Christoph Martin Wieland
Die Abentheuer des Don Sylvio
Christoph Martin Wieland

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Siebentes Capitel.

Abentheuer mit der Zigäunerin.

So bald die Zigäunerin näher gekommen war, stund Don Sylvio vor ihr auf, grüßte sie sehr höflich, und fragte: Ob er etwas zu ihren Diensten thun könne?

Heilige Barbara! rief sie aus, was macht ein so schöner junger Herr in diesem Walde? Habt ihr euch etwa verirrt, oder sucht ihr vielleicht – – – –

He! Frau Zigäunerin, unterbrach sie Pedrillo, nicht so vorwitzig! Haben wir euch doch auch nicht gefragt, was ihr sucht? – – – – Wer sagt euch – – – –

Schweige, ungezogener Tölpel, rief Don Sylvio, indem er einen zürnenden Blick auf ihn warf – – In der That, meine liebe alte Mutter, ihr könntet euch verwundern, was ich hier mache, wenn ihr nicht, wie es scheint, schon vorher wißtet, was ich suche.

Hey da! Großmutter, sagte Pedrillo, dem der Wein von Malaga ein wenig in den Kopf gestiegen war, ihr könnt ja wahrsagen, nicht so? Seht ihm einmal in die Hand, und sagt mir, ob er eine glückliche Physionomie habe?

Ich brauche seine Hand nicht dazu, erwiederte die Alte, das seh ich ihm in den Augen. Gelt, junger Herr mit dem glatten Jungfer-Gesichtchen, so jung ihr seyd, so wißt ihr doch schon was die Liebe ist, hi, hi, hi! Ihr werdet roth! hab ichs nicht errathen?

Zum Henker, sagte Pedrillo, das seht ihr ihm an den Augen an, Mütterchen! So seht ihr gewiß auch, daß die Princeßin, die er liebt, ein Sommervogel ist, he?

Ein Sommervogel! rief die Zigäunerin aus, hi, hi, hi! das ist ein guter Einfall, ich glaub es, bey meiner Redlichkeit! daß sie ein Sommervogel ist; ist er schon flicke, junger Herr, hat er schon Federn? hi, hi! Ich verstehe mich auch ein wenig auf diese Art von Sommervögeln, ich; ich weiß die Zeit, da ich zu Sevilla ihrer eine hübsche Anzahl in meinem Keficht hatte, das könnt ihr mir glauben; Aber es scheint, er sey euch ausgeflogen, weil ihr ihn sucht?

Es däucht mich fast, alte Mutter, sagte Pedrillo, ihr wißt mehr von der Sache als wir selbst. Aber ich bitte euch, weil ihr in seinen Augen so viel gesehen habt, so werdet ihr in seiner Hand noch mehr sehen, das habe ich mein Tage gehört; eure Hand, gnädiger Herr, wenn ihr so gut seyn wollt; Seht einmal, Mütterchen, was sagt ihr zu diesen Ligamenten?

Meiner Treu! rief die Zigäunerin, eine feine weisse Hand! höret, mein schöner Herr, wenn ihr einen Ducaten in diese schöne Hand legt, so will ich euch wahrsagen, daß es eine Lust seyn soll.

Einen Ducaten? sagte Pedrillo! Potz Herrich! Gevatterin! ich glaube, du hast diesen Morgen Schnips getrunken? Einen Ducaten! wenn du noch einen Realen gesagt hättest, das liesse sich endlich dran wagen, denn wir habens eben nicht so nöthig, daß du uns wahrsagest, verstehst du mich, wir wissen doch schon, was wir wissen.

Das ist noch die Frage, antwortete die Alte, wer weißt was geschehen kan; es ist noch nicht aller Tage Abend, und so viel ich mercke – – – –

Hier ist der Ducaten, meine gute Mutter, sagte Don Sylvio, kehret euch nicht an das alberne Geschwätz dieses Burschen hier; er ist eine gut Art von einem Jungen, aber er weißt oft selbst nicht was er sagt; man muß ihm nichts übel nehmen.

Junger Herr, antwortete die Zigäunerin, ihr habt so gute Manieren, daß ich euch wohl mehr zu gefallen thun wollte, als das, wenn ich noch wäre, was ich vor Zeiten war; bey St. Jacob, ich hatte auch meine Zeit, das könnt ihr mir glauben, man wird von langem leben alt, wie ihr seht; aber ich erinnere mich der Zeit noch wohl, da ich die artige Zigäunerin hieß; und da sich die jungen Herren von Toledo um die Ehre rauften, mir Ständchen zu bringen; ich machte, meiner Treu! eine Theurung in die Sayten, so viel Guitarren und Lauten wurden mir zulieb zersprengt! da regnete es Sonnete! und Pistolen auch, das versichre ich euch.

Gut, gut, sagte Pedrillo ungedultig, wir bekümmern uns viel um die Ständchen, die man euch vor hundert Jahren gebracht hat, als der Teufel noch ein kleiner Junge war, und ihr eure Zähne noch im Maul hattet. Zur Sache wenn ich bitten darf; ihr habt nun unsern Ducaten, wir wollen jetzt auch von eurer Waare haben – – eure Hand, gnädiger Herr – – – –

Nur noch einen einzigen kleinen Ducaten, mein schöner junger Herr, so will ich euch wahrsagen, daß ihrs nicht besser wünschen sollt.

Hier ist er, sagte Don Sylvio, indem er ihr, so sehr auch Pedrillo murrte, den Ducaten auf seiner Hand darbot.

Eine hübsche Hand, wie ich sagte, eine feine, glückliche Hand, junger Herr. Hi, hi, hi, sagt ichs nicht? du bist verliebt, Schätzchen, Gelt? das gute Kind! du brauchst nicht roth zu werden, du hast das rechte Alter dazu; ach! es ist eine so hübsche Sache um die Liebe. Wie? laß es einmal sehen! in ein artiges kleines Mädchen bist Du verliebt, in ein wunderartiges kleines Mädchen – – – –

Getroffen, mein Seel! rief Pedrillo, in der That, wunderartig, und kleiner wie eine Puppe.

Noch ein junges Mädchen, sehr jung, ein wenig flatterhaft – – – –

Flatterhaft, in der That, sagte Pedrillo, denn sie flattert über Stauden und Hecken, daß ihr der Henker nicht nachkommen kan – – – –

Das wird sich alles schon geben, man wird alle Tag älter; sie liebt dich doch, nicht wahr?

Das ist es eben, was ich gerne wissen möchten, denn wir haben so einen gewissen kleinen Argwohn, eine gewisse Suspection – – – –

Schweige, rief Don Sylvio, kanst denn du dein Maul nicht einen Augenblick halten – –

Daß sie einen andern liebt? fuhr die Zigäunerin fort; das kleine schelmische Ding! Einen andern; das ist verzweiffelt! Aber so sind die jungen Mädchen; wer ihnen Tändeleyen und Liebkosungen vorsagt, verderbt seine Zeit gewiß bey ihnen nicht. Ja wohl! Sie liebt einen andern! Ich wette gleich, daß es einer von diesen kleinen süssen Herrchen ist, von diesen Papilions, die um alle hübsche Blumen herum flattern, und auf keiner sitzen bleiben – – – –

Holla, Frau Zigäunerin, rief Pedrillo, da er sah, daß Don Sylvio bey diesen Worten so blaß wie eine Leiche wurde; ihr sagt mehr als wir wissen wollen.

Ich habe genug, sagte Don Sylvio, indem er seine Hand zurück zog, laßt mich gehen, mein Unglück ist gewiß; Sie hat es so gar in meiner Hand gelesen. – – – –

Was hat das auf sich, unterbrach ihn Pedrillo, wenn man es nur nicht an eurer Stirne ließt. Hey da, Großmutter, wir wollen von was anderm reden; was sagt ihr zu meiner Hand? Da sind zween Realen, ich denke, dafür sollte sich schon was hübsches sehen lassen.

Bey meiner Treu, rief die Alte, nachdem sie ihm einen Augenblick in die Hand geguckt hatte, in was für einem Zeichen sind diese jungen Leute gebohren? ihr seyd ja so verliebt wie die Sperlinge! Fy; da sind gleich fünf oder sechs Weiber an einem Stiel – – – –

Fünf oder sechs Weiber? ihr seyd nicht klug; Mädchen wollt ihr sagen; was wollt ihr, daß ich mit so viel Weibern anfangen soll?

Sie werden gewiß nicht abstehen, auf mein Wort, versetzte die Alte, was du nicht brauchst, ist gut für andre Leute. Du wirst dir doch nicht einbilden, daß du eine hübsche Frau für dich allein haben wollest? Meiner Treu; ich sehe hier eine, die mir die Mine hat, als ob sie dir gute Freunde machen werde.

Wie? was? Ihr seht die Person, die ich jetzt im Sinn habe in meiner Hand?

Ohne Zweifel.

Das wollen wir doch sehen! Ist sie groß oder klein, alt oder jung, fett oder mager? antworte mir einmal auf das, mein gutes Mütterchen!

Sie ist weder zu groß noch zu klein; – – Gut! – – weder zu alt noch zu jung – – Sapperment! – – Und was man sagen möchte, eher fett als mager; nicht wahr, es ist so?

Pestilenz; Wie macht ihrs denn, daß ihr alles das in meiner Hand sehen könnt? Seht ihr denn auch die grossen schwarzen Augen, die sie im Kopf hat?

In der That, ein paar hübsche schwarze Augen, ein paar freundliche einladende Augen, das gesteh ich! Schwarze Augen, schwarzes Haar, und ein hübsches Maul voll perlenfarber Zähne läßt gut zusammen.

Beym Element! ihr kennt sie ja so gut als ich selbst. Aber weiter; einen hübschen vollen Busen, he?

O! das versteht sich, wenn anders der Schneider – – – –

Wie? der Schneider, sagt ihr? Wahrhaftig, da kommt ihr mir recht! Sapperment! es schneidert sich nichts; das könnt ihr mir wieder nachsagen; was das betrift, so darf sie sich neben einer Infantin sehen lassen, sie mag seyn wer sie will, das versprech ich euch! – – – – Und was sagt ihr zu ihren Füßchen? Sind sie nicht niedlich? Gelt? und ein paar Waden – – ihr werdet sie vor dem Rock nicht recht sehen können – – Aber ihr könnt mir sicher glauben, daß man sie nicht schöner drechseln könnte.

In der That, du hast recht, es ist ein hübsches, rundes, drolligtes Ding; aber desto schlimmer für dich, mein Sohn!

Warum desto schlimmer?

O! das ist ja keine Frage! du wirst es erfahren, denke an mich, du wirst es erfahren, was es auf sich hat, eine hübsche Frau zu haben! Sie wird dir was aufsetzen, denke an mich! Sie wird dir was aufsetzen! mehr will ich nicht sagen.

Ey, potz Gift! rief Pedrillo, ich denke das ist genug gesagt. Sie wird mir was aufsetzen! Ihr wollt sagen, sie werde mir Hörner aufsetzen – – – –

Ich will eben nicht sagen Hörner, aber doch so was – – so was – – das die Stirne jucken macht, so – – eine Art von Sprossen. Kurz und gut, wenn du ein eigenes Hauß kriegst, so laß auf mein Wort die Thüren so hoch machen als du kanst; in dergleichen Umständen kan man nie zu vorsichtig seyn. Aber ich verderbe hier meine Zeit; ich denke, ihr habt für euer Geld so viel gehört, daß ihr zufrieden seyn könnt; ich habe Geschäfte. Lebt wohl, meine Kinder, bis wir uns wieder sehen.

Mit diesen Worten gieng die Zigäunerin ihres Weges, und ließ den guten Pedrillo in keiner geringen Verlegenheit, was er von ihr dencken sollte. Zum Henker, rief er, indem er nach seinem Herrn lief, der sich in grossem Unmuth unter einen Baum geworfen hatte, wenn diese alte bucklichte Hexe keine Fee ist, wie ihr sagtet, so redt der böse Feind leibhaftig aus ihr. Das ist einmal gewiß, daß es mit ihrer Wahrsagerey nicht natürlich zugeht. Wie konnte sie wissen, daß ihr in eine Princeßin verliebt seyd, und daß die Princeßin ein Papilion ist? Und hat sie mir nicht die Frau Beatrix so natürlich beschrieben, als ob sie sie selbst gemacht hätte? Und doch ist gewiß, daß sie uns heute zum erstenmal gesehen hat. Was sagt ihr hierzu, gnädiger Herr? Ich für meine Person gestehe euch, daß ich mich eher zum Gimpel sinnen würde, eh ich aus allem diesem verfluchten Zeug klug werden könnte.

Don Sylvio, der in tiefen Gedanken da gelegen war, und auf die Reden seines Reisegefehrten keine Acht gegeben hatte, wachte jetzt auf einmal auf. Höre, Pedrillo, sagte er, ich will dir meine Gedanken von dieser Begebenheit sagen, und ich bin gewiß, daß ich mich nicht betrüge. Aber, wo ist die Zigäunerin hingekommen.

Verschwunden ist sie, gnädiger Herr, ich weiß selbst nicht wie? ich guckte nur einen Augenblick auf die Seite, und wie ich wieder herüber sah, da war sie weg.

Ich gestehe dir, Pedrillo, fuhr Don Sylvio fort, daß ich nicht gleich im Stande war mich zu fassen, da sie mir die Untreue der Princeßin anzukündigen schien; anfangs nicht, denn du hattest es ihr aus Unbedachtsamkeit auf die Zunge gelegt; aber der Umstand, daß es ein Papilion sey, dem ich aufgeopfert werde, war eine zu starke Bestättigung meiner vorigen Besorgnisse, als daß ich hätte gelassen bleiben können. Allein seit dem ich allein dem, was sie sagte (denn ich erinnere mich noch an jedes Wort) und dem Ton und der Mine, womit sie es sagte, besser nachgedacht habe, bin ich überzeugt, daß der verstellte Salamander, die Sylphide, mit der ich diesen Morgen reißte, und diese Zigäunerin eine und eben dieselbe Person ist, und daß alle diese Erscheinungen nichts als boßhafte Kunstgriffe sind, wodurch meine Feinde mich von der Vollendung meines Vorhabens abzuschrecken suchen. Mit einem Wort, ich zweifle keinen Augenblick daran, daß diese Zigäunerin nichts geringers als die Fee Caraboße selbst war. So viel ist gewiß, daß sie vollkommen die Gestalt hatte, welche die Geschichte dieser Fee beylegt; denn sie war klein, bucklicht, schielend, triefaugicht und ganz schwarzgelb im Gesicht. Dem sey wie ihm wolle, ich bin fest entschlossen, mich durch alle diese Kunstgriffe nicht irre machen zu lassen. Nein, meine theure Princeßin, fuhr er mit erhöhtem Ton der Stimme fort, indem er ihr Bildniß ansah, und an seinen Mund drückte, nichts ist vermögend, die reine und unsterbliche Flamme zu ersticken, die deine göttliche Schönheit in meiner Brust entzündet hat! Auch kaltsinnig, auch unbeständig, auch ungetreu würde ich dich nicht weniger lieben. Aber verflucht sey der Gedanke, der dich mir ungetreu vorstellen will, nachdem die gütige Fee, die uns beschützt, mich deiner Zärtlichkeit versichert hat! Ach! vielleicht liegst du in diesem Augenblick, fern von mir, in einer Einöde, wohin dein Schmerz oder das Verhängniß dich getrieben hat, im Schoose einer aufblühenden Rose verborgen, und bethauest ihre duftende Brust mit deinen Thränen, und jammerst, daß ich dich verlassen habe! – – Himmel! ich sollte dich verlassen können? Nein, du süsse Beherrscherin meiner Seele, der Tod selbst, in der furchtbarsten Gestalt, die ihm die Grausamkeit unserer Feinde geben kan, soll nicht verhindern, daß mein Schatten, von seiner unsterblichen Liebe beseelt, dich überall suche, dir überall nachfolge, und, die Götter um ihre Sphären nicht beneidend, in deiner Brust sein besseres Elysium suche.

Don Sylvio brachte diese pathetische Rede mit so vieler Lebhaftigkeit, mit einem so zärtlichen Ton der Stimme und mit so rührenden Bewegungen vor, daß dem armen Pedrillo, der mit ofnem Maul und Augen zuhörte, die Thränen über die Backen herab rollten, ohne daß er wußte wie ihm geschah.

Bey meiner Treu, Herr Don Sylvio, rief er aus, und wischte sich die Augen mit der Hand, ihr habt eine ausserordentliche Gabe einen weichherzig zu machen. Wie macht ihrs doch, daß euch alle diese schöne Sachen einfallen, die ihr da sagtet? Pestilenz! wenn ihr ein Pfarrer wäret, und auf der Canzel so predigen würdet, das setzte Zähren ab! Meiner Six! es gäbe ein Gewässer, daß man mit Nachen in der Kirche fahren müßte. Ich wollte was drum geben, wenn ichs so hätte behalten können, wie ihrs gesagt habt; aber ich habe mir doch die aufblühende Rosen und die duftende Schoos der Thränen und den unsterblichen Schatten gemerkt, und hernach brachtet ihr auch die Sphären und die Götter drein, und etwas von der Liebe und von der heiligen Elisabeth – – Sterb ich! wenn ich begreiffe, wie ihr das alles so zusammen bringen konntet. Aber auf die Hauptsach zu kommen – –

Gut, gut, unterbrach ihn Don Sylvio, die Hauptsach ist, daß wir den blauen Sommer-Vogel suchen müssen; packe deine Sachen wieder zusammen, und laß uns weiter gehen. Aber ich sehe hier mehr als einen Fußweg durch dieses Gehölze; wo ist Pimpimp? Mich däucht, ich habe ihn schon etliche Stunden nicht gesehen.

Diese Frage war ein Donnerschlag für den Pedrillo, der sich jetzt plötzlich erinnerte, daß er den armen Pimpimp seit dem Abentheuer mit dem Froschgraben, gänzlich aus der Acht gelassen hatte. Allein da ihm zugleich beyfiel, daß ihm sein Herr eine solche Nachläßigkeit nicht vergeben würde, so versicherte er ihn, daß er nicht weit gegangen seyn könne. Ich habe ihn diese ganze Nacht auf dem Arm getragen, setzte er hinzu, denn es war so müde, das arme kleine Ding, daß es sich nicht mehr rühren konnte, und er war diesen Morgen noch da, als die Zigäunerin kam; ich will ihm ruffen, er wird sich nicht weit verloffen haben. Pedrillo rief also was er ruffen konnte, und sein Herr half ihm ruffen und suchen; aber sie waren nicht glücklicher als die Argonauten, da sie den schönen Hylas suchten, den die Nymphen geraubt, und in ihre Grotten unter die Wellen hinab gezückt hatten; die Suchenden durchstrichen den Hayn und das Ufer, und rieffen: Hylas, Hylas, daß der Hayn und die Ufer ertönten; Umsonst, Hylas lag indeß in den Armen der schönsten Nymphe, und hörte ihr Rufen nicht. So gieng es auch hier, mit dem einzigen Unterschied, daß Pimpimp in diesem Augenblick, an statt am Busen einer schönen Nymphe zu ruhen, in den Armen der schwarzgelben Zigäunerin lag, welche ihn, bald nachdem sie von unsern Reisenden Abschied genommen, halb todt vor Mattigkeit auf der Spur seines Herrn gefunden, und weil er überaus klein und artig war, mit sich genommen hatte.

Don Sylvio wurde über diesen neuen Unfall äusserst betrübt, und es fehlte wenig, so hätte er dißmal den Muth gänzlich sinken lassen. Pedrillo hatte keine Mühe ihn zu bereden, daß Pimpimp von der Fee Caraboße gestohlen worden sey, aber desto grössere ihn von hundert tollen Entschliessungen abzubringen, auf die er in seiner Verzweiflung verfiel.

Vielleicht wäre dieses der Augenblick gewesen, da er seinem Herrn den Antrag hätte machen können, wieder umzukehren; allein seit der Conversation, die er mit der kalten Pastete und der Flasche Alicanten-Wein gehalten hatte, war wieder eine kleine Veränderung in seiner Denckungs-Art vorgegangen, und er dachte jetzt so wenig ans Wiederkehren, daß es ihm leyd gewesen wäre, wenn Don Sylvio davon selbst angefangen hätte. Die Wahrheit zu sagen, so kam bey dem guten Pedrillo alles auf die Umstände des gegenwärtigen Augenblicks an. Er dachte anders bey Nacht, und anders an einem schönen Sommertag, anders in einem Wald und anders auf freyem Felde, anders in einem Froschgraben, und anders nach einem guten Frühstück. Pedrillo war in diesem Stück ein anderer Seneca, und der ganze Unterschied zwischen ihm und einem Philosophen lag dißfalls blos darinn, daß er sich keine Mühe gab, seine Widersprüche in einen Zusammenhang zu räsonniren. Er strengte also alle seine Beredsamkeit an, um seinen Herrn zu überreden, daß noch nichts verlohren seye. Pimpimp wird sich wieder finden, eh wirs denken, sagte er, laßt ihr nur die Frau Radiante dafür sorgen; wer weißt, was sie für Absichten dabey hat, daß er weg ist. Man muß das beste hoffen, gnädiger Herr, das böse kommt von sich selbst. Einmal die Fee, eure gute Freundin, muß als eine brave Frau ihr Wort halten, wir müssen über lang oder kurz unsere Princeßin haben, und damit Punctum!

Dieser kräftige Zuspruch beruhigte das Gemüth unsers bekümmerten Helden wieder in etwas, und weil eine angenehme Luft, die von der See-Seite her den Wald durchstrich, die Wärme ziemlich mäßigte, so beschlossen sie ihren Weg noch eine Zeitlang unter den Bäumen fortzusetzen.


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