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Was für eine Erziehung Don Sylvio von seiner Tante bekommen.
Donna Mencia betrog die Hofnung nicht, welche sich ihr Bruder von ihrer Sorgfalt und Geschicklichkeit gemacht hatte. Denn so bald der junge Sylvio von dem Vicarius des Dorfs so viel Latein gelernt hatte, daß er die Verwandlungen des Ovidius verstehen, und von dem Barbier eines benachbarten Fleckens, dem Amphion der Gegend, so viel Musik, daß er etliche Dutzend alte Balladen auf der Cither accompagniren konnte; so nahm sie es auf sich selbst, ihn zu allen den übrigen Eigenschaften auszubilden, welche nach ihren Begriffen einen vollkommenen Cavalier ausmachten.
Das schlimmste war, daß sie diese Begriffe aus dem Pharamond, der Clelia, dem grossen Cyrus und andern Büchern von dieser Classe geschöpft hatte, welche nebst den Abentheuern der zwölf Pairs von Frankreich und der Ritter von der runden Tafel den vornehmsten Theil ihrer Bibliotheck ausmachten. Ihrer Meynung nach lag in diesen Büchern der ganze Reichthum der erhabensten und nützlichsten Kenntnisse verborgen. Sie glaubte also ihren Untergebenen nicht besser anweisen zu können, als wenn sie ihm die Begriffe und den Geschmack beyzubringen suchte, so sie selbst aus so lautern Quellen geschöpft hatte, und die glücklichen Fähigkeiten des jungen Don Sylvio begünstigten ihre Absichten so sehr, daß er, ehe er noch das fünfzehnte Jahr erreicht hatte, zum wenigsten eben so gelehrt als seine gnädige Tante war. Er besaß in diesem zarten Alter bereits eine so ausgebreitete Erkenntniß von der Geschichte, der Natur-Kunde, der Theologie, der Metaphysik, der Sittenlehre, der Staats- und Kriegs-Kunst, den Alterthümern und den schönen Wissenschaften als irgend einer von den gelehrtesten Helden des grossen Cyrus, und wußte mit so vieler Beredsamkeit über die subtilsten Fragen aus diesen Wissenschaften zu peroriren, daß die Bedienten des Hauses, der Vicarius, der Schulmeister, der vorbesagte Barbier und andere Personen von Distinction, die den freyen Zutritt im Hause hatten, sowohl die Wunder-Gaben des jungen Herrn, als die weise Erziehungs-Kunst der gnädigen Frau nicht genug bewundern konnten.
Was dieser letztern an ihrem Neffen am besten gefiel, war die ausserordentliche Begierde, wovon er brannte, den erhabnen Mustern nachzuahmen, von deren grossen Thaten und Helden-Tugenden er bis zur Bezauberung entzückt war, und womit er seine Einbildungs-Kraft so vertraut gemacht hatte, daß er sich endlich beredete, es würde ihm nicht mehr Mühe kosten sie auszuüben, als er brauchte sich eine Vorstellung davon zu machen. Donna Mencia zweifelte nicht, daß Don Sylvio mit so edlen Neigungen und einer so heroischen Denkungsart dereinst eine grosse Rolle in der Welt spielen und den Helden, welche sie am meisten bewunderte, an Ruhm und Glück eben so ähnlich werden müßte, als er es ihnen an Schönheit und persönlichen Annehmlichkeiten war.