Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Eilftes Capitel.

Ein Gespräch zwischen Pedrillo und seinem Herrn. Zurüstungen zu der beschlossenen Wanderschaft.

Pedrillo hatte seinem Herrn mit grossem Vergnügen zugehört, indem er die Geschichte von der Fee, und von der Princeßin und vom grünen Zwerg erzählte, denn er war ein ungemeiner Liebhaber von Mährchen und Wunder-Geschichten. Allein da er hörte, daß Don Sylvio Ernst daraus machte, und daß es darum zu thun sey in der Welt herum zu ziehen, um einen blauen Sommer-Vogel aufzusuchen, so wollte ihm die Sache nicht recht einleuchten. Er kratzte hinter den Ohren, zuckte die Achseln, und sagte endlich nach einigem Zaudern:

Bey meinem Leben, Herr Don Sylvio, ich weiß nicht was ich sagen soll, aber mir däucht, daß ihr das alles eben so gut hättet träumen können als etwas anders; und wenn ich nicht wißte, daß ihr das ehrlichste Gemüth auf der Welt seyd, so möchte einer, GOtt verzeyh mirs, fast denken – – – –

Wie? fiel ihm Don Sylvio ein, zweifelst du etwan an der Wahrheit meiner Erzählung?

Nein wahrhaftig, versetzte Pedrillo, daran zweifle ich im geringsten nicht; aber die feurige Kugel und der Frosch, der eine Fee ist, und der grüne Zwerg, der sich in die Princeßin verliebte, und der Sommer-Vogel, den ihr heurathen, und in eine schöne Princeßin verwandeln sollt, und der Zahnstocher – – Wenn ich euch die Wahrheit gestehen soll, Herr, aber ihr müßt es nicht übel nehmen, seht ihr, so glaub ich, daß euch alles dieses nur im Traum so vorgekommen ist; man träumet oft gar wunderliche Dinge; zum Exempel, mir träumte letzthin – – – –

Wahrhaftig, rief Don Sylvio, dem die Gedult ausgieng, ich habe jetzt nichts zu thun als deine Träume anzuhören. Sage mir, du unvernünftiges Thier, wenn es ein Traum gewesen ist, daß ich die Fee Radiante gesehen habe, und daß sie mir gesagt hat was ich thun soll, um meine unvergleichliche Princeßin zu finden; ist es auch ein Traum, daß ich ihr Bildniß an meinem Halse trage?

Mit diesen Worten nahm er das Kleinod, drückte die Feder, und zeigte dem Pedrillo das kleine Bildniß, welches unter dem grossen Diamant verborgen lag.

Pedrillo machte grosse Augen, indem er das Bild eines Frauenzimmers sah, das, wie ihn däuchte, tausendmal schöner war als die Frau Beatrix selbst.

Beym Sanct Velten, rief er, nun sag' ich kein Wort mehr; so ist das die Princeßin, die euch die Fee Radicante versprochen hat, und die in einen blauen Schmetterling verwandelt ist? Nun muß ichs freylich wohl glauben, daß alles die Wahrheit ist, was ihr mir erzählt habt; wahrhaftig, wenn ich sie nicht mit meinen eignen Augen sähe, so hätt ichs nicht geglaubt. Das ist wunderbar! Aber von wem könntet ihr es auch sonst haben als von einer Fee? denn ich wollte meinen Kopf wetten, daß der kleinste dieser Steine wohl zehen Bauren-Höfe werth ist. Aber ich habe oft gelesen, daß solche Sachen bey den Feen nur Kleinigkeiten sind; bey ihnen sind die Diamanten so gemein wie die Gassensteine, und ich bin versichert, daß die Frau Rademante an ihrem Nachtgeschirr grössere Edelsteine hat als die Königin, welche GOtt erhalten wolle, an ihrem Halsbande. Beym Element, solche Sachen findt man nicht im Schlaf; ihr müßt also wohl gewacht haben, und wenn ihr gewacht habt, so habt ihr nicht träumen können, wie ich sagte, und so muß es wohl wahr seyn, daß die Princeßin ein Sommer-Vogel ist. Laßt sie mich doch noch einmal sehen – – Meiner Treu, das ist doch recht hübsch! Wie freundlich sie einen ansieht? Wenn einer nicht wüßte, daß es nur gemahlt wäre, so meynte man, es werde gleich den Mund aufthun und reden. Der Henker hohle die verfluchten Unholden, die so unbarmherzig seyn konnten, ein so hübsches kleines Gesichtgen in ein Unziefer zu verwandeln! Wahrhaftig, Herr Bremsen-Reiter, solche schöne Princeßinnen macht man nur gleich für deines gleichen, daß dich die Kränke! du Mistfinke, du! Meynst du, weil sie so klein ist, daß ein Mückenflügel ihr ganzes Gesichtgen verdecken könnte, so sey sie nur gleich für einen krummbeinichten, buckligen, grünen Heuströffel gewachsen, wie du bist?

Dummer Junge, fiel ihm Sylvio ein, ich glaube, du bildest dir gar ein, die Princeßin sey nicht grösser als sie in diesem Bildniß ist? Sie ist hier nur so klein gemahlt, weil es die Kleinheit des Raums nicht anders zuließ, aber das verhindert nicht, daß sie nicht zum wenigsten so groß sey als die Diana, oder die schöne Alie, welche gewiß nicht die kleinste gewesen seyn muß, da ein so grosser Riese als Moulineau war, sie mit Gewalt zur Frau haben wollte; und gesetzt auch, daß sie etwas kleiner wäre, so wäre sie nur dadurch den Gratien desto ähnlicher, welche von den Poeten und Mahlern kleiner vorgestellt werden als andre Göttinnen, um die Anmuth und Lieblichkeit dadurch auszudrücken, um derentwillen sie die Ehre verdienen, die Gespielen und Aufwärterinnen der Göttin der Liebe zu seyn.

Das ist auch nur billig, versetzte Pedrillo, denn man sagt im Sprüchwort, was klein ist, das ist artig, und wenn auch gleich die Princeßin nicht grösser wäre als eine Pariser-Puppe, so wollt ich doch wetten, daß sie das drolligste kleine Ding ist, das man nur an einem Sommer-Tag sehen mag. Pedrillo, mein Freund, fiel ihm Don Sylvio ein, wir verderben hier die Zeit mit unnützem Geschwätz, indessen daß meine Geliebte vielleicht in Gefahr ist – – – –

Bey meiner Treu, Herr, unterbrach ihn der voreilige Pedrillo, das wollt ich eben sagen; für eine so schöne Princeßin könnte auch nichts verdrießlichers seyn, als daß sie keinen Augenblick sicher ist, wenn irgend eine verfluchte Dohle oder Krähe daher kommt, und sie ihren Jungen zum Futter wegschnapt, Sapperment, sie würden sie gewiß so gut aufschnabuliren, als ob sie nur ein gemeines Unziefer und nicht eine grosse Princeßin wäre, wie ich nun selbst glaube, daß sie ist, seit dem ich ihr Bildniß gesehen habe.

Was du da sagst, erwiederte Sylvio, macht mir keinen Kummer, ich verlasse mich deßhalb vollkommen auf den Schutz der Fee Radiante, allein wenn dieser Schutz mehr als hinlänglich ist, sie gegen alle Dohlen und Krähen der Welt sicher zu stellen, so ist er es doch nicht gegen die Nachstellungen der boshaften Fanferlüsch; denn du hast gehört, daß die Entzauberung des blauen Sommer-Vogels für mich allein vorbehalten ist. Was meynst du, Pedrillo, wär' es nicht am besten, wenn wir uns jetzt gleich auf den Weg machten, da meine Tante nicht zu Hause ist? Wir sind hier alle bey einander, ich und du und Pimpimp; wir wollen gehen und die Princeßin suchen, sie mag auch seyn wo sie will; für das übrige wird die Fee sorgen.

Ihr seyd sehr eilfertig, Gnädiger Herr, erwiederte Pedrillo, aber mir däucht, ihr denkt nicht daran, daß man auf Reisen allerhand Dinge braucht, mit denen man auf den Nothfall versehen seyn muß – – – –

Und mir däucht, unterbrach ihn Don Sylvio, du weißst nicht, was du sagst. Wo hast du jemals gehört oder gelesen, daß ein Prinz oder Ritter, der unter dem Schutz der Feen in der Welt herum reißt, eine solche Vorsicht gebraucht hätte? Sie haben allezeit schöne Kleider, feine Wäsche und Geld, so viel sie brauchen; sie übernachten insgemein in bezauberten Pallästen, wo sie aufs beste bewirthet werden, und wenn es auch begegnet, daß sie sich in Wäldern und Einöden verirren, so steht doch, eh sie sichs versehen, eine Tafel vor ihnen, die von unsichtbaren Händen gedeckt, und mit den niedlichsten Speisen besetzt wird, und sie schlafen in anmuthigen Grotten oder unter Lauben, die von den Nymphen gepflanzt worden, auf einem Lager von Blumen ein.

Das ist alles wohl hübsch und gut, sagte Pedrillo, aber, die Wahrheit zu sagen, Gnädiger Herr, ich möchte mich nicht gar zu sehr darauf verlassen. Man hat unter den Feen seine Freunde und seine Feinde, und ich habe wohl eher von Prinzen und Princeßinnen gelesen, die auf dergleichen Reisen mit guten Zähnen manchmal übel gebissen haben. Vorsicht schadet niemalen, pflegte meine Großmutter zu sagen, ein Sperling in der Hand ist besser als ein Hasel-Huhn im Busche; Kurz, wenn ihr euch rathen lassen wollt, Herr, so will ich gehen, und etwas Wäsche, und kalte Küche und etliche Flaschen Wein in einen Zwerch-Sack zusammen packen; sorget ihr für einen guten Beutel voll Realen, und wenn das geschehen ist, so wollen wir uns immerhin, weil es nun einmal so seyn muß, auf den Weg machen, und gebe der Himmel, daß wir weder blaue noch grüne Zwerge antreffen, die uns unsre Princeßin streitig machen.

Don Sylvio, welcher, seine Grillen ausgenommen, der beste Mensch von der Welt war, ließ sich von Pedrillo überreden, und gieng mit ihm in das Schloß zurück, nachdem er aus Furcht, den Vorwitz seiner Leute zu erregen, das Kleinod mit dem Bildniß der vermeynten Princeßin in seine Tasche gesteckt hatte. Ungeachtet seines Vertrauens auf die Feen, unterließ er doch nicht, indeß daß Pedrillo den Keller und die Speißkammer durchnisterte, sich etliche Ringe, die er von seinem Vater geerbt hatte, und seiner ganzen Baarschaft zu bemächtigen, welche sich, die Wahrheit zu gestehen, nicht über zehn oder zwölf Ducaten belief, in seinen Augen aber eine Summe war, mit der er sich unter dem Schutz der Radiante bis zu den Gegenfüßlern zu reisen getraute. Er zog sein feinstes Hemd mit Spitzen an, ein Wams von grünem Atlas mit schmalen goldnen Spitzen besetzt, und mit rosenfarbem Taffet gefüttert, rosenfarbe Beinkleider und Strümpfe, und der Federbusch auf dem Hut war von eben dieser Farbe. In diesem Aufzug, worinn er es mit allen Narcissen und Hyacinthen der Poeten hätte aufnehmen können, wartete er mit Ungedult auf seinen Reisegefährden, in der festen Entschliessung, sich noch vor der Wiederkunft seiner Tante heimlich davon zu machen.


 << zurück weiter >>