Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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Viertes Capitel.

Die Gesellschaft langt in einem Wirthshauß an.

Weil die Reise ziemlich langsam gieng, so war es bey nahe zehen Uhr, wie sie in einem Wirthshauß anlangten, wo sie ausser einer guten Anzahl leerer Gemächer nicht die geringste Bequemlichkeit antrafen.

Es war ein Vortheil für unsere Gesellschaft, daß die Haupt-Personen mehr der Ruhe als des Essens benöthigt waren, denn der Wirth hatte für alles, was man verlangte, eine Entschuldigung fertig; das Wildpret war gestern ausgegangen, frisches Fleisch sollte er Morgen bekommen, seine Tauben hätte der Stoßvogel gehohlt, und erst diese Nacht hatte ein kleiner Teufel von einem Marder seinen ganzen Hünerstall entvölkert, allein bis Morgen Mittag hofte er so vornehme Gäste besser zu bedienen; denn sein Wirthshauß hatte das Glück, häuffig von grossen Herren besucht zu werden, und nur erst vorgestern hatten sie den Grafen von Leyva, und verwichnen Montag die verwittibte Herzogin von Medina-Sidonia mit einem grossen Gefolge von Damen und Cavaliers gehabt.

In diesem Ton würde es noch lange fortgegangen seyn, wenn ihm jemand hätte zuhören wollen. Allein da die Dame Teresilla, der Kammerdiener und Pedrillo mit ihren Herrschaften, und diese mit sich selbst zu thun hatten, so mußte er sichs gefallen lassen, mitten in dem Mittagessen der Herzogin von Medina-Sidonia, welches er ihren Ohren auftrug, abzubrechen, und zog sich endlich mit vielen Complimenten und Verbeugungen in den Stall zurück, um dafür zu sorgen, daß die Pferde und Maulthiere eben so gut bedient werden möchten, als ihre Herren.

Donna Hyacinthe, welche sich nicht völlig wohl befand, beurlaubte sich von ihren Beschützern, nachdem sie ihnen, und besonders unserm Helden, für die Großmuth, womit sie ihr Leben für sie gewaget, auf eine sehr einnehmende Art gedankt hatte.

Don Sylvio begleitete den Don Eugenio und seinen Freund in ihr Zimmer, um der Verbindung ihrer Wunden beizuwohnen, und bediente sich des Vorwands, daß die Ruhe das beste Heil-Mittel für sie seyn werde, um ihnen bald darauf eine gute Nacht zu wünschen.

Diese beyde junge Herren, und besonders Don Gabriel hatten sich so viel als der Wohlstand erlaubte, bemühet, ihn zu Entdeckung seines Namens und Standes zu veranlassen, ohne etwas anders als abgebrochene und geheimnisvolle Aeusserungen von ihm zu erhalten, wodurch sie in den Gedanken ziemlich bestättiget wurden, daß er eine Art von Abentheurer seyn könnte. Auf der andern Seite hingegen wurden sie durch seine Schönheit, das edle Ansehen seiner Person, seine Tapferkeit und die Höflichkeit seines Betragens desto stärker zu seinem Vortheil eingenommen, da es leicht zu bemerken war, daß er alle diese Vorzüge der Natur allein zu danken hatte. Denn ob er gleich diejenige Art von Höflichkeit besaß, die von dem conventionellen Wohlstand unabhängig ist und daher bey allen Nationen dafür erkannt wird, weil sie bloß in dem Ausdruck einer leutseligen Gemüthsart und in der Verbindung einer gewissen Achtung gegen uns selbst mit derjenigen, die wir andern schuldig sind, besteht: So fehlte es doch seinen Manieren gänzlich an dem Ton, der damals unter derjenigen Art von Leuten, die man die gute Gesellschaft nennt, in den vornehmsten Städten von Spanien herrschte. Eben dieses fiel auch in seiner Kleidung und in seinem Putz in die Augen, und insonderheit machte das grosse Schlachtschwerdt, das an seiner Seite hieng, mit seinem übrigen Ansehen einen so lächerlichen Absatz, daß man nicht wußte, was man davon denken sollte.

Indessen nun, daß die beyden Ritter ihre Neugier auf den folgenden Tag vertrösteten, erfreute sich Don Sylvio seines Orts nicht wenig, daß er glücklich genug gewesen war, einer von den liebenswürdigsten Princeßinnen in der Welt, und einem jungen Prinzen oder Ritter, der ihrer vollkommen würdig zu seyn schien, Dienste zu leisten; und da er nicht zweifelte, daß sich irgend eine grosse Fee ihres Schicksals annehmen werde, so hofte er, diese neue Bekanntschaft könnte vielleicht in der Folge einen günstigen Einfluß in seine eigene Angelegenheiten haben. Diese lagen ihm zu nah am Herzen, als daß er sich lange mit andern Betrachtungen hätte beschäftigen können; das Bild seiner geliebten Princeßin, ihre klägliche Verwandlung, die Nachstellungen der Fee Fanferlüsch, kurz, alles was ihm seit einigen Tagen begegnet war, bemächtigte sich also wieder seiner ganzen Einbildungskraft, und nachdem er sich ein paar schlaflose Stunden durch seinen gewöhnlichen Träumereyen überlassen, und das Schicksal seiner unglücklichen Princeßin und sein eigenes aufs wehmüthigste beklagt hatte, schlummerte er endlich in den frohen Aussichten ein, die eine geheime Ahnung ihm näher vorstellte, als ers zu glauben Ursach hatte.


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