Edgar Wallace
Gangster in London
Edgar Wallace

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28

Inspektor Tetley wartete bereits an der verabredeten Stelle, als ihm gegenüber ein Wagen hielt: ein leichtes Transportauto; seitlich war mit roten Buchstaben der Name einer Firma aufgemalt.

»Steigen Sie ein Mr. Tetley!« hörte er eine freundliche Stimme aus dem Innern.

Er kletterte neben den Führersitz und von dort nach hinten. Im Hintergrund glühten zwei Zigarren. »Setzen Sie sich rechts!« Eine Tür wurde hinter ihm zugemacht, und der Wagen fuhr an. »Kerky konnte heute nicht kommen«, sagte der Mann mit der freundlichen Stimme. »Er hat mir den Auftrag gegeben, mit Ihnen zu sprechen . . . Wie steht es denn in Scotland Yard?«

Tetley hatte nicht die Absicht, im Augenblick über Scotland Yard zu sprechen; besonders, da er gar nicht wußte, wem er gegenübersaß. Vielleicht war es sogar eine Falle der Polizei?

»Wir müssen erst aus der Stadt heraus, bevor ich Ihnen das Geld geben kann, Mr. Tetley«, fuhr der Mann fort. Der zweite schwieg.

Tetley lehnte sich zurück. Er hatte es hier mit Leuten zu tun, die er nicht genau kannte, und er wollte seine jetzigen Auftraggeber bei der nächsten Gelegenheit verraten; denn nachdem er behördlicherseits aufgefordert worden war, seine Bankbücher vorzulegen, mußte er schnell handeln. Es war ihm auch alles gleichgültig; er wollte nur noch eine kleine Extrabezahlung herauspressen.

»Kerky ist ein tüchtiger Kerl!« sagte er zu seinen unbekannten Begleitern.

»Ja – da haben Sie wohl recht!«

Tetley steckte sich eine Zigarette an. Als das Streichholz aufleuchtete, konnte er die beiden sehen. Sie hatten breite Gesichtszüge, waren glattrasiert und trugen tadellos weiße Wäsche. Es mußte sich also doch um anständige Leute handeln. »Ich habe natürlich niemals etwas von diesen Schießereien gewußt, und ich habe auch nicht danach gefragt. Sicher hatte das seine Gründe. Von meinem Standpunkt aus ist das eigentlich nicht in Ordnung . . .«

Die beiden ließen ihn reden, soviel er wollte. Dann drehte der Chauffeur sich um und sagte etwas.

Als Tetley hinaussah, bemerkte er, daß sie an dem kleinen Gasthaus am Ende von Colnbrook vorbeifuhren. »Wohin geht denn die Fahrt?«

»Das werden Sie schon sehen. Sie sind ein feiger Hund, Tetley: Sie wollen uns verpfeifen!«

Die Stimme klang hart und drohend.

Tetley hörte, daß der Mann einen Browning entsicherte. »Was haben Sie denn vor?« rief er entsetzt.

»Halten Sie die Schnauze! Wir jagen Ihnen nur ein paar Kugeln durch den Schädel und zeigen der Welt mal, was man mit Polypen macht, wenn sie zu quaken anfangen!«

»Sie wollen mich doch nicht umbringen?« schrie Tetley außer sich.

Das Auto fuhr langsamer. Einer der beiden packte ihn am Kragen und zog ihn heraus. Leslie, die in die Dunkelheit zurückgetreten war, hörte ihn gellend protestieren. Dann fielen kurz hintereinander zwei Schüsse. Sie sah ihn taumeln und zu Boden stürzen . . .

»Machen wir, daß wir fortkommen«, flüsterte eine heisere Stimme. Dann fuhr das Auto davon.

Hätte sie die Scheinwerfer nicht ausgedreht, so wäre sie bestimmt entdeckt worden. Verstört klammerte sich Lesley an das hölzerne Tor. Wenn nur ein Wagen käme . . .! Sie schaute sich um: Das Lastauto war schon so weit entfernt, daß sie kaum noch das Schlußlicht erkennen konnte.

Dann erschienen plötzlich zwei große, helle Scheinwerfer aus der Richtung der Bath Road. Der Wagen fuhr verhältnismäßig langsam. Leslie trat in die Straßenmitte und hob beide Arme. Als das Auto hielt, sank sie vor Schwäche zusammen . . .

Gleich darauf trug sie jemand auf die Seite der Straße. »Was ist denn los? Mein Gott – das ist ja Miss Ranger!«

Sie erkannte Jiggs Allerman, der sich über sie beugte. »Wo waren Sie denn?«

»Auf dem Land . . .« Sie lächelte schwach.

»Wir haben nach Ihnen gesucht . . .« Jiggs hielt eine kleine Flasche an ihre Lippen. Sie schluckte und hustete; denn der Captain liebte besonders scharfen Kognak. »Das schadet Ihnen nichts!«

Sie erinnerte sich nun wieder an das Entsetzliche und zeigte auf den Seitenweg.

Er konnte nicht sehen, was sie meinte, da die Stelle im Dunkeln lag. »Was ist?« fragte er.

»Tetley . . .!« flüsterte sie.

»Können Sie sich aufrecht halten?« Er stellte sie auf die Füße, lehnte sie gegen die Zauntür und rief nach dem Chauffeur.

Dann gingen die beiden auf die Stelle zu. »Holen Sie einen Polizisten und einen Krankenwagen«, sagte Jiggs. »Ich war auf dieses Ende gefaßt.«

Er kam zu Leslie zurück, und sie unterrichtete ihn nun über die Ursache ihrer Panne.

»Ihr Wagen hat Sie also im Stich gelassen?« Jiggs ging zu seinem eigenen Auto, holte eine Kanne Benzin und goß den Inhalt in ihren Tank. »In Ordnung!« sagte er dann zu dem Chauffeur, der eben abfahren wollte. »Ich will Miss Ranger zur nächsten Polizeiwache bringen . . .«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich will lieber hierbleiben. Ich bin nicht so ängstlich.«

Jiggs trat näher an sie heran; beide stützten sich mit den Ellbogen auf den Zaun und warteten. »Wir haben nach Ihnen Ausschau gehalten«, sagte der Captain. »Als Terry hörte, daß Sie in einem Auto fortgefahren seien, wurde er wild. Das merkwürdigste ist, daß niemand erkennen konnte, wer außer Ihnen im Wagen saß. Wer war es denn?«

»Mrs. Smith!«

»Doch nicht etwa Cora?«

»Ja . . . Ich erzähle Ihnen später alles.«

Ein langes Schweigen folgte. Nach einiger Zeit erschienen wieder die beiden Scheinwerfer des anderen Wagens auf der Brücke.

»Da kommt unser Mann – und auch der Krankenwagen! Fahren Sie doch im Dienstauto zur Stadt und lassen Sie Ihren Wagen ruhig hier stehen! Ich kann mit der Garage telefonieren und die Leute veranlassen, ihn morgen abzuholen; die werden sich schon um ihr Eigentum bemühen. Ich muß einstweilen noch hierbleiben und mich um Tetley kümmern.«


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