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Terry Weston kehrte auf schnellstem Weg nach Scotland Yard zurück, um an der geheimen Besprechung teilzunehmen, die am Vormittag abgehalten wurde.
Zu jener Zeit war Sir Jonathan Goussie Polizeipräsident von London, ein Mann, der aus der militärischen Laufbahn hervorgegangen war und sich sein ganzes Leben lang nach Vorschriften und Verordnungen gerichtet hatte. Zu dem hohen Posten war er gekommen, weil er es sorgfältig vermied, irgendwie aufzufallen oder eine Verantwortung auf sich zu nehmen. Er war ein nervöser Mensch, der die Kritik der Presse fürchtete. Durch die letzte Entwicklung der Dinge hatte er einigermaßen den Kopf verloren.
Sir Jonathan saß am Ende des langen Konferenztisches in einem Armsessel. »Wir befinden uns augenblicklich in einer entsetzlichen Situation!« dozierte er erregt. »Die tüchtigste Polizeitruppe der Welt wird plötzlich von einer Verbrecherbande lahmgelegt und geblufft . . .«
»Was sollen wir denn tun?« fragte Polizeidirektor Wembury, ein Mann von Selbstbeherrschung und Energie.
»Ich will nicht sagen, daß wir es an Vorsichtsmaßregeln hätten fehlen lassen«, fuhr Sir Jonathan fort. »Ich bin sicher, daß Tetley alles getan hat, was zu tun war.«
»Ja, ich habe alles getan!« bemerkte Tetley unnötigerweise. Er war ein Liebling des höchsten Vorgesetzten, und obwohl er eigentlich kein Recht hatte, an der Sitzung teilzunehmen, hatte Wembury ihn unter diesen Umständen doch zugezogen.
»Ich will niemand einen Vorwurf machen«, ergriff der Präsident wieder das Wort, »aber es ist doch allerhand geschehen, was besser unterlassen worden wäre.« Er warf einen mißbilligenden Blick auf Jiggs Allerman. »Amerikanische Methoden mögen in ihrer Art ja ganz gut sein, aber amerikanische Polizeibeamte begreifen eben doch nicht so recht, wie man bei uns in London arbeitet . . .«
»Wie meinen Sie das?« fragte Terry unliebenswürdig. »Captain Allerman hat uns in jeder Weise unterstützt . . .«
»Wir wollen uns hier nicht streiten! Dazu ist keine Zeit. Wir müssen jetzt Maßnahmen treffen, um derart unerhörte Vorfälle in Zukunft zu verhüten. Und ich glaube, daß der Vorschlag Inspektor Tetleys dazu sehr geeignet ist.«
Terry und Wembury sahen einander an. Sie hörten zum erstenmal, daß Tetley und der Präsident einen Plan ausgearbeitet hatten. »Ich nehme jede Anregung gern an«, erklärte Wembury, »aber ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß Inspektor Tetley bei dieser Geheimsitzung eine so ausschlaggebende Rolle spielt. Was für eine Idee hat er denn?«
»Mr. Tetley schlägt vor, eine ansehnliche Geldbelohnung für die Leute auszusetzen, deren Angaben zur Verhaftung der Mörder führen. Diese Belohnung soll nicht, wie gewöhnlich, nur auf Zivilpersonen beschränkt bleiben.«
»Ich halte diesen höchst originellen Einfall für wertlos«, erwiderte Wembury kühl. »Wir müssen jeden Erpressungsversuch individuell behandeln, und ich bin davon überzeugt, daß London in Bälde mit diesen gedruckten Drohbriefen überschwemmt wird. Alle reichen Leute werden vermutlich früher oder später vor die Wahl gestellt, zu zahlen oder erschossen zu werden.«
»Einer ist heute früh bereits gekommen«, erklärte der Präsident etwas ernüchtert. »Ich habe den Brief in der Tasche.« Er zog ein blaues Blatt Papier heraus. »Das Schreiben wurde einem meiner besten Freunde geschickt – oder vielmehr dem Neffen eines meiner besten Freunde. Er bat mich, selbst meinen Kollegen seinen Namen nicht zu nennen.«
Terry sah seinen Vorgesetzten erstaunt an. »Soll das heißen, daß Sie uns den Namen wirklich nicht sagen wollen?«
»Ich erkläre, daß ich weder Ihnen noch sonst jemand den Namen verraten werde!« erwiderte der alte Herr steif. »Ich habe am Telefon mein Wort gegeben.«
Jiggs lehnte sich zurück und sah zur Decke hinauf.
»Werden Sie seinen Namen auch nicht nennen, wenn die Totenschau für ihn abgehalten wird?« fragte er.
Der Präsident streifte ihn mit einem finsteren Blick.
»Dazu kommt es überhaupt nicht!« versetzte er heftig. »Wenn unsere Polizei ihre Pflicht tut und wenn unser Freund aus Amerika tatsächlich die Methoden unserer Gegner so durchschaut, wie wir bisher angenommen haben –«
»Auf mich können Sie sich in jeder Beziehung verlassen!« unterbrach ihn Jiggs.
Wembury war bleich vor Ärger. »Ich glaube, Sie wissen nicht, Sir, was Sie da eben gesagt haben! Der Empfänger des Briefes – einerlei, wer es sein mag – muß geschützt werden! Und wir können ihn nicht beschützen, wenn wir ihn nicht kennen. Ich muß darauf bestehen, daß ich seinen Namen und seine Adresse erfahre!«
Sir Jonathan Goussie richtete sich auf. Der alte Soldat blitzte Wembury wütend an. »Niemand hat mir hier etwas vorzuschreiben oder auf Forderungen zu bestehen, solange ich meinen Posten innehabe!« erklärte er kategorisch.
Terry seufzte. Wenn der Präsident den Offizier herauskehrte, war die Lage hoffnungslos.
Kurz darauf wurde die Konferenz aufgehoben. Goussie machte vorher noch eine geheimnisvolle Andeutung, daß er den Tatbestand der Presse bekanntgeben würde.
Nach dieser Sitzung fand noch eine Privatbesprechung in Wemburys Büro statt.
»Wir müssen unter allen Umständen verhindern, daß eine Mitteilung an die Presse gelangt, bevor wir den Wortlaut gelesen haben«, riet Wembury. »Der Chef ist in solchen Dingen unerfahren, und die Ereignisse der letzten Tage haben ihn aus dem Gleichgewicht geworfen. Ich werde mich direkt an das Innenministerium wenden, obwohl ich damit riskiere, meinen Posten zu verlieren, weil ich hinter dem Rücken meines Vorgesetzten handle.«
Aber dazu kam es nicht; denn der Innenminister war nicht in London. Es war allerdings ein Telegramm eingelaufen, daß er in aller Eile in die Hauptstadt zurückkehren wollte. Wembury suchte daraufhin noch einmal um eine vertrauliche Unterredung mit Sir Jonathan nach, wurde aber abschlägig beschieden.
Um vier Uhr nachmittags brachten dann die Zeitungen die offizielle Mitteilung des Polizeipräsidenten, die er über Mittag in seinem Klub sorgfältig aufgesetzt hatte:
In den letzten Tagen sind in London zwei bedauerliche Verbrechen geschehen. Es sei dahingestellt, ob sie miteinander in Zusammenhang stehen. Wohlhabende Leute wurden in Erpresserbriefen aufgefordert, große Summen zu zahlen, widrigenfalls sie ermordet werden sollten. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß die Ermordung Mr. Salamans auf solche Drohbriefe zurückzuführen ist. Die Schreiber betonen ausdrücklich, daß ihre Opfer ermordet werden, falls sie sich direkt oder indirekt an die Polizei wenden. Trotzdem ersucht der Polizeipräsident alle Leute, die derartige Mitteilungen erhalten, sich sofort mit Scotland Yard in Verbindung zu setzen. Wenn eine bedrohte Person ihren Namen nicht angeben möchte, wird dieser Wunsch berücksichtigt. Es wäre allerdings ratsam, der Polizei Namen und Adresse zu nennen. Der Polizeipräsident ist leider nicht in der Lage, allen Leuten persönliche Sicherheit zu garantieren, aber er versichert, daß alles getan wird, was in den Kräften der Polizei steht, um die Bürger gegen derartige Übergriffe einer Bande zu schützen.
Der Aufruf war mit dem Namen und allen Titeln des Polizeipräsidenten unterzeichnet.
Jiggs Allermann war der erste, der eine Zeitung nach Scotland Yard brachte. Er eilte damit in Wemburys Büro, wo er auch Terry Weston traf. »Hier – lesen Sie!«
Wembury überflog den Absatz. »Zum Donnerwetter«, fluchte er leise. »Sie wissen doch, was das bedeutet? Dieser verrückte alte Kerl erklärt damit der Welt, daß Scotland Yard nicht mehr in der Lage sei, das Leben bedrohter Staatsbürger zu schützen!« Wembury nahm das Blatt hastig auf und stürmte in das Büro des Präsidenten.
Sir Jonathan wollte gerade mit Inspektor Tetley das Zimmer verlassen. »Nun, was gibt es denn?« fragte er.
»Ist das die Mitteilung, die Sie der Presse zukommen ließen?« erwiderte Wembury scharf.
Der alte Herr setzte seinen Klemmer auf und las die Verlautbarung von Anfang bis zu Ende durch, während Wembury sich auf die Zunge biß, um nicht ausfallend zu werden. »Ja, das ist der Text meiner Mitteilung!«
»Dann werde ich dies sofort dem Herrn Innenminister vorlegen!« erklärte Wembury energisch. »Sie haben allen Mördern einen Freibrief erteilt – Sie haben diesen Verbrecherbanden klar und deutlich gesagt, daß sie ruhig ihre Pläne ausführen können, da wir nicht in der Lage sind, ihre Opfer zu schützen.«
»Ich habe das alles nach reiflicher Überlegung geschrieben«, begann der Präsident, als das Telefon klingelte. »Gehen Sie hin, Tetley, und melden Sie sich!« Er wandte sich wieder an Wembury. »Sie wissen, daß ein derart aufsässiges Benehmen eine schwere Verletzung Ihrer Dienstpflichten ist? Ich muß diese Sache an höchster Stelle melden.«
Tetley erschien in der Tür. »Sir, Sie werden persönlich gewünscht!«
Goussie begab sich in das Büro. Wembury hörte, daß er kurze, respektvolle Antworten gab, und wußte, daß der Innenminister sprach. Der Präsident wollte eine Erklärung geben, die aber abgeschnitten wurde. Als er wieder herauskam, war er bleich.
»Ich gehe zum Innenminister. Wir wollen die Sache bis zu meiner Rückkehr verschieben.«
Aber der Polizeipräsident kehrte nicht mehr zurück. Er blieb nur zehn Minuten beim Minister, und die späten Abendausgaben der Zeitungen verkündeten, daß Sir Jonathan Goussie seines Amtes enthoben worden war . . .
»Man hat ihm nicht mal die Möglichkeit gegeben, selber seinen Abschied einzureichen«, meinte Terry.
»Versteh' ich vollkommen«, brummte Jiggs. »Warum hätten sie ihm auch noch diese Annehmlichkeit zubilligen sollen?«
Die beiden saßen bei einer Tasse Tee in Terrys Büro. Der Chefinspektor erinnerte sich an die Unterredung, die er am Morgen mit Eddie Tanner gehabt hatte, und erzählte seinem Freund davon.
»Möglicherweise war es ernst gemeint?« entgegnete Jiggs. »Eddie ist manchmal merkwürdig großzügig.«
Terry schüttelte den Kopf. »Ich kann und kann nicht glauben, daß er seinen Onkel mit Vorbedacht über den Haufen geschossen hat . . .«
»Sie verstehen eben die Mentalität dieser Halunken nicht. Die bewahren immer und überall kaltes Blut – kennen keinerlei Gefühle. Sie behandeln die Menschen, die sie in ein besseres Jenseits befördern, wie die Fleischer ihr Vieh auf dem Chikagoer Schlachthof. Einen Hammel haßt man nicht, wenn man ihn absticht. Hassen Sie etwa eine Mücke, wenn Sie sie totschlagen? Nein. Die Tatsache, daß Decadon sein Onkel und ein hinfälliger Greis war, machte für Eddie nicht den geringsten Unterschied. Wenn die jemand niederknallen, so ist das für sie dasselbe, als ob sie sich den Rock abbürsten oder ihre Krawatte geraderücken.« Er dachte einen Augenblick nach. »Mir ist es ganz klar, daß er die junge Dame aus dem Haus haben will. Die Dienstboten müssen auch gehen. Ich wette, daß er jetzt seine eigenen Leute dort hat. Er kann keine Angestellten brauchen, die er nicht ganz genau kennt.«
»Meinen Sie, daß Bandenmitglieder bei ihm wohnen?«
»Nein. Das würde uns die Sache zu sehr erleichtern. Er wird Leute nehmen, die nur tagsüber im Haus sind und nachts in ihrer eigenen Wohnung schlafen. Möglich, daß er wieder eine Sekretärin anstellt. Aber wenn Sie an Ort und Stelle nach ihm fragen, dann erhalten Sie sicher die Antwort, er sei eben ausgegangen. Ein paar Elektriker werden sich vielleicht im Haupthaus aufhalten, die Klingelleitungen und dergleichen legen. Die werden häufig dort sein; aber wenn Sie sich nach denen erkundigen, so sind sie gerade zum Essen gegangen . . . Die einzige, der er nicht gekündigt hat, ist die Köchin.«
»Warum das?«
»Weil sie an und für sich nicht im Haus wohnt und sich tagsüber im Souterrain aufhält; sie kommt nie nach oben. Außerdem kocht sie gut . . . Aber ich wollte Ihnen noch etwas über die junge Dame sagen, in die Sie sich verliebt haben . . .«
»Ich habe mich durchaus nicht in sie verliebt!« widersprach Terry entrüstet.
»Sie haben aber rote Ohren bekommen! Und das verrät genug . . . Wie heißt sie doch gleich? Ach ja: Leslie Ranger. Es mag allerhand für sich haben, was Eddie gesagt hat. Immerhin möglich, daß die Burschen sie eines Abends wieder entführen und alles aus ihr herauszuholen trachten, was sie wissen wollen.«
»Das heißt, wenn sie es ihnen sagt!«
Jiggs lächelte grimmig. »Sie wird es ihnen schon sagen . . . Sie kennen diese Schurken nicht, Terry. Man spricht manchmal von Menschen, die vor nichts haltmachen; diese Gangster gehören dazu. Wissen Sie nicht, daß man im Mittelalter die Leute gefoltert hat, um sie zum Sprechen zu bringen? Diese Verbrecher können das noch viel besser; und besonders raffinierte Methoden wenden sie an, wenn sich's um eine Frau handelt . . . Schade dann um das hübsche Mädel – diese Leslie! Ich hab' sie zweimal getroffen; sie ist wirklich sehr schön . . . Wo steckt nun eigentlich der Alte?«
»Meinen Sie den Präsidenten? Der ist nach Haus gegangen. Wembury hat noch mit ihm gesprochen und versucht, den Namen des Bedrohten zu erfahren, aber Goussie hat nur gesagt, er hätte dem Mann den Rat gegeben, sich ruhig zu verhalten und heute abend zum Scotland Yard zu kommen.«
Jiggs stöhnte. »Es müssen doch noch andere solche Briefe in London ausgetragen worden sein. Haben Sie was davon gehört?«
»Nein, es wurde nichts gemeldet. Übrigens haben alle unsere Wachleute Befehl erhalten, jedes Haus zu melden, in dem man eine brennende Kerze sieht.«
»Es wird sich kein Licht zeigen. Es war doch ein blauer Brief!«
»Ebensogut können grüne ausgeschickt worden sein«, meinte Terry. Jiggs erhob sich. »Ich ziehe heute in ein anderes Hotel. In mein jetziges Quartier kann man zu leicht eindringen, und wenn einer von diesen Burschen erfährt, daß ich jetzt so intensiv für euch tätig bin, kann ich damit rechnen, daß sie mich außer Gefecht setzen wollen. Wenn in den nächsten Tagen nicht der Versuch gemacht wird, mich niederzuknallen oder mich sonstwie um die Ecke zu bringen, würde ich mich geradezu beleidigt fühlen.«
Er verließ Scotland Yard und ging zu Fuß Whitehall hinunter. Er hatte die Hände in den Rocktaschen und eine Zigarre im Mund, die verwegen nach oben ragte. Den Hut hatte er etwas schief aufgesetzt, und so sah er aus wie jemand, der sich seines Lebens freut. Aber jede Hand hielt in der Tasche einen Revolver gepackt, und unter dem nach unten gebogenen Hutrand war ein Spiegel befestigt . . .
Um diese Zeit kehrten die Beamten aus den Ministerien nach Hause zurück, und am Trafalgar Square herrschte ungeheurer Verkehr. An der Ecke überquerte Jiggs die Straße und sprang auf einen Autobus, der nach Westen fuhr. Fünf Minuten später kam er in seinem Hotel an.
Er hatte Terry Weston nicht mitgeteilt, daß er seine Wohnung bereits geändert hatte; nur seine neue Telefonnummer war der Zentrale im Präsidium bekannt. Er fuhr zum ersten Stock hinauf, wo seine Räume lagen, schloß die Tür auf, streckte die Hand nach innen und schaltete das Licht an.
Im nächsten Augenblick erzitterte der ganze Hotelbau unter einer schweren Explosion, Jiggs wurde zu Boden geschleudert und lag halb bewußtlos unter Putz und Trümmern. Als er sich langsam wieder erhob, schmerzten ihm alle Glieder. Die Tür zu seinem Zimmer hing nur noch in den Angeln, und erstickende Rauchwolken qualmten aus dem Raum. Seine rechte Hand, mit der er das Licht angedreht hatte, war wunderbarerweise unverletzt geblieben; nur ein paar geringfügige Abschürfungen zeigten sich.
Das Hotel lag fünf Minuten im Dunkel. Von unten her ertönten Rufe und Stimmengewirr. Laute Gongschläge meldeten Feueralarm.
Jiggs leuchtete mit seiner Taschenlampe das Zimmer ab. Alles lag in Trümmern: Teile der Decke waren eingebrochen, die Fenster auf die Straße gestürzt, die Möbel in Stücke gerissen . . . Er starrte verstört um sich. »Also auch hier Bomben!«
Offenbar hätte man die Bombe auf den Tisch gestellt und die Zündung mit dem elektrischen Lichtschalter in Verbindung gebracht. Wäre Jiggs ins Zimmer getreten und hätte erst dann den Schalter gedreht, so wäre auch er in Stücke gerissen worden . . .
Als er den Korridor entlangging, hörte er die Alarmglocken der Feuerwehrwagen. An der Treppe traf er den bleichen Hoteldirektor, der vor Schreck kaum sprechen konnte.
»Es war nur eine Bombe«, erklärte Jiggs. »Sehen Sie bitte nach, ob jemand in den anderen Zimmern verletzt worden ist!«
Glücklicherweise standen zu dieser Tageszeit fast alle Räume leer. Jiggs' Wohnzimmer lag unmittelbar über einer Hotelgarderobe, deren Decke zum Teil eingestürzt war. Wie durch ein Wunder war niemand etwas geschehen.
Nachdem die Feuerwehr einen unbedeutenden Brand gelöscht hatte, inspizierte Jiggs sein Schlafzimmer. Die Trennungswände waren vollständig zusammengebrochen. Ein großes Loch zeigte die Stelle an, wo früher der Kleiderschrank gestanden hatte. »Ich brauche nun wenigstens nicht viel zu packen«, sagte er in philosophischer Ruhe.
Er versuchte mit Scotland Yard zu telefonieren, aber die Fernsprechleitung funktionierte nicht.
Vorm Hotel war eine große Menschenmenge zusammengeströmt, und Ansammlungen waren im Augenblick gefährlich. Jiggs verließ deshalb das Gebäude durch einen hinteren Ausgang und fand auch bald eine Telefonzelle, von der aus er Terry anrief.
»Würden Sie einem heimatlosen Chikagoer Polizisten Obdach gewähren, der nur noch einen halbverbrannten Schlafanzug und eine von Pulverdampf geschwärzte Zahnbürste besitzt?«
Terry sagte selbstverständlich zu. »Ich komme zum Hotel und hole Sie ab!«
»Wählen Sie vorsichtigerweise den Hintereingang!« warnte Jiggs. »Vorm Frontportal lauern innerhalb der Menge sicher ein paar Gangster – mit gezückten Pistolen, um Sie niederzuknallen!«
Das war natürlich übertrieben, aber es hätte auch genügt, wenn nur einer der amerikanischen Pistolenhelden auf ihn gewartet hätte.
Die beiden fuhren dann mit dem geringen Gepäck, das Jiggs aus dem Schiffbruch gerettet hatte, nach Scotland Yard.
»Ich dachte mir schon, daß sie hier auch Bomben verwenden würden«, meinte Allerman unterwegs. »Solch eine Bombe gehört zur Ausrüstung jedes Gangsters.« Schließlich heiterten sich seine Züge wieder auf. »Auf alle Fälle kann man's als eine Art Kompliment für mich auffassen: Die edlen Herren halten mich für so gefährlich, daß sie mir in erhöhtem Maße ihre Aufmerksamkeit schenken. Wer hat übrigens die Affäre zu bearbeiten?«
»Tetley. Der Präsident hat ihn nach Scotland Yard gebracht, damit er bestimmte Spezialfragen erledigt. Er ist ein ganz schlauer Kerl, steht aber in keinem besonders guten Ruf. Er hat mir zu viel Geld, als daß ich damit einverstanden sein könnte. Möglich allerdings, daß er's auf ehrliche Weise erwarb . . .«
»Das wäre sicher möglich«, erwiderte Jiggs ironisch. »Aber was er jetzt hat, ist wenig im Vergleich zu dem, was er in drei Monaten auf der Bank haben wird . . . Das heißt: wenn er seinen Mammon in Sicherheit bringen kann! Was ich kaum glaube . . .«