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»Ich war ein Kaufmann und hatte ein Gewölbe, welches indische Waren von allen Gattungen und von dem größten Werte enthielt, die ich mit großem Vorteile kaufte und verkaufte. Als ich nun eines Tages nach meiner Gewohnheit in meinem Gewölbe saß, trat eine alte Frau, ihren Rosenkranz betend, herein und grüßte mich. Ich erwiderte ihren Gruß, worauf sie sich setzte und zu mir sagte: »Herr, habt Ihr auserlesene indische Stoffe zu Kleidern?« – »Ja, meine gute Frau,« erwiderte ich, »von allen Gattungen, die Ihr nur wünschen könnt.« – »Laßt sehen,« sagte sie. Ich zeigte ihr ein Stück von großem Werte, das ihr sehr gefiel, und dessen Preis sie zu wissen verlangte. Ich forderte fünfhundert Dinare dafür; sie zog ihren Beutel, bezahlte mir das Geld und nahm den Stoff mit, an welchem ich hundertundfünfzig Dinare gewann. Am nächsten Tage kam sie wieder, kaufte ein anderes Stück, bezahlte es, und so trieb sie es mit gleichem Einkaufe hintereinander. Am fünfzehnten Tage kam sie wie gewöhnlich in meinen Laden, wählte den Stoff und wollte ihn bezahlen. Als sie jedoch ihren Geldbeutel vermißte, sagte sie: »Herr, ich habe unglücklicherweise meinen Geldbeutel zu Hause gelassen.« – »Das schadet nichts,« erwiderte ich, »nehmt den Stoff immer mit; kommt Ihr wieder, gut, wo nicht, so schenke ich Euch gern diese Kleinigkeit.« Ich drang noch mehr in sie, aber sie wollte den Stoff nicht annehmen. Nach vielem freundlichen Hin- und Herreden sagte sie endlich: »Herr, wir streiten uns vergebens, wir werden aber niemals einig werden, wenn Ihr nicht so gut sein wollt, mich nach Hause zu begleiten, um den Betrag Eurer Ware in Empfang zu nehmen; verschließet also Euren Laden, damit Euch in Eurer Abwesenheit nichts wegkomme.« Hierauf verschloß ich meine Tür und folgte ihr. Wir gingen und schwatzten miteinander, bis wir an ihr Haus gelangten, wo sie ihr Schnupftuch von ihrem Gürtel löste und mir sagte, sie wünschte mir die Augen zu verbinden. Ich fragte sie, weshalb. »Weil,« erwiderte sie, »auf unserem Wege sich mehrere Häuser befinden, deren Türen offen stehen, und auf deren Balkonen Frauen sitzen, so daß deine Augen zufällig auf eine dieser Schönen fallen und ihre Reize dein Herz mit Liebe erfüllen könnten; denn es gibt hier so reizende weibliche Geschöpfe, daß sie einen Mönch fesseln könnten, und deshalb bin ich um deine Ruhe besorgt.«
Ich sagte zu mir selbst: »Diese alte Frau rät mir gut,« und ich willigte in ihr Begehren, worauf sie mir die Augen mit ihrem Schnupftuche verband und wir vorwärts schritten, bis wir zu ihrem Hause gelangten. Sie pochte an die Haustür, welche von einer Frau geöffnet wurde, und wir traten ein. Die alte Frau band mir hierauf das Tuch ab, und ich sah mit Erstaunen, daß ich mich in einem Hause befand, welches vollkommen dem Palast eines Sultans glich.
Die alte Frau führte mich nun in ein Zimmer, woselbst ich all den Stoff, welchen sie bei mir gekauft hatte, aufgehäuft fand, worüber ich sehr erstaunte, mehr aber noch, als zwei Frauen, schön wie leuchtende Monde, eintraten und, nachdem sie ein Stück Zeug in zwei Hälften zerteilt hatten, jede eine Hälfte um ihre Hand wickelten. Sie besprengten hierauf den Flur mit Rosenwasser und andern wohlriechenden Wassern und rieben ihn sodann mit dem Zeuge ab, bis er so glänzend wie Silber ward. Hierauf begaben sie sich in ein anstoßendes Zimmer, aus welchem sie mindestens fünfzig Sessel brachten, welche sie hinstellten und auf jeden reiche Kissen legten und reiche Teppiche breiteten. Hierauf holten sie einen großen goldenen Sessel und entfernten sich, als sie ihn mit einem Teppich und einem Kissen von Goldbrokat belegt hatten. Nicht lange nachher kamen je zwei und zwei so viele Damen, als Sessel vorhanden waren, die Treppe herab. Jede setzte sich. Zuletzt kam eine von zehn Mädchen begleitete Dame, die sich auf den größeren Sessel niederließ. Als ich sie anschaute, Herr, verließen mich meine Sinne, und ich war über ihre Schönheit, ihre Gestalt und über die Anmut, mit welcher sie mit ihren Begleiterinnen schwatzte und lachte, ganz entzückt.
Endlich rief sie aus: »Meine liebe Mutter!«, worauf die alte Frau eintrat, zu welcher sie sagte: »Hast du den jungen Mann hergebracht?« Sie erwiderte: »Ja, meine Tochter, er ist bereit, dir aufzuwarten.« Hierauf sagte die Dame: »Führe ihn zu mir!« Als ich das hörte, erschrak ich und sagte zu mir selbst: »Hier ist keine Rettung als Ergebung in den Willen Gottes. Ohne Zweifel hat sie mein Hiersein entdeckt und will nun den Befehl erteilen, mich zu töten.« Die alte Frau näherte sich mir und führte mich bei der Hand zu der auf dem goldenen Sessel sitzenden Dame, die, als sie mich erblickte, lächelte, mich freundlich grüßte und einen Wink gab, einen Sitz herbeizubringen, der denn auch gebracht und dicht neben den ihrigen gestellt wurde. Sie befahl mir hierauf, mich zu setzen, was ich mit vieler Verlegenheit tat.
Als ich nun saß, fing die Dame an, mit mir zu reden, und sagte zu mir: »Was sagt Ihr zu meinem Aussehn und zu meiner Schönheit? Haltet Ihr mich Eurer Liebe wert? Wollt Ihr mein Gatte und soll ich Eure Gattin sein?« Als ich diese Worte gehört hatte, entgegnete ich: »Wie darf ich, verehrte Frau, ich, der ich nicht würdig bin, Euer Diener zu sein, nach solcher Ehre streben?« – »Junger Mann,« sagte sie hierauf, »meine Worte haben gar nichts Verfängliches; scheue dich nicht, mir zu antworten; denn mein Herz ist gegen dich in Liebe entbrannt.« Ich sah nun wohl, Herr, daß die Dame wirklich die Absicht hatte, mich zu heiraten, konnte aber noch immer nicht begreifen, weshalb, oder wie sie dazu kam, etwas von mir zu wissen. Sie fuhr fort, mir so manche freundliche Aufmerksamkeit zu bezeigen, daß ich endlich so dreist wurde, ihr zu sagen: »Verehrte Frau, wenn Eure Worte ernstlich gemeint sind, so ist nach dem Sprichworte keine Zeit so günstig als die gegenwärtige.«
– »Es kann,« erwiderte sie, »für unsere Vereinigung keinen glücklicheren Tag geben«, worauf ich erwiderte: »Wie kann ich Euch eine angemessene Morgengabe geben?«
– »Der Wert des Stoffes, den Ihr der alten Frau, meiner Mutter, gegeben habt, ist hinreichend.« – »Das kann nicht genügen,« versetzte ich. »Es soll nichts weiter hinzukommen,« rief die Dame aus, »und es ist meine Absicht, augenblicklich nach dem Kadi und nach Zeugen zu senden, damit sie uns ohne Aufschub verbinden. Wir wollen unsre Hochzeit noch diesen Abend feiern, aber nur unter einer Bedingung.« – »Und was ist das für eine?« erwiderte ich. Sie antwortete: »Daß du dich verpflichtest, dich niemals an eine andere Frau zu wenden und dich mit ihr zu unterhalten.« Herr, ich war begierig, ein so schönes Weib zu besitzen, und sagte ihr also, daß ich ihr Begehren erfüllen und niemals, weder durch Worte noch durch Taten, gegen sie fehlen würde. Sie sandte nun nach dem Kadi und den Zeugen, und die Heirat wurde beschlossen. Nach der Feierlichkeit ließ sie Kaffee und Sorbet auftragen, bezahlte die Zeugen, und diese empfahlen sich.
Ich war in Staunen versunken und sagte zu mir selbst: »Träum' ich, oder wach' ich?« Sie gab hierauf den Mädchen Befehl, mir ein Bad zu bereiten, in welches sie mich durch Verschnittene führen ließ. Diese brachten mich in ein Zimmer, dessen Zierlichkeit schwer zu beschreiben ist.
Sie breiteten Teppiche von verschiedenen Farben aus, auf denen ich mich entkleidete und mich sodann in das Badebecken begab, wo mich von allen Seiten her köstliche Wohlgerüche überströmten. Mit wohlriechenden Seifen, Salben und Essenzen so gerieben, bis mein Leib hell wie Silber glänzte, wurde ich königlich bekleidet und sodann mit Kaffee, Zuckerwerk und Sorbet von verschiedenen Gattungen bewirtet.
Hierauf verließ ich das Badezimmer mit meinen Begleitern, die mich in den großen, mit prachtvollen Kissen und Teppichen belegten Saal führten. Hier fand ich die Dame in einem neuen, noch kostbareren Anzuge, als der war, in dem ich sie zuvor gesehen hatte.
Strahlend von Schmuck und Schönheit, setzte sie sich neben mich und lächelte mich so bezaubernd an, daß ich mein Entzücken nicht länger zu mäßigen vermochte. Sie entfernte sich, kam aber bald, noch reicher als vorher gekleidet, wieder zurück. Ich umarmte sie nochmals, und um es kurz zu machen, wir blieben zehn Tage auf dem Gipfel des Glückes und Genusses beisammen. Nach Verfluß dieser Zeit gedachte ich meiner Mutter und sagte zu meiner Frau: »Es ist nun schon lange, daß ich von Hause und von meiner Mutter entfernt bin. Sie wird sich gewiß über mein Außenbleiben sehr ängstigen. Willst du mir erlauben, sie zu besuchen und nach meinem Warengewölbe zu sehen?« – »Daran soll nichts dich hindern,« erwiderte sie, »du kannst deine Mutter täglich besuchen und täglich in deinem Gewölbe verkehren, aber die alte Frau muß dich hin und zurück begleiten!« Dazu gab ich meine Einwilligung.
Die alte Frau trat hierauf ins Zimmer, verband mir die Augen wieder mit einem Tuche, führte mich an den Ort, an welchem sie mich zuerst verbunden hatte, und sagte: »Ihr werdet zur Zeit des Abendgebetes wieder hier sein und mich zur Stelle finden.«
Ich verließ sie und begab mich zu meiner Mutter, die ich in großer Traurigkeit und bitter über meine Abwesenheit weinend fand. Als sie mich gewahrte, lief sie mir entgegen und umarmte mich mit Freudentränen. Ich sagte: »Weine nicht, meine gute Mutter; denn meiner Abwesenheit verdanke ich das höchste Glück.« Ich erzählte ihr nun mein glückliches Abenteuer, worauf sie ausrief: »Allah schütze dich, mein Sohn! Aber besuche mich mindestens alle zwei Tage, damit meine Liebe zu dir befriedigt werde.« Ich ging hierauf in meinen Laden, beschäftigte mich dort wie gewöhnlich, bis es Abend ward und ich an den bestimmten Platz ging, wo ich die alte Frau fand, die mir wie früher die Augen verband und mich in den Palast meiner Frau führte, welche mich auf das zärtlichste empfing.
Dies Kommen und Gehen dauerte nun drei Monate auf gleiche Weise fort; ich konnte jedoch den Wunsch nicht unterdrücken, zu wissen, wen ich geheiratet hatte, und mich über den Reichtum, den Glanz und das zahlreiche Gefolge, wovon sie umgeben war, nicht genug wundern.
Endlich fand ich eine Gelegenheit, mit einer ihrer schwarzen Sklavinnen allein zu sein, und ich befragte sie über ihre Gebieterin. »Herr,« erwiderte sie, »die Geschichte meiner Gebieterin ist wundervoll; aber ich wage es nicht, sie zu erzählen, weil ich fürchte, sie möchte mich deshalb umbringen lassen.« Hierauf gab ich ihr die Versicherung, daß, wenn sie mir die Geschichte erzählte, niemand sie von mir erfahren sollte; ich bekräftigte diese Versicherung durch einen Eid, und sie begann wie folgt:
»Meine Gebieterin ging eines Tages in ein öffentliches Bad mit der Absicht, sich zu ergötzen, weshalb sie eine Menge seltenen und köstlichen Mundvorrats mitnahm, nach dem Bade einen Garten besuchte und dort einen trefflichen Imbiß zum besten gab. Hier erlustigte sie sich nun bis zum Abend und gab sodann Befehl, alles Nötige zur Heimkehr zu bereiten und die Überbleibsel des Imbisses an die Armen zu verteilen. Bei dieser Heimkehr kam sie durch die Straße, in welcher Ihr Euren Laden habt. Es war an einem Freitage, und Ihr saßet in Eurem besten Anzuge vor Eurer Tür mit einem Freunde, mit dem Ihr Euch unterhieltet. Sie sah Euch, und ihr Herz entbrannte in Liebe, was aber niemand bemerkte. Sie hatte jedoch kaum ihren Palast erreicht, als sie niedergeschlagen und schwermütig ward und keine Eßlust mehr hatte. Endlich legte sie sich zu Bette, aber sie konnte nicht einschlafen, verlor ihre Farbe und ward sehr schwach. Ihre Mutter ging deshalb, einen Arzt zu holen, damit er untersuchte, was die Ursache von der Krankheit ihrer Tochter wäre; aber sie begegnete unterwegs einer arzneikundigen Frau, mit welcher sie nach Hause zurückkehrte.
Nachdem die Frau der Kranken an den Puls gefühlt und sie um Verschiedenes befragt hatte, so merkte sie wohl, daß kein leibliches Übel sie krank machte, sondern ihre Krankheit Liebe wäre; sie scheute sich jedoch, ihren Verdacht vor der Mutter auszusprechen. Sie empfahl sich und sagte: »Mit Gottes Hilfe wirst du bald wieder hergestellt sein. Ich werde morgen wiederkommen und ein unfehlbares Heilmittel mitbringen.«
Sie nahm hierauf ihre Mutter beiseite und sagte zu ihr: »Teuerste Frau, zürne nicht über meine Bemerkung; aber deine Tochter leidet an keinem leiblichen Übel: sie ist verliebt und nur durch die Vereinigung mit dem Geliebten zu heilen.«
Sobald die alte Frau fort war, begab sich die Mutter zu ihrer Tochter, und nach zwanzig Tagen beständigen Leugnens und mit vieler Mühe (denn die Züchtigkeit meiner Gebieterin war verletzt) drang sie ihr eine Beschreibung Eurer Person und Eurer Wohnung ab, worauf sie sich gegen Euch auf die bewußte Weise benahm, Euch hierher brachte, und nun erfolgte, was Ihr wißt. – Das ist ihre Geschichte,« fuhr die schwarze Sklavin fort, »die Ihr niemand erzählen dürft.« – »Das werd' ich auch nicht,« erwiderte ich und fuhr hierauf fort, mit meiner Frau sehr glücklich zu leben, täglich meine Mutter zu besuchen, mich in meinem Laden zu beschäftigen und abends wie gewöhnlich, von meiner Schwiegermutter geleitet, heimzukehren.
Als ich nach Verlauf mehrerer Monate eines Tages in meinem Laden saß, kam ein junges Mädchen die Straße herauf, welches das aus Juwelen und Perlen verfertigte Abbild eines Hahnes trug. Sie bot es den Kaufleuten zum Kauf an. Diese stiegen in ihrem Gebote von fünfhundert bis zu neunhundertundfünfzig Dinaren, was ich alles stillschweigend beobachtete und weder mitbot, noch sonst etwas sprach.
Endlich kam das Mädchen an mich heran und sagte: »Herr, alle diese Kaufleute haben sich um den Besitz meines kostbaren Spielzeuges überboten, nur Ihr habt weder geboten, noch Euch sonst um mich bekümmert.« – »Ich kann das Spielzeug nicht brauchen,« versetzte ich. »Ei,« rief sie aus, »Ihr müßt doch etwas mehr als die anderen darauf bieten.« – »Wenn ich muß,« erwiderte ich, »nun so will ich fünfzig Dinare mehr geben, was grade tausend beträgt.«
Sie nahm das Gebot an, und ich ging in meinen Laden, um das Geld zu holen, indem ich beschloß, den Hahn meiner Frau zu schenken in der Voraussetzung, daß ihr dieses Geschenk Vergnügen machen würde.
Als ich dem Mädchen das Geld bezahlen wollte, weigerte sie sich, es zu nehmen, und sagte, sie verlangte nichts für das Kleinod als die Erlaubnis, mich auf die Wange küssen zu dürfen. Ich dachte bei mir selbst: »Ein einziger Kuß auf die Wange ist ein geringer Preis für den Wert von tausend Dinaren,« und ich willigte ein, worauf sie auf mich zukam und mir einen Kuß gab, aber zu gleicher Zeit mich heftig biß, das Kleinod zurückließ und sich eilig davonmachte.
Am Abend begab ich mich in das Haus meiner Gattin und fand die alte Frau wie gewöhnlich an dem bestimmten Platze. Sie verband mich mit dem Schnupftuch und band es mir wieder ab, als wir zu Hause waren. Ich fand meine Frau auf ihrem goldenen Sessel sitzend, aber in Scharlach gekleidet und mit verdrießlichem Gesichte, worauf ich zu mir selbst sagte: »Gott gebe, daß alles glücklich enden möge!«
Ich nahte mich ihr, zog das mit Rubinen und Diamanten besetzte Kleinod hervor (wähnend, daß bei seinem Anblick ihre üble Laune schwinden würde) und sagte: »Meine Liebe, nimm dies, es ist hübsch, und ich habe es für dich gekauft.«
Sie nahm es in die Hand, besah es von allen Seiten und rief aus: »Hast du das wirklich für mich gekauft?« – »Beim Himmel,« versetzte ich, »ich kaufte es dir zuliebe um tausend Dinare.« Hierauf sah sie mich zürnend an und sagte: »Was bedeutet die Wunde auf deiner Wange?« Ich wollte vor Verwirrung vergehen.
Während ich in diesem Zustande war, rief sie ihre Dienerinnen, welche sogleich die Treppe herabkamen, die hauptlose Leiche eines jungen Mädchens tragend, deren Haupt sie auf die Mitte des Rumpfes legten. Ich erkannte es als das Haupt des Mädchens, das mir das Kleinod für einen Kuß auf die Wange verkauft und mich gebissen hatte. Meine Frau rief nun aus: »Ich brauche solche Spielereien nicht; denn ich besitze deren genug: aber ich wollte wissen, ob du deinem mir gegebenen Versprechen, dich mit keinem anderen Weibe außer mir in Liebkosungen einzulassen, treu bleiben würdest, und deshalb sandte ich das Mädchen, um dich in Versuchung zu führen. Da du dein Versprechen gebrochen hast, so geh und kehre nimmer wieder.«
Als meine Frau zu reden aufgehört hatte, nahm mich meine Schwiegermutter bei der Hand, verband mir mit dem Tuche die Augen, führte mich an den gewöhnlichen Ort und sagte zu mir: »Geh!« und verschwand.
Ich war über die seltsame Geschichte und den Verlust meiner Frau so betrübt, daß ich gleich einem Wahnsinnigen durch die Straßen rannte und ausrief: »Ach wie viel Schönheit, wie viel Zierlichkeit besaß sie doch!«, worauf das Volk, welches mich für wahrhaft toll hielt, mich in dieses Hospital brachte und mich, wie Ihr seht, in Bande legte.«
Als der Sultan die Geschichte dieses jungen Mannes gehört hatte, war er sehr bewegt, neigte einige Augenblicke sein Haupt gedankenvoll und sagte dann zu dem Wesir: »Beim Allah, der mir die Herrschaft anvertraut hat, wenn du die Frau, die diesen jungen Mann geheiratet hat, nicht ausfindig machst, soll dein Haupt verfallen sein.«
Der Wesir war bestürzt, faßte sich jedoch und bat um eine Frist von drei Tagen, welche der Sultan ihm bewilligte.
Der Wesir nahm den jungen Mann mit sich, und sie suchten zwei Tage lang das Haus vergebens. Endlich fragte er ihn, ob er wohl den Fleck erkennen würde, wo ihm das Tuch umgebunden, und den Torweg, wo es ihm abgebunden worden, was der junge Mann beides bejahte. Er führte den Minister auf die Straße, wo er verbunden worden war, und sie erreichten einen Torweg, an welchen der Wesir anpochte. Die Dienerinnen öffneten, und da sie den Wesir kannten und den jungen Mann an seiner Seite sahen, erschraken sie und eilten, ihrer Gebieterin zu melden, wer da wäre.
Diese wünschte die Befehle des Wesirs zu erfahren, der sie wissen ließ, daß der Sultan ihre Versöhnung mit ihrem Gatten wünschte. »Da der Sultan befiehlt,« sagte sie, »so ist es meine Schuldigkeit, zu gehorchen.« Der junge Mann wurde aufs neue mit seiner Frau verbunden, welche die Tochter eines früheren Sultans von Kairo war.
Das waren die Abenteuer des jungen Mannes, welchen der Sultan und der Wesir im Hospital lesend fanden. Folgendes ist nun die Geschichte des jungen Mannes, der jenem zuhörte, und der sie dem Sultan auf Verlangen erzählte.