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Die Diskussion über das Wesen des Geldes wird allenthalben von der Frage durchzogen: ob das Geld, um seine Dienste des Messens, Tauschens, Darstellens von Werten zu leisten, selbst ein Wert sei und sein müsse, oder ob es für diese genüge, wenn es, ohne eigenen Substanzwert, ein bloßes Zeichen und Symbol wäre, wie eine Rechenmarke, die Werte vertritt, ohne ihnen wesensgleich zu sein. Die ganze sachliche und historische Erörterung dieser, in die letzten Tiefen der Geld- und Wertlehre hinunterreichenden Frage würde sich erübrigen, wenn ein oft hervorgehobener logischer Grund sie von vornherein entschiede. Ein Meßmittel, so sagt man, muß von derselben Art sein, wie der Gegenstand, den es mißt: ein Maß für Längen muß lang sein, ein Maß für Gewichte muß schwer sein, ein Maß für Rauminhalte muß räumlich ausgedehnt sein. Ein Maß für Werte muß deshalb wertvoll sein. So beziehungslos zwei Dinge, die ich aneinander messe, auch in allen ihren sonstigen Bestimmungen sein mögen – in Hinsicht derjenigen Qualität, in der ich sie vergleiche, müssen sie übereinstimmen. Alle quantitative und zahlenmäßige Gleichheit oder Ungleichheit, die ich zwischen zwei Objekten aussage, wäre sinnlos, wenn sie nicht die relativen Quantitäten einer und derselben Qualität beträfe. Ja, diese Übereinstimmung in der Qualität darf nicht einmal eine allzu allgemeine sein; man kann z. B. die Schönheit einer Architektur nicht der Schönheit eines Menschen gleich oder ungleich groß setzen, obgleich in beiden doch die einheitliche Qualität »Schönheit« ist, sondern nur die speziellen architektonischen oder die speziellen menschlichen Schönheiten ergeben je untereinander die Möglichkeit eines Vergleichs. Wenn man aber doch eine Vergleichbarkeit, bei völligem Mangel jeder gemeinsamen Eigenschaft, in der Reaktion erblicken wollte, die das empfindende Subjekt an die Gegenstände knüpft; wenn die Schönheit des Gebäudes und die Schönheit des Menschen vergleichbar sein sollen nach dem Maß von Beglückung, das wir bei der Betrachtung des einen und der des anderen empfinden: so würde auch hier, unter abweichendem Scheine, eine Gleichheit von Qualitäten ausgesprochen sein. Denn die Gleichheit der Wirkung, an demselben Subjekt hervortretend, bedeutet unmittelbar die Gleichheit der Objekte in der hier fraglichen Beziehung. Zwei völlig verschiedene Erscheinungen, die demselben Subjekt die gleiche Freude bereiten, haben unter aller ihrer Verschiedenheit eine Gleichheit der Kraft oder des Verhältnisses zu jenem Subjekt, wie ein Windstoß und eine menschliche Hand, wenn sie beide einen Baumzweig brechen, unter aller Unvergleichbarkeit ihrer Qualitäten, dennoch eine Gleichheit der Energie beweisen. So mag der Geldstoff und alles, dessen Wert man mit ihm mißt, einander ganz unähnlich sein, aber in dem Punkte, daß beide Wert haben, müssen sie übereinstimmen; und selbst wenn der Wert überhaupt nichts anderes ist, als ein subjektives Fühlen, mit dem wir auf die Eindrücke der Dinge antworten, so muß wenigstens diejenige – wenngleich nicht isolierbare – Qualität, durch welche sie überhaupt sozusagen auf den Wertsinn der Menschen wirken, bei beiden dieselbe sein. So soll wegen der Tatsache, daß es mit Werten verglichen wird, d. h. in eine quantitative Gleichung mit ihnen eintritt, das Geld die Wertqualität nicht entbehren können.
Dieser Überlegungsreihe stelle ich eine andere mit abweichendem Resultate gegenüber. Wir können allerdings in dem obigen Beispiel die Kraft des Windes, der den Baumzweig bricht, mit der der Hand, die dasselbe tut, nur insofern vergleichen, als diese Kraft in beiden qualitativ gleich vorhanden ist. Allein, wir können die Kraft des Windes auch an der Dicke des Zweiges messen, den er geknickt hat. Zwar drückt der geknickte Zweig nicht an und für sich schon das Energiequantum des Windes in demselben Sinne aus, wie der Kraftaufwand der Hand es ausdrücken mag; allein das Stärkeverhältnis zwischen zwei Windstößen und damit die relative Stärke des einzelnen ist wohl daran zu messen, daß der eine einen Zweig zerbrochen hat, den der andere noch nicht verletzen konnte. Und ganz entscheidend scheint mir das folgende Beispiel. Die ungleichartigsten Objekte, die wir überhaupt kennen, die Pole des Weltbildes, die aufeinander zu reduzieren weder der Metaphysik noch der Naturwissenschaft gelungen ist – sind materielle Bewegungen und Bewußtseinserscheinungen. Die reine Extensität der einen, die reine Intensität der anderen haben bisher keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Änderungen der äußeren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewußten Empfindungen messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig: vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung, eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden soll, da genügt es, daß die Proportionen der messenden Substanzen sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen, ohne daß zwischen den Substanzen selbst irgendeine Wesensgleichheil zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte m und n mögen in irgendeiner Beziehung stehen, die aber absolut nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so daß unmittelbar keine von ihnen zum Maßstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen bestehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik, oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiß, daß es ¼ m ist, es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur weiß, daß es irgendein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n entspricht, so folgt daraus, daß b gleich ¼ n sein muß: Trotz aller Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürfnis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiß kein Gleichungsverhältnis; allein, wenn so viel Speisen gegeben sind, daß gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann ich demnach unmittelbar bestimmen, daß dieses verfügbare Quantum gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt also das Bestehen eines Gesamtverhältnisses, um die Quanten der Glieder aneinander zu messen. Wenn es nun möglich ist, das Messen der Objekte am Gelde als ein nach diesem Schema erfolgendes anzusehen, so ist die direkte Vergleichbarkeit beider und damit die logische Forderung des Wertcharakters des Geldes selbst insoweit hinfällig.
Um von dieser gleichfalls nur logischen Möglichkeit zur Wirklichkeit zu kommen, setzen wir nur ein ganz allgemeines Maßverhältnis zwischen Güterquantum und Geldquantum voraus, wie es sich in dem freilich oft verdeckten und an Ausnahmen reichen Zusammenhange zwischen wachsendem Geldvorrat und steigenden Preisen, wachsendem Gütervorrat und sinkenden Preisen zeigt. Wir bilden danach, alle nähere Bestimmung vorbehalten, die Begriffe eines Gesamtwarenvorrates und eines Gesamtgeldvorrates und eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen ihnen.
Jede einzelne Ware ist nun ein bestimmter Teil jenes verfügbaren Gesamtwarenquantums; nennen wir das letztere a, so ist jene etwa 1/m a; der Preis, den sie bedingt, ist der entsprechende Teil jenes Gesamtgeldquantums, so daß er, wenn wir dieses b nennen, gleich 1/m b ist. Kennten wir also die Größen a und b, und wüßten wir, einen wie großen Teil der verkäuflichen Werte überhaupt ein bestimmter Gegenstand ausmacht, so wüßten wir auch seinen Geldpreis, und umgekehrt. Ganz unabhängig davon also, ob das Geld und jenes wertvolle Objekt irgendeine qualitative Gleichheit haben, gleichgültig also dagegen, ob das erstere selbst ein Wert ist oder nicht, kann die bestimmte Geldsumme den Wert des Gegenstandes bestimmen oder messen. – Man muß hierbei immer den vollständigen Relativitätscharakter des Messens im Auge behalten. Absolute Quanten, welche einander äquivalent gesetzt werden, messen sich damit in einem ganz anderen Sinne, als die hier fraglichen Teilquanten. Wenn etwa vorausgesetzt würde, daß die Gesamtsumme des Geldes – unter bestimmten Restriktionen – den Gegenwert für die Gesamtsumme der Verkaufsgegenstände bildete, so brauchte man dies noch nicht als ein Messen des einen am anderen anzuerkennen. Es ist eben nur das Verhältnis beider zu dem wertsetzenden Menschen und seinen praktischen Zwecken, das sie untereinander in eine Beziehung von Äquivalenz setzt. Wie stark die Tendenz ist, Geld überhaupt und Ware überhaupt ohne weiteres als einander entsprechend zu behandeln, zeigt eine Erscheinung wie die folgende, die an mehr als einer Stelle aufgetreten ist. Wenn ein roherer Stamm eine naturale Tauscheinheit hat und in Verkehr mit einem höher entwickelten, Metallgeld besitzenden Nachbar tritt, so wird häufig die naturale Einheit als gleichwertig der Münzeinheit dieses letzteren behandelt. So setzten die alten Iren, als sie in Beziehung zu den Römern traten, ihre Werteinheit, die Kuh, gleich einer Unze Silber; die wilden Bergstämme in Anam, die nur Naturaltausch treiben, haben den Büffel als Grundwert, und bei ihrem Verkehr mit den kultivierteren Bewohnern der Ebene wird die Werteinheit dieser, eine Silberstange von bestimmter Größe, gleich einem Büffel gewertet. Derselbe Grundzug ist bei einem wilden Volksstamm nahe Laos wirksam: diese treiben nur Tauschhandel, ihre Einheit ist die eiserne Hacke. Aber sie waschen Flußgold aus, das sie den Nachbarstämmen verkaufen und das der einzige Gegenstand ist, den sie wägen. Dazu haben sie kein anderes Mittel als das Maiskorn; und nun verkaufen sie je ein Maiskorn Gold für je eine Hacke! Da die Wareneinheit des Naturaltausches ebenso die Wertidee des ganzen Objektskreises versinnlicht oder vertritt, wie die Geldeinheit die des Münzkomplexes, so ist diese Formulierung: Eins gegen Eins – nur die naiv ausgedrückte Äquivalenz der fraglichen Gesamtheiten. Man darf wohl annehmen, daß das Verhältnis der Einheiten als mindestens symbolische Darstellung des Verhältnisses der Ganzheiten empfunden wird.
Liegt nun aber einmal die Äquivalenz der letzteren gleichsam als wirksames, wenn auch nicht gewußtes Apriori zum Grunde, so stellt sich über dessen subjektiver Zufälligkeit eine objektive Proportion zwischen den Teilquanten her. Denn nun ist wirklich etwas da, was auf beiden Seiten das genau Gleiche ist: nämlich der Bruch zwischen jeder der beiden vorliegenden Teilgrößen und dem absoluten Quantum, zu dem die einzelne gehört. Vollkommene Ausgeglichenheit aller Verschiebungen und zufälligen Ungleichmäßigkeiten in der Preisbildung vorausgesetzt, würde sich in dem Bezirke des Geld-Waren-Tausches jede Ware zu ihrem Preis verhalten, wie alle momentan ökonomisch wirksamen Waren zu allem momentan wirksamen Geld. Ob dieses letztere mit dem anderen eine begriffliche, qualitative Verwandtschaft hat, ist hierbei völlig irrelevant. Wenn eine Ware also 20 m kostet, so ist dies 1/n des Geldvorrats überhaupt; d. h. sie ist an Wert 1/n des Gütervorrats überhaupt. Durch diese Vermittlung hindurch können 20 m sie völlig messen, obgleich sie generell von ihr völlig verschieden sind; wobei immer wieder betont werden muß, daß die Voraussetzung einer einfachen Beziehung zwischen allen Waren und allem Geld eine ganz vorläufige, rohe und schematische ist. Daß die Ware und ihr Maßstab gleichen Wesens sein müssen, wäre eine richtige Forderung, wenn man eine einzelne Ware unmittelbar einem Geldwert gleich zu setzen hätte. Aber man hat ja bloß für Zwecke des Tausches und der Wertbestimmung das Verhältnis verschiedener (bzw. aller) Waren zueinander (also das Resultat der Division der einzelnen durch alle anderen) zu bestimmen und der Geldsumme, d. h. dem entsprechenden Bruchteil des wirksamen Geldvorrates gleichzusetzen; und dazu bedarf es nur irgendeiner numerisch bestimmbaren Größe. Wenn sich die Ware n zu der Summe A aller verkäuflichen Waren verhält, wie a Geldeinheiten zu der Summe B aller vorhandenen Geldeinheiten: so ist der ökonomische Wert von n ausgedrückt durch a/B. Daß man dies meistens nicht so vorstellt, liegt daran, daß B ebenso wie A ganz selbstverständlich sind – weil ihre Wandlungen nicht leicht in unsere Wahrnehmung treten –»und deshalb in ihrer Funktion als Nenner gar nicht besonders bewußt weiden; was uns im einzelnen Falle interessiert, sind ausschließlich die Zähler n und a. Daher konnte die Vorstellung entstehen, daß n und a sich an und für sich, unmittelbar und absolut entsprächen, wozu sie allerdings gleichen Wesens sein müßten. Daß jener allgemeine, das Verhältnis überhaupt begründende Faktor in Vergessenheit geriete, bzw. nur tatsächlich, aber nicht bewußt wirkte, wäre ein Beispiel für einen der durchgreifendsten Züge der menschlichen Natur. Die beschränkte Aufnahmefähigkeit unseres Bewußtseins einerseits, die kraftsparende Zweckmäßigkeit seiner Verwendung andrerseits bewirkt, daß von den unzähligen Seiten und Bestimmungen eines Interessenobjekts immer nur eine geringe Zahl wirklich beachtet werden. Den verschiedenen Gesichtspunkten, von denen die Auswahl und Rangierung der bewußtwerdenden Momente ausgeht, entspricht es, daß diese letzteren in eine systematische Stufenfolge gegliedert werden können; dieselbe beginnt damit, daß von einer Reihe von Erscheinungen nur dasjenige, was ihnen allen gemeinsam ist, beachtet wird, an jeder nur die Grundlage, die sie mit den anderen teilt, ins Bewußtsein tritt; das entgegengesetzte Endglied der Skala bezeichnet es, wenn an jeder Erscheinung gerade nur das zum Bewußtsein kommt, was sie von jeder anderen unterscheidet, das absolut Individuelle, während das Allgemeine und Fundamentale unter der Schwelle des Bewußtseins bleibt. Zwischen diesen beiden Extremen bewegen sich in den mannigfaltigsten Abstufungen die Punkte, an welche sich, als an Seiten der Gesamterscheinungen, das höchste Bewußtsein heftet. Ganz durchschnittlich kann man nun sagen, daß theoretische Inter essen das Bewußtsein mehr auf die Gemeinsamkeiten, praktische mehr auf die Individualität der Dinge hinweisen werden. Dem metaphysisch interessierten Denker verschwinden oft genug die individuellen Differenzen der Dinge als unwesentlich, bis er etwa an so allgemeinen Vorstellungen wie Sein oder Werden haften bleibt, die allen Dingen schlechthin gemeinsam sind. Umgekehrt verlangt das praktische Leben allenthalben, an den uns angehenden Menschen und Verhältnissen die Unterschiede, Eigenheiten, Nuancen mit schärfstem Bewußtsein aufzufassen, während die allgemein menschlichen Eigenschaften oder die gemeinsame Grundlage aller der fraglichen Verhältnisse als selbstverständlich keiner besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, ja selbst eine solche sie sich oft nur mühsam klar machen kann. Innerhalb des Familienlebens z. B. bauen sich die Verhältnisse der Mitglieder untereinander bewußterweise auf der Erfahrung derjenigen persönlichen Qualitäten auf, durch welche sich jeder allen anderen gegenüber unterscheidet, während der allgemeine Familiencharakter gar kein Gegenstand besonderer Beachtung für die an ihm Teilhabenden zu sein pflegt, so wenig, daß oft nur Fernerstehende denselben überhaupt zu beschreiben vermögen. Das verhindert aber nicht, daß diese allgemeine und unbewußte Grundlage dennoch psychisch wirksam wird. Die individuellen Eigenschaften der Familienmitglieder werden tatsächlich sehr verschiedene Verhältnisse unter ihnen hervorrufen, je nach dem allgemeinen Charakter und Ton, der in der ganzen Familie herrscht; erst dieser gibt doch den freilich unbeachteten Untergrund ab, auf dem jene ihre eindeutig bestimmten Folgen entfalten können. Ganz dasselbe gilt für weitere Kreise. So sehr alle Verhältnisse zwischen Menschen überhaupt auf den besonderen Bedingungen beruhen, die jeder Einzelne hinzubringt, so kommen sie doch in ihrer bestimmten Art tatsächlich nur dadurch zustande, daß außer ihnen gewisse ganz allgemeinmenschliche Tatsachen und Voraussetzungen selbstverständlich vorhanden sind und gleichsam den Generalnenner bilden, zu dem jene individuellen Differenzen als die bestimmenden Zähler treten und erst so die Totalität des Verhältnisses erzeugen. Ganz dasselbe psychologische Verhältnis könnte nun bezüglich der Geldpreise obwalten. Die Gleichsetzung zwischen dem Werte einer Ware und dem Werte einer Geldsumme bedeutet keine Gleichung zwischen einfachen Faktoren, sondern eine Proportion, d. h. die Gleichheit zweier Brüche, deren Nenner einerseits die Summe aller Waren, andrerseits die Summe alles Geldes – beides natürlich noch erheblicher Determinationen bedürftig – eines bestimmten Wirtschaftskreises ist. Als Gleichung kommt sie dadurch zustande, daß diese beiden Summen aus praktischen Gründen a priori als einander äquivalent gesetzt werden; oder genauer: das praktische Verhältnis, in dem wir beide Kategorien handhaben, spiegelt sich im theoretischen Bewußtsein in der Form einer Äquivalenz. Allein, da dies die allgemeine Begründung aller Gleichungen zwischen einzelnen Waren und einzelnen Preisen ist, so kommt sie nicht zum Bewußtsein, sondern bildet zu jenen allein interessierenden und deshalb allein bewußten Einzelgliedern den unbewußt mitwirkenden Faktor, ohne den jene überhaupt nicht die Möglichkeit einer Beziehung hätten. Die ungeheure Wichtigkeit jener absoluten und fundamentalen Gleichung würde ihre Unbewußtheit so wenig unwahrscheinlich, ja eigentlich gerade so wahrscheinlich machen, wie es entsprechend in den angeführten Analogien der Fall ist.
Gewiß würde unter Voraussetzung eines an sich wertlosen Geldes der einzelne Geldpreis ganz beziehungslos neben der Ware stehen, deren Wert er ausdrücken soll, wenn sich die Betrachtung auf diese beiden Momente beschränkte; man würde nicht wissen, woraufhin das eine Objekt einen um ein ganz Bestimmtes höheren oder niederen Preis bedingen sollte, als ein anderes. Sobald aber, als absolute Voraussetzung dieser ganzen Relation die Summe alles Verkäuflichen der Summe alles Geldes – in einem nachher zu erörternden Sinn der »Summe« – äquivalent gesetzt wird, ergibt sich die Preisbestimmtheit jeder einzelnen Ware einfach als der Bruch zwischen ihrem Wert und jenem Totalwert, der sich als der Bruch zwischen ihrem Preis und dem Gesamtgeldquantum wiederholt. Dies enthält, worauf ich nochmals hinweise, keineswegs den Zirkel: daß die Fähigkeit einer bestimmten Geldsumme, den Wert einer einzelnen Ware zu messen, auf das Gleichungsverhältnis alles Geldes mit allen Waren gegründet wird, dieses selbst ja aber schon die Meßbarkeit des einen am anderen voraussetze; die Frage, ob jede Messung eine Wesensgleichheit zwischen dem Objekt und dem Maßstab fordere, würde so freilich den konkreten Fall nicht mehr treffen, um aber an der Voraussetzung desselben ungelöst haften zu bleiben. Tatsächlich indes ist eine Messung relativer Quanten daraufhin möglich, daß ihre absoluten Quanten in irgendeinem Verhältnis stehen, welches nicht Messung oder Gleichheit zu sein braucht. Gewiß besteht zwischen der Dicke eines Eisenrohres und einer bestimmten Wasserkraft keine Gleichheit und Messungsmöglichkeit; allein, wenn beide integrierende Teile eines mechanischen Systems mit einem bestimmten Krafteffekt bilden, so kann ich, wenn eine gewisse Modifikation dieses letzteren gegeben ist, unter Umständen an der mir bekannt werdenden Änderung der Wasserkraft genau ermessen, welches der Durchmesser des in dem System verwendeten Rohres ist. So mögen Waren überhaupt und Geld überhaupt aneinander nicht meßbar sein; es würde genügen, daß sie beide für das Leben des Menschen eine gewisse Rolle innerhalb seines praktischen Zwecksystems spielen, damit die quantitative Modifikation des einen den Index für die des anderen abgäbe. Zu dieser Reduzierung der Bedeutung jedes Geldquantums als solchen auf einen Bruch, der es noch ganz dahingestellt sein läßt, von welcher absoluten Größe er diesen bestimmten Teil ausmacht, ist es nicht ohne Beziehung, daß die Römer ihre Münzen – mit einer besonders begründeten Ausnahme – nicht nach der absoluten, sondern der relativen Schwere benannten. So bedeutet as nur ein Ganzes aus 12 Teilen, das ebensogut auf die Erbschaft wie auf die Maße oder Gewichte beziehbar ist und ebenso für das Pfund wie für jeden beliebigen Teil desselben gesetzt werden kann. Und daß hier bloß die Relativität des Maßes bewußt und wirksam ist, wird auch durch die Hypothese nicht alteriert, nach der das as vor Urzeiten eine Kupferstange von absolut bestimmtem Gewicht bedeutet habe.
Jetzt muß die schon angedeutete Restriktion an dem Begriff des Gesamtgeldquantums etwas genauer vollzogen werden. Daß man nicht einfach sagen kann, es gäbe so viel kaufendes Geld, wie es kaufbare Ware gibt, liegt nicht etwa an der unermeßlichen Quantitätsdifferenz, die zwischen allen angehäuften Waren auf der einen Seite und allem angehäuften Geld auf der anderen bestünde. Denn da es keinen gemeinsamen Maßstab für beide, wie für qualitativ gleichgeartete Dinge, gibt, so besteht zwischen ihnen überhaupt kein unmittelbares Mehr oder Weniger. Kein Warenquantum hat von sich aus eine bestimmte Beziehung zu einem bestimmten Geldquantum, da prinzipiell alle Zwecke des Geldes mit einem beliebig verkleinerten Geldquantum erreichbar wären. Wieweit dies in Wirklichkeit gehen kann, ohne den Verkehr zu unterbinden, zeigt die berichtete Tatsache: es habe vor einigen Jahrhunderten in Rußland Silbermünzen von solcher Kleinheit gegeben, daß man sie überhaupt nicht mehr mit den Händen vom Tisch habe aufnehmen können, sondern sie aus dem Beutel auf denselben schüttete, und die zu zahlende Summe abteilte, worauf dann beide Parteien ihre Teile mit der Zunge aufleckten und in die Beutel zurückspuckten. Man könnte sagen: welches auch der absolute Umfang des Geldvorrats sei, er bleibt, solange er die Dienste des Geldes leistet, immer gleich viel »Geld«; es variiert nur das Quantum, das diese Zeichen oder Stücke in anderer Beziehung, nämlich als Material irgendwelcher Art betrachtet, darstellen, aber ihr Quantum als Geld braucht sich dadurch nicht zu ändern. Darum gibt jener direkte Vergleich aller Waren und alles Geldes überhaupt keinen Schluß. Die Unverhältnismäßigkeit zwischen der Totalität des Geldes und der der Waren, als Nenner jener wertausdrückenden Brüche, ruht vielmehr auf der Tatsache, daß der Geldvorrat als ganzer sich viel schneller umsetzt als der Warenwert als ganzer. Denn niemand läßt, soweit er es vermeiden kann, erheblichere Geldsummen still liegen, und man kann es tatsächlich fast immer vermeiden; kein Kaufmann aber entgeht dem, daß beträchtliche Teile seines Vorrates lange liegen, ehe sie verkauft werden. Diese Differenz des Umsatztempos wird noch viel größer, wenn man diejenigen Objekte einrechnet, die sich nicht zum Verkaufe anbieten, trotzdem aber gelegentlich und für ein verführerisches Gebot verkäuflich sind. Legt man also die wirklich gezahlten Preise für die einzelnen Waren zum Grunde und fragt nach dem Geldquantum, das daraufhin zum Ankauf des gesamten Vorrats erforderlich wäre, so sieht man allerdings, daß dasselbe den tatsächlichen Geldvorrat unermeßlich übersteigt. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man sagen, daß es sehr viel weniger Geld als Ware gibt, und daß der Bruch zwischen der Ware und ihrem Preise durchaus nicht dem zwischen allen Waren und allem Gelde gleich, sondern, wie sich leicht aus dem vorhergehenden ergibt, erheblich kleiner als dieser ist. Auf zwei Wegen aber läßt sich dennoch unsere grundlegende Proportion retten. Man könnte nämlich, erstens, als das in sie eintretende Gesamtwarenquantum dasjenige ansehen, das sich in aktueller Verkaufsbewegung befindet. Aristotelisch zu reden, ist die unverkaufte Ware nur eine Ware »der Möglichkeit nach«, sie wird zur Ware »der Wirklichkeit nach« erst in dem Moment ihres Verkauftwerdens. Wie das Geld erst in dem Augenblick, wo es kauft, d. h. die Funktion des Geldes übt, wirklich Geld ist, so entsprechend die Ware erst, wenn sie verkauft wird; vorher ist sie Verkaufsobjekt nur vermöge und innerhalb einer ideellen Antizipation. Von diesem Standpunkte aus ist es ein ganz selbstverständlicher, ja identischer Satz, daß es so viel Geld gibt, wie es Verkaufsobjekte gibt – wobei natürlich unter Geld auch alle durch den Kredit und Giroverkehr ermöglichten Geldsubstitute einbegriffen sind. Nun sind zwar die momentan ruhenden Waren keineswegs wirtschaftlich unwirksam, und das wirtschaftliche Leben wäre unermeßlich verändert, wenn auf einmal der Warenvorrat so restlos in die Bewegung jedes Momentes einginge, wie der Geldvorrat es tut. Allein genauer betrachtet scheint mir der ruhende Warenvorrat nur nach drei Seiten hin auf die wirklichen Geldkäufe zu wirken: auf das Tempo des Geldumlaufs, auf die Beschaffung der Geldstoffe oder -äquivalente, auf das Verhältnis der Geldausgaben zu den Reserven. Aber diese Momente haben auf die aktuellen Umsätze schon ihre Wirkung geübt, unter ihrem Einfluß hat sich das empirische Verhältnis zwischen Ware und Preis gebildet, und sie verhindern also gar nicht, in jener fundamentalen Proportion das Gesamtwarenquantum als dasjenige zu verstehen, das sich aus den in jedem gegebenen Moment wirklich geschehenden Käufen zusammensetzt. Das kann aber, zweitens, auch als Folge der Tatsache anerkannt werden, daß dasselbe Geldquantum, weil es nicht wie die Waren konsumiert wird, eine unbegrenzte Zahl von Umsätzen vermittelt und die Geringfügigkeit seiner Gesamtsumme im Verhältnis zu der der Waren, die in jedem isolierten Augenblick besteht, durch die Schnelligkeit seiner Zirkulation ausgleicht. An einigen Höhepunkten des Geldwesens wird es ganz unmittelbar anschaulich, eine wie verschwindend geringe Rolle die Geldsubstanz in den durch sie vermittelten Wertausgleichen spielt: im Jahre 1890 hat die französische Bank auf Kontokorrent das 135fache des tatsächlich darauf eingezahlten Geldes umgesetzt (54 Milliarden auf 400 Mill. Fr.), ja, die Deutsche Reichsbank das 190fache. Innerhalb der funktionierenden Geldsummen, auf die hin die Geldpreisbestimmung der Waren erfolgt, wird die Geldsumme gegenüber dem, was durch ihr Funktionieren aus ihr wird, eine verschwindende Größe. Man kann deshalb zwar nicht von einem einzelnen Augenblick, wohl aber von einer bestimmt ausgedehnten Periode sagen, daß das Totalquantum des in ihr umgesetzten Geldes der Totalsumme der in ihr verkäuflich gewesenen Objekte entspräche. Der Einzelne macht doch auch seine Ausgaben, bewilligt insbesondere die Preise für größere Anschaffungen nicht von ihrem Verhältnis zu seinem momentanen Geldbestand aus, sondern im Verhältnis zu seinen Gesamteinnahmen innerhalb einer längeren Periode. So mag in unserer Proportion der Geldbruch seine Gleichheit mit dem Warenbruch dadurch gewinnen, daß sein Nenner nicht das substanziell vorhandene Geldquantum, sondern ein durch die Zahl der Umsätze in einer gewissen Periode zu bestimmendes Vielfaches desselben enthält. Von diesen Gesichtspunkten aus läßt sich die Antinomie zwischen den überhaupt vorhandenen und den aktuellen Waren als Gegenwerten des Geldes lösen und die Behauptung aufrecht halten, daß zwischen der Gesamtsumme der Waren und der des Geldes in einem geschlossenen Wirtschaftskreise keine prinzipielle Disproportion herrschen kann – so sehr man über das richtige Verhältnis zwischen einer einzelnen Ware und einem einzelnen Preise streiten mag, so viel Schwankungen und Disproportionalitäten entstehen mögen, wenn eine bestimmte Größe der fraglichen Brüche psychologisch fest geworden und daneben durch objektive Verschiebungen eine andere richtig geworden ist, so sehr namentlich eine rasche Steigerung des Verkehrs einen zeitweiligen Mangel an Umsatzmitteln fühlbar machen mag. Die Metallimporte und -exporte, die aus einem Mangel bzw. einem Überfluß von Geld in dem betreffenden Lande im Verhältnis zu seinen Warenwerten hervorgehen, sind nur Ausgleichungen innerhalb eines Wirtschaftskreises, dessen Provinzen die beteiligten Länder bilden, und bedeuten, daß das allgemeine, in diesem Wirtschaftskreise jetzt wirkliche Verhältnis zwischen beiden aus der Verschiebung, die es in einem einzelnen Teile erlitten hat, wieder hergestellt wird. Unter diesen Annahmen würde die Frage, ob ein Preis angemessen ist oder nicht, sich unmittelbar aus den beiden Vorfragen beantworten: erstens, welche Summe von Geld und welche Summe von Verkaufsobjekten momentan wirksam sind, und zweitens, welchen Teil des letzteren Quantums das jetzt in Rede stehende Objekt ausmacht. Die letztere ist die eigentlich entscheidende, und die Gleichung zwischen dem Objektbruch und dem Geldbruch kann eine objektiv und berechenbar wahre oder falsche sein, während es sich bei der zwischen den Objekten überhaupt und dem Geld überhaupt nur um Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit, nicht aber um Wahrheit im Sinne einer logischen Erweislichkeit handeln kann. Dieses Verhältnis der Totalitäten zueinander hat gewissermaßen die Bedeutung eines Axioms, das gar nicht in demselben Sinne wahr ist, wie die einzelnen Sätze, die sich auf dasselbe gründen; nur diese sind beweisbar, während jenes auf nichts hinweisen kann, von dem es sich logisch herleite. Eine methodische Norm von großer Bedeutsamkeit kommt hier zur Geltung, für die ich ein Beispiel aus einer ganz anderen Kategorie von Werten anführen will. Die Grundbehauptung des Pessimismus ist, daß die Gesamtheit des Seins einen erheblichen Überschuß der Leiden über die Freuden aufweise; die Welt der Lebewesen, als eine Einheit betrachtet, oder auch der Durchschnitt derselben, empfinde sehr viel mehr Schmerz als Lust. Eine solche Behauptung ist nun von vornherein unmöglich. Denn sie setzt voraus, daß man Lust und Schmerz, wie qualitativ gleiche Größen mit entgegengesetztem Vorzeichen, unmittelbar gegeneinander abwägen und aufrechnen könne. Das kann man aber in Wirklichkeit nicht, da es keinen gemeinsamen Maßstab für sie gibt. Keinem Quantum Leid kann es an und für sich anempfunden werden, ein wie großes Quantum Freude dazu gehört, um es aufzuwiegen. Wie kommt es, daß dennoch solche Abmessungen in einem fort stattfinden, daß wir sowohl in den Angelegenheiten des Tages, wie in dem Zusammenhang der Schicksale, wie in der Gesamtheit des Einzellebens das Urteil fällen, das Freudenmaß sei hinter dem Maß der Schmerzen zurückgeblieben, oder habe es überschritten? Das ist nicht anders möglich, als daß die Erfahrung des Leben uns – genauer oder ungenauer – darüber belehrt, wie Glück und Unglück tatsächlich verteilt sind, wieviel Leid im Durchschnitt hingenommen werden muß, um ein gewisses Lustquantum damit zu erkaufen, und wieviel van beiden das typische Menschenlos aufweist. Erst wenn hierüber irgendeine Vorstellung besteht, wie unbewußt und unbestimmt auch immer, kann man sagen, daß in einem einzelnen Falle ein Genuß zu teuer – d. h. mit einem zu großen Leidquantum – erkauft ist, oder daß ein einzelnes Menschenschicksal einen Überschuß von Schmerzen über seine Freuden zeige. Jener Durchschnitt selbst ist aber nicht »unverhältnismäßig«, weil er vielmehr dasjenige ist, woran sich das Verhältnis der Empfindungen im einzelnen Falle erst als ein angemessenes oder unangemessenes bestimmt – so wenig wie man sagen kann, der Durchschnitt der Menschen wäre groß oder klein, da dieser Durchschnitt ja erst den Maßstab abgibt, an dem der einzelne Mensch – als welcher allein groß oder klein sein kann – sich mißt; ebenso, wie man nur sehr mißverständlich sagen kann, daß »die Zeit« schnell oder langsam verginge – das Vergehen der Zeit vielmehr, d. h. das als Durchschnitt erfahrene und empfundene Tempo der Ereignisse überhaupt ist die messende Größe, an der sich die Schnelligkeit oder Langsamkeit des Ablaufs der einzelnen Erlebnisse ergibt, ohne daß jener Durchschnitt selbst schnell oder langsam wäre. So also ist die Behauptung des Pessimismus, daß der Durchschnitt des Menschenlebens mehr Leid als Lust aufweise, ebenso methodisch unmöglich wie der des Optimismus, daß er mehr Lust als Leid einschließe; das Empfundenwerden der Gesamtquanten von Lust und Leid (oder, anders ausgedrückt, ihres auf das Individuum oder die Zeitperiode entfallenden Durchschnitts) ist das Urphänomen, dessen Seiten nicht miteinander verglichen werden können, weil es dazu eines außerhalb beider gelegenen und sie gleichmäßig umfassenden Maßstabes bedürfte.
Der Typus des Erkennens, um den es sich hier handelt, dürfte so hinreichend charakterisiert sein. Innerhalb der angeführten und mancher anderen Gebiete sind die primären, sie bildenden Elemente an sich unvergleichbar, weil sie von verschiedener Qualität sind, also nicht aneinander oder an einem dritten gemessen werden können. Nun aber bildet die Tatsache, daß das eine Element überhaupt in diesem, das andere in jenem Maße vorhanden ist, ihrerseits den Maßstab für die Beurteilung des singulären und partiellen Falles, Ereignisses, Problemes, in dem beiderlei Elemente mitwirken. Indem die Elemente des einzelnen Vorkommnisses die Proportion der Gesamtquanten wiederholen, haben sie das »richtige«, d. h. das normale, durchschnittliche, typische Verhältnis, während die Abweichung davon als »Übergewicht« des einen Elementes, als »Unverhältnismäßigkeit« erscheint. An und für sich besitzen natürlich diese Elemente der Einzelfälle so wenig ein Verhältnis von Richtigkeit oder Falschheit, Gleichheit oder Ungleichheit, wie ihre Gesamtheiten es haben; sie gewinnen es vielmehr erst dadurch, daß die Maße der Gesamtquanten das Absolute bilden, nach dem das Einzelne, als das Relative, geschätzt wird; das Absolute selbst aber unterliegt nicht den Bestimmungen der Vergleichbarkeit, die es seinerseits dem Relativen ermöglicht. – Diesem Typus könnte nun das Verhältnis zwischen dem Verkaufsobjekt und seinem Geldpreis angehören. Vielleicht haben beide inhaltlich gar nichts miteinander gemeinsam, sind qualitativ so ungleich, daß sie quantitativ unvergleichbar sind. Allein da nun einmal alles Verkäufliche und alles Geld zusammen einen ökonomischen Kosmos ausmachen, so könnte der Preis einer Ware der »entsprechende« sein, wenn er denjenigen Teil des wirksamen Gesamtgeldquantums darstellt, den die Ware von dem wirksamen Gesamtwarenquantum ausmacht. Nicht der gleiche »Wert« in der Ware und der bestimmten Geldsumme braucht ihre gegenseitige Verhältnismäßigkeit zu begründen; der Geldpreis braucht vielmehr keinen Wert überhaupt oder wenigstens keinen Wert in demselben Sinne zu enthalten, sondern nur denselben Bruch mit allem Geld überhaupt zu bilden, den, die Ware mit allen Warenwerten überhaupt bildet. – Auch der Verlauf der Individualwirtschaft zeigt, wie abhängig der Geldpreis einer Ware von dem Verhältnis dieser zu einer Warengesamtheit ist. Man sagt: wir bringen ein Geldopfer – das uns an sich beschwerlich ist – nur wenn wir einen angemessenen Gegenwert erhalten. Jede Ersparnis an jenem Opfer wird als ein positiver Gewinn gerechnet. Allein sie ist ein Gewinn nur dadurch, daß sie ermöglicht, dasselbe Opfer bei einer anderen Gelegenheit zu bringen. Wüßte ich mit dem Geld sonst nichts anzufangen, so würde ich meinen ganzen Geldbesitz ohne weiteres für das eine Objekt, für das er gefordert würde, hingeben. Die Angemessenheit des Preises bedeutet also nur, daß ich – als Durchschnittswesen – nachdem ich ihn bezahlt habe, noch so viel übrigbehalten muß, um die übrigen gleichfalls begehrten Dinge zu kaufen. Der Aufwand für jeden einzelnen Gegenstand muß sich danach richten, daß ich noch andere Gegenstände außer ihm kaufen will. Wenn jedermann seine privaten Ausgaben so reguliert, daß sein Aufwand für jede Warengattung seinem Gesamteinkommen proportioniert ist, so bedeutet dies, daß sein Aufwand für das Einzelne sich zu seinem Aufwand für das Ganze der Wirtschaft verhält, wie sich die Bedeutung des beschafften Einzelobjekts zu der der zu beschaffenden Gesamtheit der ihm wünschbaren und zugängigen Objekte verhält. Und dieses Schema der Individualwirtschaft ist offenbar nicht nur eine Analogie der Wirtschaft überhaupt, sondern aus seiner durchgängigen Anwendung muß die Festsetzung der Durchschnittspreise hervorgehen: die fortwährenden subjektiven Abwägungen müssen als Niederschlag das objektive Verhältnis zwischen Ware und Preis erzeugen, das also ebenso von der Proportion zwischen dem wirksamen Gesamtwarenvorrat und dem Gesamtgeldquantum abhängt, wie – alle Modifikationen vorbehalten – von der Proportion zwischen den Gesamtbedürfnissen des Einzelnen und seinem dafür verfügbaren Gesamtgeldeinkommen.
Die ganze bisherige Deduktion berührte in keiner Weise die Frage, ob das Geld in Wirklichkeit ein Wert ist oder nicht; sondern nur, daß seine Funktion, Werte zu messen, ihm den Charakter eines Eigenwertes nicht aufzwingt, galt es zu beweisen. Aber diese bloße Möglichkeit macht doch den Weg für die Erkenntnis nicht nur seines wirklichen Entwicklungsganges, sondern vor allem seines innerlichen Wesens frei. – Auf den primitiven Wirtschaftsstufen treten allenthalben Gebrauchswerte als Geld auf: Vieh, Salz, Sklaven, Tabak, Felle usw. Auf welche Weise sich das Geld auch entwickelt habe, am Anfang muß es jedenfalls ein Wert gewesen sein, der unmittelbar als solcher empfunden wurde. Daß man die wertvollsten Dinge gegen einen bedruckten Zettel fortgibt, ist erst bei einer sehr großen Ausdehnung und Zuverlässigkeit der Zweckreihen möglich, die es sicher macht, daß das unmittelbar Wertlose uns weiterhin zu Werten verhilft. So kann man logische Schlußreihen, die auf durchaus bündige Schlußsätze führen, durch an sich unmögliche oder widerspruchsvolle Glieder hindurchleiten – aber doch nur, wenn das Denken seiner Richtung und Richtigkeit ganz sicher ist; ein primitives, noch schwankendes Denken würde an einem solchen Punkte sofort seine Direktion und sein Ziel verlieren und muß deshalb seine Funktionen an Sätzen ausüben, von denen jeder für sich möglichst konkret und von greifbarer Richtigkeit ist – freilich um den Preis der Beweglichkeit des Denkens und der Weite seiner Ziele. Entsprechend steigert die Durchführung der Wertreihen durch das Wertlose ihre Ausdehnung und Zweckmäßigkeit ganz außerordentlich, kann sich aber erst bei einer gewachsenen Intellektualität der Einzelnen und stetigen Organisation der Gruppe verwirklichen. Niemand wird so töricht sein, einen Wert gegen etwas wegzugeben, was er unmittelbar überhaupt nicht verwenden kann, wenn er nicht sicher ist, dieses Etwas mittelbar wieder in Werte umsetzen zu können. Es ist also nicht anders denkbar, als daß der Tausch ursprünglich ein Naturaltausch, d. h. ein zwischen unmittelbaren Werten erfolgender gewesen ist. Man nimmt an, daß Objekte, welche gerade wegen ihrer allgemeinen Erwünschtheit besonders häufig eingetauscht wurden und kursierten, also besonders häufig mit anderen Gegenständen dem Werte nach gemessen wurden, psychologisch am ehesten zu allgemeinen Wertmaßen auswachsen konnten. In scheinbar entschiedenem Gegensatz gegen das eben gewonnene Resultat, nach dem das Geld an und für sich kein Wert zu sein braucht, sehen wir hier, daß zunächst gerade das Notwendigste und Wertvollste dazu neigt, zum Geld zu werden. Das Notwendigste verstehe ich hier keineswegs im physiologischen Sinn; vielmehr kann z. B. das Schmuckbedürfnis die herrschende Rolle unter den empfundenen »Notwendigkeiten« spielen; wie wir denn auch tatsächlich von Naturvölkern hören, daß der Schmuck ihres Körpers, bzw. die dazu verwendeten Gegenstände, ihnen wertvoller ist als alle die Dinge, die wir uns als viel dringlicher notwendig vorstellen. Da die Notwendigkeit der Dinge für uns immer nur ein Akzent ist, den unser Gefühl ihren an sich ganz gleichberechtigten – richtiger: an sich überhaupt nicht »berechtigten« – Inhalten erteilt, und der ausschließlich von den Zwecken abhängt, die wir uns setzen – so ist von vornherein in keiner Weise auszumachen, welches denn nun jene unmittelbar dringlichen und den Geldcharakter anzunehmen geneigten Werte eigentlich sind; nur daß sich der letztere ursprünglich an solche geknüpft hat, die durch ihre empfundene Notwendigkeit eine besondere Häufigkeit des Austausches gegen die Mannigfaltigkeit anderer Dinge aufwiesen, scheint mir eine unumgängliche Annahme. Weder als Tauschmittel noch als Wertmesser hätte es entstehen können, wenn es nicht seinem Stoffe nach als unmittelbar wertvoll empfunden worden wäre.
Vergleichen wir damit den jetzigen Zustand, so ist unzweifelhaft, daß das Geld für uns nicht mehr deshalb wertvoll ist, weil sein Stoff als unmittelbar notwendig, als ein unentbehrlicher Wert vorgestellt würde. Kein Mensch europäischer Kultur findet heute ein Geldstück wertvoll, weil sich ein Schmuckgegenstand daraus herstellen ließe. Und schon deshalb kann der heutige Geldwert nicht auf seinen Metallwert zurückgehen, weil das Edelmetall jetzt in viel zu großen Quantitäten vorhanden ist, um bloß zu Schmuck- und technischen Zwecken noch lohnende Verwendung zu finden. Denkt man sich, wie es in der Konsequenz der Metallwerttheorie liegt, einen solchen Übergang als vollzogen, so würde dies eine derartige Plethora von Gegenständen aus Edelmetall erzeugen, daß der Wert derselben auf ein Minimum sinken müßte. Daß man das Geld also auf seine mögliche Umsetzung in sonstige Metallobjekte wertet, ist gerade nur unter der Bedingung möglich, daß diese Umsetzung nicht oder nur in ganz verschwindendem Maße erfolge. So sehr also auch am Anfang der Entwicklung, d. h. bei einem sehr geringen Bestande von Edelmetallen, ihre Verwendung als Schmuck ihren Geldwert bestimmt haben möge, so verschwindet diese Beziehung doch in dem Maße ihrer gesteigerten Produktion. Diese Entwicklung wird noch dadurch unterstützt, daß der primitive Mensch, wie ich hervorhob, es zwar für eine vitale Notwendigkeit hält, sich in einer bestimmten Weise zu schmücken, daß aber die spätere Ausbildung der Wertskalen dieses Interesse tatsächlich in die Kategorie des »Entbehrlichen« oder »Überflüssigen« einreiht. Der Schmuck spielt im modernen Kulturleben absolut nicht mehr die soziale Rolle, die wir mit Staunen in den ethnologischen, aber auch noch in mittelalterlichen Berichten finden. Auch dieser Umstand muß dazu dienen, die Bedeutung des Geldes, die es seinem Material verdankt, herabzudrücken. Man kann sagen, daß der Wert des Geldes immer mehr von seinem terminus a quo auf seinen terminus ad quem übergeht, und daß so das Metallgeld, in bezug auf die psychologische Vergleichgültigung seines Materialwertes, mit dem Papiergeld auf einer Stufe stellt. Man darf die materiale Wertlosigkeit dieses letzteren nicht deshalb als irrelevant erklären, weil es nur eine Anweisung auf Metall wäre. Dagegen spricht schon die Tatsache, daß selbst ein völlig ungedecktes Papiergeld doch immer als Geld gewertet wird. Denn wenn man auch auf den politischen Zwang hinweisen wollte, der allein solchem Papiergeld seinen Kurs verschaffte, so heißt das ja gerade, daß andere Gründe als der der unmittelbaren und materialen Verwertung einem bestimmten Stoff den Geldwert verleihen können und jetzt tatsächlich verleihen. Der steigende Ersatz des baren Metallgeldes durch Papiergeld und die mannigfaltigen Formen des Kredits wirken unvermeidlich auf den Charakter jenes selbst zurück – ungefähr wie im Persönlichen jemand, der sich fortwährend durch andere vertreten läßt, schließlich keine andere Schätzung erfährt, als die seinen Vertretern gebührende. Zu je ausgedehnteren und mannigfaltigeren Diensten das Geld berufen ist und je schneller das einzelne Quantum zirkuliert, desto mehr muß sein Funktionswert über seinen Substanzwert hinauswachsen. Der modern entwickelte Verkehr strebt offenbar dahin, das Geld als substanziellen Wertträger mehr und mehr auszuschalten, und er muß dahin streben, weil auch die gesteigertste Edelmetallproduktion nicht ausreichen würde, alle Umsätze in bar zu begleichen. Der Giroverkehr einerseits, der internationale Wechselversand andrerseits sind nur hervortretende Punkte dieser allgemeinen Tendenz, deren schon frühe und charakteristische Erscheinungen der letzte Abschnitt dieses Kapitels behandeln wird. Im ganzen wird, je primitiver die wirtschaftlichen Vorstellungen sind, um so mehr auch das Messen ein sinnlich-unmittelbares Verhältnis zwischen den verglichenen Werten voraussetzen. Die eben geschilderte Auffassung: daß die Wertgleichung zwischen einer Ware und einer Geldsumme die Gleichheit des Bruches bedeute, welcher zwischen diesen beiden als Zählern und den ökonomisch in Betracht kommenden Gesamtquanten aller Waren und alles Geldes als Nennern bestehe – ist offenbar der Tatsache nach überall wirksam, weil sie erst die eine Objektart wirklich zum Gelde macht; allein da das Geld als solches eben nur allmählich entsteht, wird auch dieser Modus sich aus dem primitiveren einer unmittelbaren Vergleichung der auszutauschenden Objekte entwickeln. Die niedrigste Stufe bezeichnet vielleicht ein Fall, der von den neubritannischen Inseln gemeldet wird. Die Eingeborenen benutzen dort als Geld schnurweise aufgereihte Kaurimuscheln, welche sie Dewarra nennen. Dies Geld wird nach Längenmaßen: Armlängen usw. zum Einkauf verwandt; für Fische wird in der Regel so viel in Dewarra gegeben, wie sie selbst lang sind. Auch sonst wird aus dem Gebiet des Kaurigeldes gelegentlich gemeldet, der Typus des Kaufes sei, daß das gleiche Maß zweier Waren als wertgleich gelte: ein Maß Getreide z. B. gilt das gleiche Maß Kaurimuscheln. Hier hat offenbar die Unmittelbarkeit in der Äquivalenz von Ware und Preis ihren vollständigsten und einfachsten Ausdruck erlangt, der gegenüber eine Wertvergleichung, die nicht auf quantitative Kongruenz hinausläuft, schon einen höheren geistigen Prozeß darstellt. Ein Rudiment jener naiven Gleichwertung gleicher Quanten liegt in der Erscheinung, die Mungo Park im 18. Jahrhundert von einigen westafrikanischen Stämmen berichtet. Dort habe Eisengeld in Stangenform als Geld kursiert und zur Bezeichnung der Warenquanten gedient, so daß man ein bestimmtes Maß Tabak oder Rum je eine Stange Tabak, eine Stange Rum genannt habe. Hier hat sich das Bedürfnis, Wertgleichheit als Quantitätsgleichheit anzusehen – offenbar ein starker, sinnlich eindrucksvoller Anhalt primitiver Wertbildung – in den sprachlichen Ausdruck geflüchtet. Bei sehr verschiedenem Aussehen gehören doch der gleichen prinzipiellen Empfindung einige andere Erscheinungen an. Von der Stadt Olbia am Dnjepr, einer milesischen Kolonie, sind uns alte Bronzemünzen erhalten, welche die Gestalt von Fischen haben, mit Aufschriften, welche wahrscheinlich Thunfisch und Fischkorb bedeuten. Nun wird angenommen, daß jenes Fischervolk ursprünglich den Thunfisch als Tauscheinheit benutzte und es – vielleicht wegen des Verkehrs mit tieferstehenden Nachbarstämmen – bei Einführung der Münze nötig fand, den Wert je eines Thunfisches in einer Münze darzustellen, die durch die Gleichheit ihrer Form diese Gleichwertigkeit und Ersetzbarkeit unmittelbar versinnlichte – während man an anderen Stellen, weniger nachdrücklich und doch auf das äußerliche Sichentsprechen nicht verzichtend, auf die Münze nur das Bild des Gegenstandes (Ochse, Fisch, Axt) prägte, der in der Tauschepoche die Grundeinheit bildete und dessen Wert eben die Münze darstellte. Dasselbe Grundgefühl herrscht, wenn der Zend-Avesta vorschreibt, der Arzt solle als Honorar für die Heilung eines Hausbesitzers den Wert eines schlechten Ochsen fordern, für die eines Dorfvorstandes den Wert eines mittelguten, für die eines Stadtherrn den Wert eines hochwertigen, für die eines Provinzstatthalters den Wert eines Viergespanns; dagegen käme ihm für die Heilung der Frau eines Hausbesitzers eine Eselin an Wert zu, für die Frau eines Dorfvorstandes eine Kuh, für die Frau eines Stadtherrn eine Stute, für die Frau eines Statthalters ein weibliches Kamel. Die Gleichheit des Geschlechtes am Leistungsobjekt und am Leistungsentgelt bezeugt auch hier die Neigung, die Äquivalenz von Wert und Gegenwert auf eine unmittelbar äußerliche Gleichheit zu gründen. Ebenso verhält es sich mit der Tatsache, daß das Geld am Anfang seiner Entwicklung aus Stücken von großer und schwerer Quantität zu bestehen pflegte: Felle, Vieh, Kupfer, Bronze; oder aus sehr massenhaften, wie das Kaurigeld; dahin gehört die Tatsache, daß die erste Banknote, von der wir wissen und die uns aufbewahrt ist, aus China vom Ende des 14. Jahrhunderts, 18 englische Zoll lang und 9 Zoll breit ist. Es wirkt hier noch die Tendenz der Bauernregel: viel hilft viel – für die ein natürliches und erst durch eine feinere und reflektierende Empirie widerlegbares Gefühl spricht. Auch von Edelmetallgeld finden wir die größten Münzen fast ausschließlich bei Völkern von unausgebildeter oder naturalwirtschaftlicher Kultur: als die größten Goldstücke gelten der Lool der Anamiten, der 880 Mk. wert ist, der japanische Obang (220 Mk.), der Benta der Aschantis; auch hat Anam eine Silbermünze im Werte von 60 Mk. Aus demselben Gefühl von der Bedeutung des Quantums heraus bleibt das Prägerecht der größten Münzen oft den obersten Machthabern vorbehalten, während die kleineren (auch von dem gleichen Metall!) von niederen Instanzen geschlagen werden: so prägte der Großkönig von Persien das Großgeld, die Satrapen aber die goldene Kleinmünze, vom Viertel abwärts. Der Charakter erheblicher Quantität ist sogar nicht nur primitiven Metallgeldformen, sondern auch den Geldarten, die diesen vorangehen, manchmal eigen: die Slawen, welche in dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zwischen Saale und Elbe saßen und ein außerordentlich rohes Naturvolk waren, bedienten sich als Geldes leinener Tücher; die Kaufkraft eines solchen betrug 100 Hühner, oder Weizen für 10 Mann auf einen Monat! Und selbst innerhalb des ausgebildeteren Geldwesens ist bemerkbar, wie die Geldbegriffe von immer geringeren Metallwerten erfüllt werden. Der mittelalterliche Gulden war eine Goldmünze im Wert eines Dukaten – der heutige zählt 100 Kupferkreuzer; der ehemalige Groschen war eine dicke (grossus) Silbermünze; die ehemalige Mark betrug ein Pfund Silber, das Pfund Sterling war 70 Mk. wert. In primitiven, naturalwirtschaftlichen Verhältnissen wird der Geldverkehr überhaupt nicht die kleinen Bedürfnisse des Tages, sondern nur relativ größere und wertvollere Objekte betroffen haben, und ihnen gegenüber wird die Neigung zur Symmetrie, die allen unausgebildeten Kulturen eigen ist, auch den Geldtausch beherrscht und für äußerlich Großes auch ein äußerlich großes Wertzeichen gefordert haben: daß die äußerste quantitative Ungleichheit der Erscheinungen dennoch eine Gleichheit der Kraft, der Bedeutung, des Wertes gestattet, pflegt erst von höheren Bildungsstufen eingesehen zu werden. Wo eine Praxis auf das Vollziehen von Gleichungen gestellt ist, da wird zuerst eine möglichst anschauliche Unmittelbarkeit des Gleichseins verlangt, wie die quantitative Mächtigkeit des primitiven Geldes es im Verhältnis zu ihren Gegenwerten zeigt. Die Abstraktion, die später ein kleines Metallstückchen als Äquivalent irgendeines umfänglichsten Objektes anerkennt, steigert sich, in der gleichen Richtung, auf das Ziel hin, daß die eine Seite der Wertgleichung gar nicht mehr als Wert an und für sich, sondern nur noch als abstrakter Ausdruck für den Wert der andern funktioniere. Daher ist denn auch die Meßfunktion des Geldes, die von vornherein am wenigsten an die Materialität seines Substrates geknüpft ist, durch die Veränderungen der modernen Wirtschaft am wenigsten alteriert worden.
Ein Maßverhältnis zwischen zwei Größen nicht mehr durch unmittelbares Aneinanderhalten herzustellen, sondern daraufhin, daß jede derselben zu je einer anderen Größe ein Verhältnis hat und diese beiden Verhältnisse einander gleich oder ungleich sind – das ist einer der größten Fortschritte, die die Menschheit gemacht hat, die Entdeckung einer neuen Welt aus dem Material der alten. Zwei Leistungen ganz verschiedener Höhe bieten sich dar – sie werden vergleichbar, da sie im Verhältnis zu dem Kraftmaß, das jeder der Leistenden einzusetzen hatte, die gleiche Willensanspannung und Hingebung zeigen; zwei Schicksale stehen auf der Skala des Glücks weit voneinander ab – aber sie gewinnen sogleich eine meßbare Beziehung, wenn man jedes auf das Maß des Verdienstes hin ansieht, durch das sein Träger seiner würdig oder unwürdig ist. Zwei Bewegungen, die völlig verschiedene Geschwindigkeiten haben, gewinnen eine Zusammengehörigkeit und Gleichheit, sobald wir beobachten, daß die Beschleunigung, die jede von ihnen im Verhältnis zu ihrem Anfangsstadium erfährt, bei beiden die gleiche ist. Nicht nur für unser Gefühl spinnt sich eine Art von Zusammengehörigkeit zwischen zwei Elementen, die zwar in ihrer substanziellen Unmittelbarkeit einander fremd, deren Verhältnisse zu einem dritten und vierten Element aber die gleichen sind; sondern eben damit wird das eine zu einem Faktor für die Ausrechenbarkeit des anderen. Und nun weiter ausgreifend: so unvergleichbar zwei Personen in ihren angebbaren Eigenschaften sein mögen, so stiften Beziehungen zu einem je dritten Menschen doch eine Gleichheit zwischen ihnen; sobald die erste die gleiche Liebe oder Haß, Herrschaft oder Unterworfenheit einer dritten gegenüber zeigt, wie die zweite einer vierten gegenüber, so haben diese Relationen hier der Fremdheit des Fürsichseins jener eine tiefe und wesentliche Gleichheit untergebaut. Endlich ein letztes Beispiel. Die Vollendung verschiedenartiger Kunstwerke würden wir nicht miteinander vergleichen können, ihre Werte würden sich nicht in den Zusammenhang einer Stufenleiter ordnen, wenn nicht jedes zu dem eigentümlichen Ideale seiner Art ein bestimmtes Verhältnis hätte. Aus dem Problem, dem Material, der Stilart jedes Kunstwerkes wächst uns eine Norm heraus, und zu ihr hat seine Wirklichkeit eine fühlbare Relation von Nähe oder Abstand, die offenbar bei der größten Mannigfaltigkeit der Werke die gleiche oder vergleichbare sein kann. Durch diese mögliche Gleichheit solcher Relation erst wird aus den einzelnen, an sich einander ganz fremden Werken eine ästhetische Welt, eine genau gefügte Ordnung, ein ideelles Zusammengehören dem Werte nach. Und dies erstreckt sich nicht nur auf den Kosmos der Kunst, sondern daß überhaupt aus dem Stoff unserer isolierten Schätzungen eine Gesamtheit gleicher oder abgestufter Bedeutsamkeiten erwächst, daß auch das Disharmonische nur über der Forderung einer einheitlichen Ordnung und inneren Beziehung der Werte untereinander als solches empfunden wird – diesen wesentlichen Zug verdankt unser Weltbild allenthalben unserer Fähigkeit, nicht nur je zwei Dinge, sondern auch die Verhältnisse je zweier zu je zwei anderen gegeneinander abzuwägen und in der Einheit eines Gleichheits- oder Ähnlichkeitsurteils zusammenzufassen. Das Geld, als Produkt dieser fundamentalen Kraft oder Form unseres Inneren, ist nicht nur deren weitestes Beispiel, sondern sozusagen gar nichts anderes, als die reine Verkörperung derselben. Denn das Geld kann das im Tausch zu realisierende Wertverhältnis der Dinge zueinander doch nur so ausdrücken, daß das Verhältnis der singulären Summe zu einem irgendwie gewonnenen Nenner dasselbe ist, das zwischen der ihr entsprechenden Ware und der Totalität der für den Austausch in Frage kommenden Waren besteht. Das Geld ist seinem Wesen nach nicht ein wertvoller Gegenstand, dessen Teile untereinander oder zum Ganzen zufällig dieselbe Proportion hätten wie andere Werte untereinander; sondern es erschöpft seinen Sinn darin, das Wertverhältnis eben dieser andern Objekte zueinander auszudrücken, was ihm mit Hilfe jener Fähigkeit des ausgebildeten Geistes gelingt: die Relationen der Dinge auch da gleichzusetzen, wo die Dinge selbst keine Gleichheit oder Ähnlichkeit besitzen. Da diese Fähigkeit sich aber erst allmählich aus der primitiveren entwickelt, die Gleichheit oder Ähnlichkeit zweier Objekte unmittelbar zu beurteilen und auszudrücken, so entstehen die oben berührten Erscheinungen, in denen man auch das Geld in eine unmittelbare Beziehung dieser Art zu seinen Gegenwerten zu bringen suchte.
Innerhalb der modernen Wirtschaft setzt der fragliche Übergang z. B. an das Merkantilsystem an. Das Bestreben der Regierungen, möglichst viel bares Geld ins Land zu bekommen, wurde zwar auch noch von dem Prinzip: viel hilft viel – geleitet; allein der schließliche Zweck, zu dem es helfen sollte, war doch schon die funktionelle Belebung der Industrie und des Marktes. Der Fortschritt darüber hinaus bestand in der Einsicht, daß die diesem Zwecke dienstbaren Werte der substanziellen Geldform nicht bedürften, vielmehr das unmittelbare Produkt der Arbeit schon als solches den entscheidenden Wert darstellte. Das verhält sich ungefähr wie mit den Zielen früherer Politik: nur möglichst viel Land zu gewinnen und es mit möglichst viel Menschen zu »peuplieren«: bis tief in das 18. Jahrhundert hinein fiel es kaum einem Staatsmann ein, daß die eigentliche nationale Größe anders als durch den Gewinn von Land gefördert werden könnte. Die Berechtigung solcher Ziele unter gewissen historischen Umständen hat doch die Einsicht nicht verhindert, daß alle diese substanzielle Fülle nur als Grundlage dynamischer Entwicklungen bedeutsam ist, daß diese letzteren aber schließlich nur eine sehr begrenzte Unterlage jener Art fordern. Es hat sich gezeigt, daß für die Steigerung der Produktion und des Reichtums die physische Gegenwart des Geldäquivalents immer entbehrlicher wird und daß, selbst wenn das »viele« Geld nicht mehr um seinethalben, sondern um bestimmter funktioneller Zwecke willen erstrebt wird, diese gleichsam in freischwebenden Prozessen, unter Ausschaltung jenes erreicht werden können – wie insbesondere der moderne internationale Warenaustausch erweist. Die Bedeutung des Geldes, die relativen Werte der Waren auszudrücken, ist nach unseren obigen Ausführungen von einem an ihm bestehenden Eigenwert ganz unabhängig; wie es für eine Skala zur Messung von Raumgrößen gleichgültig ist, ob sie aus Eisen, Holz oder Glas besteht, weil nur das Verhältnis ihrer Teile zueinander, bzw. zu einer dritten Größe, in Betracht kommt – so hat die Skala, die das Geld für die Bestimmung von Werten darbietet, mit dem Charakter seiner Substanz nichts zu tun. In dieser seiner ideellen Bedeutung als Maßstab und Ausdruck für den Wert von Waren ist es ganz ungeändert geblieben, während es als Zwischenware, Wertaufbewahrungs- und Werttransportmittel seinen Charakter teils geändert hat, teils noch weiter zu ändern im Begriff steht: aus der Form der Unmittelbarkeit und Substanzialität, in der es diese Obliegenheiten zuerst erfüllte, geht es in die ideelle über, d. h. es übt seine Wirkungen als bloße Idee, welche sich an irgendein vertretendes Symbol knüpft.
Hiermit scheint sich die Entwicklung des Geldes in eine tiefgelegene Kulturtendenz einzuordnen. Man kann die verschiedenen Kulturschichten danach charakterisieren, inwieweit und an welchen Punkten sie zu den Gegenständen ihrer Interessen ein unmittelbares Verhältnis haben, und wo andrerseits sie sich der Vermittlung von Symbolen bedienen. Ob z. B. die religiösen Bedürfnisse durch symbolische Dienste und Formeln erfüllt werden oder durch ein unmittelbares Sich-Hinwenden des Individuums zu seinem Gott; ob die Achtung der Menschen füreinander sich in einem festgesetzten, die gegenseitigen Positionen durch bestimmte Zeremonien andeutenden Schematismus offenbart oder in der formfreien Höflichkeit, Ergebenheit und Respekt; ob Käufe, Zusagen, Verträge durch einfache Verlautbarung ihres Inhaltes vollzogen werden, oder ob sie durch ein äußeres Symbol feierlicher Handlungen erst legalisiert und zuverlässig gemacht werden; ob das theoretische Erkennen sich unmittelbar an die sinnliche Wirklichkeit wendet, oder sich mit der Vertretung derselben durch allgemeine Begriffe und metaphysische oder mythologische Sinnbilder zu tun macht – das gehört zu den tiefgreifendsten Unterschieden der Lebensrichtungen. Diese Unterschiede aber sind natürlich nicht starr; die innere Geschichte der Menschheit zeigt vielmehr ein fortwährendes Auf- und Absteigen zwischen ihnen; auf der einen Seite wächst die Symbolisierung der Realitäten, zugleich aber werden, als Gegenbewegung, stetig Symbole aufgelöst und auf ihr ursprüngliches Substrat reduziert. Ich führe ein ganz singuläres Beispiel an. Die sexuellen Dinge standen schon lange unter der Verhüllung durch Zucht und Scham, während die Worte, die sie bezeichneten, noch völlig ungeniert gebraucht wurden; erst in den letzten Jahrhunderten ist das Wort unter dieselben Kautelen gestellt – das Symbol rückte in die Gefühlsbedeutung der Realität ein. Nun aber bahnt sich in der allerneuesten Zeit wieder eine Lösung dieser Verbindung an. Die naturalistische Kunstrichtung hat auf die Undifferenziertheit und Unfreiheit des Empfindens hingewiesen, das an das Wort, also an ein bloßes, zu künstlerischen Zwecken verwandtes Symbol, dieselben Empfindungen knüpfe, wie an die Sache selbst; die Darstellung des Unanständigen sei noch keine unanständige Darstellung, und man müsse die Realitätsempfindungen von der symbolischen Welt lösen, in der jede Kunst, auch die naturalistische, sich bewege. Vielleicht in Zusammenhang hiermit kommt eine allgemeine größere Freiheit der gebildeten Stände im Besprechen heikler Objekte auf; wo objektive und reine Gesinnung vorausgesetzt wird, ist mancherlei früher Verbotenes auszusprechen erlaubt – die Schamempfindung ist eben wieder ausschließlicher der Sache zugewandt und läßt das Wort, als ein bloßes Symbol ihrer, wieder freier. So schwankt, auf den engsten wie auf den weitesten Gebieten, das Verhältnis zwischen Realität und Symbol, und man möchte fast glauben – so wenig solche Allgemeinheiten ihre Beweislast auf sich nehmen können – daß entweder jede Kulturstufe (und schließlich jede Nation, jeder Kreis, jedes Individuum) eine besondere Proportion zwischen symbolischer und unmittelbar realistischer Behandlung ihrer Interessen aufweist; oder daß gerade diese Proportion im ganzen beharrt und nur die Gegenstände, an denen sie sich darstellt, dem Wechsel unterliegen. Vielleicht aber kann man sogar etwas spezieller bestimmen, daß ein besonders augenfälliges Hervortreten von Symbolik ebenso sehr primitiven und naiven, wie sehr hochentwickelten und komplizierten Kulturzuständen eigen ist; und daß, auf die Objekte hin angesehen, die aufwärts schreitende Entwicklung uns auf dem Gebiete des Erkennens immer mehr von Symbolen befreit, sie uns aber auf praktischen Gebieten immer notwendiger macht. Gegenüber der nebelhaften Symbolistik mythologischer Weltanschauungen zeigt die moderne eine gar nicht vergleichliche Unmittelbarkeit im Ergreifen der Objekte; dagegen bringt die extensive und intensive Häufung der Lebensmomente es mit sich, daß wir viel mehr mit Zusammenfassungen, Verdichtungen und Vertretungen ihrer in symbolischer Form operieren müssen, als es in den einfacheren und engeren Verhältnissen nötig war: die Symbolik, die auf den niederen Lebensstufen so oft Umweg und Kraftvergeudung ist, dient auf den höheren gerade einer die Dinge beherrschenden Zweckmäßigkeit und Kraftersparnis. Man mag hier etwa an die diplomatische Technik denken, sowohl im internationalen wie im parteipolitischen Sinne. Sicher ist es das Verhältnis der realen Machtquanten, das über den Ausgang des Interessengegensatzes entscheidet. Aber diese messen sich eben nicht mehr unmittelbar, d. h. in physischem Kampfe, aneinander, sondern werden durch bloße Vorstellungen vertreten. Hinter dem Repräsentanten jeder Kollektivmacht steht in verdichteter potenzieller Form die reale Kraft seiner Partei, und genau nach dem Maße dieser ist seine Stimme wirksam und kann sein Interesse sich durchsetzen. Er selbst ist gleichsam das Symbol dieser Macht; die intellektuellen Bewegungen zwischen den Repräsentanten der verschiedenen Machtgruppen symbolisieren den Verlauf, den der reale Kampf genommen hätte, derart, daß der Unterlegne sich in das Resultat jener genau so fügt, als wäre er in diesem besiegt. Ich erinnere z. B. an die Verhandlungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zur Vermeidung eines drohenden Streikes. Hier pflegt jede Partei genau nur bis zu dem Punkte nachzugeben, bis zu dem, ihrer Abschätzung der Kräfte nach, auch der wirklich ausbrechende Streik sie zwingen würde. Man vermeidet die ultima ratio, indem man ihr Ergebnis in zusammenfassenden Vorstellungen antizipiert. Wäre diese Vertretung und Messung der realen Kräfte durch bloße Vorstellungen immer mit Sicherheit möglich, so könnte überhaupt jeder Kampf erspart werden. Jener utopische Vorschlag: künftige Kriege durch eine Partie Schach zwischen den Feldherren zu entscheiden – ist deshalb so absurd, weil der Ausgang einer Schachpartie gar keinen Anhalt dafür gibt, welches der Ausgang des Waffenkampfes gewesen wäre, und also diesen nicht mit gültigem Erfolge versinnbildlichen und vertreten kann; wogegen etwa ein Kriegsspiel, in dem alle Heeresmassen, alle Chancen, alle Intelligenz der Führung einen vollständigen symbolischen Ausdruck fände, unter der unmöglichen Voraussetzung seiner Herstellbarkeit allerdings den physischen Kampf unnötig machen könnte.
Die Fülle der Momente – der Kräfte, Substanzen und Ereignisse –, mit denen das vorgeschrittene Leben zu arbeiten hat, drängt auf eine Verdichtung desselben in umfassenden Symbolen, mit denen man nun rechnet, sicher, daß dasselbe Resultat sich ergibt, wie wenn man mit der ganzen Breite der Einzelheiten operiert hätte; so daß das Resultat ohne weiteres für diese Einzelheiten gültig, auf sie anwendbar ist. Das muß in dem Maße möglicher werden, in dem die Quantitätsbeziehungen der Dinge sich gleichsam selbständig machen. Die fortschreitende Differenzierung unseres Vorstellens bringt es mit sich, daß die Frage des Wieviel eine gewisse psychologische Trennung von der Frage des Was erfährt – so wunderlich dies auch in logischer Hinsicht erscheint. In der Bildung der Zahlen geschieht dies zuerst und am erfolgreichsten, indem aus den so und so vielen Dingen das So und Soviel herausgehoben und zu eigenen Begriffen verselbständigt wird. Je feststehender die Begriffe ihrem qualitativen Inhalt nach werden, desto mehr richtet sich das Interesse auf ihre quantitativen Verhältnisse, und schließlich hat man es für das Ideal des Erkennens erklärt, alle qualitativen Bestimmtheiten der Wirklichkeit in rein quantitative aufzulösen. Diese Aussonderung und Betonung der Quantität erleichtert die symbolische Behandlung der Dinge: denn da die inhaltlich verschiedensten doch eben in quantitativen Hinsichten übereinstimmen können, so vermögen derartige Beziehungen, Bestimmtheiten, Bewegungen des einen ein gültiges Bild für eben dieselben an einem anderen abzugeben; einfachste Beispiele sind etwa die Rechenmarken, die uns zahlenmäßige Bestimmungen beliebiger Objekte beweisend veranschaulichen, oder das Fensterthermometer, das uns das Mehr oder Weniger zu erwartender Wärmeempfindungen in den Zahlen der Grade anzeigt. Diese Ermöglichung von Symbolen durch die psychologische Heraussonderung des Quantitativen aus den Dingen, die uns heute freilich sehr selbstverständlich erscheint, ist eine Geistestat von außerordentlichen Folgen. Auch die Möglichkeit des Geldes geht auf sie zurück, insofern es, von aller Qualität des Wertes absehend, das reine Quantum desselben in numerischer Form darstellt. Einen ganz bezeichnenden Übergang von dem qualitativ bestimmbaren zu dem quantitativ symbolischen Ausdruck bietet ein Bericht aus dem alten Rußland. Dort hätten zuerst Marderfelle als Tauschmittel gegolten. Im Laufe des Verkehrs aber hätte die Größe und die Schönheit der einzelnen Felle allen Einfluß auf ihre Tauschkraft verloren, jedes hätte schlechtweg nur für eines und jedem anderen gleiches gegolten. Die daraus folgende alleinige Bedeutung ihrer Zahl hätte bewirkt, daß, als der Verkehr sich steigerte, man einfach die Zipfel der Felle als Geld verwendete, bis schließlich Lederstückchen, die wahrscheinlich von der Regierung gestempelt wurden, als Tauschmittel kursierten. Hier ist es sehr deutlich, wie die Reduzierung auf den rein quantitativen Gesichtspunkt die Symbolisierung des Wertes trägt, auf der erst die ganz reine Verwirklichung des Geldes ruht.
Es scheint dagegen, als ob ein von vornherein nur ideales Geld höheren wirtschaftlichen Anforderungen nicht genügte, trotzdem der Mangel an Beziehung zu allen unmittelbaren Werten – der die zu allen gleichartige Beziehung involviert – es zu besonders weiter Verbreitung eignet. Die merkwürdige Ausdehnung des Kaurigeldes, das seit 1000 Jahren in einem großen Teile Afrikas, früher im Gebiete des indischen Ozeans, prähistorisch in Europa galt, wäre kaum möglich gewesen, wenn es nicht so rein ideal wäre. Auf den tieferen Wirtschaftsstufen finden sich die äußersten Gegensätze der Geldwerte zusammen; es begegnet einerseits ein so absolut wertkonkretes Geld, wie das Rindergeld oder die Baumwollenstoffe, die auf den Philippinen als Großgeld kursierten, andrerseits ein so absolut ideales, wie das Kaurigeld, wie das Geld aus der Rinde des Maulbeerbaums, das Marco Polo in China entdeckte, wie die Porzellanstücke mit chinesischen Schriftzeichen, die in Siam galten. Eine gewisse funktionelle Entwicklung über jene wertkonkreten Geldarten hinaus ist dort angebahnt, wo zwar Naturalartikel, aber solche die zugleich besonders Exportartikel sind, zu Tauschmitteln werden: Tabak in Virginia, Reis in Carolina, Klippfisch in Neufundland, Tee in China, Pelze in Massachusetts. Beim Exportartikel ist der Wert einigermaßen aus der Unmittelbarkeit psychologisch herausgerückt, die bei der Binnen-Konsumtion der Geldware stattfindet. Allein die glücklichste Mitte zwischen abstrakten Geldarten, wie die angeführten, und dem Konsumtivgeld stellt doch das Schmuckgeld, also Gold und Silber, dar, indem es weder so launenhaft und sinnlos wie jene, noch so grob und singulär wie dieses ist. Dies ist offenbar der Träger, der das Geld zugleich am leichtesten und am festesten zu seiner Symbolwerdung leitet; das Stadium dieser Bindung muß es passieren, um zu dem Maximum seiner Leistungsfähigkeit zu gelangen, und es scheint, daß es für absehbare Zeiten nicht gänzlich aus ihm heraustreten kann.
Wenn sekundäre Symbole – wie man sie im Unterschied gegen die naive Symbolistik naiver Geisteszustände nennen kann – immer mehr die unmittelbaren Greifbarkeiten von Dingen und Werten für die Praxis ersetzen, so ist damit die Bedeutung des Intellekts für die Lebensführung außerordentlich gesteigert. Sobald das Leben nicht mehr zwischen sinnlichen Einzelheiten verläuft, sondern sich durch Abstraktionen, Durchschnitte, Zusammenfassungen bestimmen läßt, so wird insbesondere in den Beziehungen der Menschen untereinander der schnellere und genauere Vollzug der Abstraktionsprozesse einen erheblichen Vorsprung verleihen. Wenn da, wo in roheren Zeiten die öffentliche Ordnung nur durch physische Gewalt hergestellt werden konnte, heute das bloße Erscheinen eines Beamten dazu gehört; wenn die bloße Namensunterschrift uns äußerlich und innerlich bedingungslos bindet; wenn unter feinfühligen Menschen ein leise andeutendes Wort oder eine Miene hinreicht, ihr Verhältnis dauernd festzustellen, das sich unter tieferstehenden erst auf lange Auseinandersetzungen oder praktische Handlungsweisen hin ergibt; wenn man uns durch eine Berechnung auf dem Papiere zu Opfern bringen kann, die dem Unverständigen nur durch die reale Einwirkung der betreffenden Faktoren abgezwungen werden – so ist diese Bedeutung symbolischer Dinge und Taten offenbar nur bei sehr gesteigerter Intellektualität möglich, nur bei dem Vorhandensein einer so selbständigen geistigen Kraft, daß sie des Eintretens unmittelbarer Einzelheiten nicht bedarf.
Ich habe dies ausgeführt, um die Einordnung des Geldes auch in diese Strömung der Kultur einleuchtend zu machen. Das immer wirkungsvoller werdende Prinzip der Ersparnis an Kräften und Substanzen führt zu immer ausgedehnterem Verfahren mit Vertretungen und Symbolen, welche mit demjenigen, was sie vertreten, gar keine inhaltliche Verwandtschaft haben; so daß es durchaus in derselben Richtung liegt, wenn die Operationen mit Werten sich an einem Symbol vollziehen, das mehr und mehr die materielle Beziehung zu den definitiven Realitäten seines Gebietes einbüßt und bloß Symbol wird. Diese Lebensform setzt nicht nur eine außerordentliche Vermehrung der psychischen Prozesse voraus – wie komplizierte psychologische Vorbedingungen fordert etwa nur die Deckung von Banknoten durch Barreserve! – sondern auch eine Erhöhung derselben, eine prinzipielle Wendung der Kultur zur Intellektualität. Daß das Leben im wesentlichen auf den Intellekt gestellt ist und dieser als die praktisch wertvollste unter unseren psychischen Energien gilt – das pflegt, wie nachherige Überlegungen noch ausführlich zeigen werden, mit dem Durchdringen der Geldwirtschaft Hand in Hand zu gehen; wie denn auch innerhalb des Handelsgebietes, insbesondere wo reine Geldgeschäfte in Frage stehen, zweifellos der Intellekt im Besitz der Souveränität ist. Die Steigerung der intellektuellen, abstrahierenden Fähigkeiten charakterisiert die Zeit, in der das Geld immer mehr zum reinen Symbol und gegen seinen Eigenwert gleichgültig wird.