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Der Sykophant Physignatus, der als Sachwalter des Zahnarztes Struthion zuerst sprach, war ein Mann von Mittelgröße, starken Muskeln und mächtiger Lunge. Er wußte sich viel damit, daß er ein Schüler des berühmten Gorgias gewesen war, und machte Ansprüche, einer der größten Redner seiner Zeit zu sein. Aber in diesem Stücke war er, wie in vielen andern, ein offenbarer Abderit. Seine größte Kunst bestand darin, daß er, um seinem wortreichen Vortrag durch die mannigfaltige Modulation seiner Stimme mehr Lebhaftigkeit und Ausdruck zu geben, in dem Umfang von anderthalb Oktaven von einem Intervall zum andern wie ein Eichhorn herum sprang, und so viel Grimassen und Gestikulationen dazu machte, als ob er seinen Zuhörern nur durch Gebärden verständlich werden könnte.
Indessen wollen wir ihm doch das Verdienst nicht ableugnen, daß er mit allen den Handgriffen, womit man die Richter zu seinem Vorteil einnehmen, ihren Verstand verwirren, seinen Gegenteil verhaßt, und überhaupt eine Sache besser, als sie ist, scheinen machen kann, ziemlich fertig umzuspringen, auch bei Gelegenheit keine unfeine Gemälde zu machen wußte; wie der scharfsinnige Leser aus seiner Rede selbst ohne unser Erinnern am besten abnehmen wird.
Physignatus trat mit der ganzen Unverschämtheit eines Sykophanten auf, der sich darauf verläßt, daß er Abderiten zu Zuhörern hat, und fing also an.
«Edle, Ehrenfeste und Weise, Großmögende Vierhundertmänner!
Wenn jemals ein Tag war, an welchem sich die Vortrefflichkeit der Verfassung unsrer Republik in ihrem größten Glanz enthüllt hat, und wenn jemals ich mit dem Gefühl, was es ist ein Bürger von Abdera zu sein, unter euch aufgetreten bin: so ist es an diesem großen Tage, da vor dieses ehrwürdige höchste Gericht, vor diese erwartungsvolle und teilnehmende Menge des Volks, vor diesen ansehnlichen Zusammenfluß von Fremden, die der Ruf eines so außerordentlichen Schauspiels scharenweise herbei gezogen hat, ein Rechtshandel zur Entscheidung gebracht werden soll, der in einem minder freien, minder wohl eingerichteten Staate, der selbst in einem Theben, Athen oder Sparta, nicht für wichtig genug gehalten worden wäre, die stolzen Verwalter des gemeinen Wesens nur einen Augenblick zu beschäftigen. Edles, preiswürdiges, dreimal glückliches Abdera! Du allein genießest unter dem Schutz einer Gesetzgebung, der auch die geringsten, auch die zweifelhaftesten und spitzfindigsten Rechte und Ansprüche der Bürger heilig sind, Du allein genießest das Wesen einer Sicherheit und Freiheit, wovon andere Republiken (was auch sonst die Vorzüge sein mögen, womit sich ihre patriotische Eitelkeit brüstet) nur den Schatten zum Anteil haben.
Oder, saget mir, in welcher andern Republik würde ein Rechtshandel zwischen einem gemeinen Bürger und einem der geringsten aus dem Volke, ein Handel, der dem ersten Anblick nach kaum zwei oder drei Drachmen beträgt, über einen Gegenstand, der so unbedeutend scheint, daß die Gesetze ihn bei Benennung der Dinge, welche ins Eigentum kommen können, gänzlich vergessen haben, ein Handel über etwas, dem ein subtiler Dialektiker sogar den Namen eines Dinges streitig machen könnte, – mit Einem Wort, ein Streit über den Schatten eines Esels – saget mir, in welcher andern Republik würde ein solcher Rechtshandel zum Gegenstand der allgemeinen Teilnehmung, zur Sache eines jeden, und also, wenn ich so sagen darf, gleichsam zur Sache des ganzen Staats geworden sein? In welcher andern Republik sind die Gesetze des Eigentums so scharf bestimmt, die gegenseitigen Rechte der Bürger vor aller Willkür der obrigkeitlichen Personen so sicher gestellt, die geringfügigsten Ansprüche oder Forderungen selbst des ärmsten, in den Augen der Obrigkeit so wichtig und hoch angesehen, daß das höchste Gericht der Republik selbst es nicht unter seiner Würde hält, sich feierlich zu versammeln, um über das zweifelhaft scheinende Recht an einen Eselsschatten zu erkennen?
Wehe dem Manne, der bei diesem Worte die Nase rümpfen, und, aus albernen kindischen Begriffen von dem was groß oder klein ist, mit unverständigem Hohnlächeln ansehen könnte, was die höchste Ehre unsrer Justizverfassung, der Ruhm unsrer Obrigkeit, der Triumph des ganzen Abderitischen Wesens und eines jeden guten Bürgers ist! Wehe dem Manne, ich wiederhol es zum zweiten- und drittenmal, der keinen Sinn hätte, dies zu fühlen! Und Heil der Republik, in welcher, so bald es auf die Gerechtsame der Bürger, auf einen Zweifel über Mein und Dein, die Grundfeste aller bürgerlichen Sicherheit, ankommt, auch ein Eselsschatten keine Kleinigkeit ist!
Aber, indem ich solchergestalt auf der einen Seite, mit aller Wärme eines Patrioten, allem gerechten Stolz eines echten Abderiten, fühle und erkenne, welch ein glorreiches Zeugnis von der vortrefflichen Verfassung unsrer Republik sowohl, als von der unparteiischen Festigkeit und nichts übersehenden Sorgfalt, womit unsre ruhmwürdigst regierende Obrigkeit die Waage der Gerechtigkeit handhabet, dieser vorliegende Handel bei der spätesten Nachkommenschaft ablegen wird: wie sehr muß ich auf der andern Seite die Abnahme jener treuherzigen Einfalt unsrer Voreltern, das Verschwinden jener mitbürgerlichen und freundnachbarlichen Sinnesart, jener gegenseitigen Dienstbeflissenheit, jener freiwilligen Geneigtheit, aus Liebe und Freundschaft, aus gutem Herzen, oder wenigstens um des Friedens willen, etwas von unserm vermeinten strengen Rechte fahren zu lassen, – wie sehr, mit Einem Worte, muß ich den Verfall der guten alten Abderitischen Sitten beklagen, der die wahre und einzige Quelle des unwürdigen, schamvollen Rechtshandels ist, in welchem wir heute befangen sind! – Wie werd ichs ohne glühende Schamröte heraus sagen können? – O du einst so berühmte Biederherzigkeit unsrer guten Alten, ist es dahin mit dir gekommen, daß Abderitische Bürger – sie, die bei jeder Gelegenheit, aus vaterländischer Treue und nachbarlicher Freundschaft, bereit sein sollten das Herz im Leibe mit einander zu teilen – so eigennützig, so karg, so unfreundlich, was sag ich, so unmenschlich sind, einander sogar den Schatten eines Esels zu versagen?
Doch – verzeiht mir, werte Mitbürger! ich irrte mich in dem Worte – verzeiht mir eine unvorsätzliche Beleidigung! Derjenige, der einer so niedrigen, so rohen und barbarischen Denkart fähig war, ist keiner unsrer Mitbürger. Es ist ein bloß geduldeter Einwohner unsrer Stadt, ein bloßer Schutzverwandter des Jasontempels, ein Mensch aus den dicksten Hefen des Pöbels, ein Mensch, von dessen Geburt, Erziehung und Lebensart nichts bessers zu erwarten war, mit Einem Wort, ein Eseltreiber – der, außer dem gleichen Boden und der gemeinsamen Luft, die er atmet, nichts mit uns gemein hat, als was uns auch mit den wildesten Völkern der Hyperboreischen Wüsten gemein ist. Seine Schande klebt an ihm allein; uns kann sie nicht besudeln. Ein Abderitischer Bürger, ich unterstehe michs zu sagen, hätte sich keiner solchen Untat schuldig machen können.
Aber – nenn ich sie vielleicht mit einem zu strengen Namen, diese Tat? – Stellet euch, ich bitte, an den Platz eures guten Mitbürgers Struthion, und – fühlet!
Er reiset in seinen Geschäften, in Geschäften seiner edeln Kunst, die es bloß mit Verminderung der Leiden seiner Nebenmenschen zu tun hat, von Abdera nach Gerania. Der Tag ist einer der schwülsten Sommertage. Die strengste Sonnenhitze scheint den ganzen Horizont in den hohlen Bauch eines glühenden Backofens verwandelt zu haben. Kein Wölkchen, das ihre sengenden Strahlen dämpfe! Kein wehendes Lüftchen, den verlechzten Wandrer anzufrischen! Die Sonne flammt über seiner Scheitel, saugt das Blut aus seinen Adern, das Mark aus seinen Knochen. Lechzend, die dürre Zung am Gaumen, mit trüben, von Hitze und Glanz erblindenden Augen, sieht er sich nach einem Schattenplatz, nach irgend einem einzelnen mitleidigen Baum um, unter dessen Schirm er sich erholen, er einen Mund voll frischerer Luft einatmen, einen Augenblick vor den glühenden Pfeilen des unerbittlichen Apollo sicher sein könnte.
Umsonst! Ihr kennet alle die Gegend von Abdera nach Gerania. Zwei Stunden lang, zur Schande des ganzen Thraciens sei es gesagt! kein Baum, keine Staude, die das Auge des Wandrers in dieser abscheulichen Fläche von magern Brach- und Kornfeldern erfrischen, oder ihm gegen die mittägliche Sonne Zuflucht geben könnte!
Der arme Struthion sank endlich von seinem Tier herab. Die Natur vermocht es nicht länger auszudauern. Er ließ den Esel halten, und setzte sich in seinen Schatten. – Schwaches, armseliges Erholungsmittel! Aber so wenig es war, war es doch etwas!
Und welch ein Ungeheuer mußte der Gefühllose, der Felsenherzige sein, der seinem leidenden Nebenmenschen, in solchen Umständen, den Schatten eines Esels versagen konnte! Wär es glaublich, daß es einen solchen Menschen gebe, wenn wir ihn nicht mit eignen Augen vor uns sähen? – Aber hier steht er, und, was beinahe noch ärger, noch unglaublicher als die Tat selbst ist – er bekennt sich von freien Stücken dazu, scheint sich seiner Schande noch zu rühmen; und, damit er keinem seines gleichen, der künftig noch geboren werden mag, eine Möglichkeit, ihm an schamloser Frechheit gleich zu kommen, übrig lasse, treibt er sie so weit, nachdem er schon von dem ehrwürdigen Stadtgericht in erster Instanz verurteilet worden, sogar vor der Majestät dieses höchsten Gerichtshofes der Vierhundertmänner zu behaupten, daß er recht daran getan habe. – ‹Ich versagte ihm den Eselsschatten nicht›, spricht er, ‹wiewohl ich nach dem strengen Recht nicht schuldig war ihn darin sitzen zu lassen; ich verlangte nur eine billige Erkenntlichkeit dafür, daß ich ihm zu dem Esel, den ich ihm vermietet hatte, nun auch den Schatten des Esels überlassen sollte, den ich nicht vermietet hatte.› – Elende, schändliche Ausflucht! Was würden wir von dem Manne denken, der einem halb verschmachteten Wandrer verwehren wollte, sich unentgeltlich in den Schatten seines Baumes zu setzen? Oder wie würden wir denjenigen nennen, der einem vor Durst sterbenden Fremdling nicht gestatten wollte, sich aus dem Wasser zu laben, das auf seinem Grund und Boden flösse?
Erinnert euch, o ihr Männer von Abdera, daß dies allein, und kein andres, das Verbrechen jener Lycischen Bauern war, die der Vater der Götter und der Menschen, zur Rache wegen einer gleichartigen Unmenschlichkeit, welche diese Elenden an seiner geliebten Latona und ihren Kindern ausübten – zum schrecklichen Beispiel aller Folgezeiten, in Frösche verwandelte. Ein furchtbares Wunder, dessen Wahrheit und Andenken mitten unter uns in dem heiligen Hain und Teich der Latona, der ehrwürdigen Schutzgöttin unsrer Stadt, lebendig erhalten, verewigt, und gleichsam täglich erneuert wird! Und du, Anthrax, du, ein Einwohner der Stadt, in welcher dieses furchtbare Denkmal des Zorns der Götter über verweigerte Menschlichkeit ein Gegenstand des öffentlichen Glaubens und Gottesdienstes ist, du scheutest dich nicht, ihre Rache durch ein ähnliches Verbrechen auf dich zu ziehen?
Aber, du trotzest auf dein Eigentumsrecht. – ‹Wer sich seines Rechts bedient›, sprichst du, ‹der tut niemand unrecht. Ich bin einem andern nicht mehr schuldig, als er um mich verdient. Wenn der Esel mein Eigentum ist, so ist es auch sein Schatten.›
Sagst du das? Und glaubst du, oder glaubt der scharfsinnige und beredte Sachwalter, in dessen Hände du die schlimmste Sache, die jemals vor ein Götter- oder Menschengericht gekommen, gestellt hast, glaubt er, mit aller Zauberei seiner Beredsamkeit, oder mit allem Spinnengewebe sophistischer Trugschlüsse unsern Verstand dergestalt zu überwältigen und zu umspinnen, daß wir uns überreden lassen sollten, einen Schatten für etwas wirkliches, geschweige für etwas an welches jemand ein direktes und ausschließendes Recht haben könne, zu halten?
Ich würde, großmögende Herren, eure Geduld mißbrauchen und eure Weisheit beleidigen, wenn ich alle Gründe hier wiederholen wollte, womit ich bereits in der ersten Instanz, aktenkundigermaßen, die Nichtigkeit der gegnerischen Scheingründe dargetan habe. Ich begnüge mich für jetzt, nach Erfordernis der Notdurft, nur dies Wenige davon zu sagen. Ein Schatten kann, genau zu reden, nicht unter die wirklichen Dinge gerechnet werden. Denn das, was ihn zum Schatten macht, ist nichts wirkliches und positives, sondern gerade das Gegenteil; nämlich, die Entziehung desjenigen Lichtes, welches auf den übrigen, den Schatten umgebenden Dingen liegt. In vorliegendem Fall ist die schiefe Stellung der Sonne und die Undurchsichtigkeit des Esels (eine Eigenschaft, die ihm nicht, insofern er ein Esel, sondern insofern er ein dichter und dunkler Körper ist, anklebt) die einzige wahre Ursache des Schattens, den der Esel zu werfen scheint, und den jeder andre Körper an seinem Platze werfen würde; denn die Figur des Schattens tut hier nichts zur Sache. Mein Klient hat sich also, genau zu reden, nicht in den Schatten eines Esels, sondern in den Schatten eines Körpers gesetzt; und der Umstand, daß dieser Körper ein Esel, und der Esel ein Hausgenosse eines gewissen Anthrax aus dem Jasontempel zu Abdera war, ging ihn eben so wenig an, als er zur Sache gehörte. Denn, wie gesagt, nicht die Eselheit (wenn ich so sagen darf), sondern die Körperlichkeit und Undurchsichtigkeit des mehr besagten Esels ist der Grund des Schattens, den er zu werfen scheint.
Allein, wenn wir auch zum Überfluß zugeben, daß der Schatten unter die Dinge gehöre: so ist aus unzähligen Beispielen klar und weltbekannt, daß er zu den gemeinen Dingen zu rechnen ist, an welche ein jeder so viel Recht hat als der andre, und an die sich derjenige das nächste Recht erwirbt, der sie zuerst in Besitz nimmt.
Doch, ich will noch mehr tun; ich will sogar zugeben, daß des Esels Schatten ein Zubehör des Esels sei, so gut als es seine Ohren sind: was gewinnt der Gegenteil dadurch? Struthion hatte den Esel gemietet, folglich auch seinen Schatten. Denn es versteht sich bei jedem Mietkontrakt, daß der Vermieter dem Abmieter die Sache, wovon die Rede ist, mit allem ihrem Zubehör und mit allen ihren Nießbarkeiten zum Gebrauch überläßt. Mit welchem Schatten eines Rechts konnte Anthrax also begehren, daß ihm Struthion den Schatten des Esels noch besonders bezahle? Das Dilemma ist außer aller Widerrede: Entweder ist der Schatten des Esels ein Zubehör des Esels, oder nicht. Ist er es nicht: so hat Struthion und jeder andre eben so viel Recht daran als Anthrax. Ist er es aber: so hatte Anthrax, indem er den Esel vermietete, auch den Schatten vermietet; und seine Forderung ist eben so ungereimt, als wenn mir einer seine Leier verkauft hätte, und verlangte dann, wenn ich darauf spielen wollte, daß ich ihm auch noch für ihren Klang bezahlen müßte.
Doch wozu so viele Gründe in einer Sache, die dem allgemeinen Menschensinn so klar ist, daß man sie nur zu hören braucht, um zu sehen auf welcher Seite das Recht ist? Was ist ein Eselsschatten? Welche Unverschämtheit von diesem Anthrax, wofern er kein Recht an ihn hat, sich dessen anzumaßen, um Wucher damit zu treiben! Und wofern der Schatten wirklich sein war: welche Niederträchtigkeit, ein so weniges, das Wenigste was sich nennen oder denken läßt, etwas in tausend andern Fällen gänzlich unbrauchbares, einem Menschen, einem Nachbar und Freunde, in dem einzigen Falle zu versagen, wo es ihm unentbehrlich ist!
Lasset, Edle und Großmögende Vierhundertmänner, lasset nicht von Abdera gesagt werden, daß ein solcher Mutwille, ein solcher Frevel, vor einem Gerichte, vor welchem (wie vor jenem berühmten Areopagus zu Athen) Götter selbst nicht erröten würden, ihre Streitigkeiten entscheiden zu lassen, Schutz gefunden habe! Die Abweisung des Klägers mit seiner unstatthaften, ungerechten und lächerlichen Klage und Appellation, die Verurteilung desselben in alle Kosten und Schäden, die er dem unschuldigen Beklagten durch sein unbefugtes Betragen in dieser Sache verursacht hat, ist jetzt das wenigste, was ich im Namen meines Klienten fordern kann. Auch Genugtuung, und wahrlich eine ungeheure Genugtuung, wenn sie mit der Größe seines Frevels im Ebenmaße stehen soll, ist der unbefugte Kläger schuldig! Genugtuung dem Beklagten, dessen häusliche Ruhe, Geschäfte, Ehre und Leumund von ihm und seinen Beschützern während des Laufs dieses Handels auf unzählige Art gestört und angegriffen worden! Genugtuung dem ehrwürdigen Stadtgerichte, von dessen gerechtem Spruch er, ohne Grund, an dieses hohe Tribunal appelliert hat! Genugtuung diesem höchsten Gerichte selbst, welches er mit einem so nichtswürdigen Handel mutwilliger Weise zu behelligen sich unterstanden! Genugtuung endlich der ganzen Stadt und Republik Abdera, die er bei dieser Gelegenheit in Unruhe, Zwiespalt und Gefahr gesetzt hat!
Fordre ich zu viel, Großmögende Herren? fordre ich etwas unbilliges? Sehet hier das ganze Abdera, das sich unzählbar an die Stufen dieser hohen Gerichtsstätte drängt, und im Namen eines verdienstvollen, schwer gekränkten Mitbürgers, ja im Namen der Republik selbst, Genugtuung erwartet, Genugtuung fordert. Bindet die Ehrfurcht ihre Zungen, so funkelt sie doch aus jedem Auge, diese gerechte, diese nicht zu verweigernde Forderung! Das Vertrauen der Bürger, die Sicherheit ihrer Gerechtsame, die Wiederherstellung unsrer innerlichen und öffentlichen Ruhe, die Begründung derselben auf die Zukunft, mit Einem Worte, die Wohlfahrt unsers ganzen Staats, hängt von dem Ausspruch ab den ihr tun werdet, hängt von Erfüllung einer gerechten und allgemeinen Erwartung ab. Und wenn in den ersten Zeiten der Welt ein Esel das Verdienst hatte, die schlummernden Götter bei dem nächtlichen Überfall der Titanen mit seinem Geschrei zu wecken, und dadurch den Olympus selbst vor Verwüstung und Untergang zu retten: so möge jetzt der Schatten eines Esels die Gelegenheit, und der heutige Tag die glückliche Epoke sein, in welcher diese uralte Stadt und Republik nach so vielen und gefahrvollen Erschütterungen wieder beruhiget, das Band zwischen Obrigkeit und Bürgern wieder fest zusammen gezogen, alle vergangne Mißhelligkeiten in den Abgrund der Vergessenheit versenkt, durch gerechte Verurteilung eines einzigen frevelhaften Eseltreibers der ganze Staat gerettet, und dessen blühender Wohlstand auf ewige Zeiten sicher gestellt werde!»