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Vorrede

Jede Forschungsprovinz hat zwei Grenzen, an denen die Denkbewegung aus der exakten in die philosophische Form übergeht. Die Voraussetzungen des Erkennens überhaupt, wie die Axiome jedes Sondergebietes verlegen ihre Darstellung und Prüfung aus diesem letzteren hinaus in eine prinzipiellere Wissenschaft, deren im Unendlichen liegendes Ziel ist: voraussetzungslos zu denken – ein Ziel, das die Einzelwissenschaften sich versagen, weil sie keinen Schritt ohne Beweis, also ohne Voraussetzungen sachlicher und methodischer Natur, tun. Indem die Philosophie diese Voraussetzungen darstellt und untersucht, kann sie solche doch auch für sich nicht völlig aufheben; nur ist es hier der jeweils letzte Punkt des Erkennens, an dem ein Machtspruch und der Appell an das Unbeweisbare in uns einsetzt, und der freilich vermöge des Fortschritts der Beweisbarkeiten nie definitiv festliegt. Zeichnet der Beginn des philosophischen Gebietes hier gleichsam die untere Grenze des exakten, so liegt dessen obere da, wo die immer fragmentarischen Inhalte des positiven Wissens sich durch abschließende Begriffe zu einem Weltbild zu ergänzen und auf die Ganzheit des Lebens zu beziehen verlangen. Wenn die Geschichte der Wissenschaften wirklich die philosophische Erkenntnisart als die primitive zeigt, als einen bloßen Überschlag über die Erscheinungen in allgemeinen Begriffen – so ist dieses vorläufige Verfahren doch noch manchen Fragen gegenüber unentbehrlich, nämlich denjenigen, besonders den Wertungen und allgemeinsten Zusammenhängen des geistigen Lebens angehörigen, auf die uns bis jetzt weder eine exakte Antwort noch ein Verzicht möglich ist. Ja, vielleicht würde selbst die vollendete Empirie die Philosophie als eine Deutung, Färbung und individuell auswählende Betonung des Wirklichen gerade so wenig ablösen, wie die Vollendung der mechanischen Reproduktion der Erscheinungen die bildende Kunst überflüssig machen würde.

Aus dieser Ortsbestimmung der Philosophie im allgemeinen fließen die Rechte, die sie an den einzelnen Gegenständen besitzt. Wenn es eine Philosophie des Geldes geben soll, so kann sie nur diesseits und jenseits der ökonomischen Wissenschaft vom Gelde liegen: sie kann einerseits die Voraussetzungen darstellen, die, in der seelischen Verfassung, in den sozialen Beziehungen, in der logischen Struktur der Wirklichkeiten und der Werte gelegen, dem Geld seinen Sinn und seine praktische Stellung anweisen. Das ist nicht die Frage nach der Entstehung des Geldes: denn diese gehört in die Geschichte, nicht in die Philosophie. Und so hoch wir den Gewinn achten, den das Verständnis einer Erscheinung aus ihrem historischen Werden zieht, so ruht der inhaltliche Sinn und Bedeutung der gewordenen doch oft auf Zusammenhängen begrifflicher, psychologischer, ethischer Natur, die nicht zeitlich, sondern rein sachlich sind, die von den geschichtlichen Mächten wohl realisiert werden, aber sich in der Zufälligkeit derselben nicht erschöpfen. Die Bedeutsamkeit, die Würde, der Gehalt des Rechts etwa oder der Religion oder der Erkenntnis steht ganz jenseits der Frage nach den Wegen ihrer historischen Verwirklichung. Der erste Teil dieses Buches wird so das Geld aus denjenigen Bedingungen entwickeln, die sein Wesen und den Sinn seines Daseins tragen.

Die geschichtliche Erscheinung des Geldes, deren Idee und Struktur ich so aus den Wertgefühlen, der Praxis den Dingen gegenüber und den Gegenseitigkeitsverhältnissen der Menschen als ihren Voraussetzungen zu entfalten suche, verfolgt nun der zweite, synthetische Teil in ihren Wirkungen auf die innere Welt: auf das Lebensgefühl der Individuen, auf die Verkettung ihrer Schicksale, auf die allgemeine Kultur. Hier handelt es sich also einerseits um Zusammenhänge, die ihrem Wesen nach exakt und im einzelnen erforschbar wären, aber es bei dem augenblicklichen Stande des Wissens nicht sind und deshalb nur nach dem philosophischen Typus: im allgemeinen Überschlag, in der Vertretung der Einzel Vorgänge durch die Verhältnisse abstrakter Begriffe, zu behandeln sind; andrerseits um seelische Verursachungen, die für alle Zeiten Sache hypothetischer Deutung und einer künstlerischen, von individueller Färbung nie ganz lösbaren Nachbildung sein werden. Diese Verzweigung des Geldprinzips mit den Entwicklungen und Wertungen des Innenlebens steht also ebensoweit hinter der ökonomischen Wissenschaft vom Gelde, wie das Problemgebiet des ersten Teiles vor ihr gestanden hatte. Der eine soll das Wesen des Geldes aus den Bedingungen und Verhältnissen des allgemeinen Lebens verstehen lassen, der andere umgekehrt Wesen und Gestaltung des letzteren aus der Wirksamkeit des Geldes.

Keine Zeile dieser Untersuchungen ist nationalökonomisch gemeint. Das will besagen, daß die Erscheinungen von Wertung und Kauf, von Tausch und Tauschmittel, von Produktionsformen und Vermögenswrten, die die Nationalökonomie von einem Standpunkte aus betrachtet, hier von einem anderen aus betrachtet werden. Nur daß ihre, der Nationalökonomie zugewandte Seite die praktisch interessierendste, die am gründlichsten durchgearbeitete, die am exaktesten darstellbare ist – nur dies hat das scheinbare Recht begründet, sie als »nationalökonomische Tatsachen« schlechthin anzusehen. Aber wie die Erscheinung eines Religionsstifters keineswegs nur eine religiöse ist, sondern auch unter den Kategorien der Psychologie, vielleicht sogar der Pathologie, der allgemeinen Geschichte, der Soziologie untersucht werden kann; wie ein Gedicht nicht nur eine literaturgeschichtliche Tatsache ist, sondern auch eine ästhetische, eine philologische, eine biographische; wie überhaupt der Standpunkt einer Wissenschaft, die immer eine arbeitsteilige ist, niemals die Ganzheit einer Realität erschöpft – so ist, daß zwei Menschen ihre Produkte gegeneinander vertauschen, keineswegs nur eine nationalökonomische Tatsache; denn eine solche, d. h. eine, deren Inhalt mit ihrem nationalökonomischen Bilde erschöpft wäre, gibt es überhaupt nicht. Jener Tausch vielmehr kann ganz ebenso legitim als eine psychologische, als eine sittengeschichtliche, ja als eine ästhetische Tatsache behandelt werden. Und selbst als nationalökonomische betrachtet, ist sie damit nicht am Ende einer Sackgasse angekommen, sondern selbst in dieser Formung wird sie der Gegenstand der philosophischen Betrachtung, die ihre Voraussetzungen in nicht-wirtschaftlichen Begriffen und Tatsachen und ihre Folgen für nicht-wirtschaftliche Werte und Zusammenhänge prüft.

In diesem Problemkreis ist das Geld nur Mittel, Material oder Beispiel für die Darstellung der Beziehungen, die zwischen den äußerlichsten, realistischsten, zufälligsten Erscheinungen und den ideellsten Potenzen des Daseins, den tiefsten Strömungen des Einzellebens und der Geschichte bestehen. Der Sinn und Zweck des Ganzen ist nur der: von der Oberfläche des wirtschaftlichen Geschehens eine Richtlinie in die letzten Werte und Bedeutsamkeiten alles Menschlichen zu ziehen. Der abstrakte philosophische Systembau hält sich in einer solchen Distanz von den Einzelerscheinungen, insbesondere des praktischen Daseins, daß er ihre Erlösung aus der Isolierung und Ungeistigkeit, ja Widrigkeit des ersten Anblicks eigentlich nur postuliert. Hier aber soll sie an einem Beispiel vollbracht werden, an einem solchen, das, wie das Geld, nicht nur die Gleichgültigkeit rein wirtschaftlicher Technik zeigt, sondern sozusagen die Indifferenz selbst ist, insofern seine ganze Zweckbedeutung nicht in ihm selbst, sondern nur in seiner Umsetzung in andere Werte liegt. Indem hier also der Gegensatz zwischen dem scheinbar Äußerlichsten und Wesenlosen und der inneren Substanz des Lebens sich aufs äußerste spannt, muß er sich aufs wirkungsvollste versöhnen, wenn diese Einzelheit sich nicht nur in den ganzen Umfang der geistigen Welt, tragend und getragen, verwebt, sondern sich als Symbol der wesentlichen Bewegungsformen derselben offenbart. Die Einheit dieser Untersuchungen liegt also nicht in einer Behauptung über einen singulären Inhalt des Wissens und deren allmählich erwachsendem Beweise, sondern in der darzutuenden Möglichkeit, an jeder Einzelheit des Lebens die Ganzheit seines Sinnes zu finden. – Der ungeheure Vorteil der Kunst gegenüber der Philosophie ist, daß sie sich jedesmal ein einzelnes, engumschriebenes Problem setzt: einen Menschen, eine Landschaft, eine Stimmung – und nun jede Erweiterung desselben zum Allgemeinen, jede Hinzufügung großer Züge des Weltfühlens, wie eine Bereicherung, Geschenk, gleichsam wie eine unverdiente Beglückung empfinden läßt. Dagegen pflegt die Philosophie, deren Problem sogleich die Gesamtheit des Daseins ist, der Größe dieses gegenüber sich zu verengen und weniger zu geben, als sie verpflichtet scheint. Hier ist nun umgekehrt versucht, das Problem begrenzt und klein zu nehmen, um ihm durch seine Erweiterung und Hinausführung zur Totalität und zum Allgemeinsten gerecht zu werden.

In methodischer Hinsicht kann man diese Grundabsicht so ausdrücken: dem historischen Materialismus ein Stockwerk unterzubauen, derart, daß der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen selbst als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strömungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden. Für die Praxis des Erkennens muß sich dies in endloser Gegenseitigkeit entwickeln: an jede Deutung eines ideellen Gebildes durch ein ökonomisches muß sich die Forderung schließen, dieses seinerseits aus ideelleren Tiefen zu begreifen, während für diese wiederum der allgemeine ökonomische Unterbau zu finden ist, und so fort ins unbegrenzte. In solcher Alternierung und Verschlingung der begrifflich entgegengesetzten Erkenntnisprinzipien wird die Einheit der Dinge, unserem Erkennen ungreifbar scheinend und doch dessen Zusammenhang begründend, für uns praktisch und lebendig.

Die hiermit bezeichneten Absichten und Methoden dürften kein prinzipielles Recht beanspruchen, wenn sie nicht einer inhaltlichen Mannigfaltigkeit philosophischer Grundüberzeugungen dienen könnten. Die Anknüpfung der Einzelheiten und Oberflächlichkeiten des Lebens an seine tiefsten und wesentlichsten Bewegungen und ihre Deutung nach seinem Gesamtsinne kann sich auf dem Boden des Idealismus wie des Realismus, der verstandesmäßigen wie der willensmäßigen, einer absolutistischen wie einer relativistischen Interpretation des Seins vollziehen. Daß die folgenden Untersuchungen sich auf einem dieser Weltbilder, das ich für den angemessensten Ausdruck der gegenwärtigen Wissensinhalte und Gefühlsrichtungen halte, unter entschiedenem Ausschluß des entgegengesetzten aufbauen, mag ihnen im schlimmsten Fall die Rolle eines bloßen Schulbeispiels lassen, das, wenn es sachlich unzutreffend ist, seine methodische Bedeutung als Form künftiger Richtigkeiten erst recht hervortreten läßt.

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Die Änderungen in der zweiten Auflage betreffen nirgends die wesentlichen Motive. Wohl aber habe ich versucht, durch neue Beispiele und Erörterungen, vor allem durch Vertiefung der Fundamente, eine erhöhte Chance für die Verständlichkeit und die Annehmbarkeit dieser Motive zu gewinnen.


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