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III. Das Arbeitsgeld und seine Begründung. Die Gratisleistung des Geistes. Die Höhenunterschiede der Arbeit als Quantitätsunterschiede. Die Muskelarbeit als Arbeitseinheit. Der Wert physischer Leistung auf den der psychischen Leistung reduzierbar. Die Nützlichkeitsunterschiede der Arbeit als Gegengrund gegen das Arbeitsgeld; dadurch geförderte Einsicht in die Bedeutung des Geldes.

Die Bedeutung des Geldäquivalents der Arbeit ist auf diesen Seiten so oft direkt und indirekt berührt, daß ich hier nur noch eine darauf bezügliche Prinzipienfrage abhandeln möchte: ob die Arbeit selbst etwa der Wert schlechthin ist, der also das Wertmoment in allen ökonomischen Einzelheiten ebenso in concreto bildet, wie dasselbe in abstracto durch das Geld ausgedrückt wird. Die Bemühungen, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Werte aus einer einzigen Quelle abzuleiten und auf einen einzigen Ausdruck, zu reduzieren – auf die Arbeit, die Kosten, den Nutzen usw. – wären sicher nicht aufgetreten, wenn nicht die Umsetzbarkeit aller jener Werte in Geld auf eine Einheit ihres Wesens hingedeutet und als Pfand für die Erkennbarkeit eben dieser Einheit gedient hätte. Der Begriff des »Arbeitsgeldes«, der in sozialistischen Plänen auftaucht, drückt diesen Zusammenhang aus. Geleistete Arbeit als der allein wertbildende Faktor gibt danach allein das Recht, die Arbeitsprodukte Anderer zu beanspruchen, und dafür weiß man eben keine andere Form, als daß man die Symbole und Anerkenntnisse eines bestimmten Arbeitsquantums als Geld bezeichnet. Das Geld muß also selbst da als Einheitsform der Werte konserviert werden, wo seine augenblickliche Beschaffenheit verworfen wird, weil deren Eigenleben es hindere, der adäquate Ausdruck der fundamentalen Wertpotenz zu sein. Wenn man selbst neben der Arbeit noch die Natur als Wertbildner zuläßt, da doch auch das aus ihr entnommene Material der Arbeit Wert besitzt, und so, wie man sagte, die Arbeit zwar der Vater, die Erde aber die Mutter des Reichtums ist – so muß der sozialistische Gedankengang dennoch am Arbeitsgeld münden; denn da die Schätze der Natur nicht mehr Privateigentum, sondern die gemeinsame, jedem a priori in gleicher Weise zugängige Grundlage des Wirtschaftens überhaupt sein sollen, so ist dasjenige, was jeder in den Tausch zu geben hat, schließlich doch nur seine Arbeit. Er kann freilich, wenn er mit Hilfe dieser ein wertvolles Naturprodukt eingetauscht hat und dieses weiter vertauscht, dessen Stoffwert mit in Rechnung stellen; aber die Werthöhe desselben ist doch nur genau gleich dem Werte seiner Arbeit, für die er es erworben hat, und diese bildet also für das fragliche Naturprodukt das Maß seines Tauschwertes. Wenn die Arbeit so die letzte Instanz ist, auf die alle Wertbestimmung der Objekte zurückzugehen hat, so ist es eine Unangemessenheit und ein Umweg, sie ihrerseits erst an einem Objekte von fremder Provenienz, wie das jetzige Geld es ist, zu messen; vielmehr müßte man dann allerdings eine Möglichkeit suchen, die Arbeitseinheit ganz rein und unmittelbar in einem Symbol auszudrücken, das als Tausch- und Meßmittel, als Geld fungierte.

Ohne von den angedeuteten Vereinheitlichungen des Wertes eine als die allein legitime zu verkünden, möchte ich die Arbeitstheorie wenigstens für die philosophisch interessanteste halten. In der Arbeit gewinnen die Körperlichkeit und die Geistigkeit des Menschen, sein Intellekt und sein Wille, eine Einheitlichkeit, die diesen Potenzen versagt bleibt, solange man sie gleichsam in ruhendem Nebeneinander betrachtet; die Arbeit ist der einheitliche Strom, in dem sie sich wie Quellflüsse mischen, die Geschiedenheit ihres Wesens in der Ungeschiedenheit des Produktes auslöschend. Wäre sie wirklich der alleinige Träger des Wertes, so würde der letztere damit in den definitiven Einheitspunkt unserer praktischen Natur eingesenkt, und dieser würde sich den adäquatesten Ausdruck, den er in der äußeren Realität finden kann, erwählt haben. Im Hinblick auf diese Bedeutung der Arbeit erscheint es mir eine untergeordnete Frage, ob man nicht der Arbeit daraufhin den Wert abzusprechen habe, daß sie doch vielmehr die Werte erst erzeuge – wie die Maschine, die einen Stoff bearbeitet, doch die Form nicht selbst besitzt, die sie diesem erteilt. Gerade wenn man nur den Produkten menschlicher Arbeit Wert zuspreche, könne nicht sie selbst – die eine physiologische Funktion ist –, sondern nur die Arbeits kraft Wert haben. Denn diese allerdings werde vom Menschen erzeugt, nämlich durch die Unterhaltungsmittel, die ihrerseits menschlicher Arbeit entstammen. Daß sie sich dann in wirkliche Arbeit umsetzt, fordert ersichtlich nicht wiederum Arbeit, bedeutet also selbst keinen Wert; dieser vielmehr haftet nun erst wieder an den von solcher Arbeit bedingten Produkten. Ich halte dies indes für eine im wesentlichen terminologische Angelegenheit. Denn da die Arbeitskraft sicher kein Wert wäre, wenn sie latent bliebe und sich nicht in wirkliches Arbeiten umsetzte, sondern erst in diesem wertbildend wirkt, so kann man für alle Zwecke der Berechnung und des Ausdrucks die Arbeit einsetzen. Das wird auch nicht durch die Überlegung geändert, daß die als Nahrung konsumierten Werte nicht Arbeit, sondern Arbeitskraft erzeugen und deshalb nur diese, als Trägerin jener aufgenommenen Werte, selbst ein Wert sein könne. Die Nahrungsmittel können schon deshalb nicht die zulängliche Ursache des vom Menschen verwirklichten Wertes sein, weil dieser letztere den in den ersteren investierten übersteigt, da es andernfalls nie zu einer Wertvermehrung kommen könnte. Die Scheidung zwischen Arbeitskraft und Arbeit ist nur für die Zwecke des Sozialismus wichtig, weil sie die Theorie anschaulich macht, daß der Arbeiter nur einen Teil der Werte erhält, die er erzeugt. Seine Arbeit produziert mehr Werte, als in seiner Arbeitskraft, in Form der Unterhaltsmittel, investiert sind; indem der Unternehmer die ganze Arbeitskraft um den Wert der letzteren kauft, profitiert er das ganze Mehr, um welches die schließlichen Arbeitsprodukte diesen Wert überragen. Aber selbst von diesem Standpunkt aus scheint mir, man könnte, statt der Arbeitskraft die Arbeit als Wert bezeichnend, innerhalb der letzteren die Quanten gegeneinander abgrenzen, deren Werte einerseits als Lohn zum Arbeiter zurückkehren, andrerseits den Gewinn des Unternehmers ausmachen. Ich gehe hierauf also nicht weiter ein, sondern untersuche im folgenden nur die nähere Bestimmung, unter welcher uns die Arbeitstheorie des Wertes so häufig entgegentritt: sie sucht einen Arbeitsbegriff, der für Muskelarbeit und geistige Arbeit gleichmäßig gilt, und mündet dabei tatsächlich auf der Muskelarbeit, als dem primären Werte oder Wertproduzenten, der als Maß jeglicher Arbeit überhaupt zu gelten habe. Es wäre irrig, hierin nur proletarischen Trotz und prinzipielle Entwürdigung geistiger Leistungen zu sehen. Vielmehr wirken dazu tiefere und verwickeltere Ursachen.

Von dem Anteil des Geistes an der Arbeit ist zunächst behauptet worden, daß er kein »Aufwand« sei, er fordere keinen Ersatz wegen Abnutzung und erhöhe deshalb die Kosten des Produktes nicht; so daß als Begründerin des Tauschwertes nur die Muskelarbeit übrigbleibe. Wenn man dem gegenüber hervorgehoben hat, daß auch die geistige Kraft erschöpfbar sei und ganz ebenso wie die körperliche durch Ernährung erhalten und ersetzt werden müßte, so ist dabei das Moment von Wahrheit übersehen, das jener Theorie, wenn auch nur als instinktives Gefühl, zum Grunde liegen mag. Der Anteil des Geistes an einem Arbeitsprodukt bedeutet nämlich zwei scharf zu unterscheidende Seiten desselben. Wenn ein Tischler einen Stuhl nach einem längst bekannten Modell herstellt, so geht das freilich nicht ohne einen Aufwand psychischer Tätigkeit ab, die Hand muß vom Bewußtsein geleitet werden. Allein dies ist keineswegs die ganze in dem Stuhl investierte Geistigkeit. Er wäre auch nicht herstellbar ohne die geistige Tätigkeit desjenigen, der, vielleicht vor Generationen, das Modell dazu ersonnen hat; auch die hiermit verbrauchte psychische Kraft bildet eine praktische Bedingung dieses Stuhles. Nun aber besteht der Inhalt dieses zweiten geistigen Prozesses in einer Form weiter, in der er keinen psychischen Kraftaufwand mehr involviert: als Tradition, objektiv gewordener Gedanke, den jeder aufnehmen und nachdenken kann. In dieser Form wirkt er im Produktionsprozeß des jetzigen Tischlers, bildet den Inhalt der aktuellen geistigen Funktion, die freilich von dessen subjektiver Kraft getragen und vollzogen werden muß, und geht vermöge dieser letzteren in das Produkt, als dessen Form, ein. Die zweierlei psychischen Betätigungen, von denen ich erst sprach, sind ganz sicher der Abnutzung und der Notwendigkeit eines physiologischen Ersatzes unterworfen: sowohl die des Tischlers wie die des Erfinders des Stuhles. Aber das dritte geistige Moment, das offenbar für das jetzige Zustandekommen des Stuhles entscheidend wichtig ist, ist allerdings dem Verbrauchtwerden enthoben, und nach der Idee dieses Stuhles mögen Tausende von Exemplaren gearbeitet werden, sie selbst leidet dadurch keine Abnutzung, fordert keine Restaurierung und vermehrt also allerdings, obgleich sie den formgebenden, sachlich-geistigen Gehalt jedes einzelnen Stuhles dieser Art bildet, die Kosten desselben nicht. Unterscheidet man also mit der erforderlichen Schärfe zwischen dem objektiv-geistigen Inhalt in einem Produkt und der subjektiven geistigen Funktion, die nach der Norm jenes Inhaltes das Produkt herstellt, so sieht man das relative Recht jener Behauptung, daß der Geist nichts koste; freilich auch ihr relatives Unrecht, weil diese unentgeltliche und unvernutzbare Idee des Dinges sich nicht von selbst in Produkten verwirklicht, sondern nur vermittels eines Intellekts, dessen jetziges, jener Idee gemäßes Funktionieren organische Kraft fordert und zu dem Kostenwert des Produktes aus denselben Gründen beiträgt, wie die Muskelleistung es tut – wenngleich der durch einen so präformierten Inhalt gelenkte psychische Aufwand natürlich ein viel geringerer ist, als wenn er zugleich den Inhalt originell aufzubringen hat. Die Differenz zwischen beiden ist die Gratisleistung des Geistes. Und dieses ideell-inhaltliche Moment ist es, das den geistigen Besitz nach zwei Seiten hin so völlig von dem ökonomischen unterscheidet: er kann einem einerseits viel gründlicher, andrerseits viel weniger genommen werden, als dieser. Der einmal ausgesprochene Gedanke ist durch keine Macht der Welt wieder einzufangen, sein Inhalt ist unwiderruflich öffentliches Eigentum aller, die die psychische Kraft, ihn nachzudenken, aufwenden. Deshalb aber kann er einem auch, wenn dies einmal geschehen ist, durch keine Macht der Welt wieder geraubt werden, der einmal gedachte Gedanke bleibt, als immer wieder reproduzierbarer Inhalt, der Persönlichkeit so unentreißbar verbunden, wie es im Ökonomischen gar keine Analogie findet. Indem sich der geistige Prozeß aus seinem Inhalt, der diese überökonomische Bedeutung hat, und dem psychologischen Prozeß als solchem zusammensetzt, handelt es sich hier ersichtlich nur um den letzteren, um die Frage, welche Rolle der seelische Kraftverbrauch in der Wertbildung noch neben der Muskelarbeit spiele.

Daß die Bedeutung der geistigen Arbeit auf die der physischen reduziert werde, ist schließlich nur eine Seite der ganz allgemeinen Tendenz, eine Einheit des Arbeitsbegriffes herzustellen. Das Gemeinsame aller mannigfaltigen Arten der Arbeit – einer viel weiteren und abgestufteren Mannigfaltigkeit, als der bloße Gegensatz zwischen physischer und psychischer Arbeit zeigt – gilt es aufzufinden. Damit wäre theoretisch wie praktisch außerordentlich viel gewonnen, soviel wie entsprechend mit der Tatsache des Geldes; man hätte nun die generelle, qualitative Einheit, auf Grund deren alle Wertverhältnisse zwischen den Ergebnissen menschlicher Tätigkeit rein quantitativ, durch ein bloßes Mehr oder Weniger, auszudrücken wären. Auf allen Gebieten hat dies den wesentlichen Fortschritt der Erkenntnis bedeutet: daß die qualitative Abwägung der Objekte gegeneinander, die immer eine relativ unsichere und unexakte bleibt, in die allein unzweideutige quantitative übergeführt wird, indem eine durchgängige innere Einheit an ihnen festgestellt wird und diese nun, als überall dieselbe und selbstverständliche, in der Berechnung der relativen Bedeutungen der Einzelheiten keine Berücksichtigung mehr verlangt. Auf sozialistischer Seite ist dies offenbar eine bloße Fortsetzung und Konsequenz der Bestrebung, alle Werte überhaupt auf ökonomische, als ihren Ausgangspunkt und ihre Substanz zurückzuführen. Und auf dieser Bestrebung mußte sie unvermeidlich münden, wenn sie ihre Nivellierungstendenz zu Ende dachte. Denn auf dem Gebiete des Ökonomischen kann man allenfalls eine Gleichheit der Individuen als möglich denken; auf allen anderen: intellektuellen, gefühlsmäßigen, charakterologischen, ästhetischen, ethischen usw. würde das Nivellement, selbst nur das der »Arbeitsmittel«, von vornherein aussichtslos sein. Will man es dennoch unternehmen, so bleibt nichts übrig, als diese Interessen und Qualitäten irgendwie auf jene, die allein eine annähernde Gleichmäßigkeit der Verteilung gestatten, zu reduzieren. Ich weiß wohl, daß der heutige wissenschaftliche Sozialismus die mechanisch-kommunistische Gleichmacherei von sich weist und nur eine Gleichheit der Arbeitsbedingungen herstellen will, von der aus die Verschiedenheit der Begabung, Kraft und Bemühung auch zu einer Verschiedenheit der Stellung und des Genusses führen soll. Allein dem heutigen Zustand gegenüber, in dem Erbrecht, Klassenunterschiede, Akkumulation des Kapitals und alle möglichen Chancen der Konjunktur weit größere als den individuellen Betätigungsunterschieden entsprechende Abstände erzeugen – würde jenes nicht nur tatsächlich eine wesentliche Ausgleichung in jeder Hinsicht bedeuten, sondern die Ausgleichung auch der Besitz- und Genußmomente scheint mir auch heute noch für die Massen das eigentlich wirksame Agitationsmittel zu sein. Wenn der historische Materialismus zum wissenschaftlichen Beweisgrund der sozialistischen Lehre gemacht worden ist, so geht hier, wie so oft, der systematische Aufbau den umgekehrten Weg wie der schöpferische Gedankengang, und man hat nicht aus dem unabhängig festgestellten historischen Materialismus die sozialistische Theorie logisch gefolgert, sondern die praktisch feststehende sozialistisch-kommunistische Tendenz hat sich erst nachträglich den für sie allein möglichen Unterbau geschaffen, die ökonomischen Interessen als den Quellpunkt und Generalnenner aller anderen zu deklarieren. Ist dies aber einmal geschehen, so muß sich die gleiche Tendenz in das Gebiet des Ökonomischen selbst fortsetzen und die Mannigfaltigkeit seiner Inhalte auf eine Einheit bringen, die über alles individuelle Leisten die Möglichkeit einer Gleichheit und äußerlich nachweisbaren Gerechtigkeit stellt.

Denn die Behauptung, der Wert aller wertvollen Objekte bestehe in der Arbeit, die sie gekostet haben, genügt für diesen Zweck noch nicht. Damit könnte sich nämlich noch immer die qualitative Verschiedenheit der Arbeit vereinigen, derart, daß ein geringeres Quantum höherer Arbeit einen gleichen oder höheren Wert bildete, wie ein erhebliches von niederer Arbeit. Hierdurch aber wäre eine ganz andere als die beabsichtigte Wertskala eingeführt. Die entscheidenden Eigenschaften der Feinheit, Geistigkeit, Schwierigkeit würden zwar auch dann immer noch mit und an der Arbeit produziert, realisierten sich nur als Attribute ihrer; allein das Wertmoment ruhte nun doch nicht mehr auf der Arbeit als Arbeit, sondern auf der nach einem ganz selbständigen Prinzip aufgebauten Ordnung der Qualitäten, für die die Arbeit als solche, die das Allgemeine aller Arbeitsqualitäten ist, nur der für sich noch irrelevante Träger wäre. Damit wäre die Arbeitstheorie in dasselbe Dilemma gebracht, dem die moralphilosophische Lehre unterlegen ist, daß die Produktion von Glücksgefühlen der absolute ethische Wert sei. Ist nämlich die Handlung wirklich in dem Maße sittlich, in dem sie Glück zur Folge hat, so bedeutet es eine Durchbrechung des Prinzips und die Einführung neuer definitiver Wertmomente, wenn das reinere, geistigere, vornehmere Glück als das wertvollere gepriesen wird. Denn dann wäre der Fall möglich, daß ein solches Glück, wenngleich quantitativ, d. h. als bloßes Glück, geringer als ein niedriges, sinnliches, selbstisches, dennoch diesem gegenüber das sittlich erstrebenswertere wäre. Die ethische Glückseligkeitstheorie ist deshalb nur dann konsequent, wenn alle ethischen Unterschiede sinnlichen und geistigen, epikureischen und asketischen, egoistischen und mitfühlenden Glückes im letzten Grunde, alle Begleit- und Folgeerscheinungen eingerechnet, bloße Maßunterschiede einer und derselben, qualitativ immer gleichen Glücksart sind. Ebenso muß die konsequente Arbeitstheorie es durchführen können, daß alle die unzweideutig empfundenen und nicht wegzudisputierenden Wertunterschiede zwischen zwei Leistungen, die als Arbeit extensiv und intensiv gleich erscheinen, im letzten Grunde nur bedeuten, daß in der einen mehr Arbeit verdichtet ist, als in der anderen, daß nur der erste und flüchtige Blick sie für gleiche Arbeitsquanten hält, der tiefer dringende aber ein tatsächliches Mehr oder Weniger von Arbeit als den Grund ihres Mehr oder Weniger von Wert entdeckt.

Tatsächlich ist diese Deutung nicht so unzulänglich, wie sie zuerst scheint. Man muß nur den Begriff der Arbeit weit genug fassen. Betrachtet man die Arbeit zunächst in der Beschränkung auf ihren individuellen Träger, so liegt auf der Hand, daß in jedem irgend »höheren« Arbeitsprodukt keineswegs nur diejenige Arbeitssumme investiert ist, die unmittelbar auf eben diese Leistung verwendet worden ist. Die ganzen vorhergegangenen Mühen vielmehr, ohne die die jetzige, relativ leichtere Herstellung unmöglich wäre, müssen in sie, als für sie erforderliche Arbeit, pro rata eingerechnet werden. Gewiß ist die »Arbeit« des Musikvirtuosen an einem Konzertabend oft im Verhältnis zu ihrer ökonomischen und idealen Einschätzung eine geringe; ganz anders aber steht es, wenn man die Mühen und die Dauer der Vorbereitung als Bedingung der unmittelbaren Leistung dem Arbeitsquantum derselben hinzurechnet. Und so bedeutet auch in unzähligen anderen Fällen höhere Arbeit eine Form von mehr Arbeit; nur daß diese nicht in der sinnlichen Wahrnehmbarkeit momentaner Anstrengung, sondern in der Kondensation und Aufspeicherung vorangegangener und die jetzige Leistung bedingender Anstrengungen gelegen ist: in der spielenden Leichtigkeit, mit der der Meister seine Aufgaben löst, kann unendlich viel mehr Arbeitsmühe verkörpert sein, als in dem Schweiß, den der Stümper schon um eines sehr viel niederen Ergebnisses willen vergießen muß. Nun aber kann diese Deutung der Qualitätsunterschiede der Arbeit als quantitativer sich über die bloß persönlichen Vorbedingungen hinauserstrecken. Denn diese reichen offenbar nicht aus, um diejenigen Eigenschaften der Arbeit in der angegebenen Weise zu reduzieren, die ihre Höhe durch eine angeborene Begabung oder durch die Gunst dargebotener objektiver Vorbedingungen gewinnen. Hier muß man sich einer Vererbungshypothese bedienen, die freilich hier wie überall, wo sie insbesondere erworbene Eigenschaften einbezieht, nur eine ganz allgemeine Denkmöglichkeit darbietet. Wollen wir die verbreitete Erklärung des Instinkts akzeptieren, daß er aus den aufgehäuften Erfahrungen der Vorfahren besteht, die zu bestimmten zweckmäßigen Nerven- und Muskelkoordinationen geführt haben und in dieser Form den Nachkommen vererbt sind, derart, daß bei diesen die zweckmäßige Bewegung auf den entsprechenden Nervenreiz hin rein mechanisch und ohne eigener Erfahrung und Einübung zu bedürfen, erfolgt – wenn wir dies akzeptieren wollen, so kann man die angeborene spezielle Begabung als einen besonders günstigen Fall des Instinkts betrachten. Nämlich als denjenigen, in dem die Summierung solcher physisch verdichteten Erfahrungen ganz besonders entschieden nach einer Richtung hin und in einer solchen Lagerung der Elemente erfolgt ist, daß schon der leisesten Anregung ein fruchtbares Spiel bedeutsamer und zweckmäßiger Funktionen antwortet. Daß das Genie so viel weniger zu lernen braucht, wie der gewöhnliche Mensch zu der gleichartigen Leistung, daß es Dinge weiß, die es nicht erfahren hat – dieses Wunder scheint auf eine ausnahmsweise reiche und leicht ansprechende Koordination vererbter Energien hinzuweisen. Wenn man die hiermit angedeutete Vererbungsreihe weit genug zurückgliedert und sich klar macht, daß alle Erfahrungen und Fertigkeiten innerhalb derselben nur durch wirkliches Arbeiten und Ausüben gewonnen und weitergebildet werden konnten, so erscheint auch die individuelle Besonderheit der genialen Leistung als das kondensierte Resultat der Arbeit von Generationen. Der besonders »begabte« Mensch wäre demnach derjenige, in dem ein Maximum von Arbeit seiner Vorfahren in latenter und zur Weiterverwertung disponierter Form aufgehäuft ist; so daß der höhere Wert, den die Arbeit eines solchen durch ihre Qualität besitzt, im letzten Grunde auch auf ein quantitatives Mehr von Arbeit zurückgeht, das er freilich nicht persönlich zu leisten brauchte, sondern dem er nur durch die Eigenart seiner Organisation das Weiterwirken ermöglicht. Die Leistung wäre dann, die gleiche aktuelle Arbeitsmühe der Subjekte vorausgesetzt, in dem Maße eine verschieden hohe, in dem die Struktur ihres psychisch-physischen Systems eine verschieden große und mit verschiedener Leichtigkeit wirkende Summe erarbeiteter Erfahrungen und Geschicklichkeiten der Vorfahren in sich birgt. Und wenn man die Wertgröße der Leistungen, statt durch das Quantum der erforderlichen Arbeit, in der gleichen Tendenz durch die zu ihrer Herstellung »gesellschaftlich notwendige Arbeits zeit« ausgedrückt hat, so entzieht sich auch dies nicht der gleichen Deutung: der höhere Wert der durch besondere Begabung getragenen Leistungen bedeutete dann, daß die Gesellschaft immer eine gewisse längere Zeit hindurch leben und wirken muß, ehe sie wieder ein Genie hervorbringt; sie braucht den längeren Zeitraum, der den Wert der Leistung bedingt, in diesem Falle nicht zu deren unmittelbarer Produktion, sondern zur Produktion der – eben nur in relativ längeren Zwischenräumen auftretenden – Produzenten solcher Leistungen.

Die gleiche Reduktion kann auch in objektiver Wendung erfolgen. Die Höherwertung des Arbeitsergebnisses bei gleicher subjektiver Anstrengung findet nicht nur als Erfolg eines persönlichen Talentes statt; sondern es gibt bestimmte Kategorien von Arbeiten, die von vornherein einen höheren Wert als andere repräsentieren, so daß die einzelne Leistung innerhalb jener weder größere Mühe noch größere Begabung als die innerhalb anderer zu enthalten braucht, um dennoch einen höheren Rang einzunehmen. Wir wissen sehr wohl, daß unzählige Arbeiten in den »höheren Berufen« an das Subjekt keinerlei höhere Ansprüche stellen, als solche in den »niederen«; daß die Arbeiter in Bergwerken und Fabriken oft eine Umsicht, Entsagungsfähigkeit, Todesverachtung besitzen müssen, die den subjektiven Wert ihrer Leistung weit über den vieler Beamten- oder Gelehrtenberufe erhebt; daß die Leistung eines Akrobaten oder Jongleurs genau dieselbe Geduld, Geschicklichkeit und Begabung fordert, wie die manches Klaviervirtuosen, der seine manuelle Fertigkeit durch keinen Beisatz seelischer Vertiefung adelt. Und doch pflegt nicht nur die eine Kategorie von Arbeiten der anderen gegenüber tatsächlich viel höher entlohnt zu werden, sondern auch ein sozial vorurteilsloses Schätzungsgefühl wird in vielen Fällen denselben Weg gehen. Bei vollem Bewußtsein der gleichen oder höheren subjektiven Arbeit, die das eine Produkt erfordert, wird man dem anderen dennoch einen höheren Rang und Wert zusprechen, so daß es hier wenigstens scheint, als ob andere Momente als die des Arbeitsmaßes seine Schätzung bestimmten. Doch ist dieser Schein nicht unüberwindlich. Man kann nämlich die Arbeitsleistungen höherer Kulturen in eine Stufenreihe von dem Gesichtspunkt aus einstellen, welches Quantum Arbeit bereits in den objektiven, technischen Vorbedingungen aufgehäuft ist, auf Grund deren die einzelne Arbeit überhaupt möglich ist. Damit es überhaupt höhere Stellungen in einer Beamtenhierarchie gebe, muß erstens eine unübersehbare Arbeit in der Verwaltung und der allgemeinen Kultur bereits geleistet sein, deren Geist und Ergebnis sich zu der Möglichkeit und Notwendigkeit solcher Stellungen verdichtet; und zweitens setzt jede einzelne Tätigkeit höherer Funktionäre die Vorarbeit vieler subalterner voraus, die sich in ihr konzentrieren; so daß die Qualität solcher Arbeit wirklich nur durch ein sehr hohes Quantum schon vollbrachter und in sie eingehender Arbeit zustande kommt. Ja, gegenüber der »unqualifizierten« beruht alle qualifizierte Arbeit als solche keineswegs nur auf der höheren Ausbildung des Arbeiters, sondern ebenso auch auf der höheren und komplizierteren Struktur der objektiven Arbeitsbedingungen, des Materials und der historisch-technischen Organisation. Damit auch der mittelmäßigste Klavierspieler möglich sei, bedarf es einer so alten und breiten Tradition, eines so unübersehbaren überindividuellen Bestandes technischer und artistischer Arbeitsprodukte, daß allerdings diese in ihr gesammelten Schätze seine Arbeit weit über die vielleicht subjektiv viel erheblichere des Seiltänzers oder Taschenspielers erheben. Und so im allgemeinen: was wir als die höheren Leistungen schätzen, nur nach der Kategorie des Berufes und ohne daß personale Momente ihre Höhe bewirkten, das sind diejenigen, die in dem Aufbau der Kultur die relativ abschließenden, am meisten von langer Hand vorbereiteten sind, die ein Maximum von Arbeit Vor- und Mitlebender als ihre technische Bedingung in sich aufnehmen – so ungerecht es auch sei, aus diesem, durch ganz überpersönliche Ursachen entstandenen Wert der objektiven Arbeitsleistung eine besonders hohe Entlohnung oder Schätzung für den zufälligen Träger derselben herzuleiten. Auch wird dieser Maßstab selbstverständlich nicht genau innegehalten. Wertungen von Leistungen und Produkten, die durch ihn begründet sind, werden auf andere, dieses Rechtsgrundes entbehrende, übertragen: sei es wegen äußerlich-formeller Ähnlichkeit, sei es wegen historischer Verknüpfung mit jenen, sei es, weil die Inhaber der betreffenden Berufe eine aus anderer Quelle fließende, soziale Macht zur Steigerung ihrer Schätzung benutzen. Ohne solche, aus der Komplikation des historischen Lebens folgende Zufälligkeiten abzurechnen, läßt sich aber überhaupt kein einziger prinzipieller Zusammenhang in sozialen Dingen behaupten. Im großen und ganzen kann, wie mir scheint, die Deutung aufrechterhalten werden: daß die verschiedene Wertung der Leistungsqualitäten, bei Gleichheit der subjektiven Arbeitsmühe, dennoch der Verschiedenheit der Arbeits quanten entspricht, die in vermittelter Form in den betreffenden Leistungen enthalten sind. So erst wäre der Gewinn für die theoretische Vereinheitlichung der ökonomischen Werte, auf den die Arbeitstheorie ausging, in vorläufige Sicherheit gebracht.

Damit ist aber nur der allgemeine Begriff der Arbeit maßgebend geworden und die Theorie beruht insoweit auf einer sehr künstlichen Abstraktion. Man könnte ihr vorwerfen, sie baue sich auf dem typischen Irrtum auf, daß die Arbeit zunächst und fundamental Arbeit überhaupt wäre, und dann erst, gewissermaßen als Bestimmungen zweiten Grades, ihre spezifischen Eigenschaften dazu träten, um sie zu dieser bestimmten zu machen. Als ob diejenigen Eigenschaften, auf die hin wir ein Handeln als Arbeit überhaupt bezeichnen, nicht mit seinen übrigen Bestimmungen eine vollkommene Einheit bildeten, als ob jene Scheidung und Rangordnung nicht auf einem ganz willkürlich gesetzten Grenzstrich beruhte! Gerade als ob der Mensch erst Mensch überhaupt wäre, und dann, in realer Scheidung davon, erst das bestimmte Individuum! Freilich ist auch dieser Irrtum begangen und zur Grundlage sozialer Theorien gemacht worden. Der Arbeitsbegriff, mit dem die ganze vorhergehende Erörterung rechnet, ist eigentlich nur negativ bestimmt: als dasjenige, was übrigbleibt, wenn man von allen Arten des Arbeitens alles wegläßt, was sie voneinander unterscheidet. Allein, was hier tatsächlich übrigbleibt, entspricht keineswegs, wie eine verlockende Analogie nahelegen könnte, dem physikalischen Begriff der Energie, die, in quantitativer Unveränderlichkeit, bald als Wärme, bald als Elektrizität, bald als mechanische Bewegung auftreten kann; hier ist allerdings ein mathematischer Ausdruck möglich, der das Gemeinsame aller dieser spezifischen Erscheinungen und sie als Äußerungen dieser einen Grundtatsache darstellt. Menschliche Arbeit aber, ganz im allgemeinen, gestattet keine derartig abstrakte, aber doch bestimmte Formulierung. Die Behauptung, daß alle Arbeit schlechthin Arbeit und nichts anderes wäre, bedeutet, als Grundlage für die Gleichwertigkeit derselben, etwas genau so Ungreifbares, abstrakt Leeres, wie jene Theorie: jeder Mensch sei eben Mensch und deshalb seien alle gleichwertig und zu den gleichen Rechten und Pflichten qualifiziert. Soll der Begriff der Arbeit also, dem in seiner bisher angenommenen Allgemeinheit mehr ein dunkles Gefühl als ein fester Inhalt seine Bedeutung geben konnte, eine solche wirklich erhalten, so bedarf es einer näheren Präzision des realen Vorganges, den man unter ihm verstehen kann.

Als dieses letzte, konkrete Element ist, worauf ich jetzt zurückkomme, die Muskelarbeit behauptet worden; und wir fragen nach dem Rechte dieser Behauptung, nachdem wir ihren Beweis aus der Kostenlosigkeit der geistigen Arbeit oben in seiner Gültigkeit beschränkt haben. Ich will nun von vornherein gestehen: ich halte es nicht für schlechthin ausgeschlossen, daß einmal das mechanische Äquivalent auch der psychischen Tätigkeit gefunden werde. Freilich, die Bedeutung ihres Inhaltes, seine sachlich bestimmte Stelle in den logischen, ethischen, ästhetischen Zusammenhängen steht absolut jenseits aller physischen Bewegungen, ungefähr wie die Bedeutung eines Wortes jenseits seines physiologisch-akustischen Sprachlautes steht. Aber die Kraft, die der Organismus für das Denken dieses Inhaltes als Gehirnvorgang aufwenden muß, ist prinzipiell ebenso berechenbar wie die für eine Muskelleistung erforderliche. Sollte dies eines Tages gelingen, so könnte man allerdings das Kraftmaß einer bestimmten Muskelleistung zur Maßeinheit machen, nach der auch der psychische Kraftverbrauch bestimmt wird, und die psychische Arbeit wäre nach dem, was daran wirklich Arbeit ist, auf gleichem Fuße mit der Muskelarbeit zu behandeln, ihre Produkte würden in eine bloß quantitative Wertabwägung mit denen der letzteren eintreten. Dies ist natürlich eine wissenschaftliche Utopie, die nur dartun kann, daß die Reduktion aller wirtschaftlich anrechenbaren Arbeit auf Muskelarbeit selbst für einen keineswegs dogmatisch-materialistischen Standpunkt nicht den prinzipiellen Widersinn zu enthalten braucht, mit dem der Dualismus von Geistigkeit und Körperlichkeit diesen Versuch zu schlagen schien.

In etwas konkreterer Weise scheint sich die folgende Vorstellung dem gleichen Ziele zu nähern. Ich gehe davon aus, daß unsere Unterhaltsmittel durch physische Arbeit produziert werden. Zwar ist keine Arbeit rein physisch, jede Handarbeit wird erst durch das irgendwie wirkende Bewußtsein zu einer zweckmäßigen Leistung, so daß auch diejenige, die der höheren geistigen Arbeit ihre Bedingungen bereitet, selbst schon einen Beisatz seelischer Art enthält. Allein diese psychische Leistung des Handarbeiters wird doch ihrerseits erst wieder durch Unterhaltsmittel ermöglicht; und zwar werden, je niedriger der Arbeiter steht, d. h. je geringfügiger das seelische Element seiner Arbeit im Verhältnis zu der Muskelleistung ist, auch seine Unterhaltsmittel (im weitesten Sinne) durch Arbeit von wesentlich physischem Charakter hergestellt werden – mit einer der modernsten Zeit angehörigen und im letzten Kapitel zu behandelnden Ausnahme. Da sich dies Verhältnis nun an je zwei Arbeiterkategorien wiederholt, so ergibt dies eine unendliche Reihe, aus welcher die psychische Arbeit zwar nie verschwinden kann, in der sie aber immer weiter zurückgeschoben wird. So ruhen die Unterhaltsmittel auch der höchsten Arbeiterkategorien auf einer Reihe von Arbeiten, in denen der psychische Beisatz jedes Gliedes durch ein Glied von rein physischem Wert getragen wird, so daß jener sich auf der letzten Stufe dem Grenzwert Null nähert. Es läßt sich also denken, daß prinzipiell alle äußeren Bedingungen der geistigen Arbeit in Muskelarbeitsgrößen ausdrückbar sind. Könnte man nun die alte Theorie vom Kostenwert gelten lassen, so würde der Wert der geistigen Arbeit, insofern er den Kosten ihrer Produktion gleich ist, dem Werte gewisser Muskelleistungen gleich sein. Und nun wäre diese Theorie vielleicht in einer Modifikation haltbar: der Wert eines Produkts ist zwar nicht seinen Kosten gleichzusetzen, wohl aber könnten sich die Werte zweier Produkte zueinander verhalten, wie die ihrer Entstehungsbedingungen. Eine Psyche, durch Unterhaltsmittel ernährt und angeregt, wird Produkte hergeben, die den Wert jener von unverbrauchten Bedingungen um ein Vielfaches übersteigen mögen; darum könnte aber doch das Wertverhältnis je zweier Bedingungskomplexe gleich dem je zweier Produkte sein – wie die Werte zweier Bodenerzeugnisse, von denen jedes ein Vielfaches seines Samens ist, sich so verhalten können wie die Werte der Samen zueinander; denn der werterhöhende Faktor könnte, für den Durchschnitt der Menschen, eine Konstante sein. Wenn alle diese Voraussetzungen zuträfen, so wäre damit die Reduktion der geistigen Arbeiten auf physische in dem Sinne vollbracht, daß man zwar nicht die absolute, aber die relative Wertbedeutung jeder der ersteren durch bestimmte Verhältnisse der letzteren ausdrücken könnte.

Nun erscheint aber der Gedanke, daß die Werthöhen der geistigen Leistung sich proportional den Werten der Unterhaltsmittel verhalten sollten, völlig paradox, ja unsinnig. Dennoch lohnt es, die Punkte aufzusuchen, in denen sich die Wirklichkeit ihm wenigstens nähert, weil diese tief in die inneren und kulturellen Beziehungen geistiger Werte zu ihren wirtschaftlichen Bedingungen und Äquivalenten hinabreichen. Wir haben uns wohl vorzustellen, daß im Gehirn, als dem Gipfelpunkt der organischen Entwicklung, ein sehr großes Maß von Spannkräften aufgespeichert liegt. Das Gehirn ist offenbar imstande, eine große Kraftsumme abzugeben, woraus sich unter anderem die erstaunliche Leistungsfähigkeit schwacher Muskeln erklärt, die sie auf psychische Reize hin entfalten können. Auch die große Erschöpfung des ganzen Organismus nach geistigen Arbeiten oder Alterationen weist darauf hin, daß die psychische Tätigkeit, von der Seite ihres physischen Korrelats her angesehen, sehr viel organische Kraft verbraucht. Der Ersatz dieser Kraft ist nun nicht nur durch ein bloßes Mehr derjenigen Unterhaltsmittel, die der Muskelarbeiter, braucht zu erzielen: denn die Aufnahmefähigkeit des Körpers ist in Hinsicht auf das Quantum von Ernährung ziemlich eng begrenzt und bei überwiegend geistiger Arbeit eher herunter- als heraufgesetzt. Deshalb kann der Kraftersatz ebenso wie die erforderliche nervöse Anregung bei geistiger Arbeit in der Regel nur durch eine Konzentrierung, Verfeinerung, individuelle Angepaßtheit des Lebensunterhaltes und der allgemeinen Lebensbedingungen geleistet werden. Zwei kulturhistorisch bedeutsame Momente werden hier wichtig. Unsere täglichen Nahrungsmittel sind in einer Periode erwählt und ausgebildet worden, in der die übrigen Lebensbedingungen von den heutigen der intellektuellen Stände sehr abwichen, in der Muskelarbeit und frische Luft gegenüber der Nervenanspannung und der sitzenden Lebensweise dominierten. Die zahllosen, direkten und indirekten Verdauungskrankheiten einerseits, das hastige Suchen nach konzentrierten und leicht assimilierbaren Nährmitteln andrerseits verkünden, daß die Anpassung zwischen unserer körperlichen Verfassung und unseren Nahrungsstoffen in weitem Umfang unterbrochen ist. Aus dieser ganz allgemeinen Beobachtung ist ersichtlich, mit wie großem Rechte für Menschen sehr differenzierter Berufe auch differenzierte Ernährung gefordert wird, und daß es nicht nur Sache der Zungenkultur, sondern der Volksgesundheit ist, dem höchstentwickelten Arbeiter die Mittel zu einer übernormalen, verfeinerten und durch persönliche Ansprüche bestimmten Ernährung zu gewähren. Wesentlicher aber und zugleich verborgener ist der Umstand, daß die geistige Arbeit ihre Vorbedingungen weit mehr in die Gesamtheit des Lebens hin erstreckt und von einer viel weiteren Peripherie mittelbarer Beziehungen umgeben ist, als die körperliche. Die Umsetzung der körperlichen Kraft in Arbeit kann sozusagen unmittelbar geschehen, während die geistigen Spannkräfte ihre volle Arbeit im allgemeinen nur leisten können, wenn, weit über ihr unmittelbar-aktuelles Milieu hinaus, das ganze komplizierte System der körperlich-geistigen Stimmungen, Eindrücke, Anregungen sich in einer bestimmten Organisiertheit, Tönung, Proportion von Ruhe und Bewegtheit befindet. Selbst unter denjenigen, die Geistes- und Muskelarbeit prinzipiell nivellieren wollen, ist es deshalb schon ein trivialer Satz, daß die höhere Entlohnung des geistigen Arbeiters durch die physiologischen Bedingungen seiner Tätigkeit gerechtfertigt werde.

In diesem Zusammenhang wird verständlich, daß der moderne geistige Mensch so viel mehr von seinem Milieu abhängig zu sein scheint, als der frühere Mensch, und zwar nicht in dem Sinn, daß er bildsamer, qualitativ bestimmbarer ist, sondern gerade so, daß die Entwicklung seiner spezifischen Kräfte, seiner innerlichen Produktivität, seiner persönlichen Eigenart nicht ohne besonders günstige, ihm individuell angepaßte Lebensbedingungen möglich ist. Die unglaublich bescheidenen Verhältnisse, unter denen früher oft ein höchstes geistiges Leben sich entfaltete, wären für die überwiegende Mehrzahl der heutigen geistigen Arbeiter von vornherein erdrückend, diese würden in ihnen nicht die Begünstigungen und Anregungen finden, die sie – manchmal jeder anders als der andere – gerade für ihre individuelle Produktion brauchen. Das kann jedem Epikureismus völlig fern liegen, und geht, als reale Bedingung der Leistung, vielleicht einerseits aus der gewachsenen Reizbarkeit und Schwäche des Nervensystems, andrerseits aus der zugespitzten Individualisiertheit hervor, die auf jene einfachen, d. h. typisch-generellen Lebensreize nicht reagieren kann, sondern sich nur auf entsprechend individualisierte hin entfaltet. Wenn die neueste Zeit die historische Milieu-Theorie aufs entschiedenste durchgeführt hat, so dürften wohl auch hier reale Verhältnisse durch Ihre Exaggerierung eines Elementes uns den Blick für dessen Wirksamkeit auch auf Stufen seiner geringeren Entwicklung geöffnet haben – gerade wie die in Wirklichkeit gestiegene Bedeutung der Massen im 19. Jahrhundert erst die Veranlassung geworden ist, sich ihrer Bedeutung auch in allen früheren Epochen wissenschaftlich bewußt zu werden. Insoweit diese Verhältnisse gelten, besteht also wirklich eine gewisse Proportion zwischen den Werten, die wir konsumieren, und denen, die wir produzieren, d. h. die letzteren, als geistige Leistungen, sind Funktionen der Muskelleistungen, die in den ersteren investiert sind.

Allein diese mögliche Reduktion geistiger auf Muskelarbeitswerte findet von verschiedenen Seiten her eine sehr frühe Grenze. Jene Proportion ist nämlich zunächst nicht umkehrbar. Zu bestimmten Leistungen gehören allerdings sehr erhebliche personale Aufwendungen, aber diese ihrerseits erzeugen keineswegs überall jene Leistungen: der Unbegabte, in noch so günstige und verfeinerte Lebensbedingungen versetzt, wird dennoch niemals dasjenige leisten, wozu ebendieselben den Begabten anregen. Die Reihe der Produkte könnte also nur dann eine stetige Funktion der Reihe der Aufwendungen sein, wenn die letzteren genau im Verhältnis der natürlichen personalen Begabungen erfolgten. Allein das Unmögliche selbst angenommen, daß die letzteren sich exakt feststellen ließen und eine ideale Anpassung, nach dieser Feststellung die Unterhaltsmittel genau bemessend, die Leistungshöhen zum Index der letzteren machen wollte, so würde dies Unternehmen seine Grenze immer an der Ungleichmäßigkeit der Unterhaltsbedingungen finden, die selbst zwischen den zu gleichen Leistungen qualifizierten Persönlichkeiten besteht. Hier liegt eines der großen Hemmnisse sozialer Gerechtigkeit. So sicher nämlich im allgemeinen die höhere, geistige Leistung auch höhere Lebensbedingungen fordert, so sind doch die menschlichen Beanlagungen gerade in den Ansprüchen, die die Entfaltung ihrer höchsten Kräfte stellt, äußerst ungleichmäßig. Von zwei Naturen, die zu der objektiv gleichen Leistung befähigt sind, wird die eine zur Verwirklichung dieser Möglichkeit ein – der Höhe nach – ganz andres Milieu, ganz andre materielle Vorbedingungen, ganz andre Anregungen nötig haben, als die zweite. Diese Tatsache, die zwischen den Idealen der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Maximisierung der Leistungen eine unversöhnliche Disharmonie stiftet, ist noch keineswegs genügend beachtet. Die Verschiedenheit unserer physisch-psychischen Strukturen, der Verhältnisse zwischen zweckmäßigen und hemmenden Energien, der Wechselwirkungen zwischen Intellekt und Willenscharakter bewirkt, daß die Leistung, als Produkt der Persönlichkeit und ihrer Lebensbedingungen, in der ersteren einen höchst inkonstanten Faktor findet; so daß, um das gleiche Resultat zu ergeben, auch der andere Faktor entsprechend große Variierungen erleiden muß. Und zwar scheint es, als ob diese Abweichungen der Naturelle in bezug auf die Verwirklichungsbedingungen ihrer inneren Möglichkeiten um so erheblichere wären, je höher, komplizierter und geistiger das Leistungsgebiet ist. Die Personen, die überhaupt die Muskelkraft zu einer bestimmten Arbeit haben, werden für deren Ausführung so ziemlich der gleichen Ernährung und allgemeinen Lebenshaltung bedürfen; wo aber führende, gelehrte, künstlerische Tätigkeiten in Frage stehen, wird die oben bezeichnete Verschiedenheit zwischen denen, die schließlich alle das gleiche leisten könnten, bedeutsam hervortreten.

Die persönliche Begabung ist so variabler Art, daß die gleichen äußeren Umstände, auf sie einwirkend, die allerverschiedensten Endresultate zeitigen, und dadurch bei dem Vergleich von Individuum mit Individuum jede Wertproportion zwischen den materiellen Unterhaltsbedingungen und den darauf gebauten psychischen Leistungen völlig illusorisch wird. Nur wo große historische Epochen oder ganze Bevölkerungsklassen in ihrem Durchschnitt miteinander verglichen werden, mögen die relativen Höhen der physisch beschaffbaren Bedingungen dasselbe Verhältnis wie die der psychischen Leistungen zeigen. So kann man z. B. beobachten, daß bei sehr niedrigen Preisen der notwendigen Nahrungsmittel die Kultur im ganzen nur langsam fortschreitet, also die Luxusartikel, in denen eine erheblichere geistige Arbeit investiert ist, außerordentlich teuer sind; wogegen die Preiserhöhung jener ersteren mit einer Preiserniedrigung und weiteren Verbreitung der letzteren Hand in Hand zu gehen pflegt. Für niedere Kulturen ist es charakteristisch, daß der unentbehrliche Unterhalt sehr billig, die höhere Lebenshaltung dagegen sehr teuer ist, wie etwa noch jetzt in Rußland im Verhältnis zu Zentraleuropa. Die Billigkeit von Brot, Fleisch und Wohnung läßt es einerseits zu dem Druck nicht kommen, der den Arbeiter zur Erkämpfung höherer Löhne zwingt, die Teuerung der Luxusartikel andrerseits rückt ihm diese ganz außer Sehweite und verhindert ihre Ausbreitung. Erst die Verteuerung des ursprünglich Billigen und die Verbilligung des ursprünglich Teuren – deren Zusammenhang ich schon oben hervorhob – bedeutet und bewirkt ein Aufsteigen der geistigen Betätigungen. Unter all der ungeheuren Inkommensurabilität im einzelnen verraten diese Proportionen dennoch eine allgemeine, in jenen Einzelheiten dennoch wirksame Beziehung von physischer und psychischer Arbeit, die das Wertmaß der letzteren durch die erstere auszudrücken wohl gestatten würde, wenn ihre Wirksamkeit nicht durch die soviel stärkere der individuellen Begabungsunterschiede übertönt würde.

Endlich gibt es einen dritten Standpunkt, von dem aus die Reduktion alles Arbeitswertes auf den Wert der Muskelarbeit ihres rohen und plebejischen Charakters entkleidet wird. Sehen wir nämlich genauer zu, woraufhin denn eigentlich die Muskelarbeit als Wert und Aufwand gilt, so ergibt sich, daß dies gar nicht die rein physische Kraftleistung ist. Ich meine damit nicht das schon Erwähnte, daß diese überhaupt ohne eine gewisse intellektuelle Dirigierung ganz nutzlos für die menschlichen Zwecke wäre, in welcher Hinsicht aber das psychische Element ein bloßer Wertbeisatz bleibt; der eigentliche Wert könnte dabei doch immer in dem rein Physischen bestehen, nur daß dasselbe, um die erforderliche Richtung zu bekommen, jenes Zusatzes bedürfte. Ich meine vielmehr, daß die physische Arbeit ihren ganzen Ton von Wert und Kostbarkeit nur durch den Aufwand von psychischer Energie erhält, der sie trägt. Wenn jene Arbeit, äußerlich angesehen, das Überwinden von Hemmnissen bedeutet, die Formung einer Materie, die dieser Formung nicht ohne weiteres gehorcht, sondern ihr zunächst Widerstand entgegensetzt – so zeigt die Innenseite der Arbeit dieselbe Gestalt. Die Arbeit ist eben Mühe, Last, Schwierigkeit; so daß, wo sie das nicht ist, betont zu werden pflegt, daß sie eben keine eigentliche Arbeit ist. Sie besteht, auf ihre Gefühlsbedeutung hin angesehen, in der fortwährenden Überwindung der Impulse zu Trägheit, Genuß, Erleichterung des Lebens – wobei es irrelevant ist, daß diese Impulse, wenn man sich ihnen wirklich ununterbrochen hingäbe, das Leben gleichfalls zu einer Last machen würden; denn die Last der Nichtarbeit wird nur in den seltensten Ausnahmefällen empfunden, die der Arbeit aber nur in eben solchen nicht empfunden. Niemand pflegt daher Leid und Mühe der Arbeit auf sich zu nehmen, ohne etwas dafür einzutauschen. Was an der Arbeit eigentlich vergolten wird, der Rechtstitel, auf den hin man eine Vergeltung für sie fordert, ist der psychische Kraftaufwand, dessen es zum Aufsichnehmen und Überwinden der inneren Hemmungs- und Unlustgefühle bedarf.

Die Sprache deutet diesen Sachverhalt gut an, indem sie den äußerlich-ökonomischen ebenso wie den innerlich-moralischen Ertrag unseres Tuns gleichmäßig als Verdienst bezeichnet. Denn auch im letzteren Sinne tritt dieses doch erst ein, wenn der sittliche Impuls Hemmnisse der Versuchung, des Egoismus, der Sinnlichkeit überwunden hat, nicht, wenn die sittliche Handlung aus einem ganz selbstverständlichen, die Möglichkeit des Gegenteils von vornherein ausschließenden Triebe quillt; so daß, um den sittlichen Musterbildern nicht das sittliche Verdienst absprechen zu müssen, die Mythenbildung der Völker allenthalben ihre Religionsstifter eine »Versuchung« besiegen läßt und Tertullian sogar den Ruhm Gottes für größer hält, si laboravit. Wie sich der eigentlich moralische Wert an das überwundene Hemmnis entgegengesetzter Impulse knüpft, so der ökonomische. Wenn der Mensch seine Arbeit leistete, wie die Blume ihr Blühen oder der Vogel sein Singen, so würde sich kein entgeltbarer Wert mit ihr verknüpfen. Dieser liegt also nicht in ihrer äußeren Erscheinung, in dem sichtbaren Tun und Erfolg, sondern auch bei der Muskelarbeit in dem Willensaufwand, den Gefühlsreflexen, kurz, in den seelischen Bedingungen. Damit gewinnen wir die Ergänzung für die an das andere Ende der wirtschaftlichen Reihen sich anschließende fundamentale Erkenntnis: daß aller Wert und alle Bedeutung der Gegenstände und ihres Besitzes in den Gefühlen liegt, die sie hervorrufen, daß das Haben ihrer als ein bloß äußerliches Verhältnis gleichgültig und sinnlos wäre, wenn sich nicht innere Zustände, Affekte der Lust, der Erhöhung und Erweiterung des Ich, daran schlössen. So wird die Sichtbarkeit wirtschaftlicher Güter von beiden Seiten – des Leistenden wie des Genießenden – her durch psychische Vorgänge begrenzt, die allein es begründen, daß für die einzelne Leistung ein Gegenwert gefordert wie gewährt wird. Ebenso unwesentlich und beziehungslos, wie uns ein Besitzgegenstand ist, der nicht in eine psychische Erregung übergeht, wäre uns das eigne Tun, wenn es nicht aus einem inneren empfundenen Zustande hervorginge, dessen Unlust und Opfergefühl allein die Forderung eines Entgeltes und deren Maß in sich trägt. In Hinsicht des Wertes kann man deshalb sagen, Muskelarbeit sei psychische Arbeit. Als Ausnahme hiervon könnten nur diejenigen Arbeiten gelten, die der Mensch als Konkurrent der Maschine oder des Tieres vollbringt; denn obwohl sich auch diese in bezug auf die innere Bemühung und psychische Kraftaufwendung wie alle anderen verhalten, so hat doch der, zu dessen Gunsten sie vollbracht werden, keine Veranlassung, für diese innere Leistung etwas zu vergüten, da der ihm allein wichtige äußere Effekt auch durch eine rein physische Potenz erreichbar ist und die kostspieligere Produktion nirgends vergolten wird, sobald eine billigere möglich ist. Aber mit einem ganz kleinen Schritt tiefer ist vielleicht auch diese Ausnahme in die Allbefaßtheit des Äußerlichen durch das Seelische zurückzuführen. Was an den Leistungen einer Maschine oder eines Tieres vergolten wird, ist doch die menschliche Leistung, die in Erfindung, Herstellung und Dirigierung der Maschine, in der Aufzucht, und Abrichtung des Tieres steckt; so daß man sagen kann: jene menschlichen Arbeiten werden nicht wie diese physisch-untermenschlichen vergolten, sondern, umgekehrt, diese werden gleichfalls mittelbar als psychisch-menschliche gewertet. Dies wäre nur eine ins Praktische hineinreichende Fortsetzung der Theorie, daß wir auch den Mechanismus der unbelebten Natur schließlich nach den Kraft- und Anstrengungsgefühlen deuten, die unsere Bewegungen begleiten. Wenn wir unser eignes Wesen der allgemeinen Naturordnung einfügen, um es in ihrem Zusammenhange zu verstehen, so ist dies nur so möglich, daß wir zuvor die Formen, Impulse und Gefühle unserer Geistigkeit in die allgemeine Natur hineintragen, das »Unterlegen« und das »Auslegen« unvermeidlich zu einem Akt verbindend. Wenn wir, dies Verhältnis zur Welt auf unsere praktische Frage ausdehnend, an der Leistung untermenschlicher Kräfte nur die Leistung menschlicher durch Gegenleistung aufwiegen, so fällt damit in der hier fraglichen Hinsicht der prinzipielle Grenzstrich zwischen denjenigen menschlichen Arbeiten, deren Entgelt sich auf ihr psychisches Fundament stützt, und denen, die wegen der Gleichheit ihres Effektes mit rein äußerlich-mechanischen diese Begründung ihres Entgeltes abzulehnen schienen. Man kann also jetzt ganz allgemein behaupten, daß nach der Seite des aufzuwiegenden Wertes hin der Unterschied zwischen geistiger und Muskelarbeit nicht der zwischen psychischer und materieller Natur sei, daß vielmehr auch bei der letzteren schließlich nur auf die Innenseite der Arbeit, auf die Unlust der Anstrengung, auf das Aufgebot an Willenskraft hin das Entgelt gefordert werde. Freilich ist diese Geistigkeit, die gleichsam das Ding-an-sich hinter der Erscheinung der Arbeit ist und den Binnenwert derselben bildet, keine intellektuelle, sondern besteht in Gefühl und Willen; woraus dann folgt, daß derselbe dem der geistigen Arbeit nicht koordiniert ist, sondern auch diesen fundamentiert. Denn auch an ihm bringt ursprünglich nicht der objektive Inhalt des geistigen Prozesses, sein von der Persönlichkeit gelöstes Resultat, die Forderung des Entgeltes hervor, sondern die subjektive, vom Willen geleitete Funktion, die ihn trägt, die Arbeitsmühe, der Energieaufwand, dessen es für die Produktion jenes geistigen Inhaltes bedarf. Indem so als der Quellpunkt des Wertes nicht nur von Seiten des Aufnehmenden, sondern auch des Leistenden her sich ein Tun der Seele enthüllt, erhalten Muskelarbeit und »geistige« Arbeit einen gemeinsamen, – man könnte sagen: moralischen – wertbegründenden Unterbau, durch den die Reduktion des Arbeitswertes überhaupt auf Muskelarbeit ihr banausisches und brutal materialistisches Aussehn verliert. Das verhält sich ungefähr wie mit dem theoretischen Materialismus, der ein ganz neues und ernsthafter diskutables Wesen bekommt, wenn man betont, daß doch auch die Materie eine Vorstellung ist, kein Wesen, das, im absoluten Sinne außer uns, der Seele entgegengesetzt ist, sondern in seiner Erkennbarkeit durchaus bestimmt von den Formen und Voraussetzungen unserer geistigen Organisation. Von diesem Standpunkt, auf dem die Wesensverschiedenheit körperlicher und geistiger Erscheinungen statt der absoluten eine relative wird, ist das Verlangen, die Erklärung für die im engeren Sinn geistigen in der Reduktion auf die körperlichen zu suchen, sehr viel weniger unerträglich. Hier, wie in dem Falle des praktischen Wertes, muß das Äußere nur aus seiner Starrheit, Isolierung und Gegensätzlichkeit gegen das Innere erlöst werden, damit es sich als einfachster Ausdruck und Maßeinheit für die höheren »geistigen« Tatsachen auftun könne. Diese Reduktion mag gelingen oder nicht; aber mit ihrer Behauptung vertragen sich nun wenigstens prinzipiell die Forderungen der Methode und der fundamentalen Wertsetzungen.

Diese Ausführungen können nicht sowohl erweisen, daß das Äquivalent für die Arbeit sich ausschließlich an das Quantum der Muskeltätigkeit knüpft, als gewisse Bedenken beseitigen, die man dieser Verbindung vorzuhalten pflegt. Dennoch findet sie eine Schwierigkeit, die mir unüberwindlich scheint, und zwar die von dem ganz trivialen Einwand ausgehende, daß es doch auch wertlose, überflüssige Arbeit gebe. Denn die Widerlegung, unter der Arbeit als dem fundamentalen Werte verstehe man natürlich nur die zweckmäßige, durch ihr Ergebnis gerechtfertigte Arbeit, enthält ein Zugeständnis, das der ganzen Theorie verderblich ist. Wenn es nämlich wertvolle und wertlose Arbeit gibt, so gibt es zweifellos auch Zwischenstufen, geleistete Arbeitsquanten, welche einige, aber nicht lauter Elemente von Zweck und Wert enthalten; der Wert des Produktes also, der der Voraussetzung nach durch die in ihm investierte Arbeit bestimmt wird, ist ein größerer oder geringerer, je nach der Zweckmäßigkeit dieser Arbeit. Das bedeutet: der Wert der Arbeit mißt sich nicht an ihrem Quantum, sondern an der Nützlichkeit ihres Ergebnisses! Und hier hilft nicht mehr die oben bezüglich der Qualität der Arbeit versuchte Methode: die höhere, feinere, geistigere Arbeit bedeute eben der niedrigeren gegenüber mehr Arbeit, eine Häufung und Verdichtung eben derselben allgemeinen »Arbeit«, von der die grobe und unqualifizierte Arbeit nur gleichsam eine größere Verdünnung, eine niedrigere Potenz darstelle. Denn dieser Unterschied der Arbeit war ein innerer, der die Nützlichkeitsfrage noch ganz beiseite ließ, indem die Nützlichkeit als der fraglichen Arbeit in immer gleichem Maße einwohnend dabei vorausgesetzt wurde: die Arbeit des Straßenkehrers ist für diese Überlegung nicht weniger »nützlich« als die des Violinspielers, und ihre geringere Schätzung stammt aus der inneren Quantität ihrer als bloßer Arbeit, aus der geringeren Kondensiertheit der Arbeitsenergien in ihr. Nun aber zeigt sich, daß diese Voraussetzung eine zu einfache war und daß die Verschiedenheit der äußeren Nützlichkeit nicht gestattet, die Wertungsunterschiede der Arbeit von ihren bloß inneren Bestimmungen abhängen zu lassen. Wenn man die unnütze Arbeit, oder richtiger: die Nützlichkeitsunterschiede der Arbeit aus der Welt schaffen und bewirken könnte, daß die Arbeit genau in demselben Maße mehr oder weniger nützlich sei, in dem sie mehr oder weniger konzentriert, kraftverbrauchend, mit einem Wort: mehr oder weniger Arbeitsquantität ist – so wäre damit zwar noch nicht die Muskelarbeit als der einzige Wertbildner erwiesen; wohl aber könnte dann die Arbeit überhaupt als Wertmaß der Objekte gelten, da dann deren anderer Faktor, die Nützlichkeit, immer derselbe wäre, also die Wertrelationen nicht mehr alterierte. Allein die Nützlichkeitsunterschiede bestehen eben, und es ist ein Trugschluß, wenn das ethisch vielleicht begründbare Postulat: aller Wert ist Arbeit – in den Satz umgekehrt wird: alle Arbeit ist Wert, d.h. gleicher Wert.

Hier zeigt sich nun der tiefe Zusammenhang der Arbeitswerttheorie mit dem Sozialismus; denn dieser erstrebt tatsächlich eine Verfassung der Gesellschaft, in der der Nützlichkeitswert der Objekte, im Verhältnis zu der darauf verwendeten Arbeitszeit, eine Konstante bildet. Im dritten Bande des »Kapital« führt Marx aus: die Bedingung alles Wertes, auch bei der Arbeitstheorie, sei der Gebrauchswert; allein das bedeute, daß auf jedes Produkt gerade so viel Teile der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit verwendet werden, wie im Verhältnis zu seiner Nützlichkeitsbedeutung auf dasselbe kommen. Es wird also sozusagen ein qualitativ einheitlicher Gesamtbedarf der Gesellschaft vorgestellt – dem Motto der Arbeitstheorie, Arbeit sei eben Arbeit und als solche gleichwertig, entspricht hier das weitere, Bedürfnis sei eben Bedürfnis und als solches gleich wichtig – und die Nützlichkeitsgleichheit aller Arbeiten wird nun erzielt, indem in jeder Produktionssphäre nur so viel Arbeit geleistet wird, daß genau der von ihr umschriebene Teil jenes Bedarfes gedeckt wird. Unter dieser Voraussetzung wäre freilich keine Arbeit weniger nützlich als die andere. Denn wenn man z.B. heute Klavierspielen für eine weniger nützliche Arbeit als Lokomotivenbauen hält, so liegt das nur daran, daß mehr Zeit darauf verwandt wird, als dem wirklichen Bedürfnis danach entspricht. Wäre es auf das hiermit bezeichnete Maß eingeschränkt, so wäre es genau so wertvoll wie Lokomotivenbauen – gerade wie auch das letztere unnützlicher würde, wenn man mehr Zeit darauf verwendete, d.h. mehr Lokomotiven baute, als Bedarf danach ist. Mit anderen Worten: es gibt prinzipiell gar keine Gebrauchswertunterschiede; denn wenn ein Produkt momentan weniger Gebrauchswert hat als ein anderes (also die auf jenes verwandte Arbeit wertloser ist, als die dem letzteren geltende), so kann man einfach die Arbeit an seiner Kategorie, d.h. die Quantität seiner Produktion, so lange herabsetzen, bis das darauf gerichtete Bedürfnis ebenso stark ist, wie das auf den anderen Gegenstand gerichtete, d.h. bis die »industrielle Reservearmee« völlig verschwunden ist. Nur unter dieser Bedingung kann die Arbeit das Wertmaß der Produkte getreu ausdrücken.

Das Wesen jedes Geldes nun ist seine unbedingte Fungibilität, die innere Gleichartigkeit, die jedes Stück durch jedes, nach quantitativen Abwägungen, ersetzbar macht. Damit es ein Arbeitsgeld gebe, muß der Arbeit diese Fungibilität verschafft werden, und dies kann nur auf die soeben geschilderte Weise geschehen: daß ihr der immer gleiche Nützlichkeitsgrad verschafft wird, und dies wiederum ist nur durch Reduktion der Arbeit für jede Produktionsgattung auf dasjenige Maß erzielbar, bei dem der Bedarf nach ihr genau so groß ist wie der nach jeder anderen. Dabei würde natürlich die tatsächliche Arbeitsstunde noch immer höher oder tiefer bewertet werden können; aber jetzt wäre man sicher, daß der höhere Wert, aus der höheren Nützlichkeit des Produktes abgeleitet, ein proportional konzentrierteres Arbeitsquantum pro Stunde anzeigt; oder umgekehrt: daß, sobald auf die Konzentrierung der Arbeit hin der Stunde ein höherer Wert zugesprochen wird, sie auch ein höheres Nützlichkeitsquantum enthält. Dies aber setzt ersichtlich eine völlig rationalisierte und providenzielle Wirtschaftsordnung voraus, in der jede Arbeit planmäßig, unter absoluter Kenntnis des Bedarfs und des Arbeitserfordernisses für jedes Produkt erfolgt – also eine solche, wie sie der Sozialismus erstrebt. Die Annäherung an diesen völlig utopischen Zustand scheint nur so technisch möglich zu sein, daß überhaupt nur das unmittelbar Unentbehrliche, das ganz indiskutabel zum Leben Gehörige produziert wird; denn wo ausschließlich dies der Fall ist, ist allerdings jede Arbeit genau so nötig und nützlich wie die andere. Sobald man dagegen in die höheren Gebiete aufsteigt, auf denen einerseits Bedarf und Nützlichkeitsschätzung unvermeidlich individueller, andrerseits die Intensitäten der Arbeit schwerer festzustellen sind, wird keine Regulierung der Produktionsquanten bewirken können, daß das Verhältnis zwischen Bedarf und aufgewandter Arbeit überall das gleiche sei. So verschlingen sich an diesen Punkten alle Fäden der Erwägungen über den Sozialismus; an ihm wird klar, daß die Kulturgefährdung seitens des Arbeitsgeldes keineswegs eine so unmittelbare ist, wie man meistens urteilt; vielmehr, daß sie aus der technischen Schwierigkeit stammt, die Nützlichkeit der Dinge, als ihren Wertungsgrund, im Verhältnis zur Arbeit, als ihrem Wertträger, konstant zu erhalten – eine Schwierigkeit, die sich im Verhältnis der Kulturhöhe der Produkte steigert und deren Vermeidung freilich die Produktion zu den primitivsten, unentbehrlichsten, durchschnittlichsten Objekten herabsenken müßte.

Dieses Ergebnis des Arbeitsgeldes beleuchtet nun aufs schärfste das Wesen des Geldprinzips überhaupt. Die Bedeutung des Geldes ist, daß es eine Einheit des Wertes ist, die sich in die Vielheit der Werte kleidet; sonst würden die Quantitätsunterschiede des einheitlichen Geldes nicht als den Qualitätsunterschieden der Dinge äquivalent empfunden werden. Dadurch geschieht nun freilich diesen oft genug unrecht, wird namentlich den personalen Werten eine Gewalt angetan, die ihr Wesen verlöscht. Von dieser Verfassung des Geldes strebt das Arbeitsgeld hinweg, es will dem Gelde einen zwar immer noch abstrakten, aber doch dem konkreten Leben näherliegenden Begriff unterbauen; mit ihm soll ein eminent personaler, ja, man könnte sagen, der personale Wert zum Maßstab der Werte überhaupt werden. Und nun zeigt sich, daß es, weil es doch nun einmal die Eigenschaften alles Geldes besitzen soll: die Einheitlichkeit, die Fungibilität, die nirgends versagende Geltung – gerade der Differenzierung und personalen Ausbildung der Lebensinhalte bedrohlicher wäre, als das bisherige Geld! Wenn es die unvergleichliche Kraft des Geldes ist, sich um einer Folge willen der entgegengesetzten nicht zu entziehen, wenn wir es einerseits der Herabdrückung, andrerseits der oft sogar exaggerierten Steigerung personaler Differenziertheit dienen sehen, so raubt ihm der Versuch, es konkreter, wenngleich noch immer äußerst allgemein zu gestalten, seine Stellung sozusagen über den Parteien, und stellt es auf die eine Seite der Alternative, mit Ausschluß der anderen. So sehr man am Arbeitsgeld die Tendenz, das Geld den personalen Werten wieder näherzurücken, anerkennen muß, so erweist jener Erfolg doch gerade, wie eng die Fremdheit gegen diese mit seinem Wesen verbunden ist.


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