Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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O! machen sie nicht so viel Complimente, erwiederte die Fee, in den Umständen, worinn sich unsere Bekanntschaft anfängt, sind sie sehr überflüßig. Ich habe ihnen nichts geringere als mich selbst zu danken, und da wir nicht länger als diese Nacht beysammen bleiben werden, so müßte ich mir selbst Vorwürfe machen, wenn ich ihnen Anlaß gäbe, die Zeit mit Complimenten zu verderben. Ich weiß, daß sie der Ruhe bedürftig sind; sie sind schon ausgekleidet, legen sie sich immer zu Bette. Es ist zwar das einzige, das in diesen Gemächern ist, aber es steht ein Sopha in dem grossen Saal, auf dem ich die Nacht ganz bequem werde zubringen können.

Madame, versetzte der Prinz, ohne daß er selbst recht wußte, was er sagte, ich würde in diesem Augenblick – – der glücklichste unter allen Sterblichen seyn, wenn ich nicht – – der unglücklichste wäre. Ich muß ihnen gestehen, ich finde was ich nicht gesucht habe, indem ich suchte, was ich verlohren hatte, und wenn nicht der Schmerz, sie gefunden zu haben, die Freude meines Verlusts – – – – Nein, die Freude, wollt ich sagen, sie gefunden zu haben – – – –

Je nun, wahrhaftig, fiel ihm die Fee ins Wort, ich glaube sie schwärmen! Was wollen sie mir mit allem dem Galimathias sagen? Kommen sie, Prinz Biribinker, gestehen sie mir in guter Prosa, daß sie in ein Milchmädchen verliebt sind. – – – –

»Sie rathen so glücklich, sagte der Prinz, daß ich ihnen gestehen muß – – – –

O! daraus haben sie gar kein Bedenken zu machen, fuhr die Fee fort; und in ein Milchmädchen, das sie diesen Morgen in einer schlechten Hütte angetroffen haben, in einem Stall, was man sagen möchte. – – – –

»Aber, ich bitte sie, woher – – wie können sie – – – –

Und die auf einer Streu von Pomeranzen-Blühten im Begriff war eine himmelblaue Ziege in einen Kübel von Rubin zu melken – – nicht wahr?

Wahrhaftig! rief der Prinz, für eine Person, die vor einer Viertelstunde (nehmen sie mirs nicht ungnädig) noch – – ich will nicht sagen was? war, wissen sie erstaunlich viel – – – –

»Und die davon lief, so bald sie den Namen Biribinker hörte – – – –

Aber, ich bitte sie, Madame, woher können sie das alles wissen, da sie doch, wie sie sagen, schon zwey hundert Jahre in dem sonderbaren Stande gewesen sind, worinn ich die Ehre gehabt habe, sie so unverhoft kennen zu lernen.

Nicht so unverhoft auf meiner Seite als sie sich einbilden, antwortete die Fee; Aber heissen sie ihre Neugierigkeit noch einen Augenblick ruhen. Sie sind abgemattet, und haben den ganzen Tag nichts gegessen; kommen sie mit mir in den Saal, es ist schon für uns beyde gedeckt, und ich hoffe, ihre Treue gegen ihr schönes Milchmädchen werde ihnen doch erlauben, mir wenigstens bey Tische Gesellschaft zu leisten. Biribinker merkte den geheimen Verweiß sehr wohl, der in diesen Worten lag, er that aber nicht dergleichen, und begnügte sich mit einem tiefen Reverenz ihr in den Speißsaal zu folgen.

So bald sie hinein gekommen waren, gieng die schöne Cristalline, (so hieß die Fee) zum Camin, und bemächtigte sich eines kleinen Stabs von Ebenholz, an dessen beyden Enden ein diamantner Talisman befestiget war. Nun habe ich nichts weiter zu besorgen, sagte sie, setzen sie sich, Prinz Biribinker; ich bin nun Meisterin von diesem Palast und von vierzig tausend elementarischen Geistern, die der grosse Zauberer, der ihn vor fünf hundert Jahren erbaute, zum Dienst desselben bestimmt hat.

Mit diesen Worten schlug sie dreymal an den Tisch, und in dreyen Augenblicken sahe Biribinker mit Erstaunen, daß er mit den niedlichsten Speisen besetzt war, und daß die Flaschen auf dem Schenktisch sich von selbst mit Wein anfüllten.

Ich weiß, sagte die Fee zum Prinzen, daß sie nichts als Honig essen; versuchen sie einmal von diesem hier, und sagen sie mir, ob sie jemals dergleichen gekostet haben. Der Prinz aß davon und schwur, daß es nichts geringers als das Ambrosia der Götter seyn könne. Er wird, sagte sie, aus den reinsten Düften der unverwelcklichen Blumen bereitet, die in den Gärten der Sylphen blühen. Und was sagen sie zu diesem Wein, fuhr sie fort, indem sie ihm eine volle Trinkschaale darbot? Ich schwöre ihnen, rief der entzückte Prinz, daß die schöne Ariadne dem jungen Bachus keinen bessern eingeschenckt hat. Er wird, versetzte sie, aus den Trauben gedruckt, die in den Gärten der Sylphen wachsen, und dem Gebrauch desselben haben diese schöne Geister die unsterbliche Jugend und Munterkeit zu danken, die in ihren Adern wallt.

Die Fee sagte nichts davon, daß dieser Nectar noch eine andere Eigenschaft hatte, die der Prinz gar bald zu erfahren anfieng. Je mehr er davon trank, je reitzender fand er seine schöne Gesellschafterin. Beym ersten Zug bemerkte er, daß sie sehr schöne blonde Haare hatte; beym andern wurde er von der Schönheit ihrer Arme gerührt, beym dritten entdeckte er ein Grübchen in ihrem linken Backen, und beym vierten entzückte ihn die Weisse und Fülle eines gewissen Busens, der unter dem Nebel eines dünnen Flors seinen Augen nachstellte. Ein so reitzender Gegenstand und eine Trinkschaale, die sich immer wieder von sich selbst anfüllte, waren mehr als er nöthig hatte, um seine Sinnen in ein süsses Vergessen aller Milchmädchen der ganzen Welt einzuwiegen. Was sollen wir sagen? Biribinker war zu höflich, eine so schöne Fee auf dem Sopha schlafen zu lassen, und die schöne Fee zu dankbar, als daß sie ihm in einem Hause, wo vierzig tausend Geister herum spuckten, ihre Gesellschaft hätte abschlagen können. Kurz, die Höflichkeit wurde auf der einen, und die Dankbarkeit auf der andern Seite so weit getrieben, als es möglich war, und Biribinker bewieß sich der guten Neigung vollkommen würdig, welche Cristalline beym ersten Anblick von ihm gefaßt hatte.

Die Fee erwachte, wie die Geschichte sagt, zuerst, und konnte den Uebelstand nicht ertragen, einen so ausserordentlichen Prinzen in so guter Gesellschaft schlafen zu sehen. Prinz Biribinker, sagte sie zu ihm, nachdem sie ihn, man weißt nicht wie, erweckt hatte, ich habe ihnen keine gemeine Verbindlichkeiten. Sie haben mich von der unanständigsten Bezauberung, die jemals ein Frauenzimmer erlidten hat, befreyt; sie haben mich an meinem Eyfersüchtigen gerochen; nun ist nur noch eins übrig, und sie können sich auf die unbegrenzte Dankbarkeit der Fee Cristalline Rechnung machen.

Und was ist dann noch übrig, fragte der Prinz, indem er sich die Augen rieb?

So hören sie dann, antwortete die Fee. Dieser Palast gehörte, wie ich ihnen schon gesagt habe, einem Zauberer, dem seine Wissenschaft eine fast unumschränkte Macht über alle Elemente gab. Allein seine Macht über die Herzen war desto eingeschränkter. Zum Unglück war er, trotz seinem hohen Alter und einem schneeweissen Bart, der ihm bis an die Gürtel herab hieng, eine der verliebtesten Seelen, die jemals gewesen sind. Er verliebte sich in mich, und ob er gleich die Gabe nicht hatte sich wieder lieben zu machen, so hatte er doch Macht genug um gefürchtet zu werden. Bewundern sie die Wunderlichkeit des Schicksals; ich versagte ihm mein Herz, welches zu gewinnen er sich alle nur ersinnliche Mühe gab, und überließ ihm meine Person, die ihm zu nichts nütze war. Vor langer Weile wurde er endlich eyfersüchtig, aber so eifersüchtig, daß es nicht auszustehen war. Er hatte die schönsten Sylphen zu seiner Bedienung, und doch ärgerte er sich über die unschuldigsten Freyheiten, die wir mit einander nahmen. Er brauchte einen nur in meinem Zimmer oder auf meinem Sopha anzutreffen, so war ich schon gewiß, daß ich ihn nicht wieder zu sehen bekam. Ich verlangte von ihm, daß er sich auf meine Tugend verlassen sollte, aber auch diese schien dem Unglaubigen keine hinlängliche Bürgschaft gegen ein Schicksal, das er so wohl zu verdienen sich bewußt war. Kurz, er schafte alle Sylphen ab, und nahm zu unsrer Bedienung lauter Gnomen an, kleine mißgeschaffene Zwerge, bey deren blossen Anblick ich vor Eckel hätte ohnmächtig werden mögen. Allein wie die Gewohnheit endlich alles erträglich macht, so versöhnte sie mich nach und nach mit der Figur dieser Gnomen, und machte, daß ich zuletzt possierlich fand, was mir anfangs abscheulich vorgekommen war. Es war keiner unter allen, der nicht etwas übermäßiges in seiner Bildung gehabt hätte. Der eine hatte einen Höcker wie ein Cameel, der andere eine Nase, die ihm bis über den Mund herab hieng, der dritte Ohren wie ein Faun, und ein Maul, das ihm den Kopf in zwo Halbkugeln spaltete, der vierte einen ungeheuren Wanst; kurz, eine Chinesische Einbildungskraft kan nichts abentheurlichers erfinden als die Gesichter und Figuren dieser Zwerge. Allein der alte Padmanaba hatte nicht bemerkt, daß sich unter seinen Aufwärtern einer befand, der in einem gewissen Sinn gefährlicher war als der schönste Sylphe von der Welt. Nicht, daß er weniger häßlich gewesen wäre, als die übrigen; aber durch ein seltsames Spiel der Natur war bey ihm ein Verdienst, was bey andern zu nichts diente als die Augen zu beleidigen.

Ich weiß nicht, ob sie mich verstehen, Prinz Biribinker?

Nicht allzuwohl, versetzte der Prinz, aber erzählen sie nur weiter, vielleicht werden sie in der Folge deutlicher werden,

Es stund nicht lange an, fuhr die schöne Cristalline fort, so hatte Grigri, (so hieß der Gnome) Ursache zu glauben, daß er mir weniger mißfalle als seine Gesellen. Was wollen sie? Man geräth auf allerley Einfälle, wenn man lange Weile hat, und Grigri hatte eine ausserordentliche Gabe mißvergnügten Damen die Zeit zu vertreiben. Mit einem Wort, er wußte meine müßige Stunden (und ich hatte ihrer in der That sehr viele) auf eine so angenehme Art auszufüllen, daß man nicht zufriedener seyn kan als ich war. Padmanaba bemerkte endlich die ungewohnte Fröhlichkeit, die aus meinem Gesicht und aus meinem ganzen Wesen hervor schimmerte. Er zweifelte nicht, daß sie eine andere Ursache haben müßte als das Vergnügen, so er selbst mir machte; aber er konnte nicht errathen, was es für eine seyn möchte. Zum Unglück war er ein grosser Meister in derjenigen Art von Schlußreden, die man Soriten nennt. Er gerieth durch eine lange Kette von Schlüssen endlich auf eine Vermuthung, die ihm das ganze Geheimniß aufzuschliessen schien. Er beschloß uns zu beobachten, und nahm seine Zeit so wohl, daß er uns in eben diesem Cabinet bey einem Spiel überraschte, welches die unerschöpfliche Geschicklichkeit des kleinen Grigri ausserordentlich interessant zu machen wußte. Hätten sie es geglaubt, mein Prinz, daß man ein so schlimmes Herz haben könnte, als der alte Zauberer bey dieser Gelegenheit zeigte? An statt großmüthig an meinem Vergnügen Antheil zu nehmen, erzürnte er sich darüber, der Niederträchtige! Er hätte sich immer erzürnen mögen, daß er nicht Grigri war, aber was konnte unbilliger seyn als uns deßwegen zu strafen?

In der That, sagte Biribinker, nichts Unbilligers! denn wenn er nur in einem einzigen Punct Grigri gewesen wäre, so bin ich gewiß, daß sie ihm ungeachtet seines langen weissen Bartes den Vorzug vor einem kleinen häßlichen Zwergen gegeben hätten. – – – –

Was sagen sie mir von einem kleinen häßlichen Zwerg, erwiederte Cristalline; ich versichere sie, in dem Augenblick, wovon wir reden, war Grigri ein Adonis in meinen Augen. Aber hören sie nur, wie es weiter gieng. Nachdem der Alte unsichtbarer Weise unsern Spielen eine Weile zugesehen hatte, trat er endlich hervor und setzte uns in einen Schrecken, der sich leichter einbilden als beschreiben läßt. Er schüttete die ganze Wuth über uns aus, in die ihn ein Anblick gesetzt hatte, der seines Unvermögens zu spotten schien. Ich schäme mich ihnen die Complimente zu wiederhohlen, die er mir bey dieser Gelegenheit machte. Kurz, (denn ich muß die Zeit sparen) er verwandelte mich – – sie wissen wohl – – worein, und den armen Grigri in eine Hummel. – – – –

In eine Hummel, rief Biribinker, das ist sonderbar; so ist vielleicht Herr Grigri von meiner Bekanntschaft. – – – –


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