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Es handelt sich jetzt um die historische Ausgestaltung des prinzipiell Konstruierten. Wesen und Bedeutung des Geldes treten nach ihren großen kulturphilosophischen Zusammenhängen an den Bewegungen hervor, die es auf seinen reinen Begriff zu und von seiner Fesselung an bestimmte Substanzen abführen – sowenig dieser Weg das Ziel erreichen kann, das ihm die Richtung gibt. Hiermit erst schließt sich das Geld der allgemeinen Entwicklung an, die auf jedem Gebiet und in jedem Sinn das Substanzielle in freischwebende Prozesse aufzulösen strebt; und zwar gewinnt das Geld diesen Anschluß in jeder überhaupt möglichen Form: einerseits als ein Bestandteil jener umfassenden Entwicklung, andrerseits, wegen seines eigentümlichen Verhältnisses zu den konkreten Werten, als Symbol derselben; einerseits ferner als Wirkung der von jener Entwicklung regulierten Kulturströmungen, andrerseits als von sich aus wirksame Ursache derselben. Dieser Zusammenhang interessiert uns hier in derjenigen Richtung, in der er die Gestaltung des Geldes als die Folge der Verfassungen und der Bedürfnisse menschlichen Zusammenlebens bewirkt. Jene Einschränkung also, daß es sich um einen nicht zu vollendenden Weg handelt, ein für allemal vorbehalten, behandle ich nun die Funktionsbedeutung des Geldes und ihr Steigen bis zur Verdeckung seiner Substanzbedeutung.
Auf die letzten Grundlagen hin angesehen ist die so bezeichnete Auflösung des Geldbegriffes viel weniger radikal, als es scheint. Denn genau genommen ist auch der Substanzwert des Geldes nichts als ein Funktionswert. So sehr man die Edelmetalle als bloße Substanzen schätzen mag, so schätzt man sie doch etwa nur, weil sie schmücken, auszeichnen, technisch verwendbar sind, ästhetische Freude gewähren u. ähnl. – also, weil sie gewisse Funktionen ausüben; niemals kann ihr Wert in ihrem in sich ruhenden Sein bestehen, sondern immer nur in dem, was sie leisten; ihre Substanz, wie die aller praktischen Dinge, ist uns rein als solche und abgesehen von dem, was sie leistet, das Gleichgültigste von der Welt. Von der Mehrzahl der Objekte kann man sagen: sie sind nicht wertvoll, sondern sie werden es – denn dazu müssen sie fortwährend aus sich heraus und in Wechselwirkung mit anderen treten; es sind nur Wirkungen ihrer, an die sich ein Wertgefühl knüpft. Denn selbst wenn eine ästhetische Stimmung die Edelmetalle jenen objektiven Werten zurechnete, durch deren bloßes Dasein, jenseits alles Anerkannt- und Genossenwerdens, die Welt an und für sich wertvoller und bedeutsamer wird – so würden sie doch mit diesem Werte keinesfalls in die Wirtschaft eintreten. Hier vielmehr bleibt aller Wert an ihre Leistung geheftet, und es ist eine bloß willkürliche und den wahren Sachverhalt verhüllende Ausdrucksweise, daß sie einen Substanzwert besäßen, der von ihren Leistungen als Geld prinzipiell geschieden wäre; denn jener Substanzwert der Metalle ist gleichfalls Funktionswert, nur nicht der ihrer Funktion als Geld. Alle Werte des Edelmetalls vielmehr bilden eine Reihe, die nichts anderes ist als eine Reihe von Funktionen. Dies verbirgt sich natürlich der Erkenntnis um so mehr, je weniger lebhaft diese Funktionen in der Wirklichkeit sind. Die ganzen Bedenken des Mittelalters gegen das Zinsennehmen gehen darauf zurück, daß das Geld viel starrer, substanzieller, den Dingen geschlossener gegenüberstehend erschien und war als in der Neuzeit, in der es vielmehr dynamisch, fließend, sich anschmiegend wirkt und erscheint. Die Adoption der Aristotelischen Lehre: es sei unnatürlich, daß Geld Geld gebäre, und die Verurteilung des Zinses als Diebstahl, da ja das zurückerstattete Kapital schon so viel sei wie das entliehene; die Begründung ebendesselben durch Alexander von Hales: daß das Geld sich doch durch den Gebrauch nicht abnütze, und daß es nicht, wie die Objekte eines Mietsvertrages, dem Gläubiger einen Nutzen abwerfe; die Lehre des hl. Thomas, daß beim Geld, weil es von vornherein zum Weggeben bestimmt sei, Gebrauch und Verbrauch zusammenfielen und man deshalb jenen nicht, wie etwa bei einem Wohnhaus, gesondert verkaufen könne – all diese Lehren zeigen, wie starr, den Fluktuationen des Lebens unverbunden, wie wenig als Produktivkraft das Geld erschien. Die tatsächliche Geringfügigkeit seiner Wirkungen verdeckte seinen funktionellen Charakter überhaupt. Das ist aber dasselbe Grundgefühl dem Gelde gegenüber, das sein Wesen an eine Metallsubstanz als solche gefesselt meint. Auch diese Meinung stellt es, wie das Mittelalter, den Bewegungen der wirtschaftlichen Objekte als ein ens per se gegenüber, statt es in sie einzubeziehen und zu erkennen, daß es, welches auch sein Träger sei, als Geld nicht sowohl eine Funktion hat, als eine Funktion ist.
Den Gegenpol zu der Anschauungsweise des Mittelalters bildet die Kreditwirtschaft, in der die Anweisung den Gelddienst versieht. Für jene ist die Substanz des Geldes, aber nicht seine Wirkung die beherrschende Idee – wodurch, sowenig diese Wirkung tatsächlich auszuscheiden war, sie auf ihr Minimum herabgedrückt wurde –, in der an das Metall gebundenen Geldvorstellung der neueren Zeit ist die wirkende Substanz der Kernpunkt, die Kreditwirtschaft endlich tendiert auf Ausscheidung der Substanz, nur deren Wirkung als das übrig lassend, worauf es ankommt.
Zu jener oberflächlichen Anschauung hat wohl das alte Schema mitgewirkt, das die Erscheinungen durchgehends in Substanz und Akzidenzen teilen ließ. Gewiß war dies historisch von unermeßlicher Bedeutung; daß man jede Erscheinung in einen substanziellen Kern und relative, bewegliche Äußerungsweisen und Eigenschaften zerlegte, war eine erste Orientierung, ein erster fester Leitfaden durch die rätselhafte Formlosigkeit der Dinge, ein Gestalten und Unterwerfen ihrer unter eine durchgehende, unserem Geiste adäquate Kategorie; die bloß sinnlichen Unterschiede des ersten Anblicks gewinnen so eine Organisation und Bestimmtheit des gegenseitigen Verhältnisses. Es ist aber das Wesen solcher Formen, wie der sozialen Organisationen, unter dem Anschein und dem Anspruch ewiger Dauer zu bestehen. Wie es deshalb bei der Vernichtung einer Gesellschaftsverfassung zugunsten einer anderen scheint, als ob es mit aller Ordnung und Verfassung überhaupt vorbei wäre, so ruft die Umbildung der intellektuellen Ordnungen den gleichen Eindruck hervor: die objektive Festigkeit wie das subjektive Verständnis der Welt scheint zerbrochen, wenn eine Kategorie fällt, die bisher gleichsam zu dem Rückgrat des Weltbildes gehörte. Der Geldwert wird aber der Reduktion auf einen Funktionswert so wenig widerstehen können, wie das Licht, die Wärme und das Leben ihren besonderen substanziellen Charakter bewahren und sich der Auflösung in Bewegungsarten entziehen konnten.
Ich beobachte nun zunächst gewisse Strukturverhältnisse des Wirtschaftskreises.
In welchem Maße es von diesen und nicht von der Substanz des Geldes abhängt, inwieweit es wirklich Geld ist, d.nbsp;h. als Geld wirkt, das mag aus einem negativen, an eine prinzipielle Überlegung anzuknüpfenden Beispiel hervorgehen. Wir bemerken, daß in einem Verhältnis zwischen zwei Menschen die äußere Form selten der genau angepaßte Ausdruck seines inneren Intensitätsmaßes ist; und zwar pflegt sich die Inadäquatheit beider so darzustellen, daß sich die inneren Beziehungen kontinuierlich, die äußeren aber sprungweise entwickeln. Wenn also selbst zu einem gegebenen Zeitpunkt beide einander entsprechen, so beharren die letzteren in ihrer einmal gewonnenen Form, während die ersteren sich steigern. Von einem gewissen Grade ab erfolgt nun ein plötzliches Wachstum jener, das – und hier liegt nun das Charakteristische – in der Regel nicht bei dem Punkte haltmacht, der dem gleichzeitigen inneren Verhältnis entspricht, sondern über diesen hinaus eine noch vorgeschrittenere Innerlichkeit antizipiert. So wird z.nbsp;B. das Du zwischen Freunden, das als der endliche Ausdruck einer schon lange bestehenden Zuneigung auftritt, doch in der ersten Zeit oft noch als ein wenig exaggeriert empfunden und schafft mit einem Schlage eine äußere Intimität, der die ganz entsprechende innere erst in einiger Zeit nachzukommen pflegt. Sie kommt ihr aber manchmal auch nicht nach; es gehen manche Verhältnisse darüber zugrunde, daß ihre Form, obgleich durch ihre Innerlichkeit bis zu einem gewissen Grade berechtigt, von dieser nicht völlig eingeholt werden kann. Etwas Entsprechendes findet auch im Unpersönlichen statt. Kräfte des sozialen Lebens, die auf ihren Ausdruck in bestimmten Konstellationen von Recht, Austauschformen, Herrschaftsverhältnissen usw. hindrängen, finden denselben oft lange nicht, weil die einmal erlangten Formen dieser Gebiete leicht erstarren. Tritt nun die innerlich erforderte äußere Änderung dennoch ein, so erfolgt sie oft in einem Maße, für das die innerlichen Kräfte doch noch nicht ganz reif sind, und dessen nachträgliche Legitimierung nicht immer gelingt. So ist die Geldwirtschaft manchmal aufgekommen. Nachdem die allgemeinen Wirtschaftsverhältnisse schon lange auf sie hindrängten, tritt sie dann in Erscheinungen so gewaltigen Umfanges hervor, daß nun wieder jene ihr nicht ganz genügen; dann können solche Erscheinungen ein tragisches Ende finden, wenn die Entwicklung der inneren ökonomischen Kräfte die Form, die sie vorweggenommen hat, nicht schnell genug einholen. Das war die Situation, in der die Fugger, ja alle die großen oberdeutschen Bankiers des 16. Jahrhunderts zugrunde gingen. Ihre Geldgeschäfte, vollkommen den Transaktionen moderner Weltbankiers vergleichbar, fielen in eine Zeit, die zwar der naturalwirtschaftlichen Enge des Mittelalters entwachsen war, aber doch noch nicht die Kommunikationen, Sicherheiten und Usancen besaß, die das notwendige Korrelat solcher Geschäfte sind. Die allgemeinen Verhältnisse lagen noch nicht so, daß man Außenstände in Spanien und bei regierenden Herren ohne weiteres hätte einziehen können. Die neuen geldwirtschaftlichen Formen verleiteten Anton Fugger, sie weit über das Maß zu spannen, in dem sie der adäquate Ausdruck der damaligen realen Verfassung Europas gewesen wären. Den Schuldnern jener Finanzmächte ging es aus demselben Grunde nicht besser. Die spanische Finanznot des 16. Jahrhunderts entstand dadurch, daß das Geld zwar in Spanien oft genug vorhanden war, aber nicht dort, wo es großenteils gebraucht wurde: in den Niederlanden. Dadurch entstanden Schwierigkeiten, Verzögerungen, Kosten, die zum Ruin der spanischen Finanzen sehr viel beitrugen. Bei anderen lokalen Bedingungen stellt sich auch sofort eine ganz andere Funktionierung des Geldes ein: die Niederlande ihrerseits hatten in ihrem Kriege gegen Spanien den ungeheuren Vorteil, daß ihr Geld eben da, wo es war, auch seine Verwendung fand. In den Händen der Niederländer war es wirklich erst »Geld«, weil es hier ungehindert funktionieren konnte – obgleich sie, auch relativ, sehr viel weniger Geldsubstanz besaßen als Spanien und ihre Existenz auf den Kredit gestellt war. Je günstiger die lokalen Bedingungen der Geldfunktion sind, mit desto weniger Substanz können sie ausgeübt werden, so daß man paradoxerweise sagen kann: je mehr es wirklich Geld (seiner wesentlichen Bedeutung nach) ist, desto weniger braucht es Geld (seiner Substanz nach) zu sein.
Neben dem Einfluß lokaler Bedingungen ist es nun weiterhin die Festigkeit und Zuverlässigkeit der sozialen Wechselwirkungen, gleichsam die Konsistenz des Wirtschaftskreises, die die Auflösung der Geldsubstanz vorbereitet. Das zeigt sich etwa gelegentlich der Tatsache, daß das Geld eine immer steigende Anzahl von Wirkungen hervorbringt, während es selbst ruht. Die manchmal auftretende Vorstellung, daß die ökonomische Bedeutung des Geldes das Produkt aus seinem Werte und der Häufigkeit seiner Umsetzungen in einer gegebenen Zeit wäre, übersieht die mächtigen Wirkungen, die das Geld durch bloße Hoffnung und Furcht, durch Begierde und Besorgnis, die sich mit ihm verbinden, übt; es strahlt diese auch ökonomisch so bedeutsamen Affekte aus, wie Himmel und Hölle sie ausstrahlen: als bloße Idee. Die reine Vorstellung des Vorhandenseins oder des Mangels von Geld an einer bestimmten Stelle wirkt anspannend oder lähmend, und die Goldreserven in den Kellern der Banken, die deren Noten decken, beweisen handgreiflich, wie das Geld in seiner rein psychologischen Vertretung volle Wirkungen zustande bringt; hier ist es wirklich als der »unbewegte Beweger« zu bezeichnen. Nun liegt es auf der Hand, daß diese Wirkung des Geldes als bloßer Potenzialität von der Feinheit und Sicherheit der wirtschaftlichen Organisation überhaupt abhängt. Wo die sozialen Verbindungen locker, sporadisch, träge sind, da wird nicht nur bloß gegen bar verkauft, sondern auch das ruhende Geld findet nicht die vielen psychologischen Kanäle, durch die hin es wirken kann. Hierhin gehört auch die Doppelexistenz des ausgeliehenen Geldes: einmal in der ideellen, aber doch höchst bedeutungsvollen Form des Außenstandes, und außerdem als Realität in der Hand des Schuldners. Als Forderung gehört es in den Vermögensbestand des Gläubigers und ist, obgleich es gar nicht an dieser Stelle vorhanden ist, doch an ihr äußerst wirksam; andrerseits, obgleich dieser Wert sich gar nicht in dem Vermögen des Entleihers befindet, so kann er doch mit ihm dieselben wirtschaftlichen Wirkungen üben, als ob das der Fall wäre. So wird durch das Ausleihen des Geldes seine Wirksamkeit in zwei Teile zerlegt und damit der Ertrag seiner wirtschaftlichen Energie außerordentlich gesteigert. Aber die intellektuelle Abstraktion, die diese Zerlegung bewirkt, kann ihre Erfolge eben nur unter einer so gefesteten und verfeinerten Gesellschaftsverfassung üben, daß man in ihr überhaupt mit relativer Sicherheit Geld ausleihen und wirtschaftliche Aktionen auf jene Teilfunktionen seiner gründen kann. Wie es einer gewissen Extensität und Intensität der sozialen Beziehungen bedarf, um Geld überhaupt wirksam werden zu lassen – vorher unterscheidet es sich nicht von anderen Tauschwaren – so einer sehr verstärkten, um seine Wirkungen zu vergeistigen. An diesen gesteigerten Erscheinungen dokumentiert sich besonders durchsichtig, wie wenig das Geld seinem innersten Wesen nach an die Körperhaftigkeit seines Substrates gebunden ist; da es nun aber ganz und gar eine soziologische Erscheinung ist, eine Form der Wechselwirkung unter den Menschen, so tritt seine Art um so reiner hervor, je kondensierter, zuverlässiger, leichter ansprechend die sozialen Verbindungen sind. Ja, bis in alle Äußerlichkeiten der Geldform hinein wirkt die allgemeine Festigkeit und Sicherheit der Verkehrskultur. Daß ein so feiner und leicht zerstörbarer Stoff wie Papier zum Träger höchsten Geldwertes wird, ist nur in einem so fest und eng organisierten und gegenseitigen Schutz garantierenden Kulturkreise möglich, daß eine Reihe elementarer Gefahren für dasselbe – sowohl äußerer wie namentlich psychologischer Natur – ausgeschlossen sind; bezeichnenderweise hat deshalb das Mittelalter ziemlich häufig Ledergeld verwendet. Wenn das Papiergeld wegen seines gleichsam unsubstanziellen Wesens die vorschreitende Auflösung des Geldwertes in bloßen Funktionswert bezeichnet, so mag das Ledergeld eine Vorstufe dazu symbolisieren: von den Qualitäten, die das substanzielle Geld charakterisieren, hat das Ledergeld wenigstens die der relativen Unzerstörbarkeit noch bewahrt und kann sie erst bei einer bestimmten vorgeschrittenen Struktur der individuellen und sozialen Verhältnisse abgeben.
Die Praxis und die Theorie der Geldpolitik scheint ebenso den Entwicklungsgang von der Substanzbedeutung des Geldes zur Funktionsbedeutung, wie die Abhängigkeit desselben von den soziologischen Zuständen zu bestätigen. Man könnte den Fiskalismus des Mittelalters und den Merkantilismus als materialistische Geldpolitik bezeichnen. Wie der Materialismus den Geist mit seinen Äußerungen und seinem Werte der Materie einordnet, so meinten jene Standpunkte das Wesen und die Bewegungskraft des staatlich-wirtschaftlichen Lebens an die Geldsubstanz gebunden. Es besteht aber zwischen ihnen derselbe Unterschied wie zwischen der rohen und der feineren Form des Materialismus. Jene behauptet, daß die Vorstellung selbst etwas Materielles wäre und das Gehirn Gedanken absondere, wie die Drüsen ihre Flüssigkeit, wie die Leber die Galle. Diese: die Vorstellung sei nicht selbst materiell, aber eine Bewegungsform des Materiellen, der Gedanke bestehe wie Licht, Wärme, Elektrizität in einer besonderen Art von Schwingungen körperlicher Teile. Diesem Unterschiede der intellektuellen Standpunkte entspricht es, wenn einerseits der Fiskalismus das Interesse der Regierung darein verlegt, möglichst viel bares Geld zur unmittelbaren Verwendung des Fürsten oder für die Staatszwecke herauszuschlagen, andrerseits der Merkantilismus zwar auch auf das bare Geld einen Hauptwert legt, aber nicht, um es substanziell herauszuziehen, sondern um die wirtschaftlichen Bewegungen des Landes funktionell zu beleben. Innerhalb dieser materialistischen Richtungen der Geldpolitik selbst, die noch ganz tief in der Vorstellung steckten, daß die Geldsubstanz der Wert an und für sich wäre, macht sich also doch schon die Wendung von der grob äußerlichen zu der funktionellen Bedeutung dieser Substanz geltend. Dem entspricht die politische Verfassung der fraglichen Perioden. Der Fürst da, wo die mittelalterliche fiskalische Verfassung herrschte, in einem bloß äußerlichen Verhältnis zu seinem Lande, oft in einem völlig unorganischen, durch Erheiratung oder Eroberung hergestellten, so daß es sich in der Tendenz, nur möglichst viel Geld aus dem Lande zu ziehen, völlig adäquat ausdrückte – wovon der häufige Verkauf ganzer Territorien gegen Geld der konsequente Abschluß war; indem das starre, bloß substanzielle Geldinteresse Herrscher und Beherrschte verband, zeigte es, wie unverbunden sie waren. Für dieses soziologische Verhältnis zwischen den beiden Parteien ist die im Mittelalter so häufige Münzpolitik der Herrscher, die in einer fortwährenden Verschlechterung der Münze bestand, die nächstliegende Technik; nur bei einem völlig unorganischen Zusammen sind derartige Politiken möglich, die auf der Seite des einen allen Nutzen, auf der der anderen allen Schaden lassen. Die Freude am baren Gelde, die den Orientalen angeboren scheint, hat man auf den Fiskalismus ihrer Fürsten zurückgeführt, die das Münzregal als Steuerquelle benutzen, ohne sich um die Folgen der Valutaverschlechterung zu sorgen: das notwendige Gegenstück dazu sei die Leidenschaft des Untertanen für die Aufhäufung von barem Gold und Silber. Der aufkommende zentralistisch-despotische Staat bedeutete ein viel engeres und lebendigeres Verhältnis zwischen den politischen Faktoren: die Vorstellung ihrer organischen Einheit bildet das Gemeinsame der Fürstenideale, vom l'état c'est moi bis zum Könige als dem ersten Diener seines Volkes. Wenn nun auch hier das Interesse der Regierung noch an dem Hereinbringen möglichst reichlicher Geldsubstanz haftet, so entspricht es doch der regeren Wechselwirkung zwischen Haupt und Gliedern des Staatskörpers, der Belebtheit der Staatsexistenz als solcher, daß nicht mehr in dem substanziellen Besitze, sondern in der Fruchtbarkeit des Geldes für das Gedeihen der Industrie usw. der Endzweck seines Erwerbes gesucht wurde. Als dann die liberalen Tendenzen das staatliche Leben zu immer freierem Fluß, immer ungehemmterer Geschmeidigkeit, immer labilerem Gleichgewicht der Elemente führten, war die materielle Grundlage für die Theorie Adam Smiths gegeben: daß Gold und Silber bloße Werkzeuge sind, nicht anders als Kochgeräte, und daß ihr Import an und für sich so wenig den Wohlstand der Länder steigere, wie man durch die Vermehrung der Kochgeräte schon mehr zu essen habe. Haben sich schließlich die alten substanziellen Ordnungen so weit aufgelöst, um anarchistische Ideale zu ermöglichen, so wird in ihnen begreiflicherweise auch diese Richtung der Geldtheorie ihr Extrem erreichen. Proudhon, der alle festen Staatsgebilde beseitigen und die freie unmittelbare Wechselwirkung der Individuen als die einzig richtige Form des sozialen Lebens anerkennen will, bekämpft den Gebrauch des Geldes überhaupt; denn in ihm sieht er ein genaues Analogon jener Herrschaftsgebilde, die aus den Individuen ihre lebendige Wechselwirkung heraussaugen und in sich kristallisieren. Es müsse daher die Tauschbarkeit der Werte ohne Dazwischenkunft des Geldes begründet werden, ebenso wie die Regierung der Gesellschaft durch alle Bürger ohne Dazwischenkunft des Königs; und wie man jedem Bürger das Stimmrecht gegeben habe, so müsse jede Ware an und für sich und ohne Vermittlung des Geldes zum Wertrepräsentanten werden. – Mit der Ansicht Adam Smiths ist die Richtung auf die hier vertretene Geldtheorie eingeschlagen, die man im Gegensatz zu den materialistischen als transzendentale bezeichnen kann. Denn wenn der Materialismus erklärt: der Geist ist Materie – so lehrt die Transzendentalphilosophie: auch die Materie ist Geist. Nicht um den Geist im Sinne des Spiritualismus handelt es sich, der auch eine Substanz, ein ruhendes Sein, wenn auch immaterieller Art ist; sondern um die Erkenntnis, daß jegliches Objekt, körperhafter oder geistiger Art, für uns nur besteht, insofern es von der Seele in ihrem Lebensprozeß erzeugt wird, oder genauer: insofern es eine Funktion der Seele ist. Wenn nun die materialistische Auffassung des Geldes als Irrtum erscheint, so zeigt die historische Betrachtung, daß es kein zufälliger war, sondern der angemessene theoretische Ausdruck eines tatsächlichen soziologischen Zustandes, der erst durch reale Mächte überwunden werden mußte, ehe sein theoretisches Gegenbild durch theoretische überwunden werden konnte.
Der weitere Zusammenhang, in den sich der soziologische Charakter des Geldes einstellt, ist dieser. Als den Ausgangspunkt aller sozialen Gestaltung können wir uns nur die Wechselwirkung von Person zu Person vorstellen. Gleichviel wie die in Dunkel gehüllten historischen Anfänge des gesellschaftlichen Lebens wirklich gestaltet waren – seine genetische und systematische Betrachtung muß diese einfachste und unmittelbarste Beziehung zum Grunde legen, von der wir doch schließlich auch heute noch unzählige gesellschaftliche Neubildungen ausgehen sehen. Die weitere Entwicklung ersetzt nun diese Unmittelbarkeit der wechselwirkenden Kräfte durch die Schaffung höherer überpersönlicher Gebilde, die als gesonderte Träger eben jener Kräfte auftreten und die Beziehungen der Individuen untereinander durch sich hindurchleiten und vermitteln. Diese Gebilde bieten sich in den verschiedensten Erscheinungsarten dar: in greifbarer Realität wie als bloße Ideen und Phantasieprodukte, als weitverzweigte Organisationen wie in der Darstellung an Einzelpersonen. So bildeten sich aus den Erforderlichkeiten und Usancen, die sich im Verkehr der Gruppengenossen zunächst von Fall zu Fall entwickeln und sich schließlich fixieren, die objektiven Gesetze der Sitte, des Rechts, der Moral – ideale Erzeugnisse des menschlichen Vorstellens und Wertens, die nun für unser Denken ganz jenseits des einzelnen Wollens und Handelns stehen, gleichsam als dessen losgelöste »reine Formen«. So verkörpert sich, diesen Prozeß fortsetzend, das Staatsgesetz in dem Richterstand und der ganzen Verwaltungshierarchie; so die zusammenhaltende Kraft einer politischen Partei in dem Parteivorstand und der parlamentarischen Vertretung; so verlegt sich die Kohäsion eines Regimentes in seine Fahne, einer mystischen Vereinigung in ihren Gral usw. Es werden also die Wechselwirkungen unter den primären Elementen selbst, die die soziale Einheit erzeugen, dadurch ersetzt, daß jedes dieser Elemente für sich zu dem darüber oder dazwischen geschobenen Organe in Beziehung tritt. In diese Kategorie substanzgewordener Sozialfunktionen gehört das Geld. Die Funktion des Tausches, eine unmittelbare Wechselwirkung unter Individuen, ist mit ihm zu einem für sich bestehenden Gebilde kristallisiert. Der Austausch der Arbeitsprodukte oder des sonst aus irgendeiner Quelle her Besessenen ist offenbar eine der reinsten und primitivsten Formen menschlicher Vergesellschaftung, und zwar nicht so, daß die »Gesellschaft« schon perfekt wäre, und dann käme es zu Tauschakten innerhalb ihrer; sondern der Tausch selbst ist eine der Funktionen, die aus dem bloßen Nebeneinander der Individuen ihre innerliche Verknüpfung, die Gesellschaft, zustande bringen; denn die Gesellschaft ist nicht eine absolute Einheit, die erst dasein müßte, damit alle die einzelnen Beziehungen ihrer Mitglieder: Über- und Unterordnung, Kohäsion, Nachahmungen, Arbeitsteilung, Tausch, gleichgerichtete Angriffe und Verteidigungen, religiöse Gemeinschaft, Parteibildung und viele andere in ihr als dem Träger oder Rahmen jener entstünden. Sondern Gesellschaft ist nichts als die Zusammenfassung oder der allgemeine Name für die Gesamtheit dieser speziellen Wechselbeziehungen. Die einzelne freilich kann ausscheiden, und es bleibt noch immer »Gesellschaft« übrig – aber nur, wenn nach Wegfall der einen noch eine hinreichend große Anzahl anderer in Kraft bleiben; fielen alle fort, so würde es auch keine Gesellschaft mehr geben: gerade wie die Lebenseinheit eines organischen Körpers noch damit weiterbestehen kann, daß eine oder die andere seiner Funktionen, d. h. der Wechselbeziehungen zwischen seinen Teilen aufhört, aber nicht mehr damit, daß sie alle aufhören – weil »Leben« nichts anderes ist als die Summe solcher unter den Atomen eines Körpers wechselseitig ausgeübten Kräfte. Fast ist es deshalb noch ein zweideutiger Ausdruck, daß der Tausch Vergesellschaftung bewirke: er ist vielmehr eine Vergesellschaftung, eine jener Beziehungen, deren Bestehen eine Summe von Individuen zu einer sozialen Gruppe macht, weil »Gesellschaft« mit der Summe dieser Beziehungen identisch ist.
Die oft hervorgehobenen Unbequemlichkeiten und Unzulänglichkeiten des Naturaltausches nun sind durchaus denen vergleichbar, die sich bei anderen sozialen Wechselwirkungen einstellen, solange sie sich noch in dem Stadium der Unmittelbarkeit befinden: wenn alte Regierungsmaßregeln von der Gesamtheit der Bürger beraten und gebilligt werden müssen; wenn der Schutz der Gruppe nach außen noch durch den primitiven Waffendienst jedes Gruppenangehörigen bewerkstelligt wird; wenn Zusammenfassung und Organisation noch ausschließlich auf persönlich ausgeübter Autorität und Gewalt beruht, wenn die Verwaltung der Gerechtigkeit noch durch den unmittelbaren Urteilsspruch der Gemeinde geschieht – so ergeben sich daraus bei wachsender Extensität und Komplikation der Gruppe alle jene Unzweckmäßigkeiten, Behinderungen und Lockerungen, die einerseits auf die Abgabe dieser Funktionen an besondere arbeitsteilige Organe, andrerseits auf die Kreierung vertretender und zusammenhaltender Ideale und Symbole hindrängen. Die Tauschfunktion führt tatsächlich zu Bildungen von beiderlei Art: einerseits zum Stande der Händler, andrerseits zum Geld. Der Händler ist der differenzierte Träger der sonst zwischen den Produzenten unmittelbar ausgeübten Tauschfunktionen; statt der einfachen Wechselbeziehungen unter diesen tritt die Beziehung ein, welche jeder derselben für sich zum Händler hat, wie die unmittelbare Kontrolle und Kohäsion der Gruppengenossen durch die gemeinsame Beziehung zu den Regierungsorganen ersetzt wird. Und nun kann man, genauere Erkenntnis vorbereitend, sagen: wie der Händler zwischen den tauschenden Subjekten steht, gerade so steht das Geld zwischen den Tauschobjekten. Statt daß deren Äquivalenz unmittelbar wirksam wird und ihre Bewegungen in sich beschlossen sein läßt, tritt nun jedes von ihnen für sich in ein Gleichungs- und Austauschverhältnis zum Geld. Wie der Händler die verkörperte Funktion des Austausches ist, so das Geld die verkörperte Funktion des Ausgetauschtwerdens: es ist, wie wir früher sahen, das zur Substanz gewordene bloße Verhältnis der Dinge zueinander, wie es in ihrer wirtschaftlichen Bewegung zum Ausdruck kommt. So steht es schließlich jenseits der einzelnen Dinge, deren jedes zu ihm in Beziehung steht, als ein nach eigenen Normen organisiertes Reich, das eben doch nur die Objektivation der ursprünglich unter jenen einzelnen Dingen selbst geschehenen Ausgleichs- und Austauschbewegungen ist. Allein dies ist, wie gesagt, nur eine vorbereitende Ansicht. Denn schließlich sind es doch nicht die Dinge, sondern die Menschen, die diese Prozesse vollziehen, und die Verhältnisse zwischen jenen sind auf dem hier fraglichen Gebiete doch Verhältnisse zwischen diesen. Was der Tausch unter Individuen als Aktion ist, das ist das Geld in konkret gewordener, für sich bestehender, gleichsam erstarrter Form, in demselben Sinne, wie die Regierung das gegenseitige Sichinordnunghalten der Gruppenmitglieder, wie das Palladium oder die Lade ihre Kohäsion, wie der Kriegerstand ihr Sichverteidigen darstellt. Alles dies sind gleichmäßig Fälle jenes weitesten Typus: daß aus primären Erscheinungen, Substanzen, Vorgängen eine einzelne Seite, die nur an und mit ihnen existiert, wie die Eigenschaft an ihrer Substanz und die Tätigkeit an ihrem Subjekt, dennoch von ihnen gelöst wird, indem sie sich mit einem eigenen Körper bekleidet: die Abstraktion wird eben dadurch vollzogen, daß sie zu einem konkreten Gebilde kristallisiert. Außerhalb des Tausches ist das Geld so wenig etwas, wie Regimenter und Fahnen außerhalb der gemeinsamen Angriffe und Verteidigungen oder wie Priester und Tempel außerhalb der gemeinsamen Religiosität. Die Doppelnatur des Geldes: zwar eine sehr konkrete und als solche geschätzte Substanz zu sein und doch seinen Sinn nur in der völligen Auflösung in Bewegung und Funktion zu besitzen – gründet sich darauf, daß es nur in der Hypostasierung, gleichsam in der Fleischwerdung einer reinen Funktion, des Tausches unter Menschen, besteht.
Die Entwicklungen des Geldstoffes bringen seinen soziologischen Charakter zu immer vollkommenerem Ausdruck. Die primitiven Tauschmittel, wie Salz, Vieh, Tabak, Getreide, sind ihrer Verwendung nach von dem reinen Individualinteresse bestimmt, solipsistisch, d.h. sie werden schließlich von einem einzelnen konsumiert, ohne daß in diesem Augenblick andere noch ein Interesse daran hätten. Das Edelmetall dagegen weist durch seine Bedeutung als Schmuck auf die Beziehung zwischen den Individuen hin; man schmückt sich für andere. Der Schmuck ist ein soziales Bedürfnis, und die Edelmetalle eignen sich eben durch ihren Glanz ganz besonders dazu, die Augen auf sich zu ziehen. Darum sind bestimmte Schmuckarten auch bestimmten sozialen Positionen vorbehalten; so war im mittelalterlichen Frankreich das Tragen von Goldschmuck allen unter einem gewissen Range Stehenden verboten. Dadurch, daß der Schmuck seine ganze Bedeutung in den psychologischen Vorgängen hat, die er außerhalb seines Trägers in anderen erregt, unterscheidet sich das Edelmetall durchaus von jenen ursprünglicheren, sozusagen zentripetalen Tauschmitteln. Der Tausch als das reinste soziologische Vorkommnis, d.h. als die vollständigste Wechselwirkung, findet den entsprechenden Träger in der Substanz des Schmuckes, der alle Bedeutung für seinen Besitzer nur mittelbar, nämlich als Beziehung zu anderen Menschen, aufweist.
Wenn diese Verkörperung der Tauschaktion in einem besonderen Gebilde sich technisch so vollzieht, daß jedes Objekt, statt unmittelbar gegen ein anderes, zunächst gegen jenes eingetauscht wird, so ist nun die Frage: welches ist, näher angesehen, das dem entsprechende Verhalten der hinter den Objekten stehenden Menschen? – denn das gemeinsame Verhalten zum Händler, so sehr es Ursache und Wirkung des Geldverkehrs ist, konnte hierfür doch nur als Gleichnis dienen. Nun scheint es mir klar: das Fundament und der soziologische Träger jenes Verhältnisses zwischen den Objekten und dem Gelde ist das Verhältnis der wirtschaftenden Individuen zu der Zentralmacht, die das Geld ausgibt oder garantiert. Den Dienst, als absolute Zwischeninstanz über allen Einzelprodukten zu stehen, leistet das Geld erst, wenn die Prägung es über den bloßen Charakter als Metallquantum – von naturaleren Geldarten nicht zu reden – hinausgehoben hat. Jene Abstraktion des Tauschprozesses aus den einzelnen realen Tauschen und ihre Verkörperung in einem objektiven Sondergebilde kann erst eintreten, wenn der Tausch etwas anderes geworden ist als ein privater Vorgang zwischen zwei Individuen, der völlig in den individuellen Aktionen und Gegenaktionen dieser beschlossen liegt. Dies andere und weitere wird er, indem der Tauschwert, den die eine Partei gibt, seine Bedeutung für die zweite nicht unmittelbar, sondern als bloße Anweisung auf andere, definitive Werte enthält – eine Anweisung, deren Realisierung von der Gesamtheit des Wirtschaftskreises oder von der Regierung als der Vertretung desselben abhängt. Indem der Naturaltausch durch den Geldkauf ersetzt wird, tritt zwischen die beiden Parteien eine dritte Instanz: Die soziale Gesamtheit, die für das Geld einen entsprechenden Realwert zur Verfügung stellt. Der Drehpunkt der Wechselwirkung jener beiden rückt damit weiter fort, er entfernt sich aus der unmittelbaren Verbindungslinie zwischen ihnen und verlegt sich in das Verhältnis, das jeder von ihnen als Geldinteressent zu dem Wirtschaftskreise hat, der das Geld akzeptiert und dies durch die Prägung seitens seiner höchsten Vertretung dokumentiert. Hierauf beruht der Kern von Wahrheit in der Theorie, daß alles Geld nur eine Anweisung auf die Gesellschaft ist; es erscheint gleichsam als ein Wechsel, in dem der Name des Bezogenen nicht ausgefüllt ist, oder auch: in dem die Prägung die Stelle des Akzeptes vertritt. Wenn man gegen die Lehre, die auch im Metallgelde einen Kredit finden will, eingewendet hat, daß der Kredit doch eine Verbindlichkeit begründe, die Metallgeldzahlung aber jede Verbindlichkeit löse, so ist übersehen, daß das, was für den einzelnen Lösung ist, für die Gesamtheit Bindung sein kann. Die Solvierung jeder privaten Verbindlichkeit durch Geld bedeutet eben, daß jetzt die Gesamtheit diese Verpflichtung gegen den Berechtigten übernimmt. Die Verbindlichkeit aus einer naturalen Leistung ist doch nur auf zweierlei Weise aus der Welt zu schaffen: entweder durch direkte Gegenleistung oder durch Anweisung auf eine solche. Letztere hat der Geldbesitzer in der Hand, und indem er sie an denjenigen, der vorgeleistet hat, übergibt, weist er ihn an einen vorläufig anonymen Produzenten, der auf Grund seiner Zugehörigkeit zu dem betreffenden Wirtschaftskreise jene erforderte Leistung gegen eben dieses Geld auf sich nimmt. Der Unterschied zwischen dem gedeckten und dem ungedeckten Papiergeld, den man in Beziehung zu dem Kreditcharakter des Geldes gesetzt hat, ist dabei ganz irrelevant. Man hat gemeint, nur uneinlösbares Papier sei wirklich Geld (papier-monnaie), wogegen einlösbares nur eine Anweisung auf Geld sei (monnaie de papier); dagegen ist nun wieder geltend gemacht, daß dieser Unterschied keine Bedeutung für den Verkehr zwischen Käufer und Verkäufer habe, denn in diesem funktioniere auch das gedeckte Papier nicht als Zahlungsversprechen, sondern als definitive Zahlung, im Unterschiede etwa gegen den Scheck, der auch zwischen Käufer und Verkäufer nur ein Versprechen sei. Diese ganze Fragestellung dringt nicht zu dem soziologischen Sachverhalt hinunter; für diesen ist kein Zweifel, daß auch das Metallgeld ein Versprechen ist und daß es sich insofern von dem Scheck nur durch die Größe des Kreises unterscheidet, der dessen Einlösung verbürgt. Das gemeinsame Verhältnis von Geldbesitzer und Verkäufer zu einem sozialen Kreise – der Anspruch jenes an eine in diesem Kreise zu prästierende Leistung und das Vertrauen des anderen, daß dieser Anspruch honoriert werden wird – ist die soziologische Konstellation, in der sich der Geldverkehr im Gegensatz zum Naturalverkehr vollzieht.
Tatsächlich stecken in dem Metallgeld, das man als den absoluten Gegensatz des Kreditgeldes aufzufassen pflegt, zwei in eigentümlicher Weise verschlungene Kreditvoraussetzungen. Zunächst ist innerhalb des täglichen Verkehrs die Prüfung der Münze auf ihr Schrot und Korn nur ausnahmsweise tunlich. Ohne ein Vertrauen des Publikums zu der emittierenden Regierung oder, gegebenenfalls, zu denjenigen Personen, die den Realwert der Münze gegenüber ihrem Nominalwert festzustellen imstande sind, kann es auch zu einem Bargeldverkehr nicht kommen. Die Aufschrift der Malteser Münzen: non aes sed fides – bezeichnet ganz vortrefflich den integrierenden Zusatz des Glaubens, ohne den die noch so vollwichtige Münze ihre Funktion in den weitaus meisten Fällen nicht ausüben kann. Gerade die Mannigfaltigkeit, oft Entgegengesetztheit der Gründe für die Akzeptierung des Geldstücks zeigt, daß nicht deren objektive Beweiskraft das Wesentliche ist: in einigen Gegenden von Afrika muß der Maria-Theresia-Taler weiß und rein sein, in anderen gerade fettig und schmutzig, damit man ihn als echt annehme! Es muß aber, zweitens, der Glaube vorhanden sein, daß das Geld, das man jetzt einnimmt, auch zu dem gleichen Wert wieder auszugeben ist. Auch hier ist das Unentbehrliche und Entscheidende: non aes sed fides – das Vertrauen zu dem Wirtschaftskreise, daß er uns das fortgegebene Wertquantum für den dafür erhaltenen Interimswert, die Münze, ohne Schaden wieder ersetzen werde. Ohne so nach zwei Seiten hin Kredit zu geben, kann niemand sich der Münze bedienen; dieser doppelte Glaube erst verleiht der schmutzigen, vielleicht kaum erkennbaren Münze das bestimmte Wertmaß. Wie ohne den Glauben der Menschen aneinander überhaupt die Gesellschaft auseinanderfallen würde, – denn wie wenige Verhältnisse gründen sich wirklich nur auf das, was der eine beweisbar vom anderen weiß, wie wenige würden irgendeine Zeitlang dauern, wenn der Glaube nicht ebenso stark und oft stärker wäre, als verstandesmäßige Beweise und sogar als der Augenschein! – so würde ohne ihn der Geldverkehr zusammenbrechen. Dieser Glaube ist indes in einer bestimmten Weise nuanciert. Die Behauptung, jedes Geld sei eigentlich Kreditgeld, da sein Wert auf dem Glauben des Empfängers beruhe, für das Tauschinstrument eine gewisse Menge Waren zu bekommen – ist noch nicht vollständig aufklärend. Denn auf derartigem Glauben beruht nicht nur die Geldwirtschaft, sondern jede Wirtschaft überhaupt. Wenn der Landwirt nicht glaubte, daß das Feld in diesem Jahre so gut wie in früheren Früchte tragen wird, so würde er nicht säen; wenn der Händler nicht glaubte, daß das Publikum seine Waren begehren wird, so würde er sie nicht anschaffen usw. Diese Art des Glaubens ist nichts als ein abgeschwächtes induktives Wissen. Allein in dem Fall des Kredites, des Vertrauens auf jemanden, kommt zu diesem noch ein weiteres, schwer zu beschreibendes Moment hinzu, das am reinsten in dem religiösen Glauben verkörpert ist. Wenn man sagt, man glaube an Gott, so ist das nicht nur eine unvollkommene Stufe des Wissens von ihm, sondern ein überhaupt nicht in der Richtung des Wissens liegender Gemütszustand, einerseits freilich weniger, andrerseits aber mehr als dieses. Es ist eine sehr feine und tiefe Wendung der Sprache, daß man »an jemanden glaubt« – ohne daß weiter hinzugesetzt oder auch nur deutlich dabei gedacht würde, was man denn eigentlich von ihm glaube. Es ist eben das Gefühl, daß zwischen unserer Idee von einem Wesen und diesem Wesen selbst von vornherein ein Zusammenhang, eine Einheitlichkeit da sei, eine gewisse Konsistenz der Vorstellung von ihm, eine Sicherheit und Widerstandslosigkeit in der Hingabe des Ich an diese Vorstellung, die wohl auf angebbare Gründe hin entsteht, aber nicht aus ihnen besteht. Auch der wirtschaftliche Kredit enthält in vielen Fällen ein Element dieses übertheoretischen Glaubens, und nicht weniger tut dies jenes Vertrauen auf die Allgemeinheit, daß sie uns für die symbolischen Zeichen, für die wir die Produkte unserer Arbeit hingegeben haben, die konkreten Gegenwerte gewähren wird. Das ist, wie gesagt, in sehr hohem Maße ein einfacher Induktionsschluß, aber es enthält darüber hinaus noch einen Zusatz jenes sozial-psychologischen, dem religiösen verwandten »Glaubens«. Das Gefühl der persönlichen Sicherheit, das der Geldbesitz gewährt, ist vielleicht die konzentrierteste und zugespitzteste Form und Äußerung des Vertrauens auf die staatlich-gesellschaftliche Organisation und Ordnung. Die Subjektivität dieses Vorganges ist gleichsam die höhere Potenz derjenigen, die den Metallwert überhaupt schafft: wenn dieser letztere schon vorausgesetzt ist, so wird er nun durch jenen zweiseitigen Glauben erst für den Geldverkehr praktisch. Es zeigt sich deshalb auch hier, daß die Entwicklung vom Substanzgeld zum Kreditgeld weniger radikal ist, als es scheint, weil das Kreditgeld als Evolution, Verselbständigung, Herauslösung derjenigen Kreditmomente zu deuten ist, die schon in dem Substanzgeld in entscheidender Weise vorhanden sind.
Die Garantie für die Weiterverwertbarkeit des Geldes, in der das Verhältnis der Kontrahenten zu der Gesamtgruppe beschlossen ist, hat indes eine eigenartige Form. Abstrakt angesehen, ist sie nämlich gar nicht vorhanden, da der Geldbesitzer niemanden zwingen kann, ihm für Geld, selbst für das unzweifelhaft gute, etwas zu liefern; was sich denn auch in Fällen von Boykottierung durchaus fühlbar gemacht hat. Nur bei schon bestehenden Verpflichtungen kann der Berechtigte gezwungen werden, die Verpflichtung, welcher Art sie auch sei, durch Geld solvieren zu lassen – und auch das nicht einmal in allen Gesetzgebungen. Diese Möglichkeit, daß der im Geld liegende Anspruch doch auch nicht erfüllt würde, bestätigt den Charakter des Geldes als eines bloßen Kredites; denn das ist doch das Wesen des Kredites, daß der Wahrscheinlichkeitsbruch seiner Realisierung niemals gleich eins wird, so sehr er sich dem auch nähern mag. Tatsächlich ist der einzelne also frei, sein Produkt oder seinen sonstigen Besitz dem Geldbesitzer hinzugeben oder nicht – während die Gesamtheit allerdings diesem gegenüber verpflichtet ist. Diese Verteilung von Freiheit und Gebundenheit, so paradox sie ist, dient doch nicht selten als Erkenntniskategorie. So haben z. B. Verteidiger der »statistischen Gesetze« behauptet, die Gesellschaft müßte zwar unter bestimmten Bedingungen naturgesetzlich eine bestimmte Anzahl von Morden, Diebstählen, unehelichen Geburten hervorbringen; der einzelne aber sei dadurch nicht zu einem bezüglichen Verhalten genötigt, er vielmehr sei frei, moralisch oder unmoralisch zu handeln; das statistische Gesetz bestimme nicht, daß gerade dieser Bestimmte derartige Taten zu vollbringen habe, sondern nur, daß das Ganze, dem er angehört, ein prädestiniertes Quantum derselben produzieren müsse. Oder wir hören auch: die Gesamtheit der Gesellschaft oder der Gattung habe ihre festgesetzte Rolle in dem göttlichen Weltplan, in der Entwicklung des Seins zu den letzten transszendenten Zwecken zu spielen; die einzelnen Träger derselben aber seien irrelevant, sie hätten die Freiheit, gleichsam die Gesamtleistung unter sich zu verteilen, und der einzelne könne sich dem auch entziehen, ohne daß jener Gesamtleistung Abbruch geschehe. Endlich ist hervorgehoben, daß die Aktionen einer Gruppe immer durch den naturgesetzlichen Zug ihrer Interessen schwankungslos bestimmt seien, wie die Materienmassen durch die Gravitation; das Individuum dagegen sei von Theorien und Konflikten beirrt, es stehe zwischen vielen Möglichkeiten, unter denen es richtig oder irrtümlich wählen könne – im Unterschiede von den jeder Freiheit entbehrenden, weil von schwankungslosen Instinkten und Zweckmäßigkeiten geleiteten Kollektivhandlungen. Wieviel richtiges und falsches an diesen Vorstellungen ist, steht hier nicht zur Untersuchung, sondern nur darauf ist hinzuweisen, wie auch sonst dieses Schema eines Verhältnisses zwischen Allgemeinheit und Individuum gilt: jene als nezessitiert und dieses als frei vorzustellen, die Gebundenheit jener durch die Freiheit dieses zu mildern, die Freiheit dieses durch die Gebundenheit jener zu begrenzen und in eine Bestimmtheit des Gesamterfolges einzustellen. Die Garantie für die Weiterverwertbarkeit des Geldes, die der Herrscher oder Vertreter der Gesamtheit durch die Prägung des Metallstücks oder den Aufdruck auf das Papier übernimmt, ist die Eskomptierung der ungeheuren Wahrscheinlichkeit, daß jeder einzelne, trotz seiner Freiheit das Geld zurückzuweisen, es nehmen wird.
Dies sind die Zusammenhänge, aus denen heraus bemerkt worden ist, daß, je größer ein Kreis ist, in dem ein Geld gelten soll, die Währung um so höherwertig sein muß. Innerhalb einer Gruppe von lokaler Begrenztheit mag ein minderwertiges Geld zirkulieren. So schon in der primitivsten Kultur: in Darfur zirkulieren innerhalb jedes Distrikts lokale Tauschmittel: Hacken, Tabak, Baumwollknäule usw.; die höhere Währung aber ist allen gemeinsam: der Bekleidungsstoff, das Rind, der Sklave. Es kommt vor, daß das Papiergeld eines Staates sogar provinziell beschränkt ist: in der Türkei wurden 1853 Noten ausgegeben, die nur in Konstantinopel gelten sollten. Ganz kleine und eng liierte Gesellschaften verständigen sich gelegentlich darüber, irgendein beliebiges Symbol – bis zur Spielmarke – als Geld anzusehen. Die Erweiterung der Handelsbeziehungen aber verlangt hochwertiges Geld, schon weil die notwendigen Versendungen desselben auf weite Strecken die Konzentration seines Wertes auf einen möglichst geringen Umfang zweckmäßig machen; so daß ebenso die historischen Weltreiche wie die Handelsstaaten mit weitausgreifenden Verkehrskreisen immer zu einem Geld von relativ hohem Substanzwert hingedrängt worden sind. Hierfür wird von gewissen Erscheinungen auch der Beweis aus dem Gegenteil geliefert. Der wesentliche Vorteil der mittelalterlichen Münzprivilegien bestand darin, daß der Münzherr in seinem Gebiete jederzeit neue Pfennige schlagen und den Umtausch aller alten oder fremden, die zu Handelsgeschäften in dies Gebiet kamen, gegen die neuen erzwingen konnte; er profitierte also bei jeder Verschlechterung seiner Münze die Differenz zwischen ihr und der eingetauschten besseren. Allein wie sich zeigte, war dieser Nutzen dadurch bedingt, daß der Bezirk des Münzherrn ein relativ großer war. Für ganz kleine Bezirke lohnte sich das Münzprivileg nicht, weil der Markt für ihre Münzen ein zu beschränkter war, so daß bei dem unsäglichen Leichtsinn, mit dem man jedem Kloster und jeder kleinen Stadt ein Prägerecht verlieh, das Münzunheil in Deutschland noch viel ärger geworden wäre, wenn nicht der Nutzen der Münzverschlechterung an eine gewisse Größe des Bezirks gebunden wäre. Gerade also, weil der größere Kreis seiner sozialwirtschaftlichen Struktur nach ein gutes Geld verlangt, ist der Vorteil an einem aufgezwungenen schlechten eben nur in ihm nennenswert groß. Positiv erwies sich dies nun weiterhin, indem das Anwachsen des europäischen Verkehrs im 14. Jahrhundert die Einführung des Guldens als allgemeiner Einheit des Münzsystems und die Verdrängung der Silberwährung durch Goldwährung bewirkte. Schillinge und Pfennige waren nun Scheidemünze, die jedes Ländchen und Städtchen für seinen Verkehr und so wertlos, wie es wollte, prägen konnte. Deshalb betraf auch die Verleihung des Münzrechtes im Mittelalter zunächst nur silberne Münzen; das Recht, Goldmünzen zu schlagen, bedurfte besonderer Gestattung, die wohl nur der Regierung eines größeren Territoriums gegeben wurde. Es ist für diese Korrelation äußerst bezeichnend, daß der letzte Rest der römischen Weltherrschaft, der dem Hofe von Byzanz – bis zum 6.Jahrhundert – verblieb, das ausschließliche Recht war, Goldmünzen zu schlagen. Und endlich wird sie dadurch bestätigt, daß unter den Fällen der oben erwähnten lokalen Beschränktheit für die Papiergeldzirkulation innerhalb des ausgebenden Staates selbst, auch dieser vorkommt: in Frankreich gab es einmal Noten, welche überall, nur nicht in Hafenstädten, also nicht an den Punkten des weitausstrahlenden Verkehrs, gelten sollten. Ganz allgemein muß, sobald der Kreis sich erweitert, auch dem Fremden und den Bezugsländern die Währung annehmbar und verführerisch gemacht werden. Denn mit der Vergrößerung des Wirtschaftskreises geht – ceteris paribus – Lockerung desselben Hand in Hand: die gegenseitige Einsicht in die Verhältnisse wird unvollkommner, das Vertrauen bedingter, die Vollstreckbarkeit der Ansprüche unsicherer. Unter solchen Umständen wird niemand Ware liefern, wenn das Geld, mit dem er. bezahlt wird, nur in dem Kreise des Abnehmers mit Sicherheit verwendbar ist. während dies in anderen zweifelhaft ist. Er wird also ein Geld verlangen, das an sich wertvoll ist, d.h. überall akzeptiert wird. Die Steigerung des Substanzwertes des Geldes bedeutet die Vergrößerung des Kreises von Subjekten, in dem seine allgemeine Anerkennung gesichert ist, während in einem engeren Kreise seine Weiterverwertbarkeit sich auf besondere soziale, rechtliche, personale Garantien und Verknüpfungen hin ergeben kann. Setzen wir voraus, daß die Weiterverwertbarkeit des Geldes das Motiv seiner Annahme ist, so bildet sein Substanzwert gleichsam das Pfand dafür, das auf Null sinken kann, wenn die Verwertbarkeit durch andere Mittel gesichert ist, und um so höher steigen muß, je größer das Risiko jener ist. Nun aber bewirkt die wachsende wirtschaftliche Kultur, daß der sehr vergrößerte, schließlich internationale Kreis in dieser Hinsicht die Züge erhält, die ursprünglich nur geschlossene Gruppen charakterisierten: die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen überwinden die räumliche Trennung immer gründlicher und wirken ebenso sicher, exakt und berechenbar in die Ferne, wie früher nur in die Nähe. In dem Maße, in dem das geschieht, kann jenes Pfand, d. h. der Eigenwert des Geldes, heruntergehen. Die selbst Anhängern des Bimetallismus geläufige Vorstellung, daß derselbe nur bei internationaler Einführung möglich sei, liegt innerhalb dieser Erwägung. Wie weit wir auch von der vollständigen Enge und Zuverlässigkeit des Zusammenhanges – sowohl innerhalb der einzelnen Nationen wie der Nationen untereinander – noch entfernt sein mögen, so geht doch die Entwicklung zweifellos auf ihn zu: die durch Gesetze, Usancen und Interessen immer wachsende Verbindung und Vereinheitlichung immer größerer Kreise ist die Grundlage dafür, daß der Substanzwert des Geldes immer geringer werden und immer vollständiger durch seinen Funktionswert ersetzt werden kann.
Bezeichnenderweise führt jene räumlich weite Erstreckung der Handelsbeziehungen, die, wie oben erwähnt, die Substanzwertigkeit des Tauschmittels steigerte, in der modernen Kultur gerade auf völlige Eliminierung eben derselben: auf die interlokale und internationale Ausgleichung durch Giro und durch Wechselversand. Auch innerhalb einzelner Interessenprovinzen des Geldes wird die Entwicklung von dieser Form beherrscht. Die Steuerleistung z.B. wird jetzt überwiegend nach dem Einkommen, aber nicht nach dem Besitz gefordert. In Preußen ist ein reicher Bankier, der die letzten Jahre mit Geschäftsverlust gearbeitet hat, steuerfrei bis auf die geringe und auch erst kürzlich eingeführte Vermögenssteuer. Also nicht einmal der Geldbesitz, sondern erst das Erträgnis seines Arbeitens, das Geld aus dem Gelde, entscheidet über die Pflichten, und, insoweit die Wahlrechte von der Steuerleistung abhängen, auch über die Rechte gegenüber der Allgemeinheit. In welcher Richtung die allgemeine Entwicklung des Geldes damit festgelegt ist, zeigt ein Blick auf die Rolle des Geldkapitals im alten Rom. Wie dasselbe auf unproduktivem Wege erworben war – durch Kriege, Tribute, Wechselgeschäfte – so war es auch für den Borger nicht zur Produktion, sondern nur zur Konsumtion bestimmt. Dabei konnten auch die Zinsen ersichtlich nicht als die natürlichen Früchte des Kapitals gelten, und daher das unklare und unorganische Verhältnis zwischen beiden, das sich in den weit in das Christentum hineinerstreckten Zinsschwierigkeiten zeigte und erst durch Begriff und Tatsache des produktiven Kapitals sachlich reguliert und organisiert wurde. Jenes ist also der äußerste Gegensatz zu dem jetzigen Zustand, in dem das Kapital seine Bedeutung nicht mehr an dem, was es an und für sich ist, besitzt, sondern an dem, was es leistet: seine Entwicklung hat es aus einem starren, der Produktion innerlich fremden Elemente in lebendige Funktion in und an derselben übergeführt. – Sehen wir nun noch einmal auf die Garantierung des Geldes als seinen Lebensnerv zurück, so verliert sie natürlich in dem Maße an Bündigkeit, in dem das objektive, die Gesamtheit vertretende Gebilde nur beschränkte Abteilungen derselben oder ihre Interessen nur unvollständig repräsentiert. So ist z.B. auch eine Privatbank ein relativ objektives überpersönliches Wesen, das sich zwischen den Verkehr individueller Interessenten schiebt. Dieser soziologische Charakter ihrer befähigt sie allerdings zur Ausgabe von Geld, allein sobald nicht staatliche Aufsicht die Garantie auf das wirklich allgemeine Zentralgebilde überträgt, wird die bloße Partialität des in ihr objektivierten Bezirkes sich in der Unvollkommenheit des »Geld«charakters ihrer Noten zeigen. Die Mißstände der nordamerikanischen Papiergeldwirtschaft entstammten zum Teil der Meinung, die Münze sei zwar Staatssache, die Herstellung von Papiergeld aber komme den Privatbanken zu und der Staat habe sich nicht hineinzumischen. Man übersah dabei die bloße Relativität des Unterschiedes zwischen Metall- und Papiergeld, daß beide, insofern sie eben Geld sind, nur in einer Substanziierung der Tauschfunktion durch gemeinsames Verhältnis der Interessenten zu einem objektiven Organe bestehen, und daß das Geld seine Funktion nur insoweit üben, d.h. nur insoweit die unmittelbaren Werte vertreten kann, als jenes emittierende Organ wirklich den Interessenkreis in sich vertritt oder zum Ausdruck bringt. Deshalb suchen die Münzen lokaler Machthaber auch manchmal wenigstens den Anschein der Zugehörigkeit zu einem umfassenden Gebilde zu gewinnen. Noch Jahrhunderte nach dem Tode Philipps und Alexanders wurden an den verschiedensten Plätzen Münzen mit ihren Namen und Stempeln geprägt – formell königliche, materiell städtische Münzen. Die aufwärts gehende Entwicklung strebt in Wirklichkeit auf eine Vergrößerung – und, was hier unmittelbar dazu gehört, auf eine Zentralisierung – der Organe und Potenzen, die die Geldwerte garantieren. Es ist für diese Richtung sehr bezeichnend, daß die Schatzanweisungen, die die Staaten vor dem 18.Jahrhundert ausgaben, gewöhnlich auf einzelne Einkünfte der Krone basiert und durch sie gewährleistet waren. Erst die englischen exchequer bills des 18.Jahrhunderts waren Anweisungen auf sämtliche Staatseinnahmen; sie hatten also keine von besonderen Umständen abhängige und besonders zu untersuchende Bonität, sondern diese bestand nur noch in dem allgemeinen Zutrauen in die Zahlungsfähigkeit des Staates überhaupt. Hierin zeigt sich die große zentralisierende Tendenz der Neuzeit, die ihrer gleichzeitig individualisierenden in keiner Weise widerspricht: beides sind vielmehr die Seiten eines Prozesses, einer schärferen Differenzierung, einer neuen Zusammenfassung der der Gesellschaft und der dem eignen Subjekt zugewendeten Seiten der Persönlichkeit. Die Entwicklung läutert aus dem Wesen des Geldes alle individualistisch vereinzelnden Elemente heraus und macht die zentralisierten Kräfte des weitesten sozialen Kreises zu seinen Trägern. Die abstrakte Vermögensform des Geldes trägt diese Entwicklung ebenso dem Personalkredit wie dem Staatskredit ein. Die Fürsten als Personen besaßen noch im 15. und anfangs des 16.Jahrhunderts im ganzen wenig Kredit; nicht nach ihrer eignen Kreditwürdigkeit, sondern nach dem Wert der Bürgschaften und Pfänder wurde gefragt. Der Personalkredit beruht darauf, daß man annimmt: wie auch die Objekte wechseln mögen, die den Besitz des Schuldners bilden, die Wertsumme seines Besitzes wird immer für die bestimmte Schuld gut sein. Erst wenn das Vermögen jemandes als Wert überhaupt, d.h. in Geld taxiert ist, kann er als Person einen dauernden Kredit haben; sonst muß dieser von dem wechselnden Objektbesitze abhängen. Es erscheint als ein Übergang von dieser letzteren Stufe zu der heutigen, daß noch im 18.Jahrhundert die meisten Schulden auf bestimmte Summen bestimmter Münzsorten lauteten. Es war also der Begriff des abstrakten, von jeder Spezialform gelösten Wertes noch nicht völlig wirksam geworden – jenes Wertes, hinter dem nicht mehr eine sachliche Bestimmtheit, sondern nur noch der Staat oder die Einzelpersönlichkeit als Garanten stehen.
Die Hauptsache aber ist, daß die Bedeutung des Metalls für das Geldwesen immer mehr hinter die Sicherung seines funktionellen Wertes durch die Organisation des Gemeinwesens zurücktritt. Denn das Metall ist eben ursprünglich immer Privatbesitz und darum können die öffentlichen Interessen und Kräfte nie absolut Herr darüber werden. Man kann sagen, daß das Geld immer mehr eine öffentliche Einrichtung in immer strengerem Sinne des Wortes wird: es besteht mehr und mehr aus dem, was die öffentliche Macht, die öffentlichen Institutionen, die von der Gesamtheit getragenen Verkehrsarten und Garantien daraus machen und wozu sie es legitimieren. Es ist deshalb bezeichnend, daß in früheren Epochen das Geld gleichsam noch nicht allein, auf seiner abstrakten Funktion, stehen kann; das Geldgeschäft lehnt sich entweder an spezifische Betriebe oder an die technische Herstellung der Münze oder an den Handel mit Edelmetallen an. So waren es in Wien anfangs des 13.Jahrhunderts die flämischen Tuchfärber, die regelmäßige Wechselgeschäfte besorgten, wie in England und teilweise auch in Deutschland die Goldschmiede. Der Münzwechsel, der im Mittelalter überhaupt erst den Geldverkehr trug (da in jedem Orte prinzipiell nur in seiner Lokalmünze gezahlt werden durfte), war ursprünglich das Privileg der Münze selbst, der »Münzer Hausgenossen«. Erst als später die Städte die Münze erwarben, wurde das Wechselgeschäft und der Edelmetallhandel von der Münze getrennt. Die Funktion der Münze ist also zunächst, gleichsam durch Personalunion, an ihren Stoff gebunden; sobald die öffentliche Gewalt für sie garantiert, wird sie von den sonst mit ihr liierten Beziehungen unabhängig, der Wechsel und der Handel mit ihrem Material steht jedem frei, und zwar gerade in dem Maße, in dem ihre Funktion als Geld überindividuell gesicherter wird. Die wachsende Entpersonalisierung des Geldes, sein immer engeres Verhältnis zu dem zentralisierten größten Sozialkreise steht in genauer und wirksamer Beziehung zu der Akzentuierung seiner Funktionen in ihrer Selbständigkeit gegenüber dem Metallwert. Es ist die Sicherheit des Geldes, auf der sein Wert ruht und als deren Träger die politische Zentralgewalt allmählich durch die unmittelbare Bedeutung des Metalls, sie verdrängend, hindurchwächst. Hier liegt eine Analogie zu einer wenig beachteten Nuance des Wertempfindens vor. Sobald der Wert eines Objektes darauf beruht, daß es uns ein anderes zugängig macht, so ist sein Wert durch die beiden Koeffizienten bestimmt: den inhaltlichen Wert dessen, was es uns vermittelt, und die Sicherheit, mit der ihm diese Vermittlung gelingt; die Erniedrigung des einen Koeffizienten kann, bis zu einer gewissen Grenze, den Gesamtwert umgeändert lassen, wenn ihr eine Erhöhung des andern entspricht. So ist die Bedeutung einer Erkenntnis für uns gleich dem Produkt aus ihrer Sicherheit und der Wichtigkeit ihres Inhaltes. In den Naturwissenschaften pflegt der erstere, in den Geisteswissenschaften der letztere Koeffizient zu überwiegen, wodurch dann prinzipiell eine Gleichheit ihres Gesamtwertes möglich ist; nur wenn man, wie Aristoteles, an der Sicherheit des Wissens nicht zweifelt, kann man seinen Wert ausschließlich von dem seines Objekts abhängen lassen. So ist der Wert eines Lotterieloses ein Produkt aus der Wahrscheinlichkeit, daß es gezogen wird, und der Höhe des eventuellen Gewinnes, so der Wert jedes beliebigen Handelns gleich dem Produkt aus der Wahrscheinlichkeit, daß es seinen Zweck erreicht und der Wichtigkeit dieses Zweckes, so der Wert eines Rentenpapiers zusammengesetzt aus der Sicherheit für das Kapital und der Höhe der Verzinsung. Nun verhält sich das Geld zwar nicht genau ebenso, denn seiner steigenden Sicherheit entspricht keine Wertminderung der Objekte, deren Erlangung es sichert; aber die Analogie gilt doch so weit, daß mit der steigenden Sicherung seiner Verwertbarkeit sein anderer Wertkoeffizient, der innere Metallwert, unbestimmt weit sinken kann, ohne seinen Gesamtwert zu alterieren. Andrerseits ergibt sich unmittelbar als Ursache wie als Wirkung der soziologischen Stellung des Geldes, daß es die Beziehungen zwischen der Zentralgewalt der Gruppe und ihren einzelnen Elementen zahlreicher, stärker und enger machen muß, weil eben jetzt die Beziehungen dieser Elemente untereinander gleichsam durch jenes hindurchgeleitet werden. So haben schon die Karolinger ein deutliches Bestreben, den Natural- oder Viehtausch durch Geldwirtschaft zu verdrängen. Sie verordnen oft, die Münzen dürften nicht zurückgewiesen werden und bestrafen ihre Nichtannahme hart. Das Münzrecht war ausschließlich Königsrecht, und so bedeutele das Durchsetzen des Verkehrs in Münze die Erstreckung der königlichen Macht dahin, wo früher rein privater, persönlicher Verkehrsmodus bestand. Es ist ganz in dem gleichen Sinne, wenn die römischen Gold- und Silbermünzen seit Augustus ausschließlich im Namen und Auftrag des Kaisers geprägt wurden, wogegen das Recht, Scheidemünze auszugeben, einerseits dem Senat, andrerseits den Kommunalverbänden verblieb; und es verallgemeinert diesen Zusammenhang nur, daß große Fürsten so oft auch gewaltige Münzsysteme geschaffen haben: Darius I., Alexander d. Gr., Augustus, Diokletian, bis zu Napoleon I. Die ganze Technik, durch die in naturalwirtschaftlichen Zeiten eine große soziale Macht bestehen kann, weist sie darauf hin, sich selbst zu genügen, sich – wie es z.B. von den Großgrundherrschaften seit den Merovingern gilt zum Staat im Staate zu machen; wogegen entsprechende Machtgebilde in der Geldwirtschaft gerade im Anschluß an die Staats – Organisation erwachsen sind und sich erhalten haben. Der moderne zentralistische Staat wurde deshalb auch an dem ungeheuren Aufschwung der Geldwirtschaft groß, den die beginnende Neuzeit aus der Erschließung der amerikanischen Metallvorräte gewann. Die Selbstgenügsamkeit feudaler Verhältnisse wurde zerstört, indem sich in jede Transaktion die auf die Zentralgewalt hinweisende, die Beziehungen der Kontrahenten über sich hinausweisende Münze schob: so daß man diese Macht des Geldes, die einzelnen mehr an die Krone zu drängen, enger an sie zu binden, als den tieferen Sinn des Merkantilsystems angesprochen hat. Andrerseits gilt die Tatsache, daß die deutschen Kaiser sich dieses Zentralisierungsmittel von den Territorialherren entreißen ließen, als einer der wesentlichen Gründe für die Zersplitterung des Reiches – während die französischen und englischen Könige des 13. und 14.Jahrhunderts die Einheit ihrer Reiche mit Hilfe der geldwirtschaftlichen Bewegung gründeten. Als das russische Reich im ganzen schon als ein unteilbares galt, stattete Iwan III. doch seine jüngeren Söhne noch mit Landesteilen aus, in denen sie souverän schalten konnten, und für die er der Zentralgewalt außer der höheren Gerichtsbarkeit nur das Münzrecht vorbehielt. Ja, die lockere Sphäre, die, aus den Handelsbeziehungen eines Landes bestehend, es jenseits seiner politischen Grenzen umgibt, gewinnt außerordentlich an Ausdehnung und Konsistenz, sobald das Landesgeld durch seine Solidität allenthalben gültig wird und so alle Punkte dieses Kreises mit dem Ursprungsland verbindet und immer wieder auf dasselbe zurückweist. So verlieh der Kurs des englischen Sovereigns in Portugal und Brasilien dem englischen Handel ein großes Prestige und hielt die in diese Länder ausstrahlenden Handelsbeziehungen einheitlich zusammen. In Deutschland war der Gang der, daß bald nach der Karolingerzeit der König einzelnen Personen und Stiften das Prägerecht verlieh, wobei er indes noch selbst Schrot, Korn und Form der Münzen bestimmte. Aber schon vor dem 12.Jahrhundert dürfen die so Beliehenen Münzfuß und Stempel beliebig festsetzen und also so viel Profit, wie sie wollen, dabei herausschlagen. So geht die Lösung des Münzwesens von der Zentralgewalt und die Verschlechterung der Münze Hand in Hand: d.h. das Geld ist um so weniger wirklich Geld, je weniger der größte soziologische Kreis bzw. dessen Zentralorgan es garantiert. Die Rückläufigkeit dieses Zusammenhanges bestätigt ihn nur: die Verelendung des Geldes wirkte ihrerseits auf die Auflösung und den Auseinanderfall des größten Kreises, auf dessen Einheit es angewiesen gewesen wäre. Ja sogar eine rein formale und symbolische Beziehung mag in diesen Erscheinungen irgendwie mitgewirkt haben. Zu den wesentlichen Charakterzügen von Gold und Silber gehört ihre relative Unzerstörbarkeit, in deren Konsequenz ihr Gesamtquantum lange Perioden hindurch fast stetig bleibt, weil jedes durch Schürfung hinzukommende Quantum im Verhältnis zu dem bereits vorhandenen nur minimal ist. Während die Mehrzahl aller anderen Objekte verbraucht wird, in ewigem Flusse verschwindet und sich wieder ersetzt, bleibt das Geld in seiner fast unbegrenzten Dauerhaftigkeit von diesem Wechsel der individuellen Dinge unberührt. Damit aber erhebt es sich über diese, wie die objektive Gruppeneinheil über die Fluktuation der Persönlichkeiten. Denn das eben ist ja die charakteristische Lebensform jener konkret gewordenen Abstraktionen der Gruppenfunktionen, daß sie jenseits der einzelnen Verwirklichungen dieser stehen, ruhende Gebilde in der Flucht der individuellen vorüberfließenden Erscheinungen, die gleichsam in sie aufgenommen, von ihnen geformt und wieder entlassen werden: das ist die Unsterblichkeit des Königs, die jenseits seiner zufälligen Persönlichkeit, seiner einzelnen Maßregeln, der wechselnden Schicksale seiner Gruppe steht und für die die relative Ewigkeit der Münze, die sein Bild trägt, sowohl als Symbol wie als Beweis wirkt. Die Geschäfte mit Fürsten waren es, die im 16.Jahrhundert überhaupt erst das reine Geldgeschäft großen Stiles schufen; der Verkehr mit dem Fürsten, den es bewirkte, ließ den bis dahin damit verbundenen Warenhandel als etwas Plebejisches erscheinen, über das sich der Geldkaufmann in einer Analogie zu königlicher Würde erhob. So mag auch der Haß der Sozialisten gegen das Geldwesen nicht nur der diesem zugeschriebenen privatwirtschaftlichen Übermacht des Kapitalisten über den Arbeiter gelten, sondern auch ihren antimonarchischen Instinkten entspringen; denn so wenig die Objektivierung der Gruppengesamtheit, deren das Geld bedarf, in monarchischer Form geschehen muß, so hat doch in der neueren Geschichte gerade diese Form aufs kräftigste der Einschiebung der Zentralgewalt in die wirtschaftlichen Funktionen der Gruppe gedient. Auch die festen Residenzen der Fürsten, die die Zentralisation so sehr fördern, sind erst bei Geldsteuern möglich; den nicht transportabeln Naturalsteuern entspricht das Herumziehen des Hofes, der sie überall in natura verzehrt. Es ist durchaus in diesem Sinn, wenn moderne Steuerpolitik vielfach dahin strebt, den Kommunen die Realsteuern zu überlassen, den Staat aber auf Einkommensteuer zu stellen. Indem die Steuerforderung der Zentralgewalt sich auf das reine Geldeinkommen der einzelnen richtet, erfaßt sie gerade dasjenige Besitzobjekt, zu dem sie von vornherein das strikteste Verhältnis hat. Die Ausbildung des Beamtenwesens mit seiner engen Beziehung zum Geldwesen ist insofern nur ein Symptom dieser zentralistischen Entwicklung; das Beamtentum des Lehenswesens ist ein dezentralisiertes, der räumlich ferne Landbesitz des Belehnten führt sein Interesse von der Zentralstelle ab, während die immer von neuem erfolgende Geldentlohnung ihn zu dieser hinführt, seine Abhängigkeit von dieser immer von neuem eindringlich macht. Deshalb war die Pforte bei ihrer ständigen Münzverschlechterung doch anfangs des 19.Jahrhunderts einmal genötigt, für ihre Beamten und Offiziere doppelt schwere Münzen schlagen zu lassen, weil es gerade den eigentlichen Staatsfunktionären gegenüber eines wirklich gültigen Geldes bedurfte. Darum war die ungeheure Vermehrung und Verfeinerung des Beamtentums erst bei der Geldwirtschaft möglich; sie ist aber nichts als eines der Symptome der Beziehung, die zwischen dem Geld und der Objektivierung des Gruppenzusammenhanges zu einem besonderen zentralen Gebilde besteht. Bei den Griechen wurde diese ursprünglich nicht von einer staatlichen, sondern von der religiösen Einheit getragen. Alles hellenische Geld war einmal sakral, ebenso von der Priesterschaft ausgegangen, wie die andern allgemein gültigen Maßbegriffe: Gewichte, Umfangsmaße, Zeiteinteilungen. Und diese Priesterschaft repräsentierte zugleich die Verbandseinheit der Landschaften; die ältesten Verbände ruhten durchaus auf religiöser Grundlage, die manchmal für relativ weite Gebiete die einzige blieb Die Heiligtümer hatten eine überpartikularistische, zentralisierende Bedeutung, und diese war es, die das Geld, das Symbol der gemeinsamen Gottheit auf sich tragend, zum Ausdruck brachte. Die religiöse soziale Einheit, die im Tempel kristallisiert war, wurde in dem Gelde, das er ausgab, gleichsam wieder flüssig und gab diesem ein Fundament und eine Funktion, weit über die Metallbedeutung des individuellen Stückes hinaus. Von diesen soziologischen Konstellationen getragen und sie tragend, realisiert sich die steigende Bedeutung der Geldfunktionen auf Kosten der Geldsubstanz. Einige Beispiele und Überlegungen mögen diesen Prozeß verdeutlichen, und zwar knüpfe ich dieselben, unter den vielen, seinen Inhalt bildenden Diensten des Geldes, an die folgenden: an die Erleichterung des Verkehrs, an die Beständigkeit des Wertmaßstabes, an die Mobilisierung der Werte und die Beschleunigung ihrer Zirkulation, an ihre Kondensierung in möglichst kompendiöse Form.
Einleitenderweise möchte ich hervorheben, daß gerade die oben erwähnten, von den Fürsten begangenen Münzverschlechterungen durch die ungeheure Übervorteilung der Massen den Funktionswert des Geldes seinem Metallwert gegenüber aufs schärfste beleuchten. Was die Untertanen bewog, die verschlechterte Münze zu akzeptieren und für sie die an Metall bessere hinzugeben, war doch eben, daß jene den Verkehrszweck des Geldes erfüllte. Was die Münzherren herausschlugen, war das ungebührlich gesteigerte Äquivalent für den Funktionswert des Geldes, um dessentwillen die Untertanen in den Münztausch, d.h. in die Aufopferung seines Metallwertes willigen mußten. Allein dies ist nur das ganz allgemeine Phänomen, als dessen spezifische Zuspitzung es erscheint, daß das Geld, das durch seine Form dem Verkehr im allgemeinen besser dient, als ein anderes, nicht nur bei gleichem Substanzgehalt diesem überlegen ist; sondern es kann dadurch seine eigene Substanzbedeutung so weit wie in dem folgenden Fall überflügeln. Als im Jahre 1621 durch die niederdeutsche Münzverschlechterung der Wert des Reichstalers auf 48 bis 54 Schillinge gestiegen war, erließen die Obrigkeiten von Holstein, Pommern, Lübeck, Hamburg und anderen, ein gemeinsames Münzedikt, wonach der Taler von einem gewissen Zeitpunkt an nur 40 Schillinge gelten sollte. Obgleich dies allgemein als richtig und heilsam beurteilt und akzeptiert wurde, galt der Taler doch weiterhin wegen der leichteren Verteilung und Rechnung noch lange 48 Schillinge. Es ist auf einer viel höheren und komplizierten Stufe dasselbe, wenn die Börsen jetzt bei Rentenpapieren, die in größeren und kleineren Abschnitten ausgegeben sind, die letzteren etwas höher zu notieren pflegen als die ersteren, weil jene mehr gesucht sind und dem kleineren Verkehr besser dienen – obgleich der Wert pro rata der genau gleiche ist. Ja im Jahre 1749 erklärte ein Komitee für Münzzwecke in den amerikanischen Kolonien: in Ländern mit unausgebildeter Wirtschaft, die mehr konsumieren als produzieren, müsse das Geld immer schlechter sein als das ihrer reicheren Nachbarn, weil es sonst unvermeidlich diesen zuflösse. Dieser Fall ist also die Steigerung und Aufgipfelung der vorhererwähnten Tatsache, daß die Eignung einer bestimmten Geldform zu Berechnungen und Ausgleichungen dieser Form einen Wert verschafft, der absichtlich weit über den sachlich gültigen gehoben wird. Die funktionelle Zweckmäßigkeit des Geldes ist hier über seinen Substanzwert bis zur Umkehrung seiner Bedeutung hinausgewachsen. Hierhin gehören, als Beweise für die Überwucherung des Metallwertes durch den Funktionswert, alle die Fälle, in denen das völlig minderwertige Kleingeld dem Edelmetall gegenüber einen manchmal unglaublichen Preis behauptet hat. Das kommt z.B. in Goldgräberdistrikten vor, wo die gewonnenen Reichtümer einen lebhaften Verkehr erzeugen, ohne daß man in ihnen doch das Tauschmittel für die kleineren Bedürfnisse des Tages hätte. So war unter den Goldgräbern in Brasilien am Ende des 17. Jahrhunderts eine Not um kleine Münze ausgebrochen, die der König von Portugal benutzte, um Silbergeld gegen ein ungeheures Agio in Gold hinüberzuschaffen. Später ist es auch in Kalifornien wie in Australien vorgekommen, daß die Goldgräber, um nur Kleingeld zu haben, seinen 2- bis 16fachen Metallwert dafür in Gold bezahlt haben. Die ärgsten Erscheinungen dieser Art bietet der bis vor kurzem herrschende – neuerdings, wie man sagt, in der Reform begriffene – Münzzustand in der Türkei. Dort existiert weder Nickel- noch Kupfergeld, sondern als Kleingeld nur jammervolle Silberlegierungen: Altiliks, Beschliks und Metalliques, die alle in einer für den Verkehr völlig unzureichenden Masse vorhanden sind. Die Folge davon ist, daß diese Münzen, deren nominellen Wert die Regierung selbst 1880 um ungefähr die Hälfte herabsetzte, diesen fast unverändert behalten haben und gegen Gold gar kein nennenswertes Disagio machen, ja die Metalliques, die für das schlechteste in der ganzen Welt kursierende Geldzeichen gehalten werden, stehen zeitweise über pari gegen Gold! Gerade dies ist äußerst bezeichnend: die geringste Münze ist eben für den Verkehr die wichtigste und wird ausschließlich nach dieser Wichtigkeit gewertet – weshalb denn auch allenthalben die kleinen Münzen die ersten Objekte der Münzverschlechterung sind. Der Preis der Metalliques enthält das Paradoxon, daß ein Geld um so wertvoller sein kann, je wertloser es ist – weil gerade seine substanzielle Wertlosigkeit es zu gewissen funktionellen Diensten geschickt macht, die seinen Wert nun fast unbegrenzt heben können.
Das gesteigerte Bewußtsein und die gesteigerte Tatsächlichkeit der Funktionsbedeutung des Geldes ermöglichte auch den Einwand gegen die Silberwährung: was man vom Geld fordere, sei zuerst und unbedingt Bequemlichkeit und Handlichkeit. Man könne zwar ein Nahrungsmittel beibehalten, wenn sein Gebrauch auch viele Unbequemlichkeiten mit sich bringt, sobald es nur nahrhaft und wohlschmeckend sei, auch ein unbequemes Kleidungsstück, weil es schön oder warm ist. Aber ein unbequemes Geld sei wie ein ungenießbares Nahrungsmittel oder ein untragbares Kleidungsstück. Denn der oberste Zweck des Geldes sei die Bequemlichkeit des Güteraustausches. Der Unterschied gegen die hier verglichenen Güter beruht eben darauf, daß das Geld weniger Nebenqualitäten neben seiner Hauptqualität hat und haben darf, als andere Güter. Da es das absolute Abstraktum über allen konkreten Gütern ist, so wird es von jeder Qualität, die außerhalb seiner reinen Bestimmung liegt, ungebührlich belastet und abgelenkt.
Daß die Steigerung oder Herabsetzung einer Funktion des Geldes seinen Wert unabhängig von seinem Substanzwert erhöhen oder erniedrigen könne – gilt selbst für denjenigen Schätzungsgrund seiner, der besonders eng mit seinem Substanzwert verbunden scheint: für seine Wertbeständigkeit. Die römischen Kaiser besaßen, wie schon erwähnt, das ausschließliche Recht der Gold- und Silberprägung, während die Kupfermünzen, d.h. das Kreditgeld, vom Senat und im Orient von den Städten geschlagen wurden. Das bildete von vornherein eine gewisse Garantie dagegen, daß der Kaiser das Land mit substanzwertloser Scheidemünze überschwemmte. Der Erfolg war schließlich nur der, daß die Kaiser sich an die ihnen freistehende Verschlechterung des Silbers hielten, von der dann auch der bodenlose Verfall des römischen Münzwesens ausging. Daraus entstand nun eine merkwürdige Umkehrung der Wertverhältnisse: das Silber sank durch seine Verschlechterung zur Kreditmünze herab, während das Kupfer dadurch, daß es sich ziemlich unverändert behauptet hatte, wieder in höherem Maße den Charakter der Wertmünze erhielt. Die Eigenschaft der Wertbeständigkeit also ist hier imstande, durch ihre relative Höhe oder Erniedrigung die bisherigen Charaktere der Metallsubstanzen als Geldwertträger völlig umzukehren. In diesem Sinne des Hinausragens des Stabilitätswertes über den Substanzwert hat man jetzt hervorgehoben, daß der Übergang eines Notenlandes zur Goldwährung keineswegs die Wiederaufnahme der Barzahlungen mit sich bringen müßte. In einem Lande wie Österreich etwa, dessen Noten kein Disagio gegen Silber mehr machen, wäre schon durch den Übergang zur bloßen Goldrechnung der entscheidende Vorteil der Goldwährung, nämlich die Stabilisierung des Geldwertes, gewonnen: die Funktion der Substanz, auf die es ankommt, wäre so ganz ohne die Substanz selbst erreichbar. Und neuerdings hat das Interesse an der Beständigkeit des Geldwertes sogar zu der Forderung geführt, die metallische Deckung der Noten überhaupt abzuschaffen, Denn sobald diese bestände, wäre für die verschiedenen Länder eine Gemeinsamkeit des Systems geschaffen, die den inneren Verkehr eines jeden all den Schwankungen in den politischen und wirtschaftlichen Schicksalen der anderen unterwirft! Ein ungedecktes Papiergeld biete durch seine Exportunfähigkeit nicht nur den Vorteil, überhaupt im Lande zu bleiben und für alle Unternehmungen daselbst bereit zu sein, sondern vor allem eine vollständige Wertbeständigkeit. So angreifbar diese Theorie ist, so zeigt ihre bloße Möglichkeit doch jene psychologische Lösung des Geldbegriffes von dem Substanz begriff und seine wachsende Erfüllung durch die Vorstellung seiner funktionellen Dienste. Übrigens unterliegen alle derartigen Funktionen des Geldes ersichtlich den Bedingungen, unter denen seine allgemeine Auflösung in Funktionen steht: daß sie in jedem gegebenen Augenblick nur unvollkommen gelten und ihre Begriffe ein im Unendlichen liegendes Entwicklungsziel bezeichnen. Schon dadurch, daß die Werte, die es messen und deren gegenseitiges Verhältnis es ausdrücken soll, etwas bloß Psychologisches sind, wird ihm die Beständigkeit der Raum- oder Gewichtsmaße versagt.
Indes rechnet die Praxis mit dieser Wertbeständigkeit als mit einer Tatsache angesichts der Frage, wie man sich bei der Wiedererstattung eines Gelddarlehns zu verhalten habe, wenn inzwischen der Wert des Geldes sich geändert hat. Geschieht das etwa durch Sinken des Geldwertes überhaupt, so daß die gleiche Summe bei der Rückgabe weniger wert ist, so wird dies von den Gesetzen nicht in Betracht gezogen; die identische Geldsumme gilt ohne weiteres als der identische Wert. Wo die Münze sich selbst verschlechtert, sei es durch Legierung, sei es durch Änderung des Münzfußes, entscheiden die Gesetze bald so, daß die, nach dem neuen Münzfuß, entsprechende Summe, bald das gleiche Quantum Feingehalt, bald rein mechanisch der Nennwert der Schuld zu erstatten sei. Im ganzen also überwiegt die Vorstellung, daß das Geld seinen Wert unverändert behalte. Nun ist diese Stabilität zwar auch an Naturalgegenständen, bei deren Ausleihe sie niemand bezweifelt, eine Fiktion: ein Zentner Kartoffeln, den man sich im Frühling leiht, um ihn später in natura wiederzugeben, kann dann viel mehr oder viel weniger wert sein. Allein hier kann man sich auf die unmittelbare Bedeutung des Gegenstandes zurückziehen: während der Tauschwert der Kartoffeln schwanken mag, bleibt ihr Sättigungs- und Nährwert genau der gleiche. Da nun aber das Geld keinen derartigen, sondern ausschließlich Tauschwert hat, so ist die Voraussetzung seiner Stabilität eine um so auffallendere. Die Entwicklung wird zweckmäßigerweise dahin streben, diese praktisch notwendige Fiktion mehr und mehr zu bewahrheiten. Schon vom Edelmetallgeld hat man hervorgehoben, daß seine Beziehung zum Schmuck seiner Wertstabilität diene: denn da das Schmuckbedürfnis sehr elastisch sei, so nehme es bei Vermehrung des Metallvorrates sogleich ein größeres Quantum desselben auf und verhindere dadurch einen zu starken Druck auf seinen Wert, während bei steigendem Bedürfnis nach Geld die Schmuckvorräte als Reservoir dienen, aus dem das erforderliche Quantum zu entnehmen und die Preiserhöhung zu begrenzen sei. In der Fortsetzung dieser Tendenz aber scheint das Ziel zu liegen, die Geldsubstanz überhaupt auszuschalten. Denn selbst eine so geeignete wie das Edelmetall kann nicht ganz den Schwankungen entzogen werden, die aus seinen eigenen Bedingungen des Bedarfs, der Produktion, der Verarbeitung usw. hervorgehen und die bis zu einem gewissen Grade mit seinem Dienste als Tauschmittel und Ausdruck der relativen Warenwerte nichts zu tun haben. Die vollständige Stabilität des Geldes wäre erst erreichbar, wenn es überhaupt nichts mehr für sich wäre, sondern nur der reine Ausdruck des Wertverhältnisses zwischen den konkreten Gütern. Damit wäre es in eine Ruhelage gekommen, die sich durch die Schwankungen der Güter so wenig verändert, wie der Meterstab durch die Verschiedenheit der realen Größen, die er mißt. Dann wäre auch der Wert, der ihm durch das Leisten dieses Dienstes zukäme, auf ein Maximum von Stabilität gelangt, weil so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sich viel genauer regulieren ließe, als bei seiner Abhängigkeit von einer Substanz, deren Quantum unserem Willen nur unvollkommen unterliegt. Damit ist freilich nicht geleugnet, daß unter bestimmten historischen und psychologischen Umständen die Bindung an das Metall dem Gelde noch eine größere Stabilität garantieren könnte, als die Lösung von ihm – wie ich es oben selbst behauptet habe. So mag – um an die dort gegebenen Analogien anzuknüpfen – die tiefste und sublimste Liebe diejenige sein, die nur zwischen Seelen, unter völliger Ausschaltung jedes Erdenrestes, besteht – allein solange diese nicht erreichbar ist, wird sich ein Maximum von Liebesempfindung gerade da zeigen, wo die rein seelische Beziehung einen Zusatz und Vermittlung durch sinnliche Nähe und Anziehung erhält; so mag das Paradies das Wunderversprechen seiner Seligkeit darin erfüllen, daß das Bewußtsein derselben keines Sichabhebens von entgegengesetzten Empfindungen bedarf – so lange wir aber Menschen sind, können allein sonst vorhandene, leidvolle, indifferente oder herabgesetzte Gefühlszustände uns ein positives Glück, als Unterschiedsempfindung, eintragen. Wenn also auch in einer idealen Sozialverfassung ein ganz substanzloses Geld das absolut zweckmäßige Tauschmittel ist, so kann doch bis dahin seine relativ höchste Zweckmäßigkeit gerade von seiner Bindung an eine Substanz bedingt sein. Dieser letztere Umstand bedeutet also keine Ablenkung des unendlichen Weges, der zur Auflösung des Geldes in einen bloß symbolischen Träger seiner reinen Funktion führt.
Ein besonderes Stadium des Scheidungsprozesses zwischen dem Funktions- und dem inneren Werte des Geldes zeigen die Fälle, wo für die Schätzung der Werte als Maßstab ein Geld angewandt wird, in dem die tatsächlichen Zahlungen gar nicht erfolgen. Den Tauschdienst kann das Geld nicht leisten, ohne zugleich Maßdienste zu leisten; wohl aber zeigen sich die letzteren in gewisser Hinsicht von jenem unabhängig. Im alten Ägypten wurden die Preise nach dem Uten, einem Stück gewundenen Kupferdrahts, bestimmt, während die Zahlungen in den verschiedensten Bedarfsartikeln erfolgten. Im Mittelalter wird vielfach der Geldpreis festgesetzt, während der Käufer ihn zahlen darf, in quo potuerit. An vielen Stellen Afrikas wird heute der Güteraustausch nach einer, manchmal recht komplizierten, Geld-Valuta vollzogen, aber das Geld selbst ist meistens nicht vorhanden. Die Geschäfte der außerordentlich wichtigen Genueser Wechselmessen des 16. Jahrhunderts wurden nach der Werteinheit des Markenskudo (scudo de' marchi) abgewickelt. Diese war in keiner existierenden Münze ausgedrückt, war vielmehr rein imaginär: 100 Skudi galten so viel wie 99 der besten Goldskudi. Alle Verpflichtungen waren auf Markenskudi gestellt, wodurch die Meßwährung, eben wegen ihrer Idealität, eine vollkommen feste, aller Schwankung und Zerfahrenheit der Prägungen entzogene war. Auch die indische Kompagnie hat, um der Verschlechterung, dem Verschleiß und der Fälschung der indischen Münze zu begegnen, den rupee current eingeführt: eine überhaupt nicht geprägte Münze, die einem gewissen Quantum Silber entsprach und nur den Maßstab bildete, an dem der Wert der wirklichen, deteriorierten Münzen festgestellt wurde. Diese gewannen nun durch ein solches festes ideelles Maß auch für sich einen festen relativen Wert. Damit war fast schon der Zustand erreicht, den ein Theoretiker von Anfang des 19. Jahrhunderts vor Augen hat. Indem er alles gemünzte oder in anderer Form den Verkehr vermittelnde Geld für eine Anweisung auf tauschbare Güter erklärt, kommt er schließlich zu einer Negation aller Realität des Geldes: er stellt dem Gelde im eigentlichen Sinne die Münze gegenüber und erklärt nur die letztere für jene »Anweisung«, die nach dem Geld berechnet wäre, während das Geld selbst nur der ideale Maßstab für alle Vermögenswerte wäre. Hier ist also das Prinzip des Markenskudo zu einer allgemeinen Theorie geworden, das Geld ist so sehr zu einer reinen Form und Verhältnisbegriff idealisiert, daß es überhaupt mit keiner greifbaren Wirklichkeit mehr identisch ist, sondern zu dieser sich nur noch verhält, wie das abstrakte Gesetz zu einem empirischen Fall. In den oben angeführten Vorkommnissen hat die Funktion des Wertmessers sich von dem substanziellen Träger gelöst: die Rechenmünze tritt wie in einen absichtlichen Gegensatz zu der Metallmünze, um ihre Stellung jenseits dieser festzulegen. In der hier fraglichen Beziehung tut das ideale Geld dieselben Dienste wie das gute Geld, denn auch dieses ist hier eben gutes nur wegen seiner Funktion: der Sicherheit der Wertabmessungen, die sich mit Hilfe seiner vollziehen.
Dies führt nun weiter auf die Vertretung des Geldwertes durch Äquivalente, insoweit diese die Mobilisierung der Werte als einen der wesentlichen Dienste des Geldes hervortreten lassen. Je mehr die Bedeutung des Geldes als Tauschmittel, Wertmaß, Aufbewahrungsmittel usw. aus ihrer ursprünglichen Geringfügigkeit zum Übergewicht über seinen sogenannten Substanzwert aufwächst, desto mehr Geld kann auch in anderer als gerade in Metallform in der Welt zirkulieren. Und dieselbe Entwicklung, die von der eingeschränkten Starrheit und substanziellen Festgelegtheit des Geldes zu diesen Vertretungen führt, macht sich auch weiterhin innerhalb dieser selbst geltend. So etwa in der Entwicklung von dem von Person zu Person lautenden Schuldschein zu dem Inhaberpapier. Die Stufen dieser Entwicklung sind noch zu verfolgen. Die Klausel des Schuldanerkenntnisses, daß der Inhaber desselben und nicht nur der eigentliche Ausleiher zur Einziehung berechtigt sei, kommt zwar schon im Mittelalter vor; aber nicht um seinen Wert zu übertragen, sondern um die Einziehung durch einen Vertreter des Gläubigers zu erleichtern. Diese bloß formale Mobilisierung des Papiers wurde eine mehr tatsächliche in dem französischen billet en blanc, das an der Lyoner Börse kursierte. Dasselbe wies seiner Fassung nach noch auf einen individuellen Gläubiger an, dessen Name aber nicht ausgefüllt war; wurde ein solcher indes an die leere Stelle eingefügt, so war nun der Gläubiger individuell bestimmt. Der eigentliche Handelsverkehr mit reinen Inhaberpapieren begann im 16. Jahrhundert in Antwerpen; wir wissen, daß anfänglich denselben, wenn sie ohne besondere Zession in Zahlung gegeben waren, oft die Einlösung am Verfallstage verweigert wurde, so daß eine kaiserliche Verordnung ihre prinzipielle Gültigkeit feststellen mußte. Hier haben wir eine sehr deutliche Stufenfolge. Der fragliche Wert ist durch den individuell bestimmten Schuldschein sozusagen zwischen Gläubiger und Schuldner festgeklemmt; er gewinnt seine erste Beweglichkeit, indem er wenigstens von einem anderen eingezogen werden kann, wenngleich für Rechnung des ursprünglichen Gläubigers; dies erweitert sich, indem das Blankopapier die personale Bestimmtheit des Gläubigers zwar nicht aufhebt, aber doch beliebig hinausschiebt, bis schließlich in dem reinen Inhaberpapier, das wie eine Münze von Hand zu Hand gehen kann, der Wert völlig mobilisiert ist. Dies erscheint als der Revers oder die gleichsam subjektive Wendung der oben an den staatlichen Schatzassignationen beobachteten Entwicklung. Indem dieselben statt auf einzelne bestimmte Kroneinkünfte schließlich auf die Staatseinkünfte überhaupt lauteten, verloren sie nach der Seite des Schuldners hin ihre individuelle Fixiertheit, gingen aus ihrer substanziellen Eingeschränktheit in die Bewegungen der allgemeinen Staatswirtschaft über und wurden, schon weil die Prüfung ihrer besonderen Qualität jetzt wegfiel, unendlich viel beweglichere Träger des Wertes, den sie darstellten. An der allgemeinen Zirkulationsbeschleunigung der Werte entwickelt sich nun auch unmittelbar das Verhältnis von Substanz und Funktion des Geldes. Gegenüber einer einseitigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld und Geldsurrogaten hat man hervorgehoben, daß diese letzteren – Schecks, Wechsel, Warrants, Giro – das Geld nicht verdrängen, sondern nur zu schnellerer Umsetzung veranlassen. Diese Funktion gerade der Vertretungen des Geldes zeigt sich recht daran, daß die Noten von ihren großen und also schwerer beweglichen Werten zu immer geringeren herabsteigen: bis 1759 gab die englische Bank keine kleineren Noten aus als zu 20 Pfund, die Bank von Frankreich bis 1848 nur solche von 500 Fr. Indem jene Surrogate an die Stelle der Barzahlung treten, ersparen sie es dem Einzelnen zwar, einen größeren Geldbestand in seiner Kasse zu halten, allein der Vorteil davon liegt doch nur darin, daß das so frei werdende Geld anderwärts bzw. bei der Scheckbank arbeiten kann. Was erspart wird, ist also nicht eigentlich das Geld, sondern nur sein passives Daliegen als Kassenbestand. So ist auch sonst zu beobachten, daß Kredit- und Bargeld sich keineswegs nur einfach gegenseitig ersetzen, sondern daß eines das andere gerade in lebhaftere Bewegung bringt. Wenn das meiste bare Geld am Markte ist, steigt auch oft die Kreditwirtschaft ins Taumelhafte und bis zu pathologischen Erscheinungen: so im 16. Jahrhundert, das an die großen Metallimporte die größten und unsolidesten Kredite knüpfte, bis zu dem Gründungsfieber der Fünf-Milliardenzeit in Deutschland. Daß so Geld und Kredit ihre Bedeutung gegenseitig steigern, bedeutet nur ihr Berufensein zu demselben funktionellen Dienst; so daß, wenn er an der Entwicklung des einen stärker hervortritt, auch das andere zu der gleichen Lebhaftigkeit der Bewegung veranlaßt wird. Dies widerspricht also gar nicht der anderen Relation zwischen ihnen, wonach der Kredit das bare Geld überflüssig macht: so hören wir, daß in England schon 1838 trotz der ungeheuer gestiegenen Produktion weniger bares Geld vorhanden gewesen sei als 50 Jahre früher, ja in Frankreich weniger als vor der Revolution. Zwischen zwei Erscheinungen, die demselben Grundmotiv entsprießen, ist dieses Doppelverhältnis: sich einerseits gegenseitig zu steigern, sich andrerseits zu verdrängen und zu ersetzen – durchaus begreiflich und keineswegs selten. Ich erinnere daran, wie das Fundamentalgefühl der Liebe sich sinnlich und geistig äußern kann, und zwar derart, daß diese Erscheinungsweisen sich gegenseitig stärken, aber auch so, daß eine von ihnen die andere auszuschließen strebt, und daß oft gerade ein Wechselspiel zwischen diesen beiden Möglichkeiten das Grundgefühl am tiefsten und lebendigsten verwirklicht; ich erinnere daran, wie die verschiedenen Betätigungen des Erkenntnistriebes, sowohl wenn sie sich gegenseitig hervorrufen, wie wenn sie sich gegenseitig verdrängen, gleichmäßig die Einheit des grundlegenden Interesses bekunden; endlich, die politischen Energien in einer Gruppe verdichten sich je nach dem Naturell und Milieu der Einzelnen zu divergenten Parteien, aber sie zeigen ihr Kraftmaß ebenso in der Leidenschaft des Kampfes zwischen diesen, wie darin, daß das Interesse des Ganzen sie gelegentlich zu gemeinsamer Aktion zu vereinheitlichen imstande ist. So weist die Bedeutung des Kredits: einerseits mit der Bargeldzirkulation in einem Verhältnis gegenseitiger Anregung zu stehen, andrerseits dieselbe zu ersetzen, nur auf die Einheit des Dienstes hin, den beide zu leisten haben.
Nun tritt an die Stelle der Vermehrung der Geldsubstanz, die durch die Steigerung des Umsatzes erfordert scheint, immer mehr die Vermehrung seiner Umlaufsgeschwindigkeit. Ich führte früher an, daß schon im Jahre 1890 die französische Bank auf Kontokorrent das 135fache der tatsächlich darauf eingezahlten Gelder umgesetzt hat (54 Milliarden auf 400 Millionen Francs), die deutsche Reichsbank sogar das 190fache. Man macht sich im allgemeinen selten klar, mit wie unglaublich wenig Substanz das Geld seine Dienste leistet. Die auffällige Erscheinung, daß bei Ausbruch eines Krieges oder sonstiger Katastrophen das Geld verschwindet, als ob es in die Erde gesunken wäre, bedeutet doch nur die Stockung der Zirkulation, die durch die Ängstlichkeit des Einzelnen, sich auch nur momentan von seinem Gelde zu trennen, veranlaßt oder verstärkt ist. In normalen Zeiten läßt die Schnelligkeit der Zirkulation seine Substanz viel ausgedehnter erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist – wie ein glühendes Fünkchen, das im Dunkeln rasch im Kreise bewegt wird, als ein ganzer glühender Kreis erscheint, – um in dem Augenblick, wo seine Bewegung aufhört, sofort wieder in seine substanzielle Minimität zusammenzuschmelzen. Am heftigsten tritt dies bei einem schlechten Gelde auf. Denn das Geld gehört in jene Kategorie von Erscheinungen, deren Wirksamkeit sich bei regulärer Form und Verlauf in angebbaren Grenzen und determiniertem Umfang hält, während sie bei Ablenkungen und Verschlimmerungen einen unübersehbaren und kaum begrenzten Schaden anrichten. Die Typen dafür sind die Mächte des Wassers und des Feuers. Da das gute Geld nicht mit so vielen Nebenwirkungen belastet ist wie das schlechte und deshalb nicht so viel Erwägungen, Vorsicht und sekundäre Maßregeln bei seiner Benutzung verlangt, so kann es leichter und flüssiger als dieses kursieren. In je präziserer Form es die Dienste des bloßen Geldes leistet, desto geringer braucht sein Quantum zu sein, desto leichter ist es durch seine Bewegung zu ersetzen. Auch kann die Vermehrung der Umsätze statt durch eine Vermehrung der kursierenden Geldsubstanz durch Verkleinerung der Stücke erzielt werden. Die Entwicklung der Münze geht im allgemeinen von großen zu kleinen Stücken und ich erwähne aus derselben hier des bezeichenden Falles: in England war lange Zeit der Farthing (gleich 0,12 gr Silber) das geringste Münzstück; erst von 1843 an wurden halbe Farthings geschlagen. Bis dahin waren also alle Werte, die unter ein Farthing galten, vom Geldverkehr ausgeschlossen, und für alle, die zwischen zwei ganzen Zahlen von Farthings standen, der Verkehr erschwert. Ein Reisender erzählt aus Abessinien (1882), wie außerordentlich es den Handel behindere, daß nur eine ganz bestimmte Münze, der Maria-Theresia-Taler von 1780, anerkannt werde, das Kleingeld aber so gut wie ganz fehle. Wenn jemand also für einen halben Taler Gerste kaufen wolle, so müsse er für den Rest des Geldes irgend sonstige Gegenstände in Kauf nehmen. Wogegen aus Bornu in den sechziger Jahren von einem besonders leichten Verkehr berichtet wird, da der Wert jenes Talers in zirka 4000 Kaurimuscheln zerlegt sei und der Arme deshalb ein Geld für die kleinsten Warenmengen besitze. Freilich hat die Verkleinerung der Münze die Folge, daß nicht mehr so viel umsonst geleistet wird, das Leihen und Aushelfen, das in primitiven Verhältnissen Regel ist, fällt fort, sobald für den allerkleinsten Dienst ein Geldäquivalent zur Verfügung steht und eben deshalb auch gefordert wird. Aber jene Hingabe ohne Äquivalent, die zuerst soziale Notwendigkeit, dann moralische Pflicht oder freie Freundlichkeit ist, bedeutet noch keine eigentliche und entwicklungsfähige Wirtschaft, sowenig wie umgekehrt der Raub. Zu dieser wird die Hingabe erst mit der Objektivation des Verkehrs und seiner Gegenstände. Jenes subjektive Verfahren ist sicher von hohem, auch ökonomischem Werte – aber es setzt der Wirtschaft sehr enge Grenzen; und diese können erst durch die Maßregeln gesprengt werden, die freilich jene Werte unmittelbar vernichten und zu denen die Einführung möglichst kleiner Münze gehört. Die Verflüchtigung des Geldstoffes sozusagen in Atome hebt den Verkehr außerordentlich; indem sie das Tempo der Geldumsätze beschleunigt, vermehrt sie ihre Zahl; d.h. also, die bestimmte Art, in der das Geld funktioniert, ist imstande, die quantitativen Mehrungen seiner Substanz zu ersetzen.
Auch haben nun endlich gewisse Leistungen des Geldes von vornherein einen Sinn, der dem Wesen einer Substanz heterogen ist. Es gehört zu den Funktionen des Geldes, die ökonomische Bedeutung der Dinge in der ihm eigenen Sprache nicht nur überhaupt darzustellen, sondern zu kondensieren. In der Einheit der Geldsumme, mit der ein Gegenstand bezahlt wird, verdichten sich ebenso die Werte aller, vielleicht durch einen langen Zeitraum hin erstreckten Momente seiner Nutznießung, wie die Sonderwerte seiner räumlich auseinanderliegenden Teile, wie die Werte aller vorbereitenden und in ihm mündenden Kräfte und Substanzen. Ein Geldpreis, aus wie vielen Münzeinheiten er auch bestehe, wirkt doch als eine Einheit; dank der völligen Ununterscheidbarkeit seiner Teile, die seinen Sinn ausschließlich in seiner quantitativen Höhe bestehen läßt, bilden diese Teile eine so völlige Einheit, wie sie auf praktischem Gebiet sonst kaum besteht. Wenn man selbst von einem hochwertigen und vielverzweigten Objekt, etwa einem Landgut, sagt, es gelte eine halbe Million Mark, so wird durch diese Summe, auf wie viele einzelne Voraussetzungen und Erwägungen sie sich auch fundamentiere, doch der Wert des Gutes in einen ganz einheitlichen Begriff zusammengezogen, nicht anders, als wenn man eine auch in sich einheitliche Sache durch einen in sich einheitlichen Münzbegriff schätzt, also etwa: eine Arbeitsstunde gelte eine Mark. Man könnte dies höchstens mit der Einheit des Begriffes vergleichen, der das Wesentliche einer Anzahl individueller Gestaltungen zusammenschließt; wenn ich z.B. den Allgemeinbegriff Baum bilde, so liegen die Merkmale desselben, die ich aus ihren sehr verschiedenartigen Verwirklichungen an den einzelnen Bäumen heraus abstrahiere, nicht mehr nebeneinander, sondern durchdringen sich zu einer einheitlichen Wesenheit. Wie es der tiefere Sinn des Begriffes ist, nicht ein bloßes Zusammen von Merkmalen zu sein, sondern die ideale Einheit, in der diese Merkmale trotz aller ihrer Verschiedenheiten sich begegnen, und in die sie sich einschmelzen – so läßt der Geldpreis alle vielfache und extensiv-ökonomische Bedeutung des Objekts in eine gleichsam unausgedehnte Einheit konvergieren. Es scheint zwar, als ob jener Charakter reiner Quantität dies gerade verhindern müßte: niemals könne eine Mark mit einer zweiten eine solche Einheit bilden wie die Elemente eines organischen Körpers oder einer sozialen Vereinigung, die Verschlingung ineinander fehle ihnen, sie blieben ewig an die Form des Nebeneinander gebunden. Allein dies gilt tatsächlich nicht für den Fall, daß die Geldsumme den Wert eines Objektes ausdrückt. Eine halbe Million Mark sind an und für sich freilich ein bloßes additionales Konglomerat zusammenhangsloser Einheiten; dagegen als Wert eines Landgutes sind sie das einheitliche Symbol, Ausdruck oder Äquivalent seiner Werthöhe und so wenig ein bloßes Nebeneinander einzelner Markeinheiten, wie, wenn man die Lufttemperatur mit 20° bezeichnet, damit nicht eine Summe von 20 einzelnen Graden, sondern vielmehr ein in sich völlig einheitlicher Wärmezustand gemeint ist. Dies entspricht der erwähnten Leistung des Geldes, Werte zu kondensieren; mit dieser schließt es sich den großen Kulturmächten an, deren Wesen es ist, überall in einem kleinsten Punkt die größte Kraft zu sammeln und vermöge der Form der Konzentrierung der Energien die passiven und aktiven Widerstände gegen unsere Zwecke zu überwinden. Hier ist vor allem an die Maschine zu erinnern, und zwar nicht nur nach der auf der Hand liegenden Seite, daß sie die Naturkräfte in konzentrierter Weise in die Bahnen uns erwünschter Betätigung lenkt; sondern auch nach der hin, daß jede Verbesserung der Maschine und Erhöhung ihrer Geschwindigkeit den Arbeiter zu erhöhter Intensifikation seines Krafteinsatzes zwingt. Das eben ist der Grund, weshalb Fortschritt der maschinellen Technik und Verkürzung der Arbeitszeit so oft Hand in Hand gehen kann und muß: weil die verbesserte Maschinerie nicht nur die Naturkräfte, sondern auch die Menschenkräfte in zusammengedrängterer, gleichsam porenloserer Form in den Dienst unserer Zwecke stellt. Ich sehe die gleiche Kulturtendenz sich an der Herrschaft des Naturgesetzes innerhalb unseres Weltbildes verwirklichen: gegenüber dem Haften an der einzelnen Erscheinung, der Zufälligkeit und der Isoliertheit primärer Empirie, ist das Naturgesetz eine ungeheure Kondensierung des Erkennens; es faßt in eine kurze Formel die Erscheinungsart und Bewegung endloser Einzelfälle zusammen, der Geist komprimiert mit ihm die räumliche und zeitliche Extensität des Geschehens in eine überschaubare Systematik, in der sozusagen die ganze Welt latent enthalten ist. An einem ganz anderen Pol der Erscheinungen zeigt die Ablösung der Handwaffen durch die Feuerwaffen dieselbe Entwicklungsform. Im Pulver liegt die enorme Kraftverdichtung, die mit einem Minimum von Muskelleistung eine unmittelbar gar nicht erzielbare Extensität der Wirkung entfesselt. Ja vielleicht ist die Wichtigkeit und die Differenzierung der Persönlichkeit innerhalb der historischen Bewegung, die an die Stelle der Gentil-, Familien-, Genossenschaftsorganisationen tritt, dem gleichen Prinzip untertan. Indem die bewegenden Kräfte von immer individualisierteren, äußerlich enger begrenzten Trägern ausstrahlen, erscheinen sie komprimierter als vorher, die Schicksalsfaktoren, die bei enger Einschmelzung des einzelnen in seine Gruppe durch diese hin verteilt sind, konzentrieren sich jetzt in ihm selbst; das Selbstbestimmungsrecht des modernen Menschen hätte zweckmäßigerweise nicht aufkommen können, wenn nicht in der engen Form personaler Existenz ein sehr gestiegenes Quantum von Wirkungsmöglichkeiten zusammengebunden wäre. Und dem widerstreitet es durchaus nicht, daß zugleich die Funktionen jener engen Gemeinschaften zum großen Teil an den so viel extensiveren Großstaat übergegangen sind. Denn auf die wirklichen Leistungen angesehen, ist die Lebensform des modernen Staates mit seiner Beamtenorganisation, seinen Machtmitteln, seiner Zentralisierung, eine unendlich viel intensivere, als die der kleinen und primitiven Gemeinwesen. Der moderne Staat beruht auf einem ungeheuren Zusammennehmen, Ineinanderflechten und Vereinheitlichen aller politischen Kräfte; so daß man direkt sagen kann: gegenüber den Kraftverschwendungen, die die Zerfällung einer Nation in jene selbständigen, in sich zentralisierten Gemeinwesen von geringster Extensität bewirkt, stellt sowohl die freie und differenzierte Persönlichkeit, wie andrerseits der moderne Großstaat ein unvergleichliches Zusammennehmen der Kräfte dar; die sozialen Spannkräfte sind hiermit in eine derartig kompendiöse Form gebracht, daß jeder einzelnen Anforderung gegenüber mit einem Minimum von neuem Energieaufwand ein Maximum von Leistung erzielt werden kann. Es ist nun interessant zu ersehen, wie das Geld sich nicht nur diesen Beispielen der historischen Tendenz auf Kraftverdichtung anschließt, indem es die Werte der Dinge auf die kürzeste und komprimierteste Weise ausdrückt, sondern dies auch noch so bestätigt, daß es zu vielen jener gleich gerichteten, aber ganz anderen Gebieten zugehörigen Beispiele ein direktes Verhältnis hat. In der Epoche der aufkommenden Feuerwaffen wurde pecunia nervus belli, das Pulver entwand dem Ritter und dem Bürger die Waffe und drückte sie dem Söldner in die Hand, machte ihren Besitz und ihre Benutzung also zum Privileg der Geldbesitzer. Wie eng das Aufkommen und die Fortschritte der Maschinentechnik mit dem Geldwesen verbunden sind, bedarf keines Nachweises. Dagegen werde ich später einen solchen dafür zu führen haben, daß jene Entwicklung der primären Gruppenbildung zur Befreiung der Individualität einerseits und die Erweiterung zum Großstaat andrerseits die innigste innere Beziehung zu dem Aufkommen der Geldwirtschaft hat. So sehen wir die Kulturtendenz der Kondensierung der Kräfte in vielerlei direkten und vermittelten Zusammenhängen mit der Geldform der Werte. Alle jene indirekten Bedeutungen seiner für die anderweitigen Seiten des Kulturprozesses hängen an seiner wesentlichen Leistung, daß der ökonomische Wert der Dinge mit ihm den gedrängtesten Ausdruck und eine Vertretung von absoluter Intensität gewonnen hat. Wenn man hergebrachterweise unter die Hauptdienste des Geldes rechnet, daß es Wertaufbewahrungs- und Werttransportmittel ist, so sind dies nur die groben und sekundären Erscheinungen jener grundlegenden Funktion. Sie aber hat ersichtlich gar keine innere Beziehung zu dem Gebundensein des Geldes an eine Substanz, ja an ihr tritt am empfindbarsten hervor, daß das Wesentliche des Geldes Vorstellungen sind, die, weit über die eigene Bedeutung seines Trägers hinaus, in ihm investiert sind. Je größer die Rolle des Geldes als Wertkondensator wird – und das wird sie nicht durch Wertsteigerung seines einzelnen Quantums, sondern durch die Erstreckung dieser seiner Funktion auf immer mehr Objekte, durch die Verdichtung immer verschiedenartigerer Werte in seiner Form – desto weiter wird es von der notwendigen Bindung an eine Substanz fortrücken; denn in ihrer mechanischen Immergleichheit und Starrheit muß diese der Fülle, dem Wechsel, der Mannigfaltigkeit der Werte immer inadäquater werden, die auf ihre Vorstellung projiziert und in ihr kondensiert werden.
Man könnte dies als eine steigende Vergeistigung des Geldes bezeichnen. Denn das Wesen des Geistes ist, der Vielheit die Form der Einheit zu gewähren. In der sinnlichen Wirklichkeit ist alles nebeneinander, im Geist allein gibt es ein Ineinander. Vermittels des Begriffes gehen dessen Merkmale, vermittels des Urteils gehen Subjekt und Prädikat in eine Einheit ein, zu der es in der Unmittelbarkeit des Anschaulichen gar keine Analogie gibt. Der Organismus, als die Brücke von der Materie zum Geist, ist freilich ein Ansatz dazu, die Wechselwirkung schlingt seine Elemente ineinander, er ist ein fortwährendes Streben nach einer ihm unerreichbaren vollkommenen Einheit. Erst im Geiste wird die Wechselwirkung der Elemente ein wirkliches Sichdurchdringen. Den Werten bereitet die Wechselwirkung im Tausche diese geistige Einheit. Darum kann das Geld, die Abstraktion der Wechselwirkung, an allem Räumlich-Substanziellen nur ein Symbol finden, denn das sinnliche Außereinander desselben widerstrebt seinem Wesen. Erst in dem Maß, in dem die Substanz zurücktritt, wird das Geld wirklich Geld, d.h. wird es zu jenem wirklichen Ineinander und Einheitspunkte wechselwirkender Wertelemente, der nur die Tat des Geistes sein kann.
Wenn so die Leistungen des Geldes sich teils neben seiner Substanz, teils unabhängig von ihrem Quantum vollziehen können, und wenn deshalb sein Wert sinken muß – so bedeutet dies durchaus nicht, daß der Wert des Geldes überhaupt, sondern nur, daß der des einzelnen konkreten Geldquantums herabgesetzt ist. Beides fällt so wenig zusammen, daß man geradezu sagen kann: je weniger das einzelne Geldquantum wert ist, desto wertvoller ist das Geld überhaupt. Denn nur dadurch, daß das Geld so billig, jede bestimmte Summe seiner so viel wertloser geworden ist, kann es diejenige allgemeine Verbreitung, rasche Zirkulation, überall hindringende Verwendbarkeit gewinnen, die ihm seine jetzige Rolle sichert. Innerhalb des Individuums spielt sich dasselbe Verhältnis zwischen den einzelnen Geldquanten und ihrer Totalität ab. Gerade diejenigen Personen, die sich vom Geld, wenn es eine einzelne Ausgabe betrifft, am leichtesten und verschwenderischsten trennen, pflegen vom Gelde überhaupt am abhängigsten zu sein. Auch dies ist eine der Bedeutungen der Redensart, daß man das Geld nur verachten könne, wenn man sehr viel hätte. In ruhigen Zeiten und Orten, mit ökonomisch langsamerem Lebenstempo, wo das Geld viel länger an einer Stelle liegt, wird sein einzelnes Quantum viel höher gewertet als in der ökonomischen Jagd der großstädtischen Gegenwart. Die schnelle Zirkulation erzeugt eine Gewohnheit des Weggebens und Wiedereinbekommens, macht jedes einzelne Quantum psychologisch gleichgültiger und wertloser, während es als Geld überhaupt – da das Geldgeschäft den Einzelnen hier viel intensiver und extensiver berührt als in jenem unbewegteren Dasein – immer größere Bedeutung gewinnt. Es handelt sich hier um den sehr weit erstreckten Typus: daß der Wert eines Ganzen sich in demselben Verhältnis hebt, in dem der seiner individuellen Teile sinkt. Ich erinnere daran, daß Maß und Bedeutung einer sozialen Gruppe oft um so höher steigt, je geringer das Leben und die Interessen ihrer Mitglieder als Individuen eingeschätzt werden; daß die objektive Kultur, die Vielseitigkeit und Lebendigkeit ihrer sachlichen Inhalte ihren höchsten Grad durch eine Arbeitsteilung erreichen, die den einzelnen Träger und Anteilhaber dieser Kultur oft in eintöniges Spezialistentum, Beschränktheit und Verkümmerung bannt: das Ganze ist um so vollkommener und harmonischer, je weniger der Einzelne noch ein harmonisches Ganzes ist. Dieselbe Form stellt sich auch sachlich dar. Der besondere Reiz und die Vollendung gewisser Gedichte besteht darin, daß die einzelnen Worte durchaus keinen selbständigen Sinn, außer dem, der dem beherrschenden Gefühl oder dem Kunstzweck des Ganzen dient, psychologisch mitanklingen lassen, daß der Gesamtkreis der Assoziationen, der die eigene Bedeutung des Wortes ausmacht, ganz zurücktritt, und nur die dem Zentrum des Gedichtes zugewandten für das Bewußtsein beleuchtet sind; so daß das Ganze in demselben Maße kunstvollendeter ist, in dem seine Elemente ihre individuelle, für sich seiende Bedeutung einbüßen. Und endlich ein ganz äußerlicher Fall. Der Herstellungs- wie der Kunstwert eines Mosaikbildes ist um so höher, je kleiner seine einzelnen Steinchen sind; die Farben des Ganzen sind die treffendsten und nuanciertesten, wenn der einzelne Bestandteil eine möglichst geringfügige, einfache und für sich bedeutungslose Farbenfläche darbietet. Es ist also ein im Gebiete der Wertungen keineswegs unerhörter Fall, daß die Werte des Ganzen und die seiner Teile sich in umgekehrter Proportionalität zueinander entwickeln, und zwar nicht durch ein zufälliges Zusammentreffen von Umständen, sondern durch direkte Verursachung: daß jede einzelne angebbare Geldsumme jetzt weniger wert ist als vor Jahrhunderten, ist die unmittelbare Bedingung für die ungeheuer gesteigerte Bedeutung des Geldes. Und diese Bedingung hängt ihrerseits wieder von dem Steigen des Funktionswertes des Geldes auf Kosten seines Substanzwertes ab. Das zeigt sich nicht nur am Geld im allgemeinen, sondern auch an den einzelnen davon abzweigenden Erscheinungen: der Zinsfuß stand außerordentlich hoch, so lange es teils wegen der kirchlichen Wucherlehre, teils wegen der naturalwirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt wenig verzinsliche Darlehen gab; eine je größere Bedeutung der Zins im wirtschaftlichen Leben erhielt, desto geringer wurde er.
Und auch von dem allerprinzipiellsten Standpunkte aus wäre es das schwerste Mißverständnis der Entwicklung von der Substanz zur Leistung, wenn man sie auf ein »Wertlos«-Werden des Geldes deutete, und als sei ihm damit ungefähr so viel genommen wie einem Menschen mit der Seele – nämlich alles. Diese Auffassung geht schon deshalb an der Hauptsache vorbei, weil die Funktionen, in die das Geld sich auflöst, selbst wertvolle sind, wodurch ihm ein Wert zuwächst, der beim Metallgeld ein additioneller, beim Zeichengeld der einzige ist; so sicher aber ist er ein reeller Wert, wie die Lokomotive durch das Ausüben ihrer Transportfunktionen einen Wert hat, der mehr ist als der Wert ihres Materials. Freilich kann es zunächst die Geldfunktionen ausüben, weil es ein Wert ist; dann aber wird es ein Wert, weil es sie übt. Den Wert des Geldes in seinen Substanzwert setzen, heißt den Wert der Lokomotive in den ihres Eisengewichts, etwa noch um den darin steckenden Arbeitswert erhöht, setzen. Aber gerade diese Analogie scheint die Annahme eines besonderen, aus der Funktion erwachsenden Wertes zu widerlegen. Der Preis einer Lokomotive – wir brauchen in diesem Zusammenhange nicht zwischen Wert und Preis zu unterscheiden – besteht allerdings aus Materialwert Formwert, d.h. Wert der darin investierten Arbeitskraft. Daß die Lokomotive wie das Geld den Austausch von Objekten bewirkt, das sei zwar die Veranlassung, sie überhaupt zu werten, davon hänge aber das Maß dieser Wertung keineswegs ab – wie auch sonst die Nützlichkeit unzähliger Objekte bewirke, daß sie überhaupt einen Marktpreis haben, die Höhe dieses aber von ganz anderen Momenten bestimmt werde; die Nützlichkeit gebe bei solchen Objekten allenfalls eine Grenze an, über die der Preis nicht steigen darf, aber sie könne hier dessen positive Größe nicht erzeugen. Gilt dieser Vergleich, so scheint der Wert des Geldes doch wieder von seinen Funktionen auf seine Substanz zurückgewiesen zu werden. Allein an einem entscheidenden Punkte gilt er eben nicht. Daß eine Lokomotive nur nach ihrem Materialwert und Formungswert bezahlt wird, hängt ausschließlich daran, daß jeder Beliebige Lokomotiven bauen darf, und deshalb die Idee, ohne die Material Arbeitskraft niemals eine Lokomotive ergeben würden, keinen Einfluß auf die Preisbildung besitzt. Sobald es ein Patent auf Lokomotiven gäbe, würde sich in dem erhöhten Preise, den man für sie bewilligte, der Wert zeigen, den sie über die Summe von Materialwert und Arbeitswert hinaus besitzen; sobald die Idee Gemeingut ist, haben ihre Verwirklichungen insoweit keine »Seltenheit«, und erst diese würde ihrer Funktionsbedeutung einen besonderen Ausdruck im Preise verschaffen. Nun aber besteht am Gelde etwas, was dem Patente entspricht: das Prägerecht der Regierungen, das jeden Unlegitimierten die Idee des Geldes zu verwirklichen hindert; auf diesem Monopol der Regierung ruht die »Seltenheit« des Geldes entweder teilweise, wenn es aus Edelmetall besteht, oder völlig, wenn es Papier oder Scheidemünze ist. Ein chinesisches Gesetz drückt im ersteren Falle das Monopol der Regierung dadurch mit charakteristischer Schärfe aus, daß es den Falschmünzer, der aus echtem Metall münzt, schwerer bestraft als den, der es aus minderwertigem tut: weil, so wird dies begründet, er gerade damit in unziemlichere Konkurrenz mit der Regierung träte und in ihre Prärogative tiefer eingriffe, als im letzteren Fall! Wenn jeder Beliebige Geld prägen könnte, so würde sein Wert allerdings auf Materialwert Formwert sinken, – womit denn jenes Monopol mit seinen Vorteilen hinwegfiele. Deshalb ist von ethnologischer Seite bemerkt worden, daß, wo jeder selbst Geld beliebig herstellen kann, wie beim Muschelgeld, die Machtstellung der Reichen und der Häuptlinge sehr leicht erschüttert wird. Umgekehrt hat an dem Privileg des Staates für die Herstellung des Geldes jeder Geldbesitzer pro rata teil – wie der Käufer eines patentierten Gegenstandes an dem Patent des Erfinders. Vermöge des der Zentralgewalt vorbehaltenen Prägerechts, das dem Geld die stete Möglichkeit, wirklich als Geld zu funktionieren, garantiert – gewinnen diese Funktionen nun ihrerseits die Möglichkeit, dem Material- und Formwert des Geldes ein weiteres wirksames Wertquantum hinzuzufügen, oder, wo jene fortfallen, ihm überhaupt einen Wert zu verschaffen. Sehr bezeichnend ist hierfür eine Norm des römischen Rechts, schon aus der republikanischen Zeit. Seit der Einführung der geprägten Münze statt des gewogenen Kupfergeldes haben die Römer darauf gehalten, daß dieselbe rechtlich für ihren konventionellen Wert akzeptiert werde, gleichviel, ob ihr Effektivwert damit stimmte oder nicht. Diese Unabhängigkeit vom Metall aber fordert sogleich die Zusatzbestimmung: Geld sei überhaupt nur eben diese Münze, jede andere sei bloße Ware; nur bei Forderung auf jene kann man mit der strengen Geldschuldklage vorgehen, alle sonstigen Geldschulden sind, wie Warenschulden, nur auf den wirklichen, also durch ihr Nominal als Geld nicht beeinflußten Wert (quanti ea res est) einzuklagen. Das heißt also, der Wert des anderen Geldes war nicht Geldwert, sondern Stoffwert, weil man der legalen Münze die Funktion des Geldes vorbehielt. Eben dadurch erhielt sie den Wert, den die anderen Münzen nur durch ihren Gehalt erreichen konnten, und rechtfertigte es, daß sie unabhängig voll ihrem inneren Werte galt. Wie ein Litermaß wirtschaftlichen Wert hat, nicht weil es Material und Form enthält – denn wenn es nicht durch diese zu einem außerhalb ihrer liegenden Zwecke verwendbar wäre, so würde kein Mensch ihm nachfragen – sondern weil es die Funktion des Messens zweckmäßig erfüllt, so hat auch das Geld seinen Wert im Dienst des Messens und den anderen, die es leistet. Nur daß man diesen auch wieder nur in Geld mit hinreichender Allgemeinheit ausdrücken kann, verhindert, dies so ohne weiteres zu erkennen wie bei dem Litermaß, dessen Wert man in etwas anderem, als es selbst ist, ausdrückt. Die Dienste des Geldes bilden seinen »Gebrauchswert«, der doch in seinem »Tauschwert« irgendwie zum Ausdruck kommen muß; es ist eines der Objekte, in deren »Gebrauchswert«, da er an die Prägung durch die Regierung gebunden ist, der »Seltenheitswert«, den diese Prägung, wie ich zeigte, involviert, zugleich enthalten ist. Die Substanztheorie des Geldes wehrt sich gegen die doch unvermeidliche Erkenntnistendenz, die Bedeutung der Dinge aus ihrem terminus a quo in ihren terminus ad quem zu verlegen: nicht was das Geld ist, sondern wozu es ist, verleiht ihm seinen Wert, so daß, wenn auch ein ursprünglicher Wert des Geldes es zu seinen Funktionen disponiert hat, es seinen Wert dann durch die Ausübung dieser Funktionen erhält und damit auf höherer Stufe zurückgewinnt, was es auf niederer aufgegeben hat.
Wenn nun in den oben geschilderten Entwicklungen das Geld einem Punkte zustrebt, wo es, zum reinen Symbol geworden, ganz in seinen Tausch- und Meßzweck aufginge, so zeigen mannigfache Parallelen die allgemeine geistesgeschichtliche Tendenz, die es in jene Richtung führt. Das Interesse, das wir primärer und unbefangener Weise an den Erscheinungen nehmen, pflegt dieselben als ungeschiedene Ganze zu umfassen: wie sie uns als Einheit von Form und Inhalt entgegentreten, so knüpft sich unser Wertgefühl auch an ihre Form, weil sie die Form dieses Inhalts, an ihren Inhalt, weil er der Inhalt dieser Form ist. Auf höheren Stufen sondern sich diese Elemente, und es wenden sich besondere Schätzungsweisen an die Funktion als bloße Form. Die Mannigfaltigkeit des Inhalts, die von dieser getragen wird, erscheint ihr gegenüber oft irrelevant. So schätzen wir z. B. die religiöse Stimmung, unter Gleichgültigkeit gegen ihren dogmatischen Inhalt. Daß diese bestimmte Erhebung, Spannung und Versöhnung der Seele überhaupt vorhanden sei, die, als ein Allgemeines, die unendliche Verschiedenheit der historischen Glaubensinhalte trägt, – empfinden wir als wertvoll. So flößt uns die Kraftbewährung als solche oft einen Respekt ein, den wir ihren Ergebnissen versagen müssen. So wendet sich das verfeinerte ästhetische Interesse immer mehr dem zu, was am Kunstwerk bloß Kunst ist, der Kunstform im weitesten Sinne, unter wachsender Gleichgültigkeit gegen seine Materie, d. h. gegen seinen Vorwurf und gegen die ursprünglichen Gefühle, in deren Sublimierung und Objektivierung erst die eigentlich ästhetische Funktion, in Produktion wie Konsumtion, verläuft. So empfinden wir die Erkenntnis als wertvoll, rein als die formale Funktion des Geistes, die Welt in sich zu spiegeln, und insoweit gleichgültig dagegen, ob die Gegenstände und Resultate des Erkennens erfreuliche oder unerfreuliche, verwertbare oder rein ideelle sind. Diese Differenzierung der Wertgefühle hat nun eine weitere bemerkenswerte Seite. Die ganze Entwicklung des modernen naturalistischen Geistes geht auf die Entthronung der Allgemeinbegriffe und die Betonung des Einzelnen als des allein legitimen Vorstellungsinhaltes. In der Theorie wie in der Praxis des Lebens wird das Allgemeine als bloß Abstraktes behandelt, das seine Bedeutung nur an seinem Stoffe, d. h. an greifbaren Einzelheiten finden kann; indem man sich über diese erhebt, glaubt man ins Leere zu fallen. Dennoch aber ist das Gefühl für die Bedeutsamkeit des Allgemeinen, das einst in Plato seinen Höhepunkt erreichte, nicht verschwunden, und eine völlig befriedigende Stellung zur Welt würden wir erst gewinnen, wenn jeder Punkt unseres Bildes von ihr die stoffliche Realität des Singulären mit der Tiefe und Weite des Formal-Allgemeinen versöhnte. So ist der Historismus und die soziale Weltanschauung ein Versuch, das Allgemeine zu bejahen und doch seine Abstraktheit zu verneinen: ein Erheben über das Einzelne, ein Ableiten des Einzelnen aus einem Allgemeinen, das doch volle und gediegene Wirklichkeit besitzt; denn die Gesellschaft ist das Allgemeine, das nicht abstrakt ist. In dieser Richtung liegt nun auch jene Wertung der Funktion in ihrer Sonderung vom Inhalte. Die Funktion ist das Allgemeine gegenüber dem speziellen Zweck, dem sie dient: das religiöse Gefühl ist das Allgemeine gegenüber seinem Glaubensinhalte, das Erkennen das Allgemeine gegenüber seinen einzelnen Objekten, jede Kraft überhaupt das Allgemeine gegenüber den speziellen Aufgaben, zu deren Mannigfaltigkeit sie sich als die immer gleiche verhält – gleichsam eine Form und Fassung, die die verschiedenartigsten Stoffe aufnimmt. An dieser Entwicklungstendenz scheint das Geld teilzunehmen, wenn das daran geknüpfte Wertgefühl sich von seinem Stoffe unabhängig macht und auf seine Funktion übergeht, die ein Allgemeines und doch kein Abstraktes ist. Die Schätzung, welche anfangs den in bestimmter Weise funktionierenden Stoff als Einheit betraf, differenziert sich, und während das Edelmetall als solches immer weiter geschätzt wird, gewinnt nun auch seine Funktion, die jedem ihrer stofflichen Träger gegenüber ein Überindividuelles ist, eine besondere und selbständige Wertung. Daß das Geld Tausche vermittelt und Werte mißt, ist gleichsam die Form, in der es für uns existiert; indem das Metall diese Form annimmt, wird es Geld – wie Vorstellungen über das Überirdische zur Religion werden, indem die religiöse Gefühlsfunktion sie aufnimmt, und wie der Marmorblock zum Kunstwerk wird, wenn die künstlerische Produktivität ihm die Form verleiht, die nichts anderes als eben diese Funktion in räumlichem Festgewordensein ist. Die Verfeinerung des Wertempfindens löst dies ursprüngliche Ineinander und läßt die Form oder Funktion sich zu einem selbständigen Werte für uns entwickeln. Gewiß muß auch dieser Wert des Geldes einen Träger haben; aber das Entscheidende ist, daß er nicht mehr aus seinem Träger quillt, sondern umgekehrt der Träger das ganz Sekundäre ist, auf dessen an sich seiende Beschaffenheit es nur noch aus technischen, jenseits des Wertempfindens liegenden Gründen ankommt.