ist Gesetz,« erwiderte der Gauner.
Der Sultan erhob sich nun, ging in den Harem, und indem er mit gezogenem Schwert in das Zimmer seiner Mutter stürzte, rief er aus: »Bei dem, der den Himmel von der Erde schied, wenn du nicht wahrhaft beantwortest, was ich dich befragen werde, so hau ich dich mit diesem Säbel in Stücke.« Die vor Schrecken zitternde Königin sagte: »Was willst du denn von mir wissen?« – »Sage mir,« versetzte der Sultan, »wessen Sohn ich bin?« – »Da nur die Wahrheit mich retten kann,« rief die Fürstin aus, »so wisse, daß du der Sohn eines Kochs bist. Mein Gatte hatte weder Söhne noch Töchter: worüber er traurig ward und Gesundheit und Eßlust verlor. In einem Hofe des Harems hatten wir mehrere Gattungen von Vögeln, und da der Sultan eines Tages Lust bekam, einen davon zu essen, so befahl er dem Koch, ihn zu schlachten und zuzurichten. Ich befand mich damals eben im Bade allein.
Als ich nun aus dem Bade,« fuhr die Sultanin fort, »den Koch gewahrte, der den Vogel zu fangen suchte, flößte mir Satan den Gedanken ein, daß ich nach dem Tode des Sultans allen meinen Einfluß verlieren würde, wenn ich keinen Sohn zur Welt brächte. Ich führte den Mann in diese Versuchung, und du bist die Frucht dieses Verbrechens. Die Zeichen meiner Schwangerschaft blieben nicht lange aus; und als der Sultan sie erfuhr, ward er wieder gesund, freute sich ausnehmend und gab bis zum Tage meiner Niederkunft seinen Ministern und Hofleuten täglich Geschenke. Er befand sich an jenem Tage gerade auf dem Lande und auf der Jagd; als er aber die Nachricht von der Geburt eines Sohnes erhielt, kehrte er augenblicklich zu mir zurück und gab den Befehl, die Stadt durch Aushängung von Teppichen, Blumenkränzen usw. auszuschmücken, welches aus Achtung für den Sultan vierzig Tage hintereinander geschah. Das war mein Verbrechen und deine Geburt.«
Der Sultan kehrte nun zu dem Abenteurer zurück und befahl ihm, sich zu entkleiden. Nachdem dieser Befehl vollzogen war, legte ihm der Sultan, der sich selbst entkleidet hatte, die königlichen Kleider an und sagte dann: »Unterrichte mich, woraus du schlossest, daß ich ein Bastard wäre.«
»Herr,« versetzte der Abenteurer, »als jeder von uns seine Geschicklichkeit auf dein Begehren erwies, so befahlest du, jedem von uns nur einen Anteil an Brot zu geben. Hieraus schließe ich, daß du der Sohn eines Kochs bist; denn es ist die Gewohnheit der Fürsten, das Verdienst mit Reichtum und Ehre zu belohnen, du hast uns jedoch nur mit Lebensmitteln aus deiner Küche belohnt.« Der Sultan antwortete: »Du hast wahr gesprochen.« Er ließ ihn nun die übrigen königlichen Kleidungsstücke und den königlichen Schmuck anlegen und setzte ihn auf den Thron, worauf er sich selbst als Derwisch verkleidete und sein abgetretenes Besitztum verließ.
Als der glückliche Abenteurer sich nun im Besitze des Thrones sah, schickte er nach seinen Genossen, und da sie ihn in seinen königlichen Kleidern nicht erkannten, so entließ er sie mit reichlichen Geschenken, befahl ihnen aber, das Gebiet seines Landes mit der größten Schnelligkeit zu verlassen, damit sie ihn nicht erkennen möchten. Hierauf erfüllte er die Pflichten seines neuen Standes mit einer Freigebigkeit und Würde, welche ihn von allen Einwohnern der Hauptstadt und aller Provinzen segnen und sie für die Verlängerung seiner Herrschaft beten ließen.