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Synthetischer Teil

Viertes Kapitel. Die individuelle Freiheit.

I. Die mit Verpflichtungen zusammenbestehende Freiheit danach abgestuft, ob jene sich auf die Persönlichkeit oder auf die Arbeitsprodukte erstrecken; die Geld Verpflichtung als die Form, mit der die äußerste Freiheit vereinbar ist. Einstellung in das Problem der Maximisierung der Werte durch den Besitzwechsel. Kulturelle Steigerung der Personenzahl, von der man abhängt, unter gleichzeitigem Sinken der Bindungen an individuell bestimmte Personen. Das Geld als der Träger der unpersönlichen Beziehungen zwischen Personen und dadurch der individuellen Freiheit.

Man kann die Entwicklung jedes menschlichen Schicksals von dem Gesichtspunkte aus darstellen, daß es in einer ununterbrochenen Abwechslung von Bindung und Lösung, von Verpflichtung und Freiheit verläuft. Dieser erste Überschlag indes stellt eine Scheidung dar, deren Schroffheit die nähere Betrachtung mildert. Was wir nämlich als Freiheit empfinden, ist tatsächlich oft nur ein Wechsel der Verpflichtungen; indem sich an die Stelle der bisher getragenen eine neue schiebt, empfinden wir vor allen Dingen den Fortfall jenes alten Druckes, und weil wir von ihm frei werden, scheinen wir im ersten Augenblick überhaupt frei zu sein – bis die neue Pflicht, die wir zuerst gleichsam mit bisher geschonten und deshalb besonders kräftigen Muskelgruppen tragen, mit der allmählichen Ermüdung derselben ihr Gewicht geltend macht und nun der Befreiungsprozeß ebenso an sie ansetzt, wie er vorher in ihr gemündet hatte. Dieses Schema vollzieht sich nicht an allen Bindungen mit quantitativer Gleichheit: es gibt vielmehr gewisse, mit welchen der Ton der Freiheit länger, intensiver, bewußter, verbunden ist als mit anderen; manche Leistungen, die nicht weniger streng gefordert werden als andere und im ganzen die Kräfte der Persönlichkeit nicht weniger beanspruchen, scheinen dennoch dieser ein besonders großes Maß von Freiheit zu gewähren. Der Unterschied der Verpflichtungen, der diesen Unterschied der damit verträglichen Freiheit zur Folge hat, weist folgenden Typus auf. Jeder Verpflichtung, die nicht einer bloßen Idee gegenüber besteht, entspricht das Forderungsrecht eines anderen: weshalb denn die Moralphilosophie allenthalben die sittliche Freiheit mit denjenigen Verpflichtungen identifiziert, die ein ideeller oder gesellschaftlicher Imperativ oder die das eigne Ich uns auferlegt. Der Anspruch des anderen kann das persönliche Tun und Leisten des Verpflichteten zum Inhalt haben; oder er kann wenigstens das unmittelbare Ergebnis der persönlichen Arbeit betreffen; oder es kann sich endlich bloß um ein bestimmtes Objekt handeln, auf dessen Genuß der Berechtigte Anspruch hat, während er auf den Weg, auf dem der Verpflichtete dasselbe beschafft, keinen Einfluß mehr besitzt. Diese Skala ist zugleich die der Freiheitsgrade, die mit der Leistung zusammen bestehen. Gewiß werden im ganzen alle Verpflichtungen durch das persönliche Tun des Subjektes solviert; allein es ist ein großer Unterschied, ob das Recht des Berechtigten sich unmittelbar auf die leistende Persönlichkeit erstreckt, oder nur auf das Produkt ihrer Arbeit; oder endlich auf das Produkt an und für sich, gleichviel durch welche Arbeit und ob überhaupt durch eigene, der Verpflichtete dazu gekommen ist. Selbst bei objektiv gleich großen Vorteilen des Berechtigten wird der erste dieser Fälle die Freiheit des Verpflichteten völlig binden, der zweite ihr schon etwas größeren, der dritte sehr erheblichen Spielraum gewähren. Das extremste Beispiel des ersten Falles ist die Sklaverei; hier betrifft die Verpflichtung überhaupt nicht eine irgendwie objektiv bestimmte Leistung, sondern den Leistenden selbst; sie umschließt die Betätigung aller überhaupt vorhandenen Spannkräfte des Subjektes. Wenn in modernen Verhältnissen derartige Pflichten, welche die Leistungskraft überhaupt, aber nicht das objektiv bestimmte Resultat derselben betreffen – wie bei gewissen Arbeiterkategorien, Beamten, Dienstboten – dennoch der Freiheit keine allzu große Gewalt antun, so folgt dies entweder aus der zeitlichen Beschränkung der Leistungsperioden oder aus der Möglichkeit der Wahl zwischen den Personen, denen man sich verpflichten will, oder aus der Größe der Gegenleistung, die den Verpflichteten sich doch zugleich als einen Berechtigten fühlen läßt. Auf jener Stufe befinden sich ferner die Hörigen, solange sie schlechthin und mit ihrer gesamten Arbeitskraft dem Herrnhofe angehören, bzw. solange ihre Dienste »ungemessen« sind. Der Übergang zur zweiten vollzieht sich, indem die Dienste zeitlich beschränkt werden (womit nicht gesagt sein soll, daß diese Stufe historisch immer die spätere war; im Gegenteil, die Verschlechterung der bäuerlichen Freiheit führt sehr oft von dem zweiten zum ersten Verhältnis). Vollständig wird diese zweite Stufe erreicht, wenn anstatt der bestimmten Arbeitszeit und Kraft ein bestimmtes Arbeitsprodukt verlangt wird. Innerhalb dieser Stufe ist nun die Graduierung zu beobachten: daß der herrschaftliche Untertan entweder einen aliquoten Teil der Bodenerträge – etwa die zehnte Korngarbe – abzuliefern hat, oder ein ein für allemal fixiertes Quantum an Getreide, Vieh, Honig usw. Obgleich der letztere Modus unter Umständen der härtere und schwierigere sein kann, so läßt er doch andrerseits dem Verpflichteten auch wieder größere individuelle Freiheit, denn er macht den Grundherrn gleichgültiger gegen die Wirtschaftsart des Bauern: wenn er nur soviel produziert, daß jene bestimmte Abgabe herauskommt, so hat jener kein Interesse an dem Gesamtertrage, was bei der aliquoten Abgabe sehr erheblich der Fall ist und zu Beaufsichtigungen, Zwangsmaßregeln, Bedrängungen führen muß. Die Fixierung der Abgaben auf ein absolutes statt eines relativen Quantums ist schon eine Übergangserscheinung, die auf die Geldablösung hinweist. Freilich könnte, prinzipiell betrachtet, auf dieser ganzen Stufe schon vollständige Freiheit und Lösung der Persönlichkeit als solcher aus dem Pflichtverhältnisse gegeben sein; denn dem Berechtigten kommt es nur darauf an, daß er die bestimmte objektive Abgabe erhält, der Pflichtige mag sie hernehmen, wo er will. Allein tatsächlich kann er sie bei dieser Wirtschaftsführung nirgends hernehmen als aus der eigenen Arbeit, und auf dieser Grundlage ist auch das Verhältnis errichtet. Die Betätigung der Persönlichkeit war durch ihre Verpflichtungen eindeutig bestimmt. Und dies ist der allgemeine Typus, wo nur immer in der Naturalwirtschaft Leistung zu Gegenleistung verpflichtet: Leistung und Persönlichkeit tritt allerdings bald soweit auseinander, daß der Verpflichtete prinzipiell das Recht haben würde, seine Persönlichkeit ganz aus der Leistung zurückzuziehen und diese rein objektiv, etwa durch die Arbeit eines anderen hergestellt, zu prästieren. Aber in Wirklichkeit schließt die ökonomische Verfassung dies so gut wie aus, und durch das schuldige Produkt hindurch und in ihm bleibt das Subjekt selbst verpflichtet, die persönliche Kraft in einer bestimmten Richtung gebunden. Wie sehr immerhin das Prinzip der Sachlichkeit gegenüber dem der Persönlichkeit eine Wendung zur Freiheit bedeutet, zeigt z. B. die im 13. Jahrhundert sehr vorschreitende Lehnsfähigkeit der Ministerialen. Durch diese nämlich wurde ihre bisher persönliche Abhängigkeit in eine bloß dingliche verwandelt und sie dadurch in allen anderen als Lehnsangelegenheiten unter das Landrecht, d. h. in die Freiheit, gestellt. Es ist genau in demselben Sinn, wenn begabte Persönlichkeiten, die zur Lohnarbeit genötigt sind, es heutzutage vorziehen, einer Aktiengesellschaft mit ihrem streng objektiven Betriebe, als einem Einzelunternehmer zu dienen; oder wenn der Dienstbotenmangel daher entsteht, daß die Mädchen die Fabrikarbeit dem Dienst bei einer Herrschaft vorziehen, in dem sie zwar materiell besser gestellt sind, aber sich in der Unterordnung unter subjektive Persönlichkeiten weniger frei fühlen. – Die dritte Stufe, bei der aus dem Produkt die Persönlichkeit wirklich ausgeschieden ist und der Anspruch sich gar nicht mehr in diese hineinerstreckt, wird mit der Ablösung der Naturalabgabe durch die Geldabgabe erreicht. Man hat es deshalb gewissermaßen als eine magna charta der persönlichen Freiheit im Gebiete des Privatrechts bezeichnet, wenn das klassische römische Recht bestimmte, jeder beliebige Vermögensanspruch dürfe bei Verweigerung seiner Naturalerfüllung in Geld solviert werden; das ist also das Recht, jede persönliche Verpflichtung mit Geld abzukaufen. Der Grundherr, der ein Quantum Bier oder Geflügel oder Honig von seinem Bauern fordern darf, legt dadurch die Tätigkeit desselben in einer bestimmten Richtung fest; sobald er nur Geldzins erhebt, ist der Bauer insoweit völlig frei, ob er Bienenzucht, Viehzucht oder was sonst treiben will. Auf dem Gebiete persönlicher Arbeitsdienste vollzieht sich der formal gleiche Prozeß mit der Berechtigung, einen Ersatzmann zu stellen, den die andre Partei, wenn er sachlich einwandfrei ist, akzeptieren muß. Diese Berechtigung, die das Verhältnis seinem Sinne nach auf eine ganz neue Basis stellt, muß wie die Geldablösung oft erst erkämpft werden, weil man wohl fühlt, daß sie, wie auch die Geldablösung, der Weg zur Lösung der Verpflichtung überhaupt ist. Die Verfasser des Domesday Survey wählten charakteristischerweise für die Bauern, die ihre Frohnden durch regelmäßige Geldleistungen ersetzten, Ausdrücke, die bezeichnen sollten, daß sie weder ganz frei, noch ganz Untertan wären. Nur an den Namen der Geldzinse haftete noch lange ihr Ursprung aus Naturallieferungen: es wurden Küchensteuer, Faßpfennige, Herbergsgelder (statt der Beherbergung der umherreisenden Herren und ihrer Beamten), Honigpfennige usw. erhoben. Als Übergangsstufe tritt oft ein, daß die ursprüngliche Naturalabgabe in Geld taxiert und dieser Betrag als stellvertretend für sie gefordert wurde. Diese vermittelnde Erscheinung findet sich auch in Verhältnissen, die von dem hier behandelten Beispiel weit abliegen: in Japan wurden noch 1877 alle Zinsen und Steuern entweder in Reis bezahlt oder in Reis kalkuliert und in Geld bezahlt – entsprechend wie unter der Königin Elisabeth bei der Vermietung gewisser, den Universitäten gehöriger Ländereien der Pachtschilling in Korn vereinbart, obgleich offenbar in Silber erlegt wurde. Damit wird wenigstens die Identität des Wertquantums der Pflicht noch betont, während sie schon jede durch Inhaltsbestimmtheit bewirkte persönliche Bindung abgestreift hat. Wenn das ius primae noctis wirklich irgendwo bestanden hat, so nimmt es seine Entwicklung über analoge Stufen; jenes Recht des Grundherrn hatte das Ganze der verpflichteten Persönlichkeit, die Hingabe ihres zentralsten Habens oder vielmehr Seins zum Inhalt gehabt: dies wäre der Preis gewesen, um den er der Untertanin das Recht zur Eheschließung einräumte. Die nächste Stufe ist, daß er dieses Recht – das er jederzeit noch versagen kann – gegen Zahlung einer Geldsumme gibt; die dritte, daß sein Einspruchsrecht überhaupt fortfällt, daß der Untertan vielmehr frei ist, sich zu verheiraten, sobald er dem Herrn eine festgesetzte Summe: Brautgeld, Ehegeld, Frauengeld oder ähnliches zahlt. Die Befreiung der Persönlichkeit wird also auf der zweiten Stufe zwar schon auf Geld gestellt, aber doch nicht ausschließlich, indem immerhin noch die Einwilligung des Grundherrn gewonnen werden mußte, die man nicht erzwingen konnte. Das Verhältnis wird erst vollständig entpersonalisiert, wenn gar kein anderes Moment als das der Geldzahlung darüber entscheidet. Höher kann die persönliche Freiheit vor dem Wegfall jedes bezüglichen Rechtes des Grundherrn nicht steigen, als wenn die Verpflichtung des Untertanen in eine Geldabgabe verwandelt ist, die der Grundherr annehmen muß. Deshalb hat denn auch vielfach die Verringerung und die schließlich völlige Ablösung der bäuerlichen Dienste und Lieferungen ihren Weg über ihre Umwandlung in Geldbezüge genommen. Dieser Zusammenhang zwischen Geldleistung und Befreiung kann unter Umständen von dem Berechtigten als so wirksam vorgestellt werden, daß er selbst das lebhafteste Interesse an barem Gelde übertönt. Die Umwandlung der bäuerlichen Frohnden und Naturallieferungen in Geldzinse hatte in Deutschland seit dem 12. Jahrhundert begonnen; und gerade dadurch wurde sie unterbrochen, daß der Kapitalismus im 14. und 15. Jahrhundert auch die Grundherren ansteckte. Denn sie erkannten, daß die naturalen Leistungen außerordentlich viel dehnbarer und willkürlich vermehrbarer waren als die Geldzinsungen, an deren quantitative, zahlenmäßige Bestimmtheit nicht mehr zu rühren war. Dieser Vorteil der Naturalleistungen erschien ihnen groß genug, um ihre Habgier gerade in dem Augenblick daran festhalten zu lassen, in dem im übrigen die Geldinteressen bei ihnen herrschend wurden. Es ist eben dieser Grund, aus dem man überhaupt den Bauer nicht will zu Gelde kommen lassen. Der englische Hintersasse durfte ganz allgemein kein Stück Vieh ohne besondere Erlaubnis seines Lords verkaufen. Denn durch den Viehverkauf bekam er Geld in die Hand, mit dem er anderswo Land erwerben und sich den Verpflichtungen gegen seinen bisherigen Herrn entziehen konnte. – Der äußerste Grad des Befreiungsprozesses wird durch eine Entwicklung innerhalb der Geldabgabe selbst erreicht: indem statt des periodischen Zinses eine einmalige Kapitalzahlung erfolgt. Wenngleich der objektive Wert in beiden Formen der identische sein mag, so ist doch der Reflex auf das Subjekt ein ganz verschiedener. Die einzelne Zinszahlung läßt zwar, wie hervorgehoben, dem Pflichtigen völlige Freiheit in bezug auf das eigene Tun, wenn er nur das erforderliche Geld erwirbt; allein die Regelmäßigkeit der Abgaben zwingt dieses Tun in ein bestimmtes, ihm von einer fremden Macht aufgedrungenes Schema, und so wird denn erst mit der Kapitalisierung der Abgaben diejenige Form jeglicher Verpflichtungen erreicht, die zugleich der größten persönlichen Freiheit entspricht. Erst mit der Kapitalzahlung ist die Verpflichtung restlos in Geldleistung übergegangen, während die Zinszahlung durch ihre regelmäßige Periodizität noch ein wenigstens formelles Element von Gebundenheit über das bloße Wertquantum hinaus enthält. Dieser Unterschied tritt etwa so hervor: im 13. Jahrhundert und noch später votierte das englische Parlament öfters, daß die Shires eine bestimmte Anzahl von Soldaten oder Arbeitern für den König zu liefern hätten; regelmäßig aber lösten die Repräsentantenversammlungen der Shires die Gewähr von Menschen gegen eine Geldleistung ab. So viel personale Freiheit damit aber auch gerettet war – es unterscheidet sich doch wesentlich von jenen Rechten und Freiheiten, die das englische Volk seinen Königen durch einmalige Geldvotierungen abkaufte. Wenn derjenige, der das Kapital erhält, damit all den Unsicherheiten enthoben ist, denen er bei einzelnen Zinsungen unterliegt, so ist das entsprechende Äquivalent dafür auf der Seite des Leistenden, daß seine Freiheit nun aus der labilen Form, die sie bei immer wiederholter Zinsung aufweist, in die stabile übergeht. Die Freiheit des englischen Volkes seinen Königen gegenüber beruht zum Teil darauf, daß es sich durch Kapitalzahlungen ein für allemal in Bezug auf bestimmte Rechte mit ihnen auseinandersetzte: pro hac concessione, sagt z. B. eine Urkunde Heinrichs III., dederunt nobis quintam decimam partem omnium mobilium suorum. Nicht trotzdem, sondern gerade weil eine solche Handelschaft um die Freiheiten des Volkes einen etwas brutalen, äußerlichen, mechanischen Charakter trägt, bedeutet sie ein reinliches Sichabfinden miteinander, den völligsten Gegensatz gegen die Empfindung des Königs, daß sich »kein Blatt Papier zwischen ihn und sein Volk drängen sollte« – aber eben deshalb auch eine radikale Beseitigung aller der Imponderabilien gemütvollerer Beziehungen, die bei einem weniger geldgeschäftsmäßigen Erwerb von Freiheiten oft die Handhabe bieten, sie zurückzunehmen oder illusorisch zu machen. Ein gutes Beispiel der stufenweisen Entwicklung, in der die Geldablösung der Naturalleistung die Befreiung des Individuums trägt, vollzieht sich an der Verpflichtung der Untertanen, Bürger und Hintersassen, ihre Landesherren bzw. Beamte, Schirmvögte, Gerichtsherren bei ihren Reisen zu beherbergen und zu verpflegen. Diese Last stammte aus dem alten Königsdienste und erlangte im Mittelalter eine sehr bedeutende Ausdehnung. Es ist der erste Schritt zur Sachlichkeit und Unpersönlichkeit dieser Verpflichtung, wenn dieselbe streng umgrenzt wird; so finden wir schon früh genau vorgeschrieben, wie viele Ritter und Knechte beherbergt werden müssen, wie viele Pferde und Hunde mitgebracht werden dürfen, wieviel Brot, Wein, Fleisch, Schüsseln, Tischtücher usw. zu liefern sind. Immerhin, sobald unmittelbar Beherbergung und Atzung stattfand, mußten einerseits die Grenzen der Leistungen leicht ins Schwanken geraten, andrerseits trugen sie entschieden den Charakter der persönlichen Beziehung. Demgegenüber ist es die entwickeltere Stufe, wenn wir hören, daß bloße Lieferungen von Naturalien ohne Beherbergung stattfanden; dabei konnten die Abmessungen des Quantums viel genauer sein, als wenn die Personen beherbergt und satt gemacht werden sollten. So heißt es, der Graf von Rieseck sollte eine bestimmte Abgabe Korn erhalten: »Davon sul man syme gesinde brot backen, wan er in dem Dorf zu Crotzenburg ist, off daz er die arme lüde in dem dorff nit furter besweren oder schedigen solle.« Diese Entwicklung führt weiter dahin, daß feste Geldleistungen gelegentlich der Anwesenheit der hohen Herren bei ihren Reisen und Gerichtssitzungen stipuliert werden. Und endlich wird auch das hierin noch liegende variable und personale Moment beseitigt, indem diese Leistungen in ständige Abgaben übergeführt werden, die als Atzgeld, Herrentaggeld, Reisigvogtgeld, auch dann erhoben wurden, als die alten Amtsreisen der Richter usw. durch ganz andere Organisationen ersetzt wurden. Das war der Weg, auf dem die Leistungen solcher Art schließlich ganz fortfielen und in der allgemeinen Steuerleistung der Untertanen aufgingen, der sozusagen jede spezifische Formung fehlt und die deshalb das Korrelat der persönlichen Freiheit der Neuzeit ist.

In solchen Fällen von Ablösung der naturalen Leistungen durch Geldzahlungen pflegt der Vorteil auf beiden Seiten zu sein. Dies ist eine sehr merkwürdige und zur Einstellung in größere Zusammenhänge auffordernde Tatsache. Wenn man von der Vorstellung ausgeht, daß das zum Genuß verfügbare Güterquantum ein begrenztes ist; daß es den vorhandenen Ansprüchen nicht genügt; daß endlich »die Welt weggegeben ist«, das heißt, daß im allgemeinen jedes Gut seinen Besitzer hat – so folgt daraus, daß, was dem einen gegeben wird, dem anderen genommen werden muß. Zieht man hier nun alle die Fälle ab, in denen dies ersichtlich nicht gilt, so bleiben doch immer noch unzählig viele, in denen die Bedürfnisbefriedigung des einen nur auf Kosten des anderen erfolgen kann. Wollte man dies als das oder ein Charakteristikum oder Fundament unseres Wirtschaftens ansehen, so würde es sich in alle jene Weltanschauungen einordnen, die überhaupt das Quantum der der Menschheit beschiedenen Werte – der Sittlichkeit, des Glückes, der Erkenntnis – für ein seiner oder ihrer Natur nach unveränderliches halten, so daß nur die Formen und die Träger desselben wechseln können. Schopenhauer neigt sich der Annahme zu, daß jedem Menschen sein Maß von Leiden und Freuden von vornherein durch seine Wesensart bestimmt ist; es könne weder überfüllt werden noch leer bleiben, und alle äußeren Umstände, auf die wir unser Befinden zu schieben pflegen, stellten nur einen Unterschied in der Form, jenes unveränderliche Lust- und Leidquantum zu empfinden, dar. Erweitert man diese individualistische Vorstellung auf die menschliche Gesamtheit, so erscheine all unser Glücksstreben, die Entwicklung aller Verhältnisse, aller Kampf um Haben und Sein als ein bloßes Hin- und Herschieben von Werten, deren Gesamtsumme dadurch nicht verändert werden kann, so daß aller Wechsel in der Verteilung nur die fundamentale Erscheinung bedeutet, daß der eine jetzt besitzt, was der andere – freiwillig oder nicht – weggegeben hat. Diese Erhaltung der Werte entspricht ersichtlich einer pessimistisch-quietistischen Weltansicht; denn je weniger man uns imstande glaubt, wirklich neue Werte hervorzubringen, um so wichtiger ist es, daß auch keiner wirklich verloren gehe. In paradoxer Konsequenz lehrt das die in Indien verbreitete Vorstellung, daß, wenn man einen heiligen Asketen zu Falle bringe, sein Verdienst auf den Versucher übergehe!

Aber auch direkt gegenteilige Erscheinungen sind zu beachten. Mit allen jenen Gemütsverhältnissen, deren Glück nicht nur in dem Gewinnen, sondern ebenso in dem eigenen Sichhingeben liegt, und wo jeder wechselseitig und gleichmäßig durch den anderen bereichert wird, erwächst ein Wert, dessen Genuß nicht durch die Entbehrung einer Gegenpartei erkauft wird. Ebensowenig bedeutet die Mitteilung intellektueller Güter, daß dem einen genommen werden muß, was der andere genießen soll; wenigstens kann nur eine an das Pathologische streifende Empfindungssubtilität sich wirklich beraubt fühlen, wenn irgendein objektiver geistiger Inhalt nicht mehr subjektiv-ausschließliches Eigentum ist, sondern von anderen nachgedacht wird. Im ganzen kann man vom geistigen Besitz, wenigstens soweit er sich nicht in ökonomischen fortsetzt, sagen, daß er nicht auf Kosten eines anderen gewonnen wird, weil er nicht aus einem Vorrat genommen ist, sondern selbst bei aller Gegebenheit seines Inhaltes doch schließlich aus dem eigenen Bewußtsein des Erwerbers erzeugt werden muß. Diese Versöhnung der Interessen, die hier aus der Natur des Objektes hervorgeht, gilt es nun offenbar auch auf denjenigen ökonomischen Gebieten herzustellen, wo die Konkurrenz um die Befriedigung des einzelnen Bedürfnisses jeden nur auf Kosten eines anderen bereichert. Es gibt zwei Typen von Mitteln, um diesen Zustand in jenen vollkommneren überzuführen: das nächstliegende ist die Ablenkung des Kampfes gegen den Mitmenschen in den Kampf gegen die Natur. In dem Maße, in dem man weitere Substanzen und Kräfte aus dem noch unokkupierten Vorrat der Natur in die menschlichen Nutznießungen hineinzieht, werden die bereits okkupierten von der Konkurrenz um sie entlastet. Die Sätze von der Erhaltung des Stoffes und der Energie gelten glücklicherweise nur für das absolute Ganze der Natur, nicht aber für denjenigen Ausschnitt derselben, den das menschliche Zweckhandeln für sich designiert; dies relative Ganze ist allerdings ins unbestimmte vermehrbar, indem wir immer mehr Stoffe und Kräfte in die für uns zweckmäßige Form bringen, gleichsam annektieren können. Selbst aus demjenigen, was seinem Umfange nach bereits okkupiert ist, lehrt uns fortschreitende Technik immer weitere Nutzungen gewinnen: der Übergang von der extensiven zur intensiven Wirtschaft vollzieht sich keineswegs nur auf dem Gebiete der Bodenkultur, sondern an jeder Substanz, die in immer feinere Teile zu immer spezielleren Nutzungen zerlegt, oder deren latente Kräfte immer vollständiger entbunden werden. Die so nach verschiedenen Dimensionen gehende Ausdehnung des menschlichen Machtgebietes, die es zur Unwahrheit macht, daß die Welt weggegeben ist, und die die Bedürfnisbefriedigung nicht erst an einen Raub irgend welcher Art knüpft – könnte man den substanziellen Fortschritt der Kultur nennen. Neben diesem steht nun, zweitens, was man als den funktionellen Fortschritt bezeichnen dürfte. Bei diesem handelt es sich darum, für den Besitzwechsel bestimmter gegebener Objekte die Formen zu finden, welche denselben für beide Parteien vorteilhaft machen: zu einer solchen Form kann es ursprünglich nur dann gekommen sein, wenn der erste Besitzer die physische Macht besaß, den von anderen begehrten Gegenstand festzuhalten, bis ihm ein entsprechender Gegenvorteil geboten wurde; denn anderenfalls würde ihm der Gegenstand einfach weggenommen werden. Der Raub, vielleicht das Geschenk erscheint als die primitivste Stufe des Besitzwechsels, auf der also der Vorteil noch ganz auf der einen, die Last ganz auf der anderen Seite ruht. Wenn sich über dieser nun die Stufe des Tausches als Form des Besitzwechsels erhebt, zunächst, wie gesagt, als bloße Folge der gleichen Macht der Parteien, so ist dies einer der ungeheuersten Fortschritte, die die Menschheit überhaupt machen konnte. Angesichts der bloßen Gradunterschiede, die nach so vielen Seiten hin zwischen den Menschen und den niederen Tieren bestehen, hat man bekanntlich oft versucht, die spezifische Differenz festzustellen, die den Menschen unverkennbar und eindeutig von der übrigen Tierreihe abscheidet: als das politische Tier, das werkzeugmachende Tier, das zwecksetzende Tier, das hierarchische Tier, ja – seitens eines ernsthaften Philosophen – als das vom Größenwahn befallene Tier hat man ihn definiert. Vielleicht kann man dieser Reihe hinzufügen, der Mensch sei das tauschende Tier; und das ist freilich nur eine Seite oder Form der ganz allgemeinen Charakteristik, in der das Spezifische des Menschen zu bestehen scheint: der Mensch ist das objektive Tier. Nirgends in der Tierwelt finden wir auch nur Ansätze zu demjenigen, was man Objektivität nennt, der Betrachtung und Behandlung der Dinge, die sich jenseits des subjektiven Fühlens und Wollens stellt.

Ich habe schon angedeutet, wie dies die Menschheitstragödie der Konkurrenz mindert. Das ist die eigentliche Versittlichung durch den Kulturprozeß, daß immer mehr Lebensinhalte in transindividueller Gestalt objektiviert werden: Bücher, Kunst, ideale Gebilde wie Vaterland, allgemeine Kultur, die Formung des Lebens in begrifflichen und ästhetischen Bildern, das Wissen von tausenderlei Interessantem und Bedeutsamem – alles dies kann genossen werden, ohne daß einer es dem anderen wegnimmt. Je mehr die Werte in solche objektive Form übergehen, um so mehr Platz ist in ihnen, wie in Gottes Hause, für jede Seele. Vielleicht wäre die Wüstheit und Erbitterung der modernen Konkurrenz überhaupt nicht erträglich, wenn ihr nicht diese wachsende Objektivierung von Daseinsinhalten, in ihrer Unberührsamkeit von allem ôte-toi que je m'y mette, zur Seite ginge. Es ist wohl von tieferer Bedeutung, daß eben dasselbe, was den Menschen rein tatsächlich-psychologisch von der niederen Tierreihe scheidet: die Fähigkeit der objektiven Betrachtung, des Absehens vom Ich mit seinen Impulsen und Zuständen zugunsten der reinen Sachlichkeit – daß eben dies dem geschichtlichen Prozeß zu seinem vielleicht edelsten, veredelndsten Ergebnis verhilft, zu dem Aufbau einer Welt, die ohne Streit und gegenseitige Verdrängung aneigenbar ist, zu Werten, deren Erwerb und Genuß seitens des einen den anderen nicht ausschließt, sondern tausendmal dem anderen den Weg zu dem gleichen öffnet. Der Lösung dieses Problems, die der Welt des Objektiven gleichsam in substanzieller Form gelingt, nähert sich der Tausch in funktioneller. Gegenüber dem einfachen Wegnehmen oder der Schenkung, in denen sich der rein subjektive Impuls auslebt, setzt der Tausch, wie wir früher sahen, eine objektive Abschätzung, Überlegung, gegenseitige Anerkennung, eine Reserve des unmittelbar subjektiven Begehrens voraus. Daß diese ursprünglich keine freiwillige, sondern durch die Machtgleichheit der anderen Partei erzwungene sein mag, ist dafür ohne Belang; denn das Entscheidende, spezifisch Menschliche ist eben, daß die Machtgleichheit nicht zum gegenseitigen Raub und Kampf, sondern zu dem abwägenden Tausch führt, in dem das einseitige und persönliche Haben und Habenwollen in eine objektive, aus und über der Wechselwirkung der Subjekte sich erhebende Gesamtaktion eingeht. Der Tausch, der uns als etwas ganz Selbstverständliches erscheint, ist das erste und in seiner Einfachheit wahrhaft wunderbare Mittel, mit dem Besitzwechsel die Gerechtigkeit zu verbinden; indem der Nehmende zugleich Gebender ist, verschwindet die bloße Einseitigkeit des Vorteils, die den Besitzwechsel unter der Herrschaft eines rein impulsiven Egoismus oder Altruismus charakterisiert; welche letztere übrigens keineswegs immer die zeitlich erste Stufe der Entwicklung ausmacht.

Allein die bloße Gerechtigkeit, die der Tausch bewirkt, ist doch nur etwas Formales und Relatives: der eine soll nicht mehr und nicht weniger haben als der andere. Darüber hinaus aber bewirkt er eine Vermehrung der absoluten Summe empfundener Werte. Indem jeder nur in den Tausch gibt, was ihm relativ überflüssig ist, und in den Tausch nimmt, was ihm relativ nötig ist, gelingt es durch ihn, die zu jedem gegebenen Zeitpunkt der Natur abgewonnenen Werte zu immer höherer Verwertung zu bringen. Angenommen, die Welt wäre wirklich »weggegeben« und alles Tun bestünde wirklich in einem bloßen Hin- und Herschieben innerhalb eines objektiv unveränderlichen Wertquantums, so bewirkte dennoch die Form des Tausches gleichsam ein interzellulares Wachstum der Werte. Die objektiv gleiche Wertsumme geht durch die zweckmäßigere Verteilung, die der Tausch bewirkt, in eine subjektiv größere, in ein höheres Maß empfundener Nutzungen über. Das ist die große kulturelle Aufgabe bei jeder Neuverteilung von Rechten und Pflichten, die doch immer einen Austausch enthält; selbst bei scheinbar ganz einseitiger Verlegung des Vorteils wird ein wirklich soziales Verfahren sie nicht vernachlässigen. So war es z. B. bei der Bauernbefreiung des 18. und 19. Jahrhunderts die Aufgabe, die Herrschaften nicht einfach das verlieren zu lassen, was die Bauern gewinnen sollten, sondern einen Verteilungsmodus von Besitz und Rechten zu finden, der zugleich die Totalsumme der Nutzungen vergrößerte.

Hier sind es nun zwei Eigenschaften des Geldes, die nach dieser Richtung hin den Tausch von Waren oder Leistungen gegen dasselbe als den vollkommensten erscheinen lassen: seine Teilbarkeit und seine unbeschränkte Verwertbarkeit. Die erstere bewirkt, daß überhaupt eine objektive Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung stattfinden kann. Naturale Objekte lassen sich in ihrem Werte selten so bestimmen und abstufen, daß ihr Austausch von jeder der beiden Parteien als ein völlig gerechter anerkannt werden muß; erst das Geld, weil es selbst nichts anderes ist als die Darstellung des Wertes anderer Objekte und weil es fast unbegrenzt zu teilen und zu summieren ist, gibt die technische Möglichkeit für genaue Gleichheit der Tauschwerte. Allein mit dieser wird, wie ich hervorhob, erst die erste Stufe der von der Einseitigkeit des Besitzwechsels aufwärts führenden Entwicklung erreicht. Die zweite erhebt sich über der Tatsache, daß der Naturaltausch selten beiden Teilen gleichmäßig erwünschte Objekte zuführen bzw. sie von gleichmäßig überflüssigen befreien wird. In der Regel wird der lebhaftere Wunsch auf Seiten des Einen sein, und der Andere entweder nur gezwungen oder gegen ein unverhältnismäßig hohes Entgelt auf den Tausch eingehen. Beim Tausch von Leistungen für Geld dagegen erhält der Eine den Gegenstand, den er ganz speziell braucht; der Andere etwas, was jeder ganz allgemein braucht. Vermöge seiner unbeschränkten Verwertbarkeit und daraus folgenden jederzeitigen Erwünschtheit kann es – wenigstens prinzipiell – jeden Tausch zu einem solchen machen, der beiden Teilen gleichmäßig vorteilhaft ist: der Eine, der das naturale Objekt nimmt, tut es sicher nur, weil er jetzt gerade dessen bedarf; der Andere, der das Geld nimmt, bedarf dessen ebenso gerade jetzt, weil er seiner überhaupt in jedem Augenblick bedarf. Damit ermöglicht der Tausch um Geld beiden Parteien eine Erhöhung ihres Befriedigungsniveaus, während bei naturalem Tausch sehr häufig nur die eine das spezifische Interesse am Erwerben oder Loswerden des Objekts haben wird. So ist er die bisher vollendetste Form für die Lösung des großen Kulturproblems, das sich über den einseitigen Vorteil des Besitzwechsels hinweg erhebt: das objektiv gegebene Wertquantum durch bloßen Wechsel seiner Träger zu einem höheren Quantum subjektiv empfundener Werte zu gestalten. Dies ist, neben dem ursprünglichen Schaffen der Werte, für die soziale Zweckmäßigkeit offenbar die Aufgabe schlechthin, der von ihr zu lösende Teil der allgemein menschlichen: durch die Form, die man den Lebensinhalten gibt, ein Maximum des in ihnen latenten Wertes zu entbinden. Die Fälle, in denen wir das Geld dieser Aufgabe dienen sehen, zeigen also die technische Rolle, die das Geld daraufhin spielt, daß der Tausch die wesentliche soziale Art ist, jene Aufgabe zu lösen, und daß der Tausch selbst im Gelde Körper geworden ist.

Die Vermehrung des Genußquantums, die der Waren-Geld-Tausch, unter allen seinen eudämonistischen Herabsetzungen durch anderweitige Erfolge, doch prinzipiell immer ermöglicht, ruht nicht allein in den subjektiven Zuständen des einen und des anderen Kontrahenten. Es hängt nämlich ersichtlich auch die objektiv-wirtschaftliche Fruchtbarkeit, das intensive und extensive Wachstum des Güterkreises selbst für die Zukunft davon ab, in welcher Weise jenes gegebene Güterquantum in einer Gegenwart verteilt ist. Je nach den Händen, in die seine Teilquantitäten gelangen, wird es sich zu äußerst verschiedenen wirtschaftlichen Ergebnissen weiterentfalten. Der bloße Übergang von Gütern aus einer Hand in die andere kann das aus ihnen entwickelte Güterquantum der Folgezeit erheblich nach oben wie nach unten modifizieren. Man kann direkt sagen: das gleiche Güterquantum in verschiedenen Händen bedeutet ein verschiedenes Güterquantum, wie derselbe Same in verschiedenen Böden. Diese Folge der Verteilungsverschiedenheiten scheint ihre größte Ausdehnung am Gelde zu gewinnen. So wechselnde ökonomische Bedeutungen ein Landgut oder eine Fabrik je nach ihren wechselnden Besitzern haben mögen, so tragen diese Ertragsschwankungen, jenseits ganz geringfügiger Maße, den Charakter der Zufälligkeit und Innormalität. Daß dagegen die gleiche Summe, in der Hand des Börsenspekulanten oder des Rentiers, des Staates oder des Großindustriellen außerordentlich differente Ertragsbedeutungen habe – das ist hier das Normale, entsprechend dem unvergleichlichen Entfaltungsspielraum, den gerade der Geldbesitz den objektiven und subjektiven, den guten und schlechten Faktoren seiner Verwertung bietet. Am wenigsten kann man dem Gesamt-Geldbesitz einer Gruppe gegenüber sagen, daß die Ungleichheit und der Wechsel seiner Verteilung nur ein Formwechsel, bei gleichbleibender Bedeutung des Ganzen sei; eben dieser Formwechsel entwickelt an diesem Material die wesentlichsten Unterschiedsfolgen für die Totalität von Wirtschaft und Reichtum. Auch handelt es sich hier nicht nur um quantitative Differenzen, sondern – für unser Problem höchst wesentlich und andrerseits auch wieder in die Quantitätsfrage zurückführend – um qualitative. Das gleiche Sachgut in verschiedenen Händen bedeutet wirtschaftlich im allgemeinen nur eine quantitative Verschiedenheit des Geldertrages; dasselbe Geldgut aber in verschiedenen Händen bedeutet zunächst eine qualitative Verschiedenheit seiner sachlichen Bewirkungen. Die zweifellos hier eingreifende soziale Zweckmäßigkeit macht es erklärlich, weshalb moderner Reichtum so viel kürzer in einer und derselben Familie zu verbleiben pflegt, als früherer, der nicht geldwirtschaftlicher Natur war. Das Geld sucht sozusagen die fruchtbarere Hand, und das ist um so auffallender und muß um so tieferen Notwendigkeiten entsprießen, als man scheinbar auf dem Geldbesitz ruhiger, sicherer, passiver sitzen kann, als auf irgendeinem anderen. Da das Geld durch seine bloße Verteilung in einem gegebenen Augenblicke ein Minimum wie ein Maximum wirtschaftlicher Fruchtbarkeit entfaltet, und zudem sein Besitzwechsel nicht soviel Reibungs- und Interregnumsverluste mit sich zu bringen pflegt, wie der anderer Objekte, so hat die ökonomische Zweckmäßigkeit ihm gegenüber ein besonders reiches Feld für ihre Aufgabe, durch die Verteilungsart des Besitzes ein Maximum seiner Gesamtbedeutung zu erreichen.

Es handelt sich nun hier im speziellen um die Wiederaufnahme der unterbrochenen Untersuchung, inwieweit die Geldwirtschaft imstande ist, das Gut der individuellen Freiheit seiner Gesamtsumme nach zu erhöhen, d.h. es aus jener primären Form der sozialen Werte zu erlösen, in der dem einen genommen werden muß, was dem anderen gegeben werden soll. Es zeigen zunächst ganz an der Oberfläche liegende Erscheinungen der Geldwirtschaft diese Doppelseitigkeit ihrer Vorteile. Der gewöhnliche Warentausch, bei dem die Ware unmittelbar besichtigt und übergeben wird, verpflichtet den Käufer in seinem Interesse zu einer sehr genauen und sachkundigen Prüfung derselben, weil der Verkäufer, sobald er zu solcher die Gelegenheit gegeben hat, jede spätere Reklamation abweisen kann. Entwickelt sich der Handel dahin weiter, daß nach Proben gekauft wird, so geht die Last auf den Verkäufer über; er ist nicht nur für die genaue Übereinstimmung der Lieferung mit der Probe verantwortlich, sondern von jedem Irrtum, der ihm etwa zu seinen Ungunsten in der Qualität der Probe begegnet ist, wird natürlich der Käufer rücksichtslos profitieren. Das Geschäft an unseren heutigen Produktenbörsen hat nun eine Form, die beide Teile von diesen Verantwortlichkeiten entlastet, indem es nicht nach Probe, sondern nach einem ein für allemal festgestellten, allgemein gültigen Standard erfolgt. Nun ist der Käufer nicht mehr an vorherige Prüfung des Ganzen oder der Probe mit all ihren Irrtumschancen gebunden, während auch der Verkäufer nicht mehr nach der individuellen, relativ zufälligen und allerhand Gefahren für ihn einschließenden Probe zu liefern hat; beide wissen jetzt vielmehr genau, wenn sie über eine bestimmt benannte Qualität von Weizen oder Petroleum abschließen, daß sie an eine objektiv fixierte, jenseits aller persönlichen Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten stehende Norm der Ware gebunden sind. So ist also auf dem Gipfel der Geldwirtschaft ein Handelsmodus möglich geworden, der, durch die Überführung des subjektiven Fundamentes des Geschäfts in ein objektives, beiden Parteien ihre Verantwortlichkeiten erleichtert und dem Vorteil der einen keinerlei Nachteil der anderen gegenüberstellt. Eine genaue Parallele dazu zeigt das Kreditgeschäft. Im Mittelalter war es sehr schwierig, die Kreditwürdigkeit des einzelnen Kaufmanns zu ermitteln, wodurch dieser selbst ebenso wie der Geldgeber in ihren Aktionen gehemmt und herabgesetzt wurden. Erst an den Börsen des 16. Jahrhunderts, besonders Lyons und Antwerpens, kam es dahin, daß die Wechsel gewisser Häuser von vornherein als »gut« galten, es entstand der Begriff einer nicht abgestuften Kreditwürdigkeit schlechthin, die die Obligation zu einem objektiven, fungibeln, von der persönlichen Abwägung der Kreditwürdigkeit unabhängigen Werte machte; die Häuser mochten sonst noch recht verschieden qualifiziert sein, für ihre Verpflichtungen aber waren sie gut, und damit wurden diese, für den sachlichen Zweck genügend, von den sonstigen individuellen Bestimmtheiten gelöst. Wie allenthalben die Börse das Geldwesen zu seiner reinsten Form steigert, so hat sie hier durch Kreierung des allgemeinen und sachlichen Begriffes des »Gutseins« in typischer Weise eine Entlastung nach einer Seite hin geschaffen, der keine Belastung nach der anderen gegenübersteht, sondern durch Überführung individuell schwankender Taxierungen in eine objektiv gültige Qualität sowohl dem Kreditgeber wie dem Kreditnehmer gleichmäßige Erleichterungen gewährt.

Die Bedeutung der Geldwirtschaft für die individuelle Freiheit vertieft sich nun, wenn wir nach der Form fragen, welche die bei ihr noch fortbestehenden Abhängigkeitsverhältnisse eigentlich haben; sie ermöglicht nicht nur, wie nach dem bisherigen, eine Lösung, sondern eine besondere Art der gegenseitigen Abhängigkeit, die einem gleichzeitigen Maximum von Freiheit Raum gibt. Zunächst stiftet sie, äußerlich angesehen, eine Reihe sonst ungekannter Bindungen. Seit in den Boden, um ihm das erforderliche Früchtequantum abzugewinnen, ein erhebliches Betriebskapital versenkt werden muß, das meistens nur durch hypothekarische Beleihung aufkommt; seit die Geräte nicht mehr unmittelbar aus den Rohstoffen, sondern auf dem Wege über soundso viele Vorbearbeitungen hergestellt werden; seit der Arbeiter im wesentlichen mit Produktionsmitteln arbeitet, die ihm selbst nicht gehören – hat die Abhängigkeit von dritten Personen ganz neue Gebiete ergriffen. Von je mehr sachlichen Bedingungen vermöge der komplizierteren Technik das Tun und Sein der Menschen abhängig wird, von desto mehr Personen muß es notwendig abhängig werden. Allein diese Personen erhalten ihre Bedeutung für das Subjekt ausschließlich als Träger jener Funktionen, Besitzer jener Kapitalien, Vermittler jener Arbeitsbedingungen; was sie außerdem als Personen sind, steht in dieser Hinsicht gar nicht in Frage.

Diese allgemeine Tatsache, deren Bedeutung das Folgende darstellen wird, hat die Entwicklung zur Voraussetzung, durch die die Person überhaupt zur bestimmten Persönlichkeit wird. Dies geschieht offenbar erst dadurch, daß eine Mehrzahl von Qualitäten, Charakterzügen, Kräften sich in ihr zusammenfinden. Sie ist freilich relative Einheit, aber diese Einheit wird doch nur wirklich und wirksam, indem sie verschiedene Bestimmungen vereinheitlicht. Wie der physische Organismus darin sein Wesen hat, daß er aus einer Vielheit materieller Teile die Einheit des Lebensprozesses bildet, so beruht auch die innere persönliche Einheit des Menschen auf der Wechselwirkung und dem Zusammenhang vielfacher Elemente und Bestimmungen. Jedes einzelne derselben, isoliert betrachtet, trägt objektiven Charakter, d. h. es ist an und für sich noch nichts eigentlich Persönliches. Weder Schönheit noch Häßlichkeit, weder das physische noch das intellektuelle Kraftmaß, weder Berufstätigkeit noch Neigungen, noch all die anderen unzähligen Züge des Menschlichen legen als vereinzelte eine Persönlichkeit unzweideutig fest; denn jede von ihnen kann mit beliebigen anderen, einander ganz entgegengesetzten Eigenschaften verbunden sein und sich als die immer gleiche in dem Bilde unbegrenzt vieler Persönlichkeiten finden. Erst indem mehrere von ihnen sich gleichsam in einem Brennpunkt treffen und aneinander haften, bilden sie eine Persönlichkeit, welche nun ihrerseits zurückwirkend jeden einzelnen Zug als einen persönlich-subjektiven charakterisiert. Nicht daß er dieses oder jenes ist, macht den Menschen zu der unverwechselbaren Persönlichkeit, sondern daß er dieses und jenes ist. Die rätselhafte Einheit der Seele ist unserem Vorstellen nicht unmittelbar zugängig, sondern nur, wenn sie sich in eine Vielheit von Strahlen gebrochen hat, durch deren Synthese sie dann erst wieder als diese eine und bestimmte bezeichenbar wird.

Die so bedingte Personalität nun wird in den geldwirtschaftlichen Verhältnissen fast gänzlich aufgelöst. Der Lieferant, der Geldgeber, der Arbeiter, von denen man abhängig ist, wirken gar nicht als Persönlichkeiten, weil sie in das Verhältnis nur nach der je einen Seite eintreten, daß sie Waren liefern, Geld geben, Arbeit leisten, und anderweitige Bestimmtheiten ihrer gar nicht in Betracht kommen, deren Hinzutreten zu jenen doch allein ihnen die persönliche Färbung verleihen würde; womit natürlich nur der absolute Endpunkt der sich jetzt vollziehenden, aber an vielen Punkten noch unvollendeten Entwicklung bezeichnet wird – denn die Abhängigkeiten der Menschen voneinander sind tatsächlich heute noch nicht völlig objektiviert, die persönlichen Momente noch nicht vollkommen ausgeschlossen. Die allgemeine Tendenz aber geht zweifellos dahin, das Subjekt zwar von den Leistungen immer mehrer Menschen abhängig, von den dahinterstehenden Persönlichkeiten als solchen aber immer unabhängiger zu machen. Beide Erscheinungen hängen in der Wurzel zusammen, bilden die sich gegenseitig bedingenden Seiten eines und desselben Vorgangs: die moderne Arbeitsteilung läßt ebenso die Zahl der Abhängigkeiten wachsen, wie sie die Persönlichkeiten hinter ihren Funktionen zum Verschwinden bringt, weil sie eben nur eine Seite derselben wirken läßt, unter Zurücktreten aller anderen, deren Zusammen erst eine Persönlichkeit ergäbe. Die soziale Gestaltung, die sich bei restloser Ausführung dieser Tendenz einstellen müßte, würde eine entschiedene formale Beziehung zum Sozialismus, mindestens zu einem extremen Staatssozialismus aufweisen. Denn für diesen handelt es sich zu äußerst darum, jedes sozial zu berücksichtigende Tun in eine objektive Funktion zu verwandeln; wie heute schon der Beamte eine »Stellung« einnimmt, die objektiv präformiert ist und nur ganz bestimmte einzelne Seiten oder Energien der Persönlichkeit in sich aufnimmt, so würde sich in einem absolut durchgeführten Staatssozialismus über der Welt der Persönlichkeiten gleichsam eine Welt objektiver Formen des sozial wirksamen Tuns erheben, welche den Kräften jener nur ganz genau und sachlich bestimmte Äußerungen gestattet und vorschreibt; diese Welt verhielte sich zu der ersteren etwa wie die geometrische Figur zu den empirischen Körpern. Die subjektiven Tendenzen und das Ganze der Persönlichkeiten könnten sich dann nicht anders in äußeres Tun umsetzen, als in der Beschränkung auf eine der einseitigen Funktionsweisen, in welche die notwendige gesellschaftliche Gesamtaktion zerlegt, fixiert, objektiviert ist. Die Qualifizierung des Tuns der Persönlichkeit wäre damit von dieser als dem terminus a quo völlig auf die sachliche Zweckmäßigkeit, den terminus ad quem, übergegangen; und die Formen des menschlichen Tuns stünden dann über der vollen psychologischen Wirklichkeit des Menschen, wie das Reich der platonischen Ideen über der realen Welt. Ansätze zu einer solchen Gestaltung sind, wie gesagt, vielfach vorhanden, oft genug hat sich die arbeitsteilige Funktion als ein selbständiges ideelles Gebilde ihren Trägern gegenübergestellt, so daß diese, nicht mehr voneinander individuell unterschieden, nun gleichsam nur durch sie hindurch passieren, ohne in dieser fest umschriebenen Einzelforderung das Ganze ihrer Persönlichkeit unterbringen zu können oder zu dürfen; die Persönlichkeit ist vielmehr als bloßer Träger einer Funktion oder einer Stellung so gleichgültig, wie die des Gastes in einem Hotelzimmer. In einer nach dieser Richtung hin ganz vollendeten Gesellschaftsverfassung würde der Einzelne unendlich abhängig sein; die einseitige Bestimmtheit der ihm zugewiesenen Leistung würde ihn auf die Ergänzung durch den Komplex aller anderen anweisen, und die Befriedigung der Bedürfnisse würde nur sehr unvollkommen aus dem eigensten Können des Individuums, sondern würde aus einer ihm gleichsam gegenüberstehenden, rein sachlichen Gesichtspunkten folgenden Arbeitsorganisation hervorgehen. Wenn es je einen seiner Grundidee adäquaten Staatssozialismus geben könnte, so würde er diese Differenzierung der Lebensform ausprägen.

Die Geldwirtschaft aber zeichnet die Skizze derselben auf dem Gebiet der privaten Interessen, indem das Geld einerseits durch seine unendliche Biegsamkeit und Teilbarkeit jene Vielheit ökonomischer Abhängigkeiten ermöglicht, andrerseits durch sein indifferentes und objektives Wesen die Entfernung des personalen Elementes aus den Beziehungen zwischen Menschen begünstigt. Mit dem modernen Kulturmenschen verglichen ist der Angehörige irgendeiner alten oder primitiven Wirtschaft nur von einem Minimum von Menschen abhängig; nicht nur ist der Kreis unserer Bedürfnisse ein sehr erheblich weiterer, sondern selbst die elementaren Notwendigkeiten, die uns mit jenen gemeinsam sind (Nahrung, Kleidung, Obdach), können wir nur mit Hilfe eines viel größeren Apparates und durch viel mehr Hände hindurch befriedigen; und nicht nur verlangt die Spezialisierung unserer Tätigkeit einen unendlich ausgedehnteren Kreis anderer Produzenten, mit denen wir die Produkte austauschen, sondern die unmittelbare Tätigkeit selbst ist auf eine wachsende Zahl von Vorarbeiten, Hilfskräften, Halbprodukten angewiesen. Nun aber war der relativ ganz enge Kreis, von dem der Mensch einer wenig oder gar nicht entwickelten Geldwirtschaft abhängig war, dafür viel mehr personal festgelegt. Es waren diese bestimmten, persönlich bekannten, gleichsam unauswechselbaren Menschen, mit denen der altgermanische Bauer oder der indianische Gentilgenosse, der Angehörige der slavischen oder der indischen Hauskommunion, ja vielfach noch der mittelalterliche Mensch in wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen stand; um je wenigere aufeinander angewiesene Funktionen es sich handelt, um so beharrender und bedeutsamer waren ihre Träger. Von wie vielen »Lieferanten« allein ist dagegen der geldwirtschaftliche Mensch abhängig! Aber von dem einzelnen, bestimmten derselben ist er unvergleichlich unabhängiger und wechselt leicht und beliebig oft mit ihm. Wir brauchen noch jetzt nur die Lebensverhältnisse in einer kleinen Stadt mit denen einer großen zu vergleichen, um diese Entwicklung, zwar herabgesetzt, aber doch noch unverkennbar vor uns zu haben. Während der Mensch der früheren Stufe die geringere Anzahl seiner Abhängigkeiten mit der Enge persönlicher Beziehung, oft persönlicher Unersetzbarkeit derselben bezahlen mußte, werden wir für die Vielheit unserer Abhängigkeiten durch die Gleichgültigkeit gegen die dahinter stehenden Personen und durch die Freiheit des Wechsels mit ihnen entschädigt. Und wenn wir durch die Kompliziertheit unserer Bedürfnisse einerseits, die Spezialisiertheit unserer Fähigkeiten andrerseits von dem Ganzen der Gesellschaft sehr viel abhängiger sind als der primitive Mensch, der sich allenfalls mit seiner ganz engen isolierten Gruppe durchs Leben schlagen konnte – so sind wir dafür von jedem bestimmten Elemente dieser Gesellschaft außerordentlich unabhängig, weil seine Bedeutung für uns in die einseitige Sachlichkeit seiner Leistung übergegangen ist, die deshalb viel leichter auch von soundso viel anderen und persönlich verschiedenen Menschen produziert werden kann, mit denen uns nichts als das in Geld restlos ausdrückbare Interesse verbindet.

Dies ist nun die günstigste Lage, um innere Unabhängigkeit, das Gefühl individuellen Fürsichseins, zustande zu bringen. Denn der bloßen Isolierung anderen gegenüber gelingt die positive, hiermit gemeinte Verfassung noch nicht; rein logisch formuliert: die Unabhängigkeit ist noch etwas anderes als die bloße Nicht-Abhängigkeit – wie etwa Unsterblichkeit noch etwas anderes ist als Nicht-Sterblichkeit; denn nicht sterblich ist auch der Stein oder das Metall, die man indes nicht unsterblich nennen dürfte. Ist doch schon an der anderen Bedeutung des Isoliertseins, der Einsamkeit, der Anschein reiner Negativität ein irriger. Auch diese, wenn sie eine psychologische Wirksamkeit und Betonung hat, meint keineswegs nur die Abwesenheit jeder Gesellschaft, sondern gerade ihr ideelles und dann erst verneintes Dasein; sie ist eine Fernwirkung der Gesellschaft, die positive Bestimmung des Individuums durch negative Vergesellschaftung. Falls die bloße Isolierung nicht eine Sehnsucht nach anderen oder ein Glück des Fernseins von ihnen, kurz eine Abhängigkeit des Gefühls erzeugt, so stellt sie den Menschen überhaupt jenseits der Frage von Abhängigkeit oder Freiheit und läßt die tatsächliche Freiheit zu keinem Bewußtseinswert kommen, weil ihr der Gegensatz, die Reibung, Versuchung, Nähe des Unterschiedes fehlt. Wenn die Entwicklung der Individualität, die Überzeugung, mit allem einzelnen Wollen und Fühlen den Kern unseres Ich zu entfalten, als Freiheit gelten soll, so tritt sie unter diese Kategorie nicht als bloße Beziehungslosigkeit, sondern gerade als eine ganz bestimmte Beziehung zu Anderen. Diese Anderen müssen zunächst doch da sein und empfunden werden, damit sie einem gleichgültig sein können. Die individuelle Freiheit ist keine rein innere Beschaffenheit eines isolierten Subjekts, sondern eine Korrelationserscheinung, die ihren Sinn verliert, wenn kein Gegenpart da ist. Wenn jedes Verhältnis zwischen Menschen aus Elementen der Annäherung und Elementen der Distanz besteht, so ist Unabhängigkeit eines, in dem die letzteren zwar ein Maximum geworden, die ersteren aber so wenig ganz verschwunden sein können, wie aus der Vorstellung des Linken die des Rechten. Die Frage ist jetzt nur, welches die günstigste konkrete Gestaltung beider Elemente ist, um die Unabhängigkeit, sowohl als objektive Tatsache wie im subjektiven Bewußtsein, hervorzubringen. Eine solche scheint nun gegeben, wenn zwar ausgedehnte Beziehungen zu anderen Menschen da sind, aus denen aber alle Elemente eigentlich individueller Natur entfernt sind; Einflüsse, welche indes gegenseitig ganz anonym ausgeübt werden; Bestimmungen ohne Rücksicht darauf, wen sie treffen. Die Ursache wie die Wirkung derartiger objektiver Abhängigkeiten, bei denen das Subjekt als solches frei ist, liegt in der Auswechselbarkeit der Personen: in dem freiwilligen oder durch die Struktur des Verhältnisses bewirkten Wechsel der Subjekte offenbart sich jene Gleichgültigkeit des subjektiven Momentes der Abhängigkeit, die das Gefühl der Freiheit trägt. Ich erinnere an die Erfahrung, mit der ich dies Kapitel begann: daß der Wechsel der Verpflichtungen sehr oft von uns als Freiheit empfanden wird; es ist dieselbe Verhältnisform zwischen Bindungen und Freiheit, die sich hier nur in die einzelne Bindung hinein fortsetzt. Ein primitives Beispiel gibt die charakteristische Differenz des mittelalterlichen Vasallen vom Unfreien: jener konnte den Herrn wechseln, während dieser unwandelbar an einen einzigen gefesselt war. Das bedeutete, selbst wenn das Maß der Bindung dem Herrn gegenüber, an sich betrachtet, das gleiche gewesen wäre, für den einen ein unvergleichlich höheres Maß von Selbständigkeit als für den anderen. Nicht die Bindung überhaupt, sondern die an einen individuell bestimmten Herrn, ist der eigentliche Gegenpol der Freiheit. Noch das moderne Dienstbotenverhältnis ist dadurch bezeichnet, daß die Herrschaft zwar nach den Zeugnissen und dem persönlichen Eindruck den Dienstboten auswählt, dieser aber im allgemeinen zu einer entsprechenden Wahl seinerseits weder Möglichkeit noch Kriterien besitzt. Erst in der allerneuesten Zeit hat die Knappheit der Dienstboten in den größeren Städten ihnen hier und da die Chance gewährt, angebotene Stellen aus imponderabeln Gründen ablehnen zu können. Von beiden Seiten wird dies als ein gewaltiger Schritt zur Unabhängigkeit des Dienstboten empfunden, selbst wenn der schließlich angenommene Dienst ihn, seinen tatsächlichen Anforderungen nach, nicht weniger umfänglich als früher bindet. Darum ist es, die gleiche Form auf ein völlig anderes Gebiet übertragen, doch auch nur die Karikatur einer prinzipiell richtigen Empfindung, wenn eine wiedertäuferische Sekte die Vielzahl der angetrauten Frauen und ihren häufigen Wechsel damit rechtfertigte, daß gerade so die innere Abhängigkeit von dem weiblichen Prinzip gebrochen würde. Unsere Gesamtlage setzt sich in jedem Augenblick aus einem Maß von Bindung und einem Maß von Freiheit zusammen – innerhalb der einzelnen Lebensprovinz oft so, daß das eine sich mehr an ihrem Inhalt, das andere mehr an ihrer Form verwirklicht. Die Fesselung, die ein bestimmtes Interesse uns auferlegt, empfinden wir sogleich durch Freiheit gemildert, wenn wir sie gleichsam lokal umlagern können, d. h. ohne Herabsetzung des Abhängigkeitsquantums die sachlichen, idealen oder personalen Instanzen selbst auswählen können, denen gegenüber dies letztere sich verwirklicht. In dem Lohnarbeitertum der Geldwirtschaft kommt eine formal gleiche Entwicklung auf. Sieht man auf die Härte und Erzwungenheit der Arbeit, so scheint es, als wären die Lohnarbeiter nur umgekleidete Sklaven. Wir werden nachher sehen, wie die Tatsache, daß sie die Sklaven des objektiven Produktionsprozesses sind, als Übergang zu ihrer Befreiung gedeutet werden kann; die subjektive Seite davon aber ist, daß das Dienstverhältnis zu dem einzelnen Unternehmer früheren Arbeitsformen gegenüber ein unvergleichlich viel lockreres ist. Gewiß ist der Arbeiter an die Arbeit gefesselt wie der Bauer an die Scholle, allein die Häufigkeit, mit der die Geldwirtschaft die Unternehmer austauscht, und die vielfache Möglichkeit der Wahl und des Wechsels derselben, die die Form des Geldlohnes dem Arbeiter gewährt, geben diesem doch eine ganz neue Freiheit innerhalb seiner Gebundenheit. Der Sklave konnte selbst dann den Herrn nicht wechseln, wenn er bereit war, sehr viel schlechtere Lebensbedingungen auf sich zu nehmen – was der Lohnarbeiter in jedem Augenblick kann; indem so der Druck der unwiderruflichen Abhängigkeit von dem individuell bestimmten Herrn in Wegfall kommt, ist, bei aller sachlichen Bindung, doch der Weg zu einer personalen Freiheit beschritten. Diese beginnende Freiheit anzuerkennen, darf uns ihre häufige Einflußlosigkeit auf die materielle Lage des Arbeiters nicht verhindern. Denn hier wie auf anderen Gebieten besteht zwischen Freiheit und eudämonistischer Hebung keineswegs der notwendige Zusammenhang, den die Wünsche, die Theorien und die Agitationen ohne weiteres vorauszusetzen pflegen. Vor allem wirkt nach dieser Richtung, daß der Freiheit des Arbeiters auch eine Freiheit des Arbeitgebers entspricht, die bei gebundneren Arbeitsformen nicht bestand. Der Sklavenhalter wie der Gutsherr hat das persönliche Interesse, seine Sklaven oder seine frohnpflichtigen Bauern in gutem und leistungsfähigem Stande zu halten: sein Recht über sie wird um seines eigenen Vorteils willen zur Pflicht – was für den Kapitalisten dem Lohnarbeiter gegenüber entweder nicht der Fall ist oder wo es dies doch ist, keineswegs immer eingesehen wird. Die Befreiung des Arbeiters muß sozusagen auch mit einer Befreiung des Arbeitgebers, d. h. mit dem Wegfall der Fürsorge, die der Unfreie genoß, bezahlt werden. Die Härte oder Unsicherheit seiner momentanen Lage ist also gerade ein Beweis für den Befreiungsprozeß, der mit der Aufhebung der individuell festgelegten Abhängigkeit beginnt. Freiheit im sozialen Sinne ist, ebenso wie Unfreiheit, ein Verhältnis zwischen Menschen. Die Entwicklung von dieser zu jener geht so vor sich, daß das Verhältnis zunächst aus der Form der Stabilität und Unveränderlichkeit in die der Labilität und des Personentausches übergeht. Ist Freiheit die Unabhängigkeit von dem Willen anderer überhaupt, so beginnt sie mit der Unabhängigkeit von dem Willen bestimmter anderer. Nicht abhängig ist der einsame Siedler im germanischen oder amerikanischen Walde; unabhängig, im positiven Sinne des Wortes, ist der moderne Großstadtmensch, der zwar unzähliger Lieferanten, Arbeiter und Mitarbeiter bedarf und ohne diese ganz hilflos wäre, aber mit ihnen nur in absolut sachlicher und nur durch das Geld vermittelter Verbindung stellt, so daß er nicht von irgendeinem einzelnen als diesem bestimmten abhängt, sondern nur von der objektiven, geldwerten Leistung, die so von ganz beliebigen und wechselnden Persönlichkeiten getragen werden kann. Indem nun die bloße Geldbeziehung den Einzelnen sehr eng an die Gruppe als – sozusagen abstraktes Ganzes bindet, und zwar schon, weil gemäß unseren früheren Ausführungen das Geld der Repräsentant der abstrakten Gruppenkräfte ist, wiederholt das Verhältnis des einzelnen Menschen zu den anderen nur dasjenige, das er vermöge des Geldes auch zu den Dingen hat. Durch die rapide Vermehrung der Warenvorräte einerseits, durch die eigentümliche Herabsetzung und Verlust an Betonung, die die Dinge in der Geldwirtschaft erfahren, andrerseits, wird der einzelne Gegenstand gleichgültiger, oft fast wertlos. Dagegen behält die ganze Gattung eben dieser Gegenstände nicht nur ihre Bedeutung, sondern mit steigender Kultur werden wir immer mehr von den Objekten und von immer mehr Objekten abhängig; so ist, wie uns schon früher wichtig wurde, die einzelne Stecknadel so gut wie wertlos, aber ohne Stecknadel überhaupt kann der moderne Kulturmensch nicht mehr auskommen. Und nach derselben Norm entwickelt sich endlich die Bedeutung des Geldes selbst: die ungeheuere Verbilligung des Geldes macht das einzelne Geldquantum immer wertloser und irrelevanter, aber die Rolle des Geldes überhaupt wird immer mächtiger und umfassender. In all diesen Erscheinungen werden innerhalb der Geldwirtschaft die Objekte in ihrer Einzelheit und Individualität für uns immer gleichgültiger, wesenloser, auswechselbarer, während die sachliche Funktion, die die ganze Gattung übt, uns immer wichtiger wird, uns immer abhängiger macht.

Diese Entwicklung reiht sich in ein noch allgemeineres Schema ein, das für außerordentlich viele Inhalte und Beziehungen des Menschlichen gilt. In ungeschiedener Einheit des Sachlichen und des Persönlichen pflegen diese ursprünglich aufzutreten. Nicht als ob, wie wir es heute empfinden, die Inhalte des Lebens: Eigentum und Arbeit, Pflicht und Erkenntnis, soziale Stellung und Religion irgendein Fürsichsein, eine reale oder begriffliche Selbständigkeit besäßen und dann erst, von der Persönlichkeit aufgenommen, jene enge und solidarische Verbindung mit ihr eingingen. Vielmehr, der primäre Zustand ist eine völlige Einheit, eine ungebrochene Indifferenz, die überhaupt noch jenseits des Gegensatzes persönlicher und sachlicher Seiten des Lebens steht. So weiß z. B. das Vorstellungsleben auf seinen niedrigen Stufen gar nicht zwischen objektiver, logischer Wahrheit und subjektiven, nur psychologischen Gebilden zu unterscheiden: dem Kinde und dem Naturmenschen gilt das psychologische Gebilde des Augenblicks, das Phantasma, der subjektiv erzeugte Eindruck ohne weiteres als Wirklichkeit; das Wort und die Sache, das Symbol und das Symbolisierte, der Name und die Person fallen ihm zusammen, wie unzählige Tatsachen der Ethnologie und der Kinderpsychologie beweisen. Und zwar ist nicht dies der Vorgang, daß zwei an sich getrennte Reihen irrtümlich verschmelzen und sich verwirren; sondern die Zweiheit besteht überhaupt noch nicht, weder abstrakt noch in tatsächlicher Anwendung, die Vorstellungsinhalte treten von vornherein als völlig einheitliche Gebilde auf, deren Einheit nicht in einem Zusammengehen jener Gegensätze, sondern in der Unberührtheit durch den Gegensatz überhaupt besteht. So entwickeln sich Lebensinhalte, wie die vorhin genannten, unmittelbar in personaler Form; die Betonung des Ich einerseits, der Sache andrerseits geht erst als Erfolg eines langen, niemals ganz abzuschließenden Differenzierungsprozesses aus der ursprünglichen naiven Einheitsform hervor. Dieses Herausbilden der Persönlichkeit aus dem Indifferenzzustande der Lebensinhalte, der nach der anderen Seite hin die Objektivität der Dinge aus sich hervortreibt, ist nun zugleich der Entstehungsprozeß der Freiheit. Was wir Freiheit nennen, steht mit dem Prinzip der Persönlichkeit im engsten Zusammenhang, in so engem, daß die Moralphilosophie oft genug beide Begriffe als identisch proklamiert hat. Jene Einheit psychischer Elemente, jenes Zusammengeführtsein ihrer wie in einem Punkt, jene feste Umschriebenheit und Unverwechselbarkeit des Wesens, die wir eben Persönlichkeit nennen – bedeutet doch die Unabhängigkeit und den Abschluß allem Äußeren gegenüber, die Entwicklung ausschließlich nach den Gesetzen des eigenen Wesens, die wir Freiheit nennen. In beiden Begriffen liegt gleichmäßig die Betonung eines letzten und tiefsten Punktes in unserem Wesen, der sich allem Dinglichen, Äußeren, Sinnlichen – sowohl außerhalb wie innerhalb unserer eigenen Natur – gegenüberstellt, beides sind nur zwei Ausdrücke für die eine Tatsache, daß hier dem natürlichen, kontinuierlichen, sachlich bestimmten Sein ein Gegenpart entstanden ist, der seine Besonderung nicht nur in dem Anspruch auf eine Ausnahmestellung diesem gegenüber, sondern ebenso in dem Ringen nach einer Versöhnung mit ihm zeigt. Wenn nun die Vorstellung der Persönlichkeit, als Gegenstück und Korrelat zu der der Sachlichkeit, im gleichen Maße wie diese erwachsen muß, so wird nun aus diesem Zusammenhang klar, daß eine strengere Ausbildung der Sachlichkeitsbegriffe mit einer ebensolchen der individuellen Freiheit Hand in Hand geht. So sehen wir die eigentümliche Parallelbewegung der letzten drei Jahrhunderte: daß einerseits die Naturgesetzlichkeit, die sachliche Ordnung der Dinge, die objektive Notwendigkeit des Geschehens immer klarer und exakter hervortritt, und auf der anderen Seite die Betonung der unabhängigen Individualität, der persönlichen Freiheit, des Fürsichseins gegenüber allen äußeren und Naturgewalten eine immer schärfere und kräftigere wird. Auch die ästhetische Bewegung der neueren Zeit setzt mit dem gleichen Doppelcharakter ein: der Naturalismus der van Eycks und des Quattrocento ist zugleich ein Herausarbeiten des Individuellsten in den Erscheinungen, das gleichzeitige Auftauchen der Satire, der Biographie, des Dramas in ihren ersten Formen trägt ebenso naturalistischen Stil, wie es auf das Individuum als solches angelegt ist – das geschah, beiläufig bemerkt, in der Zeit, in der die Geldwirtschaft ihre sozialen Folgen merkbar zu entfalten begann. Hat doch auch schon der Höhepunkt des Griechentums ein recht objektives, dem naturgesetzlichen nahes Bild der Welt als die eine Seite seiner Lebensanschauung hervorgebracht, deren andere Seite die volle innere Freiheit und Aufsichselbst-Gestelltheit der Persönlichkeit bildete; und soweit bei den Griechen eine Unvollkommenheit in der theoretischen Ausbildung des Freiheits- und Ichbegriffes bestand, entsprach ihr das gleiche Manko in der Strenge der naturgesetzlichen Theorien. Welche Schwierigkeiten auch die Metaphysik in dem Verhältnis zwischen der objektiven Bestimmtheit der Dinge und der subjektiven Freiheit des Individuums finde: als Kulturinhalte gehen ihre Ausbildungen einander parallel und die Vertiefungen des einen scheinen, um das Gleichgewicht des inneren Lebens zu retten, die des anderen zu fordern.

Und hier mündet diese allgemeine Betrachtung in unser engeres Gebiet ein. Auch die Wirtschaft beginnt mit einer Ungeschiedenheit der personalen und der sachlichen Seite der Leistung. Die Indifferenz spaltet sich erst allmählich zum Gegensatz, aus der Produktion, dem Produkte, dem Umsatz tritt das personale Element mehr und mehr zurück. Dieser Prozeß aber entbindet die individuelle Freiheit. Wie wir eben sahen, daß diese sich in dem Maße entfaltet, in dem die Natur für uns objektiver, sachlicher, eigen-gesetzmäßiger wird – so steigert sie sich mit der Objektivierung und Entpersonalisierung des wirtschaftlichen Kosmos. So wenig in der wirtschaftlichen Einsamkeit einer unsozialen Existenz das positive Gefühl der individuellen Unabhängigkeit erwächst, so wenig in einem Weltbild, das von der Gesetzmäßigkeit und der strengen Objektivität der Natur noch nichts weiß; erst an diesem Gegensatz kommt, wie an jenem, das Gefühl einer eigentümlichen Kraft und eines eigentümlichen Wertes des Fürsichseins zustande. Ja, auch für das Verhältnis zur Natur scheint es, als ob in der Isolierung der Primitivwirtschaft – also in der Periode der Unkenntnis der Naturgesetzlichkeit im heutigen Sinne – eine um so stärkere Unfreiheit durch die abergläubische Auffassung der Natur geherrscht habe. Erst indem die Wirtschaft sich zu ihrer vollen Ausdehnung, Komplikation, innerlichen Wechselwirksamkeiten entwickelt, entsteht jene Abhängigkeit der Menschen untereinander, die durch die Ausschaltung des persönlichen Elementes den Einzelnen stärker auf sich zurückweist und seine Freiheit zu positiverem Bewußtsein bringt, als die gänzliche Beziehungslosigkeit es vermöchte. Das Geld ist der absolut geeignete Träger eines derartigen Verhältnisses; denn es schafft zwar Beziehungen zwischen Menschen, aber es läßt die Menschen .außerhalb derselben, es ist das genaue Äquivalent für sachliche Leistungen; aber ein sehr inadäquates für das Individuelle und Personale an ihnen: die Enge der sachlichen Abhängigkeiten, die es stiftet, ist für das unterschiedsempfindliche Bewußtsein der Hintergrund, von dem sich die aus ihnen herausdifferenzierte Persönlichkeit und ihre Freiheit erst deutlich abhebt.


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