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Unter den Bewegungen des Lebens, insbesondere soweit sie sich an äußere Gegenstände heften, pflegt man entweder das Erwerben, in dessen weiteren Sinn ich hier die Arbeit einbeziehe, oder das Genießen der Dinge zu verstehen. Das Besitzen ihrer erscheint dagegen nicht als Bewegung, sondern als ein ruhender, gleichsam substanzieller Zustand, zu jenen anderen sich verhaltend, wie das Sein zum Werden. Im Gegensatz dazu glaube ich, daß man auch das Besitzen als ein Tun bezeichnen muß, wenn man die ganze Tiefe und Breite seiner Bedeutung ergreifen will. Es ist eine falsche Gewöhnung, den Besitz als etwas passiv Hingenommenes zu betrachten, als das unbedingt nachgiebige Objekt, das, soweit es eben Besitz ist, keine Betätigung unsererseits mehr erfordert. Nur in das Reich des Ethischen, d. h. der frommen Wünsche, hat sich jene im Reiche des Seins verkannte Tatsache geflüchtet, wenn wir es als Ermahnung hören, daß wir erwerben sollen, was wir besitzen wollen, daß jeder Besitz zugleich Pflicht sei, daß man mit seinem Pfunde wuchern solle usw. Höchstens gibt man zu, daß man mit dem Besitze weiterhin etwas anzufangen habe, allein an und für sich sei er etwas Ruhendes, sei er der Endpunkt, vielleicht auch der Ausgangspunkt einer Aktion, aber nicht selbst Aktion. Sieht man näher zu, so zeigt sich dieser passivistische Eigentumsbegriff als eine Fiktion; was in gewissen primitiveren Verhältnissen besonders nachdrücklich hervortritt. Im alten Nord-Peru und ebenso im alten Mexiko war die Bearbeitung der – jährlich aufgeteilten – Felder eine gemeinsame; der Ertrag aber war individueller Besitz. Nicht nur aber durfte niemand seinen Anteil verkaufen oder verschenken, sondern, wenn er freiwillig verreiste und nicht zur Bebauung seines Feldes zurückkehrte, so ging er seines Anteils überhaupt verlustig. Ganz ebenso bedeutete in den alten deutschen Marken der Besitz eines Stückes Land für sich selbst noch nicht, daß man auch wirklicher Markgenosse war: dazu mußte man den Besitz auch wirklich selbst bebauen, mußte, wie es in den Weistümern heißt, dort selbst Wasser und Weide genießen und seinen eigenen Rauch haben. Der Besitz, der nicht irgendein Tun ist, ist eine bloße Abstraktion: der Besitz als der Indifferenzpunkt zwischen der Bewegung, die zu ihm hin, und der Bewegung, die über ihn fortführt, schrumpft auf Null zusammen; jener ruhende Eigentumsbegriff ist nichts als das in latenten Zustand übergeführte aktive Genießen oder Behandeln des Objektes und die Garantie dafür, daß man es jederzeit genießen oder etwas mit ihm tun kann. Das Kind will jeden Gegenstand, der seine Aufmerksamkeit erregt, »haben«, man soll ihn ihm »schenken«. Das bedeutet aber nur, daß es im Augenblick etwas damit anfangen, oft nur, es genau besehen und betasten will. Ebensowenig hat der Eigentumsbegriff niederer Völker die Dauer, ja, die prinzipielle Ewigkeit des unsrigen zum Kennzeichen, er enthält nur eine momentane Beziehung von Genuß und Aktion mit dem Dinge, das oft im nächsten Augenblick mit der größten Gleichgültigkeit verschenkt oder verloren wird. So ist der Besitz in seiner ursprünglichen Form vielmehr labil als stabil. Jede höhere Besitzform entwickelt sich daraus als bloß graduelle Steigerung der Dauer, Sicherheit, Stetigkeit der Beziehung zu dem Dinge, die bloße Momentaneität derselben verwandelt sich in eine beharrende Möglichkeit, in jedem Augenblick auf sie zurückzugreifen, ohne daß doch der Inhalt und die Realisierung derselben anderes oder mehr als eine Reihenfolge einzelner Vornahmen oder Fruktifizierungen bedeutete. Die Vorstellung, als sei der Besitz etwas qualitativ Neues und Substanzielles gegenüber den einzelnen Verfügungsakten über die Dinge, gehört in jene Kategorie typischer Irrtümer, die z. B. in der Geschichte des Kausalitätsbegriffes so wichtig geworden ist. Nachdem Hume darauf aufmerksam gemacht hatte, daß jene sachlich notwendige Verbindung, die wir als Ursache und Wirkung bezeichnen, niemals konstatierbar sei, daß das erfahrbare Wirkliche daran vielmehr nur die zeitliche Folge zweier Ereignisse sei, schien nachher Kant die Festigkeit unseres Weltbildes durch den Nachweis zu retten, daß die bloße sinnliche Wahrnehmung einer zeitlichen Folge noch gar nicht Erfahrung sei, diese vielmehr auch in dem Sinn des Empiristen eine wirkliche Objektivität und Notwendigkeit des kausalen Erfolgens voraussetzte. Mit anderen Worten, während dort die Erkenntnis auf bloß subjektive und einzelne Eindrücke beschränkt werden sollte, wurde hier die objektive Gültigkeit unseres Wissens nachgewiesen, die sich ganz über den einzelnen Fall und über das einzelne vorstellende Subjekt erhebt – gerade wie sich das Eigentum jenseits der einzelnen Nutznießung stellt. Es handelt sich hier um eine Anwendung eben derselben Kategorie, durch die wir im ersten Kapitel das Wesen des objektiven Wertes festzustellen suchten. Oberhalb der einzelnen Inhalte unseres Bewußtseins: der Vorstellungen, Willensimpulse, Gefühle, steht ein Bezirk von Objekten, mit deren Bewußtsein der Gedanke mitschwebt, sie hätten eine dauernde, sachliche, jenseits aller Singularität und Zufälligkeit ihres Vorgestelltwerdens stehende Gültigkeit. Die beharrende Substanz der Dinge und die gesetzmäßige Ordnung ihrer Schicksale, der beständige Charakter der Menschen und die Normen der Sittlichkeit, die Forderungen des Rechtes und der religiöse Sinn des Weltganzen – alles dies hat eine sozusagen ideelle Existenz und Gültigkeit, die sprachlich nicht anders zu bezeichnen ist als durch die Unabhängigkeit von den einzelnen Vorgängen, in denen jene Substanz und Gesetzlichkeit sich darstellt oder in denen jenen Forderungen und Normen genügt oder nicht genügt wird. Wie wir den beharrenden Charakter einer Person von den einzelnen Handlungen unterscheiden, in denen er sich ausprägt oder die ihm auch widersprechen, so besteht etwa der sittliche Imperativ in ganz ungebrochener Würde, ob ihm im Empirischen gehorcht wird oder nicht; wie der geometrische Satz gilt, unabhängig von den einzelnen Figuren, die ihn genau oder ungenau repräsentieren, so bestehen die Stoffe und Kräfte des Weltganzen, gleichviel welche Teile davon das menschliche Vorstellen abwechselnd für sich herauslöst.
Gewiß muß die Erkenntnistheorie das ewige Naturgesetz von der zeitlichen Summe seiner Verwirklichungen unterscheiden; allein ich sehe nicht ein, was es innerhalb der Praxis des Erkennens noch außer der Bestimmung jeder überhaupt je eintretenden einzelnen Verwirklichung leisten soll. Gewiß ist der objektive Gegenstand im gleichen Sinn zu unterscheiden von den subjektiven Wahrnehmungen, in denen er sich darstellt; allein seine Bedeutung besteht doch nur darin, jede überhaupt mögliche Wahrnehmung seiner eindeutig zu bestimmen; gewiß steht die sittliche Norm jenseits der einzelnen Handlungen, auf die sie positive oder negative Anwendung findet, aber sie hat doch nur den Sinn, jeder dergleichen Handlung ihren Wert zu bestimmen, und wenn es überhaupt keine Einzelhandlungen gäbe noch geben könnte, mit denen sie sich berührt, so würde ihre reale Bedeutung gleich Null sein. Kurz, wovon die Kategorie jener Substanzen und Werte sich allerdings generell unterscheidet, ist jeder Einzelfall als solcher und die noch so große relative Summe der Einzelfälle; ihre absolute Summe aber ist ihr restloses Äquivalent, sie sind, von ihrem metaphysischen Sinne abgesehen, nur der abgekürzte Ausdruck für die Totalität der einzelnen Ereignisse, Vorstellungen, Aktionen. Und daran darf man sich nicht durch die Tatsache irre machen lassen, daß allerdings keine empirische Reihe von Einzelheiten – als welche immer unvollständig und relativ ist – die Inhalte jener Kategorien deckt oder erschöpft.
Dies ist nun die Formel, in die der Eigentumsbegriff sich einstellt. Gewiß ist das Eigentum begrifflich und juristisch von den einzelnen Rechten und Nutznießungen an der Sache zu unterscheiden. Und was jemand mit seinem Eigentum vornehmen wird, läßt sich niemals von vornherein so bestimmen, daß man sagen könnte: diese Summe von Aktion und Genuß decke sich mit seinem Eigentum an der Sache. Allein die Gesamtheit der überhaupt möglichen und je wirklichen Benutzung deckt sich doch damit. So sehr sich die iura in re aliena von dem Eigentum unterscheiden mögen, so ist doch inhaltlich zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied: in etwas anderem als einer Summe von Rechten über das Objekt kann kein Eigentum bestehen; selbst ein so einheitlich und geschlossen erscheinender Besitz wie der römische Prinzipat ist rechtshistorisch der Eintritt in eine Reihe auf verschiedene Weise erworbener Ämter, gerade wie, daß der Gutsherr den untertänigen Bauern als »Eigentum« besaß, doch nur die Summiertheit einzelner, allmählich angewachsener Rechte über ihn bedeutete. Nur daß das Eigentum nicht eine relative, sondern prinzipiell die absolute Summe der Rechte an der Sache ausdrückt und garantiert. Eben deshalb hat das Eigentum als Wirklichkeit, wenn auch nicht als begriffliche Abstraktion, die Aktion des Eigentümers zum notwendigen Korrelat. Nur in der ideellen Nachwirkung der Prozesse, die zu ihm führten, und in der ideellen Vorwegnahme künftigen Genießens oder Verwertens besteht der ruhende Besitz; zieht man diese Erscheinungen, die man fälschlich für nur begleitende anzusehen pflegt, von ihm ab, so bleibt nichts von ihm übrig.
Nun aber sind die wechselnden Arten dieser subjektiven Bewegung, die Besitz heißt, in irgendeinem Maße von der Eigenart des Objekts abhängig, an dem sie sich vollzieht; das Geld aber ist dasjenige Besitzobjekt, bei dem diese Abhängigkeit die geringste ist. Erwerb und Fruktifizierung von Besitzobjekten, die nicht Geld sind, ist von bestimmten Kräften, spezifischen Eigenschaften und Bemühungen abhängig. Daraus ergibt sich aber unmittelbar, daß umgekehrt der eigenartige Besitz auch auf die Qualität und Betätigung des Besitzers Einfluß üben muß. Wer ein Landgut oder eine Fabrik besitzt, soweit er den Betrieb nicht anderen überläßt und ausschließlich Rentenempfänger ist; wer als zentrales Besitzstück eine Gemäldegalerie oder einen Rennstall besitzt, der ist in seinem Sein nicht mehr vollkommen frei; und das bedeutet nicht nur, daß seine Zeit in einem bestimmten Maß und Art beansprucht ist, sondern vor allem, daß eine bestimmte Qualifikation seiner dazu vorausgesetzt wird. Der spezifische Sachbesitz enthält gleichsam eine rückwärts gewendete Prädestination; der Besitz von Verschiedenem ist ein verschiedenes Besitzen, sobald nicht nur der juristische Sinn des Eigentums in Frage steht. Der Besitz eines besonders charakterisierten Objektes, der mehr als jenen abstrakten Eigentumsbegriff bedeuten will, ist nichts, was jeder Persönlichkeit ohne weiteres und wie von außen angeheftet werden könnte: er besteht vielmehr aus einer Wechselwirkung zwischen den Kräften oder Qualitäten des Subjekts und denen des Objekts, und diese Wechselwirkung kann nur bei einem bestimmten Verhältnis beider, d. h. bei einer bestimmten Qualifikation auch des Subjektes entstehen. Es ist nur der Revers dieser Überlegung, daß die Wirkung des Besitzes auf den Besitzer diesen bestimmt. Wie der Besitz besonderer Objekte um so mehr ein echter und aktiver ist, je entschiedener und unzweideutiger das Subjekt dafür veranlagt ist, so umgekehrt: je gründlicher und eindringlicher der Besitz wirklich besessen, d. h. fruchtbar gemacht und genossen wird, um so entschiednere und determinierendere Wirkungen wird er auf das innere und das äußere Wesen des Subjekts ausüben. So geht eine Kette vom Sein zum Haben und vom Haben zurück zum Sein. Die Marxische Frage, ob das Bewußtsein der Menschen ihr Sein oder ihr Sein ihr Bewußtsein bestimme, findet für ein Teilgebiet hier ihre Antwort: denn unter das Sein im Sinne von Marx gehört das Haben der Menschen. Diese eigentümliche Verbindung aber, vermittels deren der Mensch durch eine spezifische Anlage auf einen bestimmten Besitz hingewiesen, durch diesen Besitz aber andrerseits in seinem Wesen bestimmt wird, ist straffer oder loser je nach dem Objekt, das ihren Drehpunkt bildet. Bei Gegenständen von rein ästhetischer Bedeutung, ökonomischen Werten von sehr arbeitsteiliger Bestimmtheit, Objekten von schwieriger Zugängigkeit und Verwertbarkeit wird jene Verbindung eine sehr stringente sein, und sie wird sich durch die Skala immer geringerer spezifischer Bestimmtheit der Objekte hindurch mehr und mehr lockern, bis sie schließlich beim Gelde ganz auseinanderzufallen scheint.
Die Unabhängigkeit des Seins vom Haben und des Habens vom Sein, die das Geld zuwege bringt, zeigt sich zunächst an seinem Erwerb. Denn vermöge des abstrakten Wesens des Geldes münden alle möglichen Anlagen und Betätigungen in ihm. Wie alle Wege nach Rom führen – indem Rom als die oberhalb jedes lokalen Interesses gelegene und im Hintergrunde jeder Einzelaktion stehende Instanz gedacht wird – so führen alle ökonomischen Wege auf Geld; und wie deshalb Irenäus Rom das Kompendium der Welt nannte, so Spinoza das Geld omnium rerum compendium. Es ist mindestens das immer gleiche Nebenprodukt aller noch so ungleichen Produktionen. Das Geld hat die Eigentümlichkeit, daß es durch die Tüchtigkeit in der Behandlung anderer Dinge erworben wird. Viel Bodenfrüchte werden durch die Tüchtigkeit des Landwirts, viel Stiefel durch den Fleiß des Schuhmachers gewonnen, viel Geld aber durch die Tüchtigkeit in jedweder besonderen Tätigkeit. Zu seinem Gewinn bedarf es deshalb nicht jener speziellen Anlagen, die den Erwerb anderer Objekte sonst an das Sein des Subjekts knüpft. Es gibt allerdings Persönlichkeiten, die für die Behandlung der Geldseite alles Verkehrs besondere Begabung zeigen; allein da der Erfolg des wirtschaftlichen Verkehrs überhaupt sich jetzt in Geld ausdrückt, so wird sehr häufig allgemeine kaufmännische Beanlagung sich als Talent zum Geldverdienen darstellen. Umgekehrt aber wird die oben vorgetragene Deutung gerade dadurch bestärkt, daß gewisse Persönlichkeiten durch ihren Mangel an Verständnis für alles Geldwesen auffallen. Daß derartige Personen sich so charakteristisch abheben – ganz anders als solche, die etwa kein Talent für Landwirtschaft oder für literarische oder für technische Aufgaben haben – beweist gerade, daß der Gewinn von Geld an einen viel weiteren Kreis von Qualitäten appelliert, als der jedes anderen Wertes. Dadurch, daß das Geld seinen Ursprung, d. h. die spezifische Tätigkeit, durch die es, nicht nur im ökonomischen, sondern auch im moralischen Sinne des Wortes »verdient« wird, völlig abstreift, erklärt es sich, daß der Genuß auch des wohlverdientesten Vermögens leicht etwas Protziges hat und in dem Proletarier ein Haßgefühl erzeugt, wie es aus andern Prärogativen – aus Geburt, Amt, Überlegenheit – nicht entspringt, falls nicht noch erschwerende, verbitternde Momente zu diesen hinzutreten.
Andrerseits mag sich eine entsprechende Ausnahme auf den höchsten Höhen der Geldwirtschaft beobachten lassen. An den Transaktionen des großen Finanziers oder Spekulanten kann der Kenner vielleicht die »Hand« der bestimmten Persönlichkeit erkennen, einen eigenen Stil und Rhythmus, der die Unternehmungen des einen von denen des anderen charakteristisch unterscheidet. Allein hier kommt erstens in Betracht, was noch an anderen Erscheinungen nachzuweisen sein wird, daß der bloße Quantitätscharakter des Geldes bei außerordentlich hohen Summen allerdings einer Nuance qualitativer Eigenheit Platz macht. Die Indifferenz, Abgeschliffenheit und Banalität, die das Los des fortwährend kursierenden Geldes bilden, reichen nicht in gleichem Maße an die seltenen und auffälligen Konzentrierungen ungeheurer Geldmittel in einer einzigen Hand heran. Als das Wesentliche kommt hier hinzu, daß das Geld überhaupt in spezifischen »Geldgeschäften« ein ganz besonderes Wesen annimmt, d. h., wenn es nicht als Tauschmittel in bezug auf andere Objekte, sondern als zentraler Inhalt, als für jetzt nicht über sich hinausweisendes Objekt der Transaktion fungiert. In dem reinen zweiseitigen Finanzgeschäft ist das Geld nicht nur in dem Sinne Selbstzweck, daß es ein zu einem solchen ausgewachsenes Mittel wäre, sondern es ist von vornherein das auf nichts anderes hinweisende Interessenzentrum, das also auch ganz eigene Normen ausbildet, gleichsam ganz autochthone Qualitäten entfaltet und eine nur von diesen abhängige Technik erzeugt. Unter diesen Umständen, wo es wirklich eine eigene Färbung und eigentümliche Qualifikation besitzt, kann sich in der Gebarung mit ihm viel eher eine Persönlichkeit ausdrücken, als wenn es das an sich farblose Mittel zu schließlich anders gearteten Zwecken ist. Vor allem: es gelangt in diesem Falle, wie erwähnt, zu einer ganz eigenartigen und tatsächlich sehr ausgebildeten Technik; und allenthalben ermöglicht nur eine solche den individuellen Stil der Persönlichkeit. Nur wo die Erscheinungen einer bestimmten Kategorie in solcher Fülle und inneren Abgeschlossenheit auftreten, daß eine besondere Technik zu ihrer Bewältigung erwächst, wird das Material eben durch diese so geschmeidig und bildsam, daß der Einzelne in der Handhabung desselben einen eigenen Stil zum Ausdruck bringen kann.
Die besonderen Bedingungen dieser Fälle, in denen zwischen dem Geld und der Persönlichkeit ein spezifisches Verhältnis aufwächst, lassen nicht zu, dieselben als Widerlegungen seiner behaupteten Funktion: Haben und Sein voneinander zu trennen – aufzufassen. Diese Funktion stellt sich nun, insbesondere von der Seite der Verwendung her, noch folgendermaßen dar. Wir hatten gesehen: was das Eigentum von der momentanen Nutznießung unterscheidet, ist die Garantie dafür, daß die Nutznießung in jedem Augenblick und nach jeder Richtung hin erfolgen kann. Die Tatsache des Eigentums einer Sache ist gleich der vollständigen Summe alles Benutzens und Genießens ihrer. Die Form, in der diese Tatsache in jedem einzelnen Augenblick uns gegenwärtig wird, ist eben die Gewährleistung aller künftigen Nutznießungen, die Sicherheit, daß kein Anderer ohne den Willen des Eigentümers dieses Objekt wird benutzen und genießen können! Solche Sicherheit nun wird in einem vorrechtlichen Zustande – ebenso natürlich in denjenigen Sphären kultivierter Zustände, die keiner direkten rechtlichen Regelung unterliegen – nur durch die Kraft des Eigentümers, sein Eigentum zu schützen, gegeben. Sobald diese erlahmt, kann er Andere nicht mehr von dem Genuß seines bisherigen Eigentums ausschließen, und dieses wird ohne weiteres an einen Anderen übergehen, dem es gleichfalls so lange verbleibt, wie seine Kraft ausreicht, ihm die Ausschließlichkeit der Nutzungen des Objekts zu garantieren. Im rechtlichen Zustande bedarf es dieser persönlichen Kraft nicht mehr, indem die Gesamtheit dem Eigentümer den dauernden Besitz seines Eigentums und die Ausschließung aller Anderen davon sichert. Eigentum, so könnte man in diesem Falle sagen, sei die sozial garantierte Potenzialität der vollständigen Nutznießungen eines Objekts. Dieser Eigentumsbegriff nun erfährt gewissermaßen eine Steigerung, sobald er sich am Gelde verwirklicht. Denn indem jemand Geld besitzt, ist ihm durch die Verfassung des Gemeinwesens nicht nur der Besitz desselben, sondern eben damit der Besitz sehr vieler anderer Dinge zugesichert. Wenn jedes Eigentum an einer Sache nur die Möglichkeit derjenigen bestimmten Nutznießung bedeutet, die die Natur dieser Sache gestattet, so bedeutet Eigentum an Geld die Möglichkeit der Nutznießung unbestimmt vieler Sachen. In Bezug auf alles andere kann die öffentliche Ordnung dem Besitzer nichts anderes gewährleisten, als was die besondere Art des Objekts mit sich bringt: dem Landeigentümer, daß niemand außer ihm von seinem Felde Früchte gewinnen darf, daß er allein es bebauen oder brachliegen lassen darf, dem Waldbesitzer, daß er das Holz schlagen und das Wild jagen darf usw.; indem sie aber Geld prägt, garantiert sie damit dem Besitzer desselben, daß er für sein Geld Getreide, Holz, Wild usw. sich aneignen kann. Das Geld erzeugt so eine höhere Potenz des allgemeinen Eigentumsbegriffes; eine solche, in der schon durch die Rechtsverfassung der spezifische Charakter jedes sonstigen Sachbesitzes aufgelöst und das geldbesitzende Individuum einer Unendlichkeit von Objekten gegenübergestellt wird, deren Genuß ihm gleichmäßig durch die öffentliche Ordnung garantiert ist: es legt also von sich aus nicht seine weitere Ausnutzung und Fruktifizierung fest, wie einseitig bestimmte Objekte es tun. Vom Geldbesitz gilt absolut nicht, was man von Staaten gesagt hat: daß sie nur durch dieselben Mittel erhalten werden, durch die sie gegründet sind – was doch von so vielen anderen Besitzen, namentlich geistigen, aber auch sogar von vielfachem durch Geld erworbenem Besitz gilt, der ausschließlich durch dasselbe Interesse an der Sache erhalten werden kann, das zu seinem Erwerbe führte. Die völlige Unabhängigkeit des Geldes von seiner Genesis, sein eminent unhistorischer Charakter spiegelt sich nach vorwärts in der absoluten Unbestimmtheit seiner Verwendung. Darum empfinden wir als ganz unbegründet und verschroben die Vorstellung einer personalen Bedeutung seiner, wie sie das kirchliche Zinsverbot erzeugte: ein Kaufmann, sogar noch im 16. Jahrhundert, sah es zwar für eine Sünde an, mit eigenem Gelde zu wuchern, aber nicht, es mit fremdem, geborgtem zu tun. Dieser Unterschied scheint allerdings nur dann möglich zu sein, wenn es überhaupt eine innere ethische Beziehung zwischen dem Geld und der Persönlichkeit gibt. Aber die Unmöglichkeit, ihn nachzuempfinden, beweist den Mangel dieser Beziehung. Und wo eine solche dennoch stattfindet, da knüpft sie sich eben nicht an das Geld überhaupt, sondern nur an Unterschiede seiner Quantität. Gewiß wird die Wirkung auch anderer Besitztümer auf den Besitzer und seine Wirkung auf jene eine verschiedene sein je nach ihrem in Frage kommenden Quantum; z. B. beim Grund und Boden der Unterschied zwischen bäuerlichem und Großgrundbesitz. Es bleibt aber selbst hier eine gewisse Gleichheit der Interessen und erforderten Beanlagung, durch welche sich die Qualität des Besitzes als das Band zwischen dem Haben und dem Sein des Besitzers erweist. Wo aber zwischen dem Menschen und dem Geldbesitz eine bestimmende Verbindung besteht, da ist es eben die reine Quantität des Geldes, die als charakteristische Ursache oder Folge auftritt; während bei anderen Besitzen gerade die bloße Qualität schon mit gewissen personalen Ursachen oder Folgen verbunden zu sein pflegt. So gibt etwa erst der Besitz eines ganz enormen Geldvermögens dem Leben von sich aus eine bestimmende Richtung, der sich der Reiche allerdings schwer entziehen kann. Es sind nur ganz spärliche und diffizile Erscheinungen, die sonst die Persönlichkeit in einem unmittelbaren Verhältnis zum Gelde zeigen. Man pflegt z. B. zu sagen, in jedem Menschen stecke ein Geiziger und ein Verschwender; das bedeutet, daß von der rein durchschnittlichen Art, mit der ein Kulturkreis sein Einkommen verwendet, jedes Individuum sowohl nach oben wie nach unten abweicht; fast unvermeidlich allerdings muß es dem Einzelnen von seinem subjektiven Empfinden der Werte aus scheinen, als ob jeder Andere für bestimmte Dinge zu viel oder zu wenig ausgäbe. Der auf der Hand liegende Grund: die Verschiedenheit in der Schätzung der konkreten, mit Geld zu bezahlenden Dinge, ist nicht der einzige; neben ihm steht vielmehr die individuelle Art, wie sich der Einzelne zum Gelde als solchem stellt: ob jemand leicht ein erheblicheres Geld auf einmal aufwendet oder ob er vielerlei kleinere Ausgaben zu machen vorzieht; ob der Gewinn einer größeren Summe ihn zur Verschwendung oder gerade zu doppelter Sparsamkeit anregt; ob er beim Geldausgeben leicht auf die schiefe Ebene gerät und jede Ausgabe die nächste psychologisch erleichtert, oder ob jede gleichsam eine innere Obstruktion hinterläßt, so daß selbst die gerechtfertigte Ausgabe jetzt nur zögernd erfolgt. Das alles sind individuelle Differenzen, die in die Tiefen der Persönlichkeit hinabreichen, aber erst innerhalb der Geldwirtschaft so prägnant oder überhaupt in die Erscheinung treten. Indes ist doch auch hier das Material für diese Äußerung die bloße Quantität; diese ganzen, für das Individuum so bezeichnenden Unterschiede der Geldgebarung kommen doch auf solche des Mehr oder Weniger hinaus, ganz im Gegensatz zu den Unterschieden zwischen den Persönlichkeiten, die sich in ihrem sonstigen Verfahren mit Dingen und Menschen finden. Im allgemeinen wird es also dabei bleiben, daß jeder andere Besitz viel bestimmtere Forderungen an das Individuum stellt und viel bestimmtere Wirkungen auf dasselbe ausübt, somit als eine Determination oder Fesselung desselben erscheint; erst der Geldbesitz gibt, wenigstens unterhalb einer sehr hoch gesteckten und sehr selten erreichten Grenze, nach beiden Seiten hin volle Freiheit.
Darum hat auch erst die Geldwirtschaft die Herausbildung derjenigen Berufsklassen ermöglicht, deren Produktivität sich inhaltlich ganz jenseits jeder wirtschaftlichen Bewegung stellt – die der spezifisch geistigen Tätigkeiten, der Lehrer und Literaten, der Künstler und Ärzte, der Gelehrten und Regierungsbeamten. Solange Naturalwirtschaft herrscht, erlangen diese überhaupt nur geringen Umfang und nur auf der Basis des Großgrundbesitzes, weshalb denn auch im Mittelalter die Kirche und, nach manchen Seiten hin, das Rittertum das geistige Leben trugen. Die bezeichnete Kategorie von Menschen erhält ihren Rang durch die Strenge der Frage, von der der ganze Wert ihrer Persönlichkeiten abhängt: ob sie sich oder ob sie die Sache suchen. Wo die erwerbende Tätigkeit prinzipiell kein Motiv außerhalb des Erwerbes selbst einzusetzen hat, fällt dieses Kriterium ganz fort und wird höchstens durch die Alternative zwischen rücksichtslosem Egoismus und anständiger Gesinnung – die aber hier wesentlich prohibitiv wirkt – ersetzt. Das Eigentümliche ist, daß das Geld, obgleich, oder vielmehr weil es der sublimierteste Wirtschaftswert ist, uns von der wirtschaftlichen Seite der Dinge am vollständigsten erlösen kann – freilich um den Preis, uns den Betätigungen, die ihren Sinn nicht in ihrem wirtschaftlichen Erfolge haben, mit jener unerbittlichen Frage gegenüberzustellen. Wie aber die der höheren Entwicklung eigene Differenzierung der Lebenselemente allenthalben bewirkt, daß sie als verselbständigte dann wiederum neue Synthesen bilden, so zeigt sich schon hier das später Auszuführende, daß die geldmäßige Fremdheit zwischen dem Besitz und dem Kern der Persönlichkeit doch einer neuen Bedeutung des einen für das andere Raum gibt.
Denn das Wirken des Künstlers, des Beamten, des Predigers, des Lehrers, des Forschers mißt sich, seinem sachlichen Inhalt nach, zwar an einem objektiven Ideale und schafft nach der an diesem festgestellten Höhe die subjektive Befriedigung des Leistenden. Neben dem aber steht der wirtschaftliche Erfolg jener Tätigkeiten, der bekanntlich nicht immer eine stetige Funktion des sachlichen oder idealen ist. Und jener kann sich nicht nur, bei den niedrigsten Naturen, so in den Vordergrund drängen, daß er den anderen zu einem Mittel degradiert; sondern selbst für feinere und der Sache lebende Menschen kann in dem Gelingen der Leistung nach der ökonomischen Seite hin ein Trost, Ersatz, Rettung für die gefühlte Unzulänglichkeit nach der Seite des Haupterfolges hin liegen; zum mindesten etwas wie ein Ausruhen und eine momentane Verpflanzung des Interesses, die der Hauptsache schließlich gewachsene Kräfte zuführt. Viel schwieriger, klippenreicher ist das Los dessen, der mit seiner Leistung nicht zugleich Geld verdient, sondern diese aus schließlich an der Sache und ihren inneren Anforderungen messen darf. Ihm fehlt jene wohltätige Ableitung und Tröstung durch den Gedanken, wenigstens im wirtschaftlichen Sinne das Seinige getan und die Anerkennung dafür empfangen zu haben; er sieht sich ganz anders als jener vor ein: Alles oder Nichts – gestellt und muß über sich selbst nach einem Gesetzbuch richten, das keine mildernden Umstände kennt. So gleicht sich die Begünstigung derer aus, die darum beneidet werden, daß sie »nicht aufs Geld zu sehen brauchen«, nur der Sache leben können. Sie müssen das damit bezahlen, daß über den Wert ihres Tuns jetzt nur ein einziger Erfolg entscheidet, bei dessen Verfehlen sie nicht den wie auch geringen Trost haben, daß wenigstens ein greifbarer Nebenerfolg geglückt ist. Daß dieser gerade in der Form des verdienten Geldes auftritt, erleichtert ihm außerordentlich das Gewinnen solcher Bedeutung. Es wird darin erstens in der unzweideutigsten Form ausgewiesen, daß die Leistung, trotz ihres Zurückbleibens hinter dem eigenen oder dem sachlichen Endwerte, doch für andere Menschen etwas wert sein muß; ferner macht die Struktur des Geldes es so besonders geeignet, als relativ befriedigender Ersatz für einen ausgebliebenen idealen Haupterfolg zu funktionieren, weil es durch seine Greifbarkeit und nüchtern quantitative Bestimmtheit einen gewissen Halt und psychische Erlösung gegenüber dem Schwanken und Fließen qualitativer Lebenswerte gewährt, insbesondere wenn diese sich erst im Zustande des Erobertwerdens befinden; endlich wird durch die völlige innere Fremdheit des Geldes gegen die idealen Werte einer Verwirrung des Wertempfindens, die für feinere Naturen höchst beängstigend sein müßte, vorgebeugt, die beiden Erfolge bleiben in unbedingter Getrenntheit bestehen, der eine kann wohl einmal eine gewisse innere Bedeutung erlangen, wenn die des anderen versagt, aber sich doch nicht mit dieser mischen. So gelingt es dem Gelde, nachdem es durch die Scheidung von Haben und Sein die rein geistigen Berufe geschaffen hat, durch neue Synthese des Differenzierten, die Produktion rein geistiger Werte sozusagen nicht nur auf der absoluten, sondern auch auf den relativen Stufen – dort, wo man der Unbedingtheit jener Entscheidung nicht gewachsen ist – zu tragen.
Eben durch jene fundamentale Scheidung hilft die Geldwirtschaft einen der Betrachtung nicht unwerten Begriff der Freiheit zu verwirklichen. Die Unfreiheit des Menschen ist damit, daß er von äußeren Mächten abhängig ist, doch erst ganz oberflächlich bezeichnet. Diese äußere Abhängigkeit findet ihr Gegenbild in jenen inneren Verhältnissen, die ein Interesse oder ein Tun der Seele mit anderen so eng verflechten, daß die selbständige Bewegung und Entwicklung desselben verhindert wird. Die Unfreiheit nach außen hin setzt sich sehr oft in das Innere fort; sie verleiht einer psychischen Provinz oder Energie eine überwuchernde Betonung, so daß diese sich in die Entwicklung anderer gleichsam hineinmischt und das freie Sich-Selbst-Gehören derselben stört. Diese Konstellation kann natürlich auch auf andere Ursachen als die einer äußeren Bindung hin eintreten. Wenn die Moralphilosophie die sittliche Freiheit als die Unabhängigkeit der Vernunft von den sinnlich-egoistischen Impulsen zu definieren pflegt, so ist dies doch nur ein einseitiger Fall des ganz allgemeinen Ideals der Freiheit, das in der gesonderten Entfaltung, dem unabhängigen Sich-Ausleben einer Seelenenergie allen anderen gegenüber besteht; auch die Sinnlichkeit ist »frei«, wenn sie mit den Normen der Vernunft nicht mehr verbunden, also nicht mehr durch sie gebunden ist, das Denken ist frei, wenn es nur seinen eigenen, ihm innerlichen Motiven folgt und sich von den Verknüpfungen mit Gefühlen und Wollungen gelöst hat, die es auf einen Weg, der nicht sein eigener ist, mitziehen wollen. So kann man Freiheit in diesem Sinne als innere Arbeitsteilung definieren, als eine gegenseitige Lösung und Differenzierung der Triebe, Interessen, Fähigkeiten. Der Mensch ist als ganzer frei, innerhalb dessen jede einzelne Energie ausschließlich ihren eigenen Zwecken und Normen gemäß sich entwickelt und auslebt. Darin ist die Freiheit im gewöhnlichen Sinne, als Unabhängigkeit von äußeren Mächten, einbegriffen. Denn die Unfreiheit, die wir durch solche erleiden, bedeutet, genau angesehen, nichts anderes, als daß die für sie in Bewegung gesetzte innere Kraft, die zu einem oktroyierten Zweck engagierte Seelenprovinz andere Energien und Interessen in eine Richtung mit hineinzieht, die diese, sich selbst überlassen, nicht nehmen würden. Eine uns aufgezwungene Arbeit würden wir nicht als Unfreiheit empfinden, wenn sie uns nicht an anderweitigem Tun oder Genießen hinderte; eine uns auferlegte Entbehrung niemals als Unfreiheit, wenn sie nicht andere, normale oder erwünschte Empfindungsenergien abböge oder unterdrückte. Jener alte Satz, daß Freiheit bedeutet, der eigenen Natur gemäß zu leben, ist nur der zusammenfassende und abstrakte Ausdruck für das, was hier in konkreter Einzelheit gemeint ist; da der Mensch aus einer Anzahl von Qualitäten, Kräften und Impulsen besteht, so bedeutet Freiheit die Selbständigkeit und nur dem eigenen Lebensgesetz folgende Entfaltung jedes derselben.
Nun kann diese Lösung der einzelnen psychischen Reihen von gegenseitiger Beeinflussung niemals eine absolute werden; sie findet vielmehr ihre Grenze an den tatsächlichen und unentbehrlichen psychischen Zusammenhängen, vermöge deren der Mensch schließlich in aller Mannigfaltigkeit seines Seins und Tuns als eine relative Einheit erscheint. Die vollständige Differenziertheit oder Freiheit einer inneren Reihe ist ein unvollziehbarer Begriff. Die Formel des in dieser Hinsicht Erreichbaren dürfte die sein, daß die Verschlingungen und Bindungen immer weniger die einzelnen Punkte der Reihen betreffen: wo eine Reihe mit einem anderen psychischen Gebiet unvermeidlich verbunden ist, wird sie ihre selbständigste Ausbildung erreichen, wenn sie mit diesem Gebiet nur im allgemeinen, nicht aber mit seinen Elementen ganz im einzelnen verbunden ist. Während z. B. die Intelligenz im engen Zusammenhang mit dem Willen steht, derart, daß ihre größten Vertiefungen und Leistungen nur bei der energischsten Lebendigkeit des letzteren zustande kommen – wird das Denken sogleich von seinen eigenen Normen, von der Unabhängigkeit seiner inneren Folgerichtigkeit abgebogen, sobald der Wille, der es treibt, eine spezifische Färbung, einen speziellen Inhalt besitzt. Die Intelligenz bedarf durchaus der Verschmelzung mit der allgemeinen Lebensenergie; je mehr sie aber mit besonderen Ausgestaltungen der letzteren: religiösen, politischen, sinnlichen usw. verschmilzt, um so mehr kommt sie in Gefahr, ihre eigene Wesensrichtung nicht mehr unabhängig entwickeln zu können. So ist die künstlerische Produktion in Stadien besonderer Verfeinerung und Vergeistigung an ein höheres Maß intellektueller Ausbildung gebunden; aber nur dann wird sie dies ausnützen, ja ertragen können, wenn es nicht spezialistisch zugespitzt ist, sondern seinen Umfang und seine Vertiefungen nur auf allgemeineren Gebieten entfaltet; anderenfalls wird die Selbständigkeit und rein künstlerische Motivierung der Produktion Abbiegungen und Beengungen erfahren. So wird das Gefühl der Liebe freilich die genaueste Kenntnis der geliebten Person zur Ursache wie zur Wirkung oder zur Begleiterscheinung haben können; dennoch wird die Steigerung des Gefühls zu seiner Höhe und sein Verbleiben auf ihr leicht dadurch gehindert, daß das Bewußtsein sich mit einseitiger Zuspitzung auf irgendeine einzelne Eigenschaft des Anderen richtet; vielmehr, nur wenn das allgemeine Bild desselben, wie unter Ausgleich alles Einzelnen und Einseitigen, was man von ihm weiß, das Bewußtsein über ihn ausmacht, ist es eine Grundlage, auf der das liebende Gefühl seine Kraft und Innigkeit am ungestörtesten und gleichsam nur auf sich selber hörend entfalten kann. So scheint allenthalben die unvermeidliche Verschmelzung der psychischen Energien die freie, nur der eigenen Norm folgende Entwicklung der einzelnen nur dann nicht zu behindern, wenn sie nicht mit einer spezialisierten Seite oder Ausbildungsstadium der anderen, sondern mit dem ganz Allgemeinen derselben verbunden ist; nur so scheint die Distanz zwischen beiden herstellbar, die je der einen von ihnen eine differenzierte Entfaltung ermöglicht.
Diesem Typus gehört wohl auch der Fall an, der uns hier beschäftigt. Die rein geistigen Reihen der psychischen Prozesse sind von denen, die die ökonomischen Interessen tragen, nicht völlig zu trennen; der fundamentale Charakter der letzteren verhindert das zwar nicht im einzelnen und in Ausnahmefällen, wohl aber in den durchgängigen Zusammenhängen des individuellen und sozialen Lebens. Wenn dies nun die absolute Ungestörtheit und Freiheit der bloß geistigen Arbeit einschränkt, so wird es das doch um so weniger tun, je weniger die Bindung ein speziell bestimmtes ökonomisches Objekt betrifft. Wenn es gelingt, die ökonomische Interessenreihe in dieser Hinsicht nur auf das ganz Allgemeine ihrer zu stellen, so gewinnt die geistige Reihe eine Distanz von ihr, die sie, bei der Zuspitzung jener auf ein spezifisches und deshalb spezifische Aufmerksamkeit erforderndes Objekt, nicht einhalten könnte. Die nach dieser Richtung geeignetste Besitzart war lange Zeit hindurch, wie erwähnt, der Grundbesitz. Die Art seines Betriebes, die unmittelbare Verwendbarkeit seiner Produkte einerseits, die gleichmäßige Absetzbarkeit derselben andrerseits gestattet der intellektuellen Energie eine relative Differenziertheit und Ungestörtheit; aber erst die Geldwirtschaft vermochte dies so zu steigern, daß jemand nun bloß geistiger Arbeiter und sozusagen weiter nichts sein konnte. Das Geld ist so sehr nur wirtschaftlicher Wert überhaupt, es steht von jeder ökonomischen Einzelheit soweit ab, daß es, innerhalb der psychologischen Zusammenhänge, der rein geistigen Betätigung die meiste Freiheit läßt; die Ablenkung dieser wird so ein Minimum, die Differenzierung zwischen den inneren Reihen, die man auch hier als Sein und Haben bezeichnen kann, wird ein Maximum, so daß jene völlige Konzentration des Bewußtseins auf die immateriellen Interessen, jenes arbeitsteilige Sich-Selbst-Gehören der Intellektualität möglich wird, das sich in der Entstehung der oben genannten Klassen der bloß geistigen Produktion ausspricht. Man hat die geistige Blüte von Florenz, gegenüber den doch auch reichen und mit Talenten gesegneten Genua und Venedig, teilweise dem Umstande zugeschrieben, daß diese beiden während des Mittelalters wesentlich als Warenhändler, die Florentiner aber schon seit dem 13. Jahrhundert hauptsächlich als Bankiers reich geworden waren. Die Natur dieses Erwerbes fordere weniger Einzelarbeit, und so habe sie ihnen mehr Freiheit für die Ausbildung höherer Interessen gelassen! – Eine Erscheinung, die auf den ersten Blick dieser befreienden Wirksamkeit des Geldes entgegengesetzt ist, weil sie es immer enger an die Person herandrängt, hat schließlich dennoch den gleichen Sinn: die Entwicklung der direkten Steuer. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war dieselbe allenthalben an das Objekt geknüpft: der Grund und Boden, Gebäude, Gewerbe, der Besitz jeder Art trug die Steuer, gleichviel in welchen persönlichen Verhältnissen sich der Besitzer oder Gewerbetreibende befand, ob er verschuldet war, ob er wirklich den normalen Ertrag herauswirtschaftete. Zur Individualität als solcher verhält sich diese Steuerform nicht viel adäquater als die Kopfsteuer, die freilich von allen bekannten Steuerformen die unpersönlichste ist; denn selbst die Realsteuer trifft doch eben den Besitzer des Objekts, der durch diesen Besitz irgendwie individuell bestimmt und von anderen, die keinen genau gleichen zu eigen haben, unterschieden ist. So hatten sich schon im deutschen Mittelalter die unfreien und die besser berechtigten Zinsbauern unterschieden; jene zahlten einen Kopfzins, jedes Mitglied des Hofes oder Bezirkes den gleichen, für diese galten individuell verabredete, je nach der objektiven Lage differenzierte Zinsleistungen. Der Objektsteuer, die zwar nicht in der Zeitfolge, aber doch sozusagen systematisch die zweite, dem Personalismus zustrebende Stufe bildet, folgte nun historisch die Klassensteuer. Hier gab allerdings auch noch nicht das wirkliche individuelle Einkommen des Bürgers das Fundament ab, sondern es wurden nach den hauptsächlichsten sozialen und ökonomischen Unterschieden große Klassen gebildet, in deren weiter Grenze der einzelne, aber immerhin doch nach seiner sozialen und wirtschaftlichen Gesamtlage, eingestellt wurde. Erst die heutige Staatssteuer faßt das genaue personale Einkommen, so daß alles einzelne Objektive zu einem bloßen Element und für sich nichts entscheidenden Material herabgesetzt ist. Genau angesehen ist dieses mit steigender Geldwirtschaft immer präzisere Anschmiegen der Steuer an die persönliche Situation eine steigende Freiheit der Person. Denn es gehört zu jener Differenzierungsform der Lebensreihen, durch die jede einzelne, streng innerhalb ihres eigenen Gebietes verbleibend, auch jede andere möglichst sich selbst gehören läßt. Gerade das objektivste Prinzip, die Kopfsteuer, durchschneidet am rücksichtslosesten die persönliche Verschiedenheit der Verhältnisse, und auch jede andere Steuer, die nicht eine genaue Funktion des individuellen Einkommens ist, greift, da sie doch von diesem entrichtet werden muß, über ihr eigentliches Gebiet hinaus und in andere ein, in die sie, streng genommen, nicht gehört. Es wiederholt sich nur, wie so oft, zwischen den Elementen der Wirtschaft derselbe Prozeß, den wir zwischen den wirtschaftlichen und den übrigen Lebenselementen beobachteten. Dieser Zusammenhang ist wirksam, wenn man im 18. Jahrhundert schon beim ersten Aufdämmern der liberalen Ideen verlangte, die Steuer solle das Existenzminimum des Einzelnen freilassen, und dieses Existenzminimum bei den verschiedenen Ständen verschieden ansetzte: auch hier also die Tendenz, daß die Steuer sich zunächst negativ, in dem, was sie verschonte, den besonderen Verhältnissen anschmiege und die rein personale Existenz ganz unangegriffen lasse. Und wenn neuerdings Vermögenssteuern diese Entwicklung wieder etwas umbiegen, indem sie von Geld- und Sachwerten, gleichgültig gegen deren Einkommensertrag, erfordert werden, so geht dies eben von sozialen Gesichtspunkten aus, denen das Interesse an der individuellen Freiheit als solches fernliegt. So zeigen positive wie negative Instanzen, daß mit der steigenden Bedeutung des Geldes auch der Schatten des Besitzes, die Steuer, sich in immer differenzierterer Weise in der ihr genau zukommenden Reihe lokalisiert und eben durch das biegsame Anschmiegen an dieselbe den anderen, der Totalität des wirtschaftlichen und sonstigen Seins, möglichste Freiheit läßt.
Daß überhaupt durch die Steuern das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern wesentlich geldwirtschaftlich bestimmt wird, gehört einer Korrelation an, die für die jetzige Zusammenfassung wichtig und auf dem folgenden Wege darstellbar ist. Wenn die Stände sich in der Hauptsache nach ihrem Geldeinkommen scheiden, so ist eine mit den Ständen als ganzen rechnende Politik sehr eingeschränkt, weil die allerverschiedensten sachlichen Interessen doch mit dem gleichen Geldeinkommen verbunden sind, und deshalb jede im Interesse eines Standes ergriffene Maßregel zugleich innerhalb desselben unvermeidlich vielerlei Interessen verletzt. So kann es z. B. eine einheitliche Mittelstandspolitik gar nicht geben, wenn man unter Mittelstand die Einkommensstufen etwa von 1200-3000 Mk. versteht. Denn die darunter begriffenen Kaufleute, Arbeiter, Bauern, Handwerker, Angestellten, Rentiers, Beamten – haben fast in bezug auf keinen einzigen Punkt der Gesetzgebung parallele Interessen. Die Fragen der Zollpolitik, des Arbeiterschutzes, des Koalitionsrechtes, der Begünstigung von Groß- oder Kleinhandel, der Gewerbeordnung, bis zu denen des Unterstützungswohnsitzes und der Sonntagsheiligung werden innerhalb dieses Komplexes auf das entgegengesetzteste beantwortet werden. Ebenso liegen die Dinge zwischen Großindustrie und Großgrundbesitz, die ihrem Einkommen nach demselben Stande, ihren politischen Bedürfnissen nach oft in völlig geteilte Lager gehören. So verlieren die Verschmelzungen zu je einem Stande, nach dem formalen Kriterium des Geldeinkommens vollbracht, überhaupt an praktisch-politischer Bedeutung. Dadurch aber wird der Staat mehr auf Maßregeln hingewiesen, die für die Gesamtheit und Mannigfaltigkeit der Interessen passend sind. Diese Entwicklung mag von unzähligen Gegenkräften abgelenkt und überdeckt werden – im Prinzip hat die Verdrängung der Gruppierung nach Beruf und Geburt durch die nach Einkommensquanten zur Folge, daß die quantitativ nicht ausdrückbaren Interessenqualitäten die äußere Bedeutung der Standeskomplexe zerstören und die Politik insoweit auf eine objektive Höhe, jenseits jener Klassifizierungen überhaupt, hinweisen. Dies gehört nun einer ganz typischen Korrelation an: zwischen der vollkommensten Objektivität und der vollkommensten Berücksichtigung des Subjektiven – die sich an der dargelegten Entwicklung der Steuer offenbart hatte.
Ich zeige nun weiter, wie das Geld die technische Möglichkeit für die Herstellung dieser Korrelation auch weiterhin in sozialen Grundverhältnissen gewährt. Ich hatte mehrfach die mittelalterliche Theorie hervorgehoben, die jeder Ware einen gerechten, d. h. sachlich angemessenen, in der arithmetischen Gleichheit von Geldwert und Sachwert bestehenden Preis zusprach und denselben gegen Erhöhungen wie Herabdrückungen gesetzlich festzulegen suchte. Was dabei herauskam, mußte doch im schlechten Sinne subjektiv sein: willkürliche, unzulängliche, die momentane Konstellation zu Fesseln künftiger Bewegung festschmiedende Wertsetzungen. Statt durch so unmittelbare Gleichsetzung näherte man sich vielmehr der inhaltlich gerechten Angemessenheit der Preise erst, als man die Gesamtlage der Wirtschaft, die mannigfaltigen Kräfte von Angebot und Nachfrage, die fluktuierende Produktivität der Menschen und der Dinge als Bestimmungsgründe der Preise anerkannte. Obgleich dies nun eine die Individuen bindende Festlegung der Preise ausschloß und die Berechnung der immerfort wechselnden Situation den Einzelnen überlassen mußte, so wurde doch hiermit die Preisgestaltung durch viel mehr tatsächlich wirksame Momente, bestimmt und war seitdem eine objektiv angemessenere und gerechtere. Diese Entwicklung läßt sich nun noch vervollkommnet denken. Ein weitergehendes Gerechtigkeitsideal würde die Preise gestalten, wenn nicht nur die Komplikationen und Wandlungen der überindividuellen Momente, sondern auch die persönliche Vermögenslage des Konsumenten ihre Höhe mitbestimmten. Die Verhältnisse der Individuen sind doch auch objektive Tatsachen, die für den einzelnen Kaufvollzug sehr bedeutsam sind, aber jetzt in der Preisgestaltung prinzipiell gar nicht zum Ausdruck kommen. Daß man es dennoch gelegentlich beobachten kann, nimmt der Idee ihre erste Paradoxität. Unter den Erscheinungen, die ich früher als das Superadditum des Reichtums zusammenfaßte, begegnete es uns in einer freilich sehr outrierten Weise: der Arme bezahlte die gleiche Ware teurer als der Reiche. Allein vielfach liegt es doch auch umgekehrt: oft versteht der Unbemittelte allerdings seine Bedürfnisse billiger und doch nicht schlechter zu befriedigen als jener. Mit einer gewissen Betonung tritt die Preisregulierung nach den Verhältnissen des Konsumenten bei dem Ärztehonorar auf; es ist innerhalb bestimmter Grenzen legitim, daß der Patient den Arzt »nach seinen Verhältnissen« bezahlt. Dies ist freilich dadurch besonders gerechtfertigt, daß der Kranke sich in einer Zwangslage befindet; er muß den Arzt haben und dieser muß sich deshalb von vornherein auf ungleiche Entgelte für gleiche Leistungen einrichten. In solcher Zwangslage aber befindet sich auch der Bürger dem Staate gegenüber, dessen Dienste er nicht entbehren, ja selbst, wenn er wollte, nicht abweisen kann. Deshalb ist es in der Ordnung, daß der Staat von dem Armen ein geringeres Entgelt für seine Dienste, geringere Steuern nimmt, und zwar nicht nur, weil er dem Reicheren größeren Nutzen gewährt als diesem. Diese äußerliche Objektivität in der Ausgleichung von Dienst und Gegendienst ist längst als unzutreffend erkannt und an ihre Stelle das Prinzip der Leistungsfähigkeit getreten. Die neue Gleichung ist nicht weniger objektiv als die alte, nur daß sie die personalen Verhältnisse als ihre Elemente in sich aufgenommen hat; ja, sie hat eine viel angemessenere Objektivität, weil das Ausschalten der wirtschaftlichen Gesamtlage des Individuums aus der Preisgestaltung – insbesondere wo es sich um Unentbehrlichkeiten handelt – dieser letzteren etwas Willkürliches und die Sachlage nicht genau Treffendes verleiht. In dieser Richtung liegt auch schon die Honorierung des Rechtsanwalts nach der Höhe des Streitobjekts. Wer um 20 Mark prozessieren muß, darf von dem Rechtsanwalt dieselbe Bemühung für wenige Mark verlangen, wie wer in der Lage ist, Prozesse um das Tausendfache zu führen. So wird auch der Rechtsanwalt »nach den Verhältnissen« bezahlt, wenn dieselben sich auch an etwas Objektiverem äußern, wie gegenüber dem Arzte. Dies Prinzip liegt nun weiteren Vorschlägen zugrunde: so dem noch später zu behandelnden, daß das Gesetz Geldstrafen nicht nach absoluten Höhen, sondern nach Einkommensquoten fixiere; oder daß die Höhe des Streitobjekts, von der an die Anrufung der höchsten Gerichtsinstanz zulässig ist, nicht mehr, wie bisher, eine absolute Summe, sondern ein bestimmter Teil vom Jahreseinkommen des Beschwerdeführers sei. Ja, man hat neuerdings das System der ungleichen, den Kaufmitteln der Konsumenten entsprechenden Preise zum Allheilmittel der Sozialpolitik erklärt, das die Vorteile des Sozialismus ohne seine Nachteile gewähren würde. Hier interessiert uns nicht die Richtigkeit, sondern nur die Tatsache dieses Vorschlags, der einen eigenartigen Abschluß der wirtschaftlichen Verkehrsentwicklung markiert. Mit rein subjektiv-personalen Besitzwechseln sahen wir diese beginnen: mit dem Geschenk und dem Raub. Der Tausch, der statt der Menschen die Dinge untereinander in Relation setzt, schafft damit die Stufe der Objektivität. Diese ist zunächst eine formalistisch-starre, indem sie entweder durch feststehende naturalistische Tauschquanten oder gesetzliche Preistaxen verwirklicht und so bei aller objektiven Form doch inhaltlich ganz subjektiv-zufällig ist. Der freiere Handelsverkehr der Neuzeit erweiterte diese Sachlichkeit, indem er alle variabeln und der zufälligen Sachlage entspringenden Momente in die Preisbestimmung aufnahm: die Objektivität des Verkehrs wurde elastischer und dadurch ausgreifender. Jener Vorschlag endlich sucht auch noch die individuellsten Momente zu objektivieren: die wirtschaftliche Lage des einzelnen Käufers soll den Preis des Gegenstandes modifizieren können, dessen er bedarf. Das wäre das Gegenstück oder wenigstens die Ergänzung zur Kostentheorie; diese behauptet: der Preis hängt von den Bedingungen der Produktion ab; jene: er soll von den Bedingungen der Konsumtion abhängen oder wenigstens diesen gemäß variiert werden. Blieben bei einem Zustand der letzteren Art die Interessen des Produzenten gewahrt – was logisch nicht ausgeschlossen, wenn auch utopisch ist –, so würde nun wirklich der Preis bei jedem Kauf alle individuellen Verhältnisse, die ihm zugrunde liegen, adäquat ausdrücken; alles Subjektive wäre zu einem objektiv-legalen Moment der Preisgestaltung geworden. Diese Entwicklung ginge etwa der eines philosophischen Weltbildes parallel, das alle ursprünglichen objektiven Gegebenheiten als subjektive Gebilde erkennte: aber eben durch diese absolute Zurückführung auf das Ich verliehe es ihnen erst die Einheit, Zusammenhang, Greifbarkeit, die den eigentlichen Sinn und Wert dessen, was wir die Objektivität nennen, ausmacht. Wie hier das Subjekt über seinen Gegensatz zum Objekt hinaus wäre, weil es dieses völlig in sich aufgenommen und aufgehoben hat, so ist er in jenem Falle dadurch überwunden, daß das objektive Verhalten alles Subjektive in sich eingezogen hat, ohne einen Rückstand zu lassen, an dem der Gegensatz noch weiter leben könnte.
Für unseren Zusammenhang handelt es sich darum, daß diese Idealbildung und die fragmentarischen Annäherungen der Wirklichkeit an sie durch den Geldbegriff ermöglicht werden. Die Gesamtheit der wirtschaftlichen Situationsmomente wird erst dann restlos für die Preisbestimmung verwendet werden können, wenn für sie alle ein gleichmäßiger Wertausdruck besteht. Erst die Reduktion auf einen gemeinsamen Nenner stiftet die Einheit zwischen allen Elementen der individuellen Lagen, die ihre Zusammenwirksamkeit, nach gerechten Maßen, zu der Bestimmung der Preise gestattet. Es ist die großartige Leistung des Geldes, durch die Nivellierung des Mannigfaltigsten gerade jeder individuellen Komplikation die angemessenste Ausprägung und Wirksamkeit zu ermöglichen – als müßten alle spezifischen Formen erst in das allen gemeinsame Urelement zurückgebildet werden, um die völlige Freiheit zu individueller Neugestaltung zu gewähren; diese Leistung ist die Voraussetzung für einen Entwicklungsgang, der aus den Preisen der Dinge alles Starre, die Einzelsituation Vergewaltigende hinwegläutern will und dies mit einer gewissen Vehemenz in dem Sozialprinzip der ungleichen Preise ausdrückt – die aber im Verhältnis zu der Lage der Konsumenten gerade relative Gleichheit haben und damit die subjektiven Bedingungen, durch die Totalität ihres Einbezogenseins, nach einem Prinzip von völliger Objektivität formen. Alle Objektivität beginnt für das Bewußtsein mit dem unbedingten Gegensatz gegen das Subjekt, die Unterscheidung kann gar nicht scharf genug sein, um das Objekt aus seiner naiven oder verworrenen Einheit mit dem Subjekt zu erlösen; die höhere Entwicklungsstufe des Geistes zeitigt dann erst wieder den umfassenden Begriff der Objektivität, der das Subjekt in sich einbezieht; er braucht diesen Gegensatz in seiner Unmittelbarkeit nicht mehr, um in sich fest und eindeutig zu sein, sondern macht im Gegenteil das Subjekt selbst zum Bestandteil eines objektiven Bildes der Welt oder eines ihrer Aspekte.
Die frühere Formulierung, in die auch diese Entwicklung einzustellen ist: daß das Geld Haben und Sein gegeneinander verselbständigt – läßt das Geld doch nur einen Prozeß am entschiedensten ausdrücken und vergleichsweise abschließen, der sich schon auf andern Stufen des geschichtlichen Lebens vollzieht. Solange die Gentilverfassung bestand, war ohne weiteres eure unerschütterte Verbindung des Einzelnen mit dem Grund und Boden gegeben. Denn die Gens war einerseits die Obereigentümerin des Bodens und schmolz andrerseits den Einzelnen völlig in ihre Interessen ein; sie bildete so das Band, das sein Sein mit seinem Haben, das allerdings noch kein individualistisches war, verband. Die darauf folgende Verwandlung des Bodens in Privateigentum, so sehr sie gerade Person und Besitz zu verbinden schien, löste dennoch jenen prinzipiellen Zusammenhang zwischen ihnen, indem nun jede beliebige Aktion mit dem Besitz möglich wurde. Die eindringende Geldwirtschaft hat zuerst in den mittelalterlichen Städten bewirkt, daß man den Boden belasten, Renten auf ihn aufnehmen konnte, ohne daß die Person des Besitzers dadurch betroffen und in ihrer sozialen Stellung herab gesetzt worden wäre. Die Geldwirtschaft trieb den Boden und den Eigentümer als Person so weit auseinander, daß eine Beschränkung des vollen Eigen, wie sie in der Hypothek lag, nicht mehr wie früher als eine Deteriorierung des Eigentümers empfunden wurde. Die Hypothezierung und der Verkauf erscheinen nur als die äußersten und allerdings erst durch das Geld möglichen Folgen jener Trennung zwischen der Person und dem Grund und Boden; begonnen aber hatte dieser Prozeß schon vor dem Gelde und mit dem Augenblick, als die Gentilverfassung sich löste. Ähnlich liegt es mit der späteren Entwicklung, die die patriarchalische Verfassung in den Rechtsstaat mit Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz überführte. Auch sie bedeutet eine Lösung des Seins vom Haben und des Habens vom Sein: die Stellung wird nicht mehr durch den Landbesitz bestimmt, der Besitz andrerseits nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu der adligen Klasse. Eine ganze Anzahl von gesellschaftlichen Bewegungen drängt auf dieses Resultat: die Schwächung des Adels durch den quantitativen Zuwachs der unteren Stände, die Arbeitsteilung in diesen, die einerseits eine Art Aristokratie unter ihnen erzeugt, andrerseits sie dem Landadel unentbehrlicher macht, die größere Bewegungsfreiheit der nicht an den Grundbesitz gebundenen Stände usw. All diese Kräfte mußten z. B. am Ende des »griechischen Mittelalters« wirksam werden, als zudem Seehandel und Kolonialbewegung sich entwickelt und Athen seit dem 7. Jahrhundert die wirtschaftliche Oberhand gewinnt; indem nun die Geldwirtschaft hinzukommt, vollendet sie nur diesen Prozeß; der Grundbesitzer bedarf nun gleichfalls des Geldes, um mit den reichen Emporkömmlingen in einer Reihe zu bleiben, das Geld, als Hypothek, als Erlös der Produkte oder gar des Landes selbst schiebt sich zwischen ihn und seinen Besitz, und indem es ihn so von der qualitativen Bestimmtheit dieses unabhängiger macht, eben damit auch dem Besitz seine personale Färbung nimmt, bewirkt es zugleich eine wachsende Gleichberechtigung zwischen ihm und den andern Ständen. Das Prinzip des gleichen Rechtes für alle, wie es in den griechischen Demokratien schließlich herrschend wurde, spricht so die Lösung jener besonderen Bestimmtheit aus, die sonst vom Haben auf das Sein und umgekehrt ausstrahlte; aber auch hier stellt sich die Geldwirtschaft nur dar als der mächtigste, gleichsam als der bewußteste Faktor und Ausdruck einer auf viel breiterer Basis angelegten Bewegung. Und in den germanischen Verhältnissen sehen wir für die älteste Zeit, daß der Landbesitz nicht ein unabhängiges Objekt betraf, sondern die Folge der persönlichen Zugehörigkeit des Einzelnen zu seiner Markgemeinde war. Das Land war nicht an und für sich ein derart qualifiziertes Objekt, daß mit seinem Besitz sich nun das Individuum seine Bedeutungen und Folgen angeeignet hätte: sondern weil die Persönlichkeit diese bestimmte Bedeutung hatte, wurde ein bestimmter Landbesitz an sie geknüpft. Diese personale Bindung aber war schon im 10. Jahrhundert verschwunden, und an ihre Stelle war eine Selbständigkeit des Grundes und Bodens getreten, die man fast als eine Personifikation desselben bezeichnen könnte. Damit war die Tendenz eingeleitet, ihn zu zerschlagen und in alle Ruhelosigkeit des wirtschaftlichen Lebens hineinzuziehen; und als diese Tendenz schließlich ihre Grenze an der von seinem Wesen untrennbaren Stabilität fand, trat das Geld, das der Persönlichkeit fremdeste Wirtschaftsobjekt, an seine Stelle. Aber es war doch eben nur die geeignetste Substanz für den restlosen Ausdruck jener Trennung zwischen Sein und Haben, die sich schon vorher an den Verhältnissen des Bodenbesitzes auszuprägen begonnen hatte. Endlich zeigt das 13. Jahrhundert dieselbe Erscheinung von der andern Seite her und am andern Ende der sozialen Leiter. Diese Zeit hat die bäuerliche Freiheit auf einen sehr hohen Stand gehoben, wesentlich im deutschen Osten, dessen Kolonisation mit freien Bauern geschah, und zwar in engem Zusammenhange mit der damals relativ hoch ausgebildeten Geldwirtschaft. Nach kurzer Zeit indessen erfolgte ein Umschwung: die Grundherrschaft breitete sich aus, insbesondere im Osten der Elbe, und strebte mit Erfolg dahin, den Bauer an die Scholle zu binden; zugleich aber wurden die geldwirtschaftlichen wieder durch naturalwirtschaftliche Verhältnisse verdrängt. Die Fesselung des Bauern an seine ökonomische Stellung, seines Seins an sein Haben, geht hier dem Sinken der Geldwirtschaft parallel. Und wenn dies letztere Phänomen auch als Ursache des ersteren angesprochen worden ist, so ist es doch sicher nur die hervorstechendste des ganzen Komplexes von Ursachen, die damals zur Bildung der Grundherrschaften führten. Wenn das Geld an und für sich, als Besitzobjekt betrachtet, gleichsam durch eine Isolierschicht vom Sein des Besitzenden getrennt ist, so stellt es in der historischen Beziehung zwischen Haben und Sein das entschiedenste und entscheidendste, ich möchte sagen symptomatischste unter den Momenten dar, die den weltgeschichtlichen Wechsel zwischen Kontraktion und Lockerung jener Beziehung veranlassen. –
Wenn also Freiheit den Sinn hat, Sein und Haben voneinander unabhängig zu machen, und wenn der Geldbesitz die Bestimmtheit des einen durch das andere am entschiedensten lockert und durchbricht – so steht dem ein anderer und positiverer Begriff der Freiheit gegenüber, der das Sein und das Haben auf einer anderen Stufe wiederum enger verbindet, darum aber nicht weniger am Geld seine energischste Verwirklichung findet. Ich knüpfe an die obige Bestimmung an, daß der Besitz nicht, wie es oberflächlich scheint, ein passives Aufnehmen von Objekten ist, sondern ein Tun an und mit ihnen. Nichts anderes kann der Besitz, auch der umfassendste und unbeschränkteste, mit den Dingen tun, als den Willen des Ich an ihnen ausprägen: denn das eben heißt eine Sache besitzen, daß sie meinem Willen keinen Widerstand entgegensetzt, daß er sich ihr gegenüber durchsetzen kann: und wenn ich von einem Menschen sage, daß ich ihn »besitze«, so bedeutet dies, daß er meinem Willen nachgibt, daß natürliche Harmonie oder suggestive Vergewaltigung mein Sein und Wollen sich gleichsam an ihm fortsetzen lassen. Wie mein Körper deshalb mein ist und in höherem Maße »mein« als jedes andere Objekt, weil er unmittelbarer und vollständiger als jedes andere meinen psychischen Impulsen gehorcht, und diese sich relativ vollständig in ihm ausdrücken: so ist jedes Ding in demselben Maße mein, in dem dies von ihm gilt. Daß man mit einer Sache »machen kann, was man will«, das ist nicht erst eine Folge des Besitzens, sondern das eben heißt es, sie zu besitzen. So wird das Ich von seinem gesamten »Besitz« wie von einem Bereich umgeben, in dem seine Tendenzen und Charakterzüge sichtbare Wirklichkeit gewinnen, er bildet eine Erweiterung des Ich, das nur das Zentrum ist, von dem aus Fulgurationen in die Dinge hineingehen; und die Dinge sind eben mein, wenn sie sich dem Recht und der Kraft meines Ich ergeben, sie nach seinem Willen zu gestalten. Diese enge Beziehung zum Ich, die den Besitz gleichsam als dessen Sphäre und Ausdruck erscheinen läßt, knüpft sich keineswegs nur an ihn, soweit er dauert und behalten wird. Es stimmt vielmehr mit unserer Vorstellung vom Besitz als einer Summe von Aktionen durchaus überein, daß gerade das Fortgeben von Werten, sei es im Tausch, sei es als Geschenk, eine gewisse Steigerung des Persönlichkeitsgefühls mit sich führen kann – den Reiz, der mit der Selbstentäußerung, Selbstopferung verbunden ist und der auf dem Umwege über eine Verminderung eine Erhöhung des Selbst bedeutet. Oft empfindet man erst im Fortgeben den Besitz, ganz wie man ein Körperelement am energischsten im Moment der Exstirpation fühlt. Der Reiz des Habens spitzt sich im Augenblick des Fortgebens so stark zu – schmerzlich oder genießend – wie es ohne diesen Preis nie stattfindet. Dieser Augenblick ist – genau wie der des Gewinnens – ein eminent »fruchtbarer Moment«, das Können der Persönlichkeit, das der Besitz darstellt, erscheint in dieser äußersten Verfügung über ihn am fühlbarsten aufgegipfelt – wie es mit einer gewissen Modifikation auch in der Wollust des Zerstörens geschieht. Wenn deshalb von den arabischen Beduinen berichtet wird, daß bei ihnen Betteln, Schenken und Plündern Wechselbegriffe und notwendig zusammenhängende Handlungen sind, so beweist dies, insbesondere in Anbetracht des stark individualistischen Charakters jener Stämme, wie alle diese verschiedenen Aktionen mit dem Besitz doch nur, mit verschiedenen Vorzeichen und nach verschiedenen Richtungen hin, einen und denselben Sinn und Grundwert aller Besitzobjekte aussprechen: daß die Persönlichkeit sich in ihnen auslebt, ausprägt, ausbreitet. So ist das Entscheidende für das Verständnis des Besitzes, daß die scharfe Grenzsetzung zwischen ihm und dem Ich, zwischen dem Inneren und dem Äußeren als eine ganz oberflächliche erkannt und für eine tiefere Betrachtung verflüssigt werde. Einerseits liegt die ganze Bedeutung des Besitzes darin, gewisse Gefühle und Impulse in der Seele auszulösen, andrerseits erstreckt sich die Sphäre des Ich über diese »äußeren« Objekte und in sie hinein, wie sich in der Bewegung des Violinbogens oder des Pinsels doch der Vorgang in der Seele des Geigers oder des Malers kontinuierlich fortsetzt. Wie jedes äußere Objekt als Besitz sinnlos wäre, wenn es nicht zu einem psychischen Wert würde, so würde das Ich gleichsam ausdehnungslos in einen Punkt zusammenfallen, wenn es nicht äußere Objekte um sich herum hätte, die seine Tendenzen, Kraft und individuelle Art an sich ausprägen lassen, weil sie ihm gehorchen, d. h. gehören. Es ist mir auch deshalb wahrscheinlich, daß die Entwicklung des Privateigentums nicht gerade die Arbeits produkte als solche am ehesten und intensivsten ergriffen habe, sondern die Arbeits werkzeuge, einschließlich der Waffen. Denn gerade die Werkzeuge funktionieren am unmittelbarsten als Verlängerungen der Körperglieder, erst an ihrem Endpunkt pflegt der Widerstand der Dinge gegen unsere Impulse empfunden zu werden; so ist das. Aktivitätsmoment an ihrem Besitze größer als an anderweitigem und sie werden deshalb nächst dem Körper am gründlichsten in das Ich einbezogen. Diese Deutung des Besitzes erst zeigt auf den Weg, auf dem die Weltanschauung des Idealismus und der Freiheit ihre Ergänzung durch ihr Gegen bild findet: die Dinge müssen in das Ich, aber auch das Ich in die Dinge eingehen.
Man könnte sagen, das Erwerben von Besitz sei gleichsam ein Wachstum der Persönlichkeit über das Maß des Individuums hinaus – wie man die Zeugung als ein solches Wachstum bezeichnet hat. In diesem wie in jenem Falle dehnt sich die individuelle Sphäre über die Grenze hinaus, die sie ursprünglich bezeichnete, das Ich setzt sich jenseits seines unmittelbaren Umfanges fort und erstreckt sich in ein Außer-Sich, das dennoch im weiteren Sinne »sein« ist. Bei einigen malaiischen Stämmen gehören dem Vater nur diejenigen Kinder, welche nach Bezahlung des Brautpreises geboren werden, während die vorher – aber zweifellos in derselben Ehe – geborenen der Familie der Mutter gehören. Der Grund dieser Bestimmung ist natürlich der rein äußerliche: daß die Kinder Wertgegenstände darstellen, die man durch die Verheiratung der Tochter an den Mann fortgibt, an die man sich aber hält, bis der Preis für die Mutter selbst bezahlt ist. Dennoch offenbart sie jene tief gelegene Beziehung zwischen dem Besitz und der Proliferation. Der Mann hat gleichsam die Wahl, ob er seine Machtsphäre durch den Besitz seiner Kinder oder durch Einbehalten der schuldigen Vermögensstücke erweitern will. In den Veden heißt es über die frühesten brahmanischen Mönche: »Sie lassen davon ab, nach Söhnen zu trachten und nach Habe zu trachten. Denn was das Trachten nach Söhnen ist, das ist auch das Trachten nach Habe. Trachten ist das eine wie das andere.« Dies will freilich an sich noch nicht die Identität beider Bestrebungen ihrem Inhalte nach aussagen: aber das Bezeichnende ist doch, daß gerade sie als Beispiele gewählt sind, um die Identität alles Strebens zu beweisen. In der Erzeugung von Seinesgleichen setzt sich das Ich ebenso über seine ursprüngliche Beschränkung auf sich selbst fort, wie wenn es, in der Verfügung über Besitz, diesem die Form seines Willens einprägt. Dieser Begriff des Besitzes als einer bloßen Erweiterung der Persönlichkeit erfährt keine Widerlegung, sondern gerade eine tiefere Bestätigung durch die Fälle, in denen das Persönlichkeitsgefühl gleichsam den Zentralpunkt des Ich verlassen und sich auf jene umgebenden Schichten, den Besitz, übertragen hat – gerade wie die Deutung der Proliferation und Familienbildung als Expansion des Ich dadurch nicht gestört wird, daß die direkten Ichinteressen schließlich hinter die Interessen der Kinder zurücktreten können. Im mittelalterlichen England galt es als das Zeichen unfreier Stellung, wenn man nicht ohne die Einwilligung des Lords eine Tochter verheiraten und einen Ochsen verkaufen durfte. Ja, wer dazu ohne weiteres berechtigt war, wurde sogar oft als frei angesehen, auch wenn er persönliche Frohndienste zu leisten hatte. Daß das Ichgefühl so seine unmittelbaren Grenzen überschritten und sich in Objekten, die es doch nur mittelbar berühren, angesiedelt hat, beweist gerade, wie sehr der Besitz als solcher nichts anderes bedeutet, als daß die Persönlichkeit sich in jene hinein erstreckt und in der Herrschaft über sie ihre Ausdehnungssphäre gewinnt. Daher die eigentümliche Erscheinung, daß gelegentlich gerade die Totalität des Habens als Äquivalent der Totalität des Seins erscheint. Im mittelalterlichen Frankreich gab es eine bestimmte Klasse von Leibeigenen, für die die Rechtsbestimmung galt: sie durften in den Stand der Freiheit treten, wenn sie ihre gesamte Habe dem Herrn überließen.
Dies hat nun mannigfache Folgen für das Verständnis der Besitzarten. Wenn Freiheit bedeutet, daß der Wille sich ungehindert verwirklichen kann, so scheinen wir also um so freier zu sein, je mehr wir besitzen; denn das hatten wir als den Sinn des Besitzens erkannt, daß wir mit seinem Inhalt »machen können, was wir wollen«; mit dem Besitz eines Anderen oder demjenigen, was sich überhaupt dem Besessenwerden entzieht, haben wir keine »Freiheit« mehr, zu schalten, wie wir wollen: darum hat, genau im Sinn unserer Auffassung der Freiheit, die lateinische und lange Zeit auch die deutsche Sprache mit dem Wort Freiheit die Bedeutung des Vorrechts, der besonderen Begünstigung, verbunden. Die Freiheit findet nun ihre Grenze an der Beschaffenheit des besessenen Objektes selbst. Das wird schon demjenigen Objekt gegenüber sehr fühlbar, das wir doch am unbeschränktesten zu besitzen glauben, unserem Körper. Auch er gibt den psychischen Impulsen nur innerhalb der eigenen Gesetze seiner Konstitution nach, und gewisse Bewegungen und Leistungen kann unser Wille nicht mit irgend welchem Erfolge von ihm verlangen. Und so mit allen anderen Objekten. Die Freiheit meines Willens gegenüber einem Stück Holz, das ich besitze, geht freilich so weit, daß ich allerlei Geräte daraus schnitzen kann; aber sie erlahmt, sobald ich solche davon herstellen will, die die Biegsamkeit des Gummis oder die Härte des Steins verlangen. Was unser Wille mit dem Dinge machen kann, gleicht doch schließlich nur dem, was der Künstler seinem Instrumente entlocken kann. So tief sein Fühlen und Können sich auch in das Instrument einbohren mögen und sowenig die Grenze, bis zu der er es sich unterwerfen kann, auch vorherzubestimmen sei: irgendwo muß sie liegen; von irgendeinem Punkt an gestattet seine Struktur keine weitere Nachgiebigkeit gegen die Seele; das ist der Punkt, von dem an die Dinge uns nicht mehr »gehören«. Diese prinzipielle Schranke des Besitzens zu übersehen, liegt freilich der jetzigen Epoche nahe, in der unterbrochene Anpassungen und gleichzeitiger ungezügelter Freiheits- und Besitzdrang unzähliges von den Dingen verlangen lassen, was sie uns ihrer und unserer Natur nach nicht geben können. Ich erinnere an die – erst ganz neuerdings einigermaßen sich korrigierende – Verständnislosigkeit für das Material in der Kunst; und daran, daß man Glück und Frieden der Seele immer mehr von den äußeren Lebensbedingungen erwartet, von den Fortschritten der Technik wirkliche Kultur, von der objektiven Struktur der Gesellschaft Zufriedenheit und Vollkommenheit des Individuums.
Im Großen und Ganzen ist der Wille unseren Lebensbedingungen so angepaßt, daß er von den Dingen nicht verlangt, was sie nicht leisten können, daß die Beschränkung unserer Freiheit durch die eigenen Gesetze des Besitzes ihnen gegenüber nicht zu positiver Empfindung gelangt; dennoch ließe sich eine Skala der Objekte aufstellen, von der Frage aus, wie weit das Wollen sich im allgemeinen ihrer bemächtigen kann und von wo an sie diesem nicht mehr durchdringbar sind, wie weit sie also wirklich »besessen« werden können. Die äußerste Stufe einer solchen Skala würde das Geld darstellen. Hier ist jenes Ungewinnbare, das die Objekte gleichsam für sich reservieren und das sich auch einem noch so unumschränkten Besitz ihrer versagt, völlig verschwunden. Es fehlt ihm ganz jene eigene Struktur, durch die die anderen, bestimmt qualifizierten Dinge, so sehr wir sie auch im juristischen Sinne besitzen mögen, sich unserem Willen verweigern, es fügt sich mit unterschiedsloser Leichtigkeit jeder Form und jedem Zweck, den dieser in ihm ausprägen will; nur aus den Dingen, die hinter ihm stehen, mögen uns Hemmnisse quellen; es selbst gibt jeder Direktive, auf welches Objekt, auf welches Maß der Verteilung, auf welches Tempo des Hingebens oder Reservierens immer, gleichmäßig nach. So gewährt es denn dem Ich die entschiedenste und restloseste Art, sich in ein Objekt hinein auszuleben – freilich innerhalb der Grenzen, die es dem durch seine Qualitätslosigkeit steckt, die so aber eben bloß negative sind und nicht wie bei allen anderen Objekten aus seiner positiven Natur hervorgehen. Alles, was es ist und hat, gibt es vorbehaltlos dem menschlichen Willen hin, es wird völlig von diesem aufgesogen, und wenn es ihm nicht mehr leistet, als der Fall ist, so liegt jenseits dieser Grenze nicht wie bei allen anderen Objekten ein vorbehaltener und unnachgiebiger Teil seiner Existenz, sondern schlechthin nichts.
Wir haben am Geld das formal nachgiebigste, aber, aus eben dem Grunde, der es dazu macht, nämlich durch seine völlige Leerheit, zugleich unnachgiebigste Objekt: indem das Geld, das wir besitzen, uns von vornherein und wie mit einem Schlage auch wirklich absolut und vorbehaltlos gehört, können wir ihm nun auch sozusagen nichts weiter entlocken. Im allgemeinen muß man sagen: nur indem ein Objekt etwas für sich ist, kann es etwas für uns sein; nur also, indem es unserer Freiheit eine Grenze setzt, gibt es ihr Raum. Diese logische Entgegengesetztheit, in deren Spannung sich dennoch die Einheit unseres Verhaltens zu den Dingen realisiert, erreicht am Gelde ihr Maximum: es ist mehr für uns, als irgendein Besitzstück, weil es uns ohne Reserve gehorcht – und es ist weniger für uns, als irgend' eines, weil ihm jeglicher Inhalt fehlt, der über die bloße Form des Besitzes hinaus aneigenbar wäre. Wir haben es mehr als alles andere, aber wir haben weniger an ihm, als an allem andern. –
Jene Nachgiebigkeit des Geldes findet, wie so viele seiner Wesensfolgen überhaupt, ihren reinsten und gesteigertsten Ausdruck an der Börse, in der die Geldwirtschaft ebenso zu einem selbständigen Gebilde kristallisiert ist, wie die politische Organisation im Staate. Die Kursschwankungen nämlich zeigen vielfach subjektiv-psychologische Motivierungen, wie sie in dieser Kraßheit und dieser Unabhängigkeit von aller objektiven Begründung ganz unvergleichlich sind. Zwar wäre es oberflächlich, dafür anzuführen, daß den Kursbewegungen nur selten reale Veränderungen in der Güte des einzelnen, das Papier fundierenden Objektes genau entsprechen. Denn diese Güte, in ihrer Bedeutung für den Markt, besteht doch nicht bloß in den inneren Qualitäten des Staates oder der Brauerei, des Bergwerkes oder der Bank, sondern in dem Verhältnis derselben zu den gesamten sonstigen Inhalten des Marktes und ihrer Lage. Es entbehrt deshalb nicht der sachlichen Begründung, wenn z. B. große Insolvenzen in Argentinien den Kurs der chinesischen Rente drücken, obgleich die Sicherheit derselben sowenig durch jenes Ereignis, wie durch eines auf dem Monde alteriert wird. Denn die Wertbedeutung jener hängt, bei aller äußeren Ungeändertheit, doch von der Gesamtlage des Marktes ab, deren Erschütterung von irgendeinem Punkte her z. B. die Weiterverwertung jener Erträgnisse ungünstiger gestalten kann. Jenseits dieser, wenn auch die Synthese des Einzelobjekts mit anderen voraussetzenden, so doch objektiven Verursachung der Kursänderungen steht aber diejenige, die von der Spekulation selbst ausgeht: denn diese Wetten über den künftigen Kursstand eines Papiers haben auf diesen Kursstand selbst den erheblichsten Einfluß. Sobald z. B. eine mächtige Finanzgruppe aus Gründen, die mit der Qualität des Papiers gar nichts zu tun haben, sich in ihm engagiert, so treibt dies den Kurs desselben in die Höhe; umgekehrt ist auch die Baissepartei imstande, durch bloße Börsenmanöver den Kurs eines Papiers fast beliebig zu senken. Hier erscheint also der reale Wert des Objekts als der bloße, an sich irrelevante Untergrund, über dem sich die Bewegung des Marktwertes erhebt, weil sie sich doch an irgendeine Substanz, richtiger: an irgendeinen Namen knüpfen muß; die Proportion zwischen dem sachlichen und schließlichen Wert des Objekts und seiner Vertretung durch das Börsenpapier hat jede Stetigkeit verloren. Damit also zeigt sich die unbedingte Nachgiebigkeit der Wertform, die die Dinge mit dem Geld gewonnen haben und die sie von ihrer sachlichen Grundlage ganz gelöst hat; jetzt folgt der Wert relativ widerstandslos den psychologischen Impulsen der Laune, der Habsucht, der unbegründeten Meinungen, und zwar in um so auffälligerer Weise, als doch reale Verhältnisse da sind, welche durchaus treffende Maßstäbe der Bewertung bilden könnten. Aber seiner eigenen Wurzel und Substanz gegenüber hat der zu einem Geldgebilde gewordene Wert sich verselbständigt, um sich nun subjektiven Energien vorbehaltlos auszuliefern. Hier, wo die Wette selbst den Gegenstand der Wette in seinem Schicksal zu bestimmen vermag, und zwar in Unabhängigkeit von vorhandenen sachlichen Gründen, hat die Durchdringbarkeit und Bildsamkeit der Geldform der Werte durch die Subjektivität in ihrem engsten Sinne den triumphierendsten Ausdruck gefunden.
Nach alledem ist die Ausdehnung des Ich, die der Geldbesitz bedeutet, eine sehr eigenartige – in gewissem Sinne die vollständigste, die uns von einem Objekt überhaupt kommen kann, in anderem gerade die beschränkteste, weil seine Nachgiebigkeit doch schließlich nur die eines absolut flüssigen Körpers ist, der freilich jegliche Form annimmt, keine aber sozusagen in sich selbst ausprägt, sondern jede Bestimmtheit derselben erst von dem umschließenden Körper erhält. Aus dieser Konstellation erklären sich psychologische Tatsachen des folgenden Typus. Jemand sagte mir, er hätte das Bedürfnis, alle Dinge, die ihm sehr gefallen, zu kaufen, wenn auch nicht für sich und um sie zu besitzen; es käme ihm nur darauf an, seinem Gefallen an den Dingen damit einen aktiven Ausdruck zu geben, sie durch sich durchgehen zu lassen und ihnen so irgendwie den Stempel seiner Persönlichkeit aufzudrücken. Hier ermöglicht also das Geld eine ganz eigenartige Expansion der Persönlichkeit, sie sucht sich nicht mit dem Besitz der Dinge selbst zu schmücken, die Herrschaft über diese ist ihr gleichgültig; es genügt ihr vielmehr jene momentane Macht über sie, und während es scheint, als ob dieses Sich-Fernhalten von jeder qualitativen Beziehung zu ihnen der Persönlichkeit gar keine Erweiterung und Befriedigung gewähren könne, wird doch gerade der Aktus des Kaufens als eine solche empfunden, weil die Dinge ihrer Geldseite nach sozusagen absolut gehorsam sind; wegen der Vollständigkeit, mit der das Geld und die Dinge als Geldwerte dem Impulse der Persönlichkeit gehorchen, wird diese schon durch ein Symbol derjenigen Herrschaft über sie befriedigt, die sonst nur in dem wirklichen Besitze liegt. Der Genuß dieser bloßen Symbolik des Genusses kann sich nahe an das Pathologische hin verirren, wie in dem folgenden Falle, den ein französischer Romancier offenbar der Wirklichkeit nacherzählt. Gewissen Pariser Bohême-Kreisen habe ein Engländer angehört, dessen Lebensgenuß darin bestand, daß er die tollsten Orgien mitmachte, nie aber selbst etwas genoß, sondern immer nur für alle bezahlte; er tauchte auf, sprach nichts, tat nichts, bezahlte alles und verschwand. Die eine Seite der fraglichen Vorgänge, das Bezahlen, muß für das Gefühl dieses Mannes zu ihrem Ganzen geworden sein. Es ist wohl anzunehmen, daß hier eine jener perversen Befriedigungen vorliegt, von denen neuerdings in der Sexual-Pathologie häufig die Rede ist; der gewöhnlichen Verschwendungssucht gegenüber, die auch an der Vorstufe des Besitzens und Genießens, dem bloßen Geldausgeben, haltmacht, ist das Verfahren jenes Mannes deshalb so besonders auffällig, weil die Genüsse, die hier durch ihr Äquivalent vertreten werden, ihm so sehr nahekommende und unmittelbar verführerische sind. – Das Fernbleiben von dem positiven Haben und Ausschöpfen der Dinge einerseits, die Tatsache andrerseits, daß schon ihr bloßer Kauf als ein Verhältnis zwischen der Persönlichkeit und ihnen und als eine persönliche Befriedigung empfunden wird, erklärt sich aus der Expansion, die die bloße Funktion des Geldaufwandes der Persönlichkeit gewährt. Das Geld baut eine Brücke zwischen dem so empfindenden Menschen und den Dingen, über die hinschreitend die Seele den Reiz ihres Besitzes auch dann empfindet, wenn sie zu diesem selbst gar nicht gelangt.
Dieses Verhältnis bildet ferner eine Seite der sehr komplexen und oben schon wichtig gewordenen Erscheinung des Geizes. Indem der Geizige in dem Besitz des Geldes seine Seligkeit findet, ohne zum Erwerb und Genuß einzelner Gegenstände vorzuschreiten, muß sein Machtgefühl tiefer und wertvoller sein, als alle Herrschaft über bestimmt qualifizierte Dinge ihm sein könnte. Denn jeder Besitz eines solchen, so sahen wir, hat seine Schranke in sich. Die begierige Seele, die restlose Befriedigung trinken und das Letzte, Innerste, Absolute der Dinge mit sich durchdringen will, erfährt von ihnen schmerzlichste Zurückweisungen, sie sind und bleiben etwas für sich, was ihrer völligen Einschmelzung in die Sphäre des Ich Widerstand leistet und so gerade den leidenschaftlichsten Besitz in Unbefriedigung ausklingen läßt. Der Besitz des Geldes ist von diesem geheimen Widerspruch alles sonstigen Habens frei. Um den Preis, an die Dinge selbst nicht heranzukommen und auf alle spezifischen, an Einzelnes geknüpften Freuden zu verzichten, kann das Geld ein Herrschaftsgefühl gewähren, das aber weit genug von den eigentlich empfindbaren Objekten absteht, um sich an den Schranken des Besitzen« ihrer nicht zu stoßen. Das Geld allein besitzen wir ganz und ohne Reserve, es allein geht völlig in der Funktion auf, die wir mit ihm vornehmen. So müssen die Freuden des Geizigen den ästhetischen ähnlich sein. Denn auch diese stellen sich jenseits der undurchdringlichen Realität der Welt und halten sich an ihren Schein und Schimmer, der dem Geiste völlig durchdringlich ist, wie er ohne Rückstand in ihn eingeht. Indes sind auch hier die an das Geld geknüpften Erscheinungen nur die reinsten und durchsichtigsten Stufen einer Reihe, die das gleiche Prinzip auch an anderen Inhalten verwirklicht. Ich lernte einen Mann kennen, der, nicht mehr ganz jung, Familienvater, in guten Verhältnissen, seine gesamte Zeit damit ausfüllte, alle möglichen Dinge zu lernen, Sprachen, ohne sie je praktisch anzuwenden, vollendet tanzen, ohne es auszuüben, Fertigkeiten jeder Art, ohne einen Gebrauch von ihnen zu machen oder auch Hinmachen zu wollen. Dies ist vollkommen der Typus des Geizhalses: die Befriedigung an der voll besessenen Potenzialität, die niemals an ihre Aktualisierung denkt. Aber auch hier muß deshalb der dem Ästhetischen verwandte Reiz vorhanden sein: die Beherrschung gleichsam der reinen Form und Idee der Dinge oder des Handelns, der gegenüber jedes Vorschreiten zur Wirklichkeit durch deren unvermeidliche Hindernisse, Rückstöße, Unzulänglichkeiten nur ein Herabsteigen sein könnte, und das Gefühl, die Objekte durch das Können absolut zu beherrschen, einschränken müßte. Die ästhetische Betrachtung – die als bloße Funktion jeglichem Gegenstande gegenüber möglich und dem »Schönen« gegenüber nur besonders leicht ist – beseitigt am gründlichsten die Schranke zwischen dem Ich und den Objekten; sie läßt die Vorstellung der letzteren so leicht, mühelos, harmonisch abrollen, als ob sie von den Wesensgesetzen des ersteren allein bestimmt wären. Daher das Gefühl der Befreiung, das die ästhetische Stimmung mit sich führt, die Erlösung von dem dumpfen Druck der Dinge, die Expansion des Ich mit all seiner Freude und Freiheit in die Dinge hinein, von deren Realität es sonst vergewaltigt wurde. Das muß die psychologische Färbung der Freude am bloßen Geldbesitz sein. Die eigentümliche Verdichtung, Abstraktion, Antizipation des Sachbesitzes, die er bedeutet, läßt dem Bewußtsein eben jenen freien Spielraum, jenes ahnungsvolle Sicherstrecken durch ein widerstandsloses Medium hindurch, jenes In-Sich-Einziehen aller Möglichkeiten, ohne Vergewaltigungen und Dementierungen durch die Wirklichkeit – wie es alles dem ästhetischen Genießen eigen ist. Und wenn man die Schönheit als une promesse de bonheur definiert hat, so weist auch dies auf die psychologische Formgleichheit zwischen dem ästhetischen Reiz und dem des Geldes hin; denn worin anders kann dieser letztere bestehen als in dem Versprechen der Freuden, die uns das Geld vermitteln soll? Es gibt übrigens Versuche, jenen Reiz des noch ungeformten Wertes mit dem Reiz der Formung zu vereinigen: das ist eine der Bedeutungen des Schmuckes und der Pretiosen. Der Besitzer davon erscheint als Repräsentant und Herr einer, unter Umständen sehr hohen, Wertsumme, die gleichsam eine verdichtete Macht in seiner Hand darstellt, während andrerseits die absolute Flüssigkeit und bloße Potenzialität, die diese Bedeutung sonst bedingt, doch zu einer gewissen Formbestimmtheit und spezifischen Qualität geronnen ist. Besonders schlagend tritt dieser Vereinigungsversuch im folgenden hervor: in Indien war es lange üblich, Geld in Form von Schmucksachen aufzubewahren, bzw. zu sparen: d. h., man ließ die Rupien einschmelzen, zu Schmuck verarbeiten (was nur einen sehr geringen Wertverlust erzeugte) und thesaurierte diesen, um ihn im Notfall wieder als Silber auszugeben. Offenbar wirkt der Wert so zugleich kondensierter und qualitätenreicher. Diese Vereinigung läßt ihn, indem er so selbst eigenartiger und seine atomistische Struktur aufgehoben ist, gewissermaßen der Persönlichkeit enger zugehörig erscheinen; so sehr ist dies der Fall, daß die fürstlichen Thesaurierungen von Edelmetallen in Gerätform seit Salomons Zeiten von dem trügerischen Glauben getragen wurden, in dieser Form sei der Schatz am engsten der Familie verbunden und vor den Griffen der Feinde am gesichertsten. Die unmittelbare Verwendung der Münzen als Schmuck hat vielfach den Sinn, daß man das Vermögen fortwährend an sich, also unter Aufsicht, haben will. Der Schmuck, der eine Bestrahlung der Persönlichkeit ist, wirkt als eine Ausstrahlung derselben, und darum ist es wesentlich, daß er etwas Wertvolles ist: der ideale, wie jener praktische Sinn seiner erheben sich auf seiner engen Zugehörigkeit zum Ich. Für den Orient ist hervorgehoben, die Bedingung alles Reichtums sei, daß man ihn flüchten könne, sozusagen also ihn dem Besitzer und seinen Schicksalen absolut folgsam mache. Andrerseits aber enthält auch schon die Freude am Geldbesitz zweifellos ein idealistisches Moment, dessen Hervorhebung nur deshalb paradox erscheint, weil einerseits die Mittel, zu ihm zu gelangen, an solchen Momenten meistens Mangel leiden, und weil andrerseits diese Freude in dem Augenblick, wo sie als Äußerung aus dem Subjekt heraustritt, dies gleichfalls in ganz anderer als idealistischer Form zu tun pflegt; das darf aber nicht die Tatsache verdecken, daß die Freude am Geldbesitz bloß als solchem eine der abstraktesten, von aller sinnlichen Unmittelbarkeit entferntesten, am ausschließlichsten durch einen Prozeß des Denkens und der Phantasie vermittelten ist. So gleicht sie der Freude am Siege, die bei manchen Naturen so stark ist, daß sie gar nicht danach fragen, was sie denn eigentlich durch den Sieg gewinnen.
Diese eigentümliche Art, in der der Geldbesitz die Erweiterung der Persönlichkeit, wie sie in jedem Besitz liegt, darstellt, findet eine Bestätigung oder Ergänzung in der folgenden Überlegung. Jede Sphäre von Objekten, die ich mit meiner Persönlichkeit erfülle, indem sie meinen Willen sich in ihr ausprägen läßt, fand ihre Grenze an den eigenen Gesetzen der Dinge, die mein Wille nicht brechen kann. Allein diese Grenze setzt nicht nur der passive Widerstand der Objekte, sondern, von der anderen Seite her, die Beschränktheit in der Expansionsfähigkeit des Subjekts. Der Kreis der Objekte, die dem Willen gehorchen, kann so groß sein, daß das Ich seinerseits nicht mehr imstande ist, ihn zu erfüllen. Wenn wir sagen, daß Besitz so viel ist als Freiheit, wenn meine Freiheit, das Sich-Durchsetzen meines Willens, sich nach dem Quantum des mir Gehörenden steigert, so geschieht dies tatsächlich nur bis zu einer gewissen Grenze, von der an das Ich seine potenzielle Herrschaft über die Dinge nicht mehr verwirklichen und genießen kann. Die Habgier kann natürlich über diesen Punkt hinausführen, aber sie offenbart ihre Sinnlosigkeit in der Unbefriedigung, die selbst ihrer Erfüllung eigen ist, ja in der gelegentlichen Bindung und Beengung, mit der das Übermaß des Besitzes in das Gegenteil seines eigentlichen Charakters und Zweckes umschlägt. Das ergibt Erscheinungen, wie die des unfruchtbaren Besitzes, weil die Tätigkeit des Besitzers nicht ausreicht, ihn zu befruchten; des Despoten, der es müde wird, über Sklaven zu herrschen, weil an der unbedingten Unterwerfung unter seinen Willen auch der Wille zur Macht endet und ihm der Reibungswiderstand fehlt, an dem er sich seiner erst eigentlich bewußt wird; des Eigentümers, der weder Zeit noch Kraft für den Genuß seines Eigentums übrig hat, weil dessen Verwaltung und Fruktifizierung beide bis zu ihrer äußersten Grenze verbraucht. Die Objekte unterscheiden sich nun an der Frage, welches Quantum von Persönlichkeit sie gleichsam absorbieren, d. h., von welchem Maße an ihr Besitz sinnlos wird, weil nur bis zu diesem noch das Ich imstande ist, ihn mit sich zu erfüllen. Auch hier nimmt das Geld eine besondere Stellung ein. Man kann sagen, daß zu seiner Verwaltung, Beherrschung, Genuß weniger Persönlichkeit eingesetzt zu werden braucht, als anderen Besitzobjekten gegenüber, und daß deshalb das Maß des Besitzes, das man wirklich erfüllen und zur wirtschaftlichen Persönlichkeits-Sphäre machen kann, ein größeres ist, als bei anderen Besitzformen. Abgesehen sogar von dem wirklichen Genießen ist in der Regel schon die Begierde nach allen anderen Dingen durch die Aufnahmefähigkeit des Subjektes begrenzt, sowenig die Grenzen beider auch zusammenfallen und in so weitem Kreise die erstere auch die letztere umgeben mag. Das Geld allein enthält – wie früher schon ein anderer Zusammenhang ergab – jenes innere Maß nicht, das sich schließlich auch als Begrenzung der Begierde nach dem Objekt geltend macht. Alles dies ist natürlich um so mehr der Fall, je mehr das Geld wirklich bloßes »Geld« ist, d. h. reines Tauschmittel ohne unmittelbar zu genießenden Eigenwert. Solange als Geld noch Vieh, Eßwaren, Sklaven usw., also eigentlich Konsumwaren, fungieren, bedeutet sein Besitz weniger, daß er ausgedehnte Kaufkraft, als reiche Fülle des eigenen Konsumierens verleiht. Hier sind sozusagen zwei verschiedene Formeln für die Ausdehnung der Persönlichkeit nahegelegt. In dem primitiveren, naturalwirtschaftlichen Fall besteht sie in dem Sich-Aneignen der Objekte durch unmittelbaren Genuß, man könnte sagen: das Ich dehnt sich von seinem Zentrum her kontinuierlich aus – während mittels des abstrakten Metallgeldes oder gar des Kredites diese näheren Stufen gleichgültig und übersprungen werden. Im Gegensatz zu dem »reichen« Manne der Naturalwirtschaft kann der moderne Reiche das bescheidenste, eingeschränkteste, im unmittelbaren Sinne genußloseste Leben führen; man kann z. B. auf kulinarischem Gebiet, wie ich glaube, als Folge der vorschreitenden Geldwirtschaft die zweiseitige Entwicklungstendenz feststellen, daß die Reichen immer einfacher essen – von Festlichkeiten abgesehen – und der Mittelstand immer besser – wenigstens in den Städten. Durch die Fernwirkungen des Geldes kann das Ich seine Macht, seinen Genuß, seinen Willen an entferntesten Objekten ausleben, indem es die nächstgelegenen Schichten vernachlässigt und übergeht, die jener primitivere Reichtum ihm allein zur Verfügung stellt. Die Expansionsfähigkeit des Subjekts, die durch seihe Natur selbst beschränkt ist, zeigt dem bloßen Gelde gegenüber eine größere Weite und Freiheit als an jedem anderen Besitz. So ist der Unterschied gegen die vorige Überlegung der: dort war es der eigene Charakter der Dinge selbst, an dem sich die Expansion des Ich brach; hier ist es die eigene Beschränkung der Persönlichkeitskräfte, die selbst bei völliger Nachgiebigkeit der Dinge von einem gewissen Besitzquantum dieser an erlahmen muß, eine Erscheinung, die, wie sich zeigte, am spätesten eintritt, wenn der Besitz nicht die Form spezifischer Objekte, sondern die des Geldes aufweist.