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Der arme Biribinker glaubte beym ersten Anblick, daß er zu einem Hexen-Sabbath gekommen sey, und er würde unfehlbar vor Abscheu in Ohnmacht gefallen seyn, wenn er nicht zu gleicher Zeit vor Lachen über so poßierliche Figuren hätte bersten mögen. Diese schönen Nymphen, die in der That nichts geringers als junge Gnomiden waren, von denen die jüngste kaum achtzig Jahre haben mochte, wurden seiner kaum gewahr, so eilten sie alle auf ihn zu, so schnell als es ihre krummen Beine zuliessen. Sie kommen eben recht, Prinz Biribinker, rief ihm eine von den häßlichsten entgegen, einen Streit zu entscheiden, worüber wir einander bey nahe in die Haare gekommen wären. Sie zancken sich doch nicht, hoffe ich, welche unter ihnen die schönste sey? sagte Biribinker. Und warum nicht? erwiederte die Gnomide; sie haben es ersten Streichs errathen. Aber dencken sie nur, mein schöner Prinz, nachdem ich es würklich schon dahin gebracht habe, daß mir alle übrige den Vorzug eingestehen, so untersteht sich dieses Fratzen-Gesicht, diese kleine Pagode hier, mir den goldnen Apfel noch streitig zu machen. O! mein angenehmster junger Prinz, schrie die Angeklagte, indem sie ihn in die Waden kneipte, welches vermuthlich, ihrer Absicht nach, eine Liebkosung seyn sollte; ich darf es kühnlich auf ihr Urtheil ankommen lassen. Sehen sie uns beyde nur recht an, betrachten sie uns Stück vor Stück, und thun sie den Ausspruch nach ihrem Gewissen, wofern ich mir zu viel schmeichlen würde, wenn ich sagte nach ihrem Herzen. Begreiffen sie, Prinz Biribinker, sagte die erste, wie man die Unverschämtheit so weit treiben kan? Fürs erste, so ist sie kaum eines Daumens Breite kleiner als ich, und sie werden gestehen, daß das keinen Unterscheid macht; was ihren Buckel betrift, so hoffe ich, der meinige darf sich noch immer neben dem ihren sehen lassen, und meine Füsse sind, wie sie sehen, immer so breit und wohl um zwey gute Mannsdaumen länger als die ihrige. Ich weiß wohl, daß sie sich sehr viel auf den Umfang und die Schwärze ihres Busens zu gut thut, aber sie werden doch bekennen müssen, fuhr sie fort, indem sie ihr Halstuch abnahm, daß der meinige, wo nicht völlig so ansehnlich, doch ungleich schwärzer ist als der ihrige. Mag er doch! rief die andere, einen so kleinen Vorzug kan ich dir leicht eingestehen, da ich in allen andern Stücken den Vortheil über dich habe.
Sie lachen, mein liebster Prinz Biribinker, und es kan in der That nichts lächerlicher seyn, als die Eitelkeit dieser Meerkatze hier. Ich schäme mich, daß ich genöthiget seyn soll, mich selbst zu loben, aber sehen sie einmal, um wie viel meine Beine krümmer und stumpichter sind als die ihrigen? Ich will von allem übrigen nichts sagen; man müßte nur blind seyn, wenn man nicht beym ersten Anblick sehen sollte, daß meine Augen kleiner und matter sind als die ihrigen, daß meine Backen um die Helfte aufgedunsener sind, und meine Unter-Lippe viel weiter herunter hangt; auch nichts von der ungleich grössern Länge meiner Ohren zu gedencken, und daß ich wenigstens fünf oder sechs Warzen mehr im Gesicht habe als sie, und daß die Haare an den meinigen länger sind; wir wollen auf einen Augenblick das alles beyseite setzen, und nur von der Nase reden. Es ist wahr, die ihrige ist eine von den grösten, die man sehen mag, und man könnte in Versuchung gerathen, sie die Schönste zu nennen, wenn man die meinige nicht gesehen hat: Aber man braucht ja keinen Maaßstab, um zu finden, daß meine Nase wenigstens einer halben Spanne lang weiter über den Mund herab hängt als die ihrige. Die Schamhaftigkeit erlaubt mir nicht, setzte sie mit einem entsetzlich zärtlichen Blick hinzu, von andern Schönheiten zu reden, die nur einem glücklichen Liebhaber sichtbar werden dürfen; aber sie können versichert seyn, daß ich in diesem Stück nicht weniger Ursache habe, mich der Freygebigkeit der Natur zu berühmen, als in Absicht dessen, was ihnen in die Augen fällt, und ich hoffe – – Mademoiselle, rief Biribinker, so bald er vor Lachen reden konnte; ich unterstehe mich eben nicht, mich für einen Kenner auszugeben; aber in der That, es kan ihrer Freundin nicht Ernst seyn, wenn sie sich, was die Schönheit betrift, mit ihnen in einen Wettstreit einlassen will; der Vorzug, den sie in diesem Stück haben, ist augenscheinlich, und es ist unmöglich, daß der gute Geschmack der Herren Gnomen ihnen hierüber nicht vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte.
Die erste Gnomide schien durch diese Entscheidung nicht wenig beleidiget zu seyn, allein Biribinker, der vor Ungedult brannte, die schöne Salamandrin zu sehen, bekümmerte sich wenig um alles, was sie zwischen ihren langen Zähnen murmelte, und zog sich wieder zurück, nachdem er der ganzen liebreitzenden Gesellschaft eine gute Nacht gewünscht hatte. Statt der Antwort schickten sie ihm ein lautes Gelächter nach, um dessen Bedeutung er sich wenig bekümmerte, da er jetzo den Pallast vor sich stehen sahe, dessen unbegreifliche Schönheit seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Nachdem er ihn eine geraume Weile voller Bewunderung betrachtet hatte, sahe er, daß die beyden Flügel der Pforte sich aufthaten. Er konnte dieses nicht anders als für ein Zeichen ansehen, daß seine Unternehmung mit dem glücklichsten Ausgang bekrönt werden würde. Er gieng also mit hofnungsvollem Muth hinein, und befand sich, nachdem er eine Treppe hinauf gestiegen war, in einem grossen Vorsaal, aus dem er in eine Reyhe von Zimmern kam, von deren Schimmer er, ungeachtet der Veränderung, die das Feuer-Bad in seiner Natur hervor gebracht hatte, fast verblendet wurde.
Allein so mannigfaltig und ausserordentlich alle die schönen Dinge waren, die von allen Seiten seinen Augen entgegen strahlten, so vergaß er doch alles andere über den Gemählden einer unvergleichlich schönen jungen Salamandrin, womit alle diese Zimmer behangen waren. Er zweifelte nicht, daß es die Geliebte des alten Padmanaba seyn werde, und diese Copien, worein sie in allen nur ersinnlichen Stellungen, Anzügen und Gesichtspuncten, bald wachend, bald schlafend, bald als Diana, bald als Venus, Hebe, Flora, oder eine andere Göttin vorgestellt war, gaben ihm eine solche Idee von dem Urbilde, daß er bey der blossen Erwartung seiner bevorstehenden Glückseligkeit vor Entzückung und Wonne hätte zerfliessen mögen. Ins besondere konnte er nicht satt werden, eine grosse Tafel anzuschauen, worinn sie in einem Bade von Flammen saß, von Liebesgöttern bedient, die durch das Anschauen ihrer überirrdischen Schönheit ausser sich selbst gesetzt schienen. Biribinker wußte nicht, ob er die Schönheit des Gegenstands, oder die Kunst der Mahlerey am meisten bewundern sollte, und mußte sich selbst gestehen, daß Titian und Guido gegen die Salamandrischen Mahler in Absicht der Colorit nur Sudler seyen. Der Eindruck, den dieses Gemählde auf ihn machte, war so lebhaft, daß er mit äusserster Ungedult diejenige zu sehen wünschte, die in einem leblosen Nachbilde schon so unwiderstehliche Begierden einflößte. Er durchsuchte also eine Menge von Zimmern, ohne daß er jemand fand, er durchsuchte den ganzen Pallast von oben bis unten, und wiederholte es zwey oder dreymal; aber da war keine Seele zu hören noch zu sehen. Endlich ward er einer halb geöfneten Thüre gewahr, die in den ausserordentlichsten Lustgarten führte, den er jemals gesehen hatte. Alle Bäume, Gewächse und Blumen, Alleen, Lauben und Springbrunnen in diesem Garten waren von lauterm Feuer, jedes brannte in seiner natürlichen Farbe, mit einem eben so anmuthigen als durchdringenden Glanz, und die Würkung, die das Ganze machte, übertraf in der That alles, was sich die Einbildungs-Kraft prächtiges vorstellen kan.
Biribinker warf nur einen flüchtigen Blick auf dieses majestätische Schauspiel, denn er gewahrte am Ende des Gartens einen Pavillion, in welchem er seine schöne Salamandrin zu finden hofte. Er flog dahin, und die Thüre öfnete sich abermal von selbst, um ihn durch einen grossen Saal in ein Cabinet einzulassen, wo er niemand sah als einen Greisen von majestätischem Ansehen, mit einem langen schneeweissen Bart, der auf einem Ruhebette in tiefem Schlafe zu liegen schien. Er zweifelte nicht, daß es der alte Padmanaba sey, und ob er gleich versichert war, daß er keine Gewaltthätigkeit von ihm zu besorgen hatte, so konnte er sich doch nicht erwehren, ein wenig zu zittern, da er sich, mit den Absichten, die er hatte, so nah bey diesem Zauberer und an einem Orte sah, wo alles demselben zu Gebot stund. Doch der Gedanke, daß ihn das Schicksal nun einmal dazu ausersehen habe, die Bezauberungen des Padmanaba zu zerstören, und das Verlangen, die schöne Salamandrin zu sehen, gaben ihm in wenig Augenblicken seinen ganzen Muth wieder. Er war im Begriff sich dem Ruhebette zu nähern, um sich eines Säbels zu bemächtigen, der neben dem Alten auf einem Küssen lag, als er merkte, daß er mit dem Fuß an etwas stieß, ob er gleich nicht sahe, was es seyn könnte. Er stutzte, und da er die Hände zu Hülfe nahm, so fühlte er den artigsten kleinen Fuß, der je gewesen ist, auf einem Polster ausgestreckt. Eine so unverhofte Entdeckung machte ihn neugierig, das Bein kennen zu lernen, dem ein so artiger Fuß zugehörte, denn Biribinker schloß in diesem Falle wie Sanct Thomas von Aquino selbst geschlossen haben würde, nehmlich, daß, wo man einen Fuß finde, man nach dem ordentlichen Lauf der Natur berechtigst sey ein Bein zu erwarten. Er setzte also seine Beobachtungen fort, und entdeckte endlich von Schönheit zu Schönheit in der unsichtbaren Figur, die er vor sich hatte, ein junges Frauenzimmer, die in einem tiefen Schlaf versenkt zu seyn schien, und (nach dem Zeugniß des einzigen Sinnes, der ihm ihr Daseyn verrathen hatte, zu urtheilen) von einer so vollkommenen Schönheit war, daß sie nichts geringers als entweder Venus oder die schöne Salamandrin selbst seyn konnte. In dem nehmlichen Augenblick, da er diese Entdeckung machte, ließ sich eine muntere Symphonie von allen möglichen Instrumenten hören, ohne daß man weder Instrumente noch Musicanten sah.
Biribinker erschrack und bebte von der schönen Unsichtbaren zurück, denn sein erster Gedancke war, daß dieses Getöse den schlafenden Zauberer aufwecken würde; aber er entsetzte sich noch weit mehr, da er sah, daß Padmanaba verschwunden war.
Dieser Zauberer war alt genug um klug zu seyn; er wußte schon lange, wie gefährlich ihm Biribinker einst seyn würde, und die Furcht vor einem Prinzen, der dazu gebohren schien, seine Bezauberungen aufzulösen, war der stärkste Beweggrund gewesen, warum er seine Residenz in des Wallfisches Bauch aufgeschlagen hatte. Allein auch in dieser Freystatt hielt er sich und seine schöne Salamandrin, die nun der einzige Gegenstand seiner Sorgen war, nicht für sicher genug; und da ihm eine geheime Ahnung vorher sagte, daß ihn Biribinker bis in des Wallfisches Bauch verfolgen würde, so glaubte er nicht genug Vorsicht gebrauchen zu können, um das Unglück zu verhüten, womit ihn die überraschende Erscheinung eines so furchtbaren Gegners bedräute. In dieser Absicht hatte er seine Geliebte mit einem geheimnisvollen Talisman bewafnet, der die gedoppelte Eigenschaft hatte, sie allen andern Augen als den seinigen unsichtbar zu machen, und so bald er berührt wurde, eine zauberische Musik hervor zu bringen. Käme auch Biribinker, (dachte der alte Padmanaba) aller Schwierigkeiten ungeachtet, in den Bauch des Wallfisches, ja selbst in den unsichtbaren Pallast, so würde ihm doch die schöne Salamandrin unsichtbar seyn; und entdeckte er sie auch, trotz ihrer Unsichtbarkeit, so würde doch, so bald er den Talisman berührte, das musicalische Getöse sein Daseyn verrathen, und ihn Padmanaba noch zeitig genug in den Stand setzen, seinem Unstern zuvor zu kommen. Diese Vorsicht war desto nöthiger, da der gute Alte seit mehrern Jahren mit einer Art von Schlafsucht behaftet war, die ihn nöthigte, alle Tage wenigstens sechszehen Stunden von vier und zwanzig zu verschlafen. Das geringe Zutrauen, das ihm seine vorige Liebste zu ihrem ganzen Geschlecht übrig gelassen hatte, bewog ihn, die schöne Salamandrin während der ganzen Zeit seines Schlummers in einen bezauberten Schlaf zu versenken, aus welchem niemand als er sie erwecken konnte. Der einzige Biribinker würde unter gewissen Umständen und Bedingungen, die nehmliche Macht gehabt haben, und Padmanaba, (so wollt es das Schicksal!) würde in eben demselben Augenblick die seinige, wenigstens über die schöne Salamandrin gänzlich verlohren haben; und da alles dieses während daß der Alte schlief, gar leicht hätte begegnen können, so hatte er den Talisman, der ihn erwecken sollte, so weißlich angebracht, daß Biribinker, (in so fern man ihm auch nur eine mittelmäßige Neugierigkeit zutrauen konnte) ihn nothwendig finden mußte.
Hier konnte Don Sylvio sich nicht enthalten die Erzählung des Don Gabriel zu unterbrechen, indem er ihn ersuchte, sich über den Umstand mit dem Talisman etwas deutlicher zu erklären; ich finde sie, wider ihre Gewohnheit, eine Weile her etwas dunkel, (setzte er hinzu) und ich gestehe ihnen, daß ich von allem, was sie bey Gelegenheit der Erwachung des alten Padmanaba sagten, kaum die Helfte verstanden habe. Die ganze Gesellschaft, selbst die schöne Hyacinthe nicht ausgenommen, lächelte über diese Anmerkung, und Don Gabriel wußte sich nicht anders zu helfen, als daß die Dunkelheit, worüber Don Sylvio sich beklagte, in der Sache selbst liege, und daß überhaupt wenige Feen-Geschichten gefunden werden, welche durchaus so deutlich und begreiflich seyen, als es zu wünschen wäre. Weil nun Don Sylvio sich mit dieser Entschuldigung zu begnügen schien, so fuhr Don Gabriel in seiner Erzählung also fort:
Kaum hatte Biribinker, in dem nehmlichen Augenblick, da er entdeckte, daß der schöne Fuß (der zu diesem Abentheuer Anlaß gegeben) einem eben so schönen jungen Frauenzimmer zugehöre, den fatalen Talisman berührt, so fieng, wie schon gemeldet worden, der Talisman zu musiciren an, und Padmanaba erwachte. Er warf, wie leicht zu erachten ist, keinen sehr freundlichen Blick auf unsern Prinzen; allein, da er mit Gewalt nichts gegen ihm vermochte, so blieb ihm nichts übrig, als sich auf der Stelle unsichtbar zu machen, und mit aller nur möglichen Eilfertigkeit auf die Verhinderung des Vorhabens bedacht zu seyn, welches er, ohne in einem übertriebenen Grad argwönisch zu seyn, bey Biribinker voraus setzen konnte.